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Sonntag, 29. April 2012

Schafbergwand - Piccolo & Bridge of Light (6c)

Abgemacht waren zwei Bergtage mit Jonas, doch angesagt war eine stürmische Föhnlage, was Skitouren oder gar Bergsteigen unattraktiv machte. Aber etwas Alpinklettern müsste doch drinliegen. Das naheliegende Ziel um diese Jahreszeit, bereits schneefrei und den Sturmwinden nicht allzu fest ausgesetzt, war die bekannte Kalkplatte am Wildhauser Schafberg. Soviel vorweg, unsere Vorstellungen wurden voll erfüllt, und wir genossen eine tolle Kletterei bei sehr angenehmen Wetterbedingungen.

Kathrin und Basti liessen sich ob der oben genannten Logik für dasselbe Tourenziel begeistern, so ging es zu viert nach Wildhaus. Im Aufstieg via Gamplüt zur Alp Fros hinauf liegen zwar noch einige Schneefelder, doch man kann ihnen fast vollständig ausweichen, und gelangt gut trockenen Fusses dahin. Der Schlussaufstieg zur Wand hingegen ist noch fast komplett verschneit, doch dank dem kompakten, trittfesten Schnee gut in leichten Schuhen und ohne Winterausrüstung zu begehen. Somit konnte es kurz vor 11.00 Uhr losgehen mit der Kletterei.

Die Schafbergwand, immer wieder ein lohnendes Tourenziel!
Wir begannen mit der Route Piccolo:

SL 1, 25m, 4b: Ziemlich grasige Zustiegslänge zum eigentlichen Routenanfang. Von unten überlegt man sich zuerst, ob man gleich seilfrei gehen soll, doch dafür ist es dann doch zu schwierig, und die Griffe wollen auch etwas geprüft werden. Es stecken 2 Bolts, Stand an Föhre mit Schlingen.

SL 2, 35m, 6a+: Nun zweigt man nach rechts ab, zuerst einer Rissfolge entlang zu einem Verschneidungssystem. Die Kletterei hier ist sehr gut, lohnend, und auch gar nicht so einfach. Der Fels ist genügend fest, aber noch nicht erste Sahne. Die Absicherung mit BH ist bestens.


Piccolo, 2. SL (6a+)
SL 3, 25m, 6a+: Erst folgt man einfach entlang der Verschneidung weiter. Die Crux besteht aus einer Querung nach links über eine Platte. Hier muss man die Moves sorgfältig planen, der schwerste Zug an 2 Einfingerlöchern mit den Füssen auf Reibung. Diese Stelle kann auch A0 bewältigt werden. Danach wieder einfacher, und etwas "gemüsig", zum Stand. 

SL 4, 40m, 5c+: Die schönste Seillänge dieser Tour! Vom Stand geht es erst gemässigt aufwärts, bis hinauf unter einen überhängenden Aufschwung. Dieser ist aber nicht zu fürchten, ist er doch mit Traumhenkeln ausgestattet. Danach geht es weiter an Supergriffen, schön luftig der Kante entlang. Der Fels ist hier mehrheitlich fest, allerdings befindet sich der Stand die ganze Zeit genau in Schusslinie, weshalb trotzdem etwas Vorsicht nötig ist. Die Seillänge ist gut mit einem Mix von BH und Schlaghaken abgesichert.

Piccolo, die sehr schöne 4. SL (5c+)
Nach etwa 1.5 Stunden erreichen wir das Top. Die saubere Begehung dieser kurzweiligen Route war jetzt nicht die grosse Herausforderung, ein ganz simples Hochspazieren war es aber dennoch nicht. Wir seilen nun  auf der Rückseite 50m in den grossen Kessel/Schlucht ab, von wo wir die zweite Route anpacken werden.

Bridge of Light:

Vom grossen Kessel gilt es zuerst, ca. 60m die linke Schrofenrinne hochzusteigen. Zu Beginn noch nicht so schwierig und exponiert (T5), zuletzt liegen dann aber keine Fehler mehr drin (T5+). Für den Vorsteiger gibt es hier kaum Sicherungsmöglichkeiten, man kann ebenso gut seilfrei gehen. Zudem: Vorsicht vor Steinschlag! Am Routeneinstieg kann an einem einzelnen Klebehaken Stand gemacht werden. 

SL 1, 40m, 6c: Ziemlich einschüchternd sieht der steile Riss aus, zum Glück stecken hier die Bohrhaken in recht kurzen Abständen. Sobald man am Werk ist, stellt man dann fest, dass der Eindruck nicht getäuscht hat. Die Kletterei ist anspruchsvoll und pumpig, der Riss ziemlich rund, gute Griffe sind Mangelware. Nachdem ich zu Beginn den falschen Weg wähle und in eine Sackgasse gerate, lasse ich mich nochmals ab und kann die Länge im zweiten Anlauf dann sauber durchsteigen, allerdings nicht mit grossen Reserven. Hier könnte man wohl gut auch eine 6c+ vergeben, finde ich! Aber wie auch immer die Bewertung ist, diese Länge ist einfach toll, mit sehr abwechslungsreichen, ungewöhnlichen Moves.

Bridge of Light, Auftakt zur 2. SL (6b). Der Riss muss komplett selbst abgesichert werden.
SL 2, 20m, 6b: Zuerst wartet eine steile Verschneidung, welche gänzlich ohne fixe Absicherung ist. Sie sieht doch ziemlich einschüchternd aus, entpuppt sich dann aber als gutmütiger als vermutet. Selber Legen ist hier Pflicht, ein Sturz auf das Standbödeli hätte wohl gravierende Konsequenzen. Mit grossen Camalots (Grössen 1-3) ist dies aber gut möglich. Erreicht man den ersten Absatz in der Verschneidung, geht es links hinaus in die hier etwas grasige Platte, wo dann auch Haken (1 NH und 3 BH) stecken. Zuletzt wieder nach rechts hinaus zur Verschneidung mit unbequemem Hängestand.

Bridge of Light, 2.SL (6b). Nach der Verschneidung in die hier etwas grasige Platte hinaus.
SL 3, 20m, 5c+: Der Verschneidung entlang geht es weiter, zwei Bolts stecken, die Absicherung will also noch etwas aufgepeppt werden, wozu wiederum die grossen Cams zum Einsatz kommen. Dank griffigem, wasserzerfressenem Fels ist die Kletterei nicht allzu schwierig, und sehr genussvoll. Dank den Tropflöchern links muss man über weite Strecken gar nicht an der Verschneidung piazen, sondern kann in der Plattenwand links klettern. Obwohl rechts ein bequemes Bödeli erreichbar wäre, muss man auch hier einen unbequemen Hängestand vergegenwärtigen.

Bridge of Light, 3. SL (5c+). Mal in der Verschneidung, mal in der sehr schönen Platte.
SL 4, 25m, 6a: Eine weitere Seillänge im gleichen Stil wie die Vorherige: knappe Absicherung mit 3 Bolts, aber gut zu Ergänzen mit den Cams, dazu die Kletterei im wasserzerfressenen Fels, manchmal die Verschneidung benützend, manchmal in der Wand links. Der Fels ist einfach vorzüglich und erinnert sehr an den unteren Teil der Millenium in der Hauptwand des Reissend Nollen. Und gleich nochmals gibt es hier einen unbequemen Hängestand.

Bridge of Light, 4. SL (6a): Verschneidung und Platte, super!
SL 5, 40m, 6c: Vom Stand weg gilt es eine Plattenquerung nach links zu meistern. Auf den ersten Eindruck sieht das nicht sonderlich schwer aus, doch nie nahe steckenden Bolts lassen anderes vermuten. So ist es dann auch, es muss sauber auf Reibung angetreten werden und gute Griffe sind Mangelware. Ist die linke Kante erreicht, so geht es dieser entlang einfacher aufwärts, man bedient sich grasgefüllter Risse als Griffe, hier sollte man mal richtig putzen! Zum Schluss quert man dann wieder nach rechts an die Verschneidung und muss über den Überhang hinweg nach rechts aussteigen. Die richtige Linie zu erkennen ist gar nicht so einfach hier, da hier nur selten geklettert wird, gibt es überhaupt keine Spuren und die Griffe sind auch etwas staubig. Ich kann es dann aber doch durchziehen, und mit Seilzug geht es über Graspolster zum Stand, etwa 15m unterhalb des Westgrats.

Bridge of Light, 5. SL (6c). Dieser Wulst ist die Crux, zum Ausstieg ist's dann etwas grasig.
Um 15.40 Uhr sind wir am Ausstieg, etwa 2.5 Stunden haben wir also für die Route gebraucht. Ich muss sagen, eine wirklich tolle und abwechslungsreiche Kletterei, typische Schafberg-Plattenschleifer kommen zwar auch vor, aber (für solche die das fürchten) nur in homöopatischen Dosen. Ich muss sagen, leicht ist mir die Tour nicht gefallen, die beiden 6c-Längen sind alles andere als einfach, doch immerhin bestens abgesichert. Die drei Verschneidungslängen dazwischen fand ich hingegen eher hart bewertet, zudem ist auch bezüglich der Absicherung Eigeninitiative gefragt.

Wir machen uns ans Abseilen. Dies wäre problemlos über die Route möglich, noch bequemer geht es, wenn man zwei Stände der benachbarten "Tanz auf dem Regenbogen" von meinem Tourenpartner Walter Hölzler benutzt. So erreicht man mit 3x50m wieder den Einstieg, von wo man am Klebehaken die Schrofenrinne abseilt. Zum nächsten Stand sind es da 60m, aber man kann die untersten 10m auch gut abklettern (einfach und nicht exponiert). Ab dem dortigen Abseilstand sind es dann weitere 60m bis zum Wandfuss, ein Zwischenstand mit BH ist jedoch vorhanden, so dass es auch gut mit 2x50m-Seil geht. 

Blick zu den Churfirsten, noch viel Schnee auf der Nordseite.
Um 16.30 Uhr brechen wir auf und rutschen im Nu die immer noch schön kompakten Schneefelder zur Alp Fros hinunter. Dann geht's zügig nach Wildhaus, so dass wir schon bald das Panaché bestellen können. Das tut echt gut, denn die warme, trockene Föhnluft hat für gewaltigen Durst gesorgt. Gemütlich lassen wir es uns im Wirtshaus gut gehen, bis das Duo aus der "Da muesch en Dickä schickä" auch bei uns eintrifft.

Facts:

Schafbergwand - Piccolo (6a+, 6a obl.) - M. und U. Wiesmann 1982 - 4 SL, 125m - **, xxxx
Material: 10 Express, evtl. Camalots 0.3-1 und Keile 4-9.

Nach der unschönen Zustiegslänge lohnende Kurztour mit Verschneidungs- und Wandkletterei an meist solidem Fels. Die Route wurde durch Walter Hölzler saniert und ist gut mit Inoxbolts ausgerüstet. Zusätzliche Absicherung mit mobilen Mitteln ist nicht zwingend nötig, Friends und Keile könnten aber hier und da gut platziert werden. Die Route ist besonders als Zustieg zu den oberen Südwandrouten attraktiv, der Normalweg durch die Schlucht ist nämlich steinschlägig und unlohnend.

Schafbergwand - Bridge of Light (6c, 6b obl.) - Hutzli/Jäggi/Suter 1998 - 5 SL, 150m - ***, xxx(x)
Material: 12 Express, Camalots 1-3.

Prima abwechslungsreiche Riss-, Verschneidungs- und Plattenkletterei in vielfach vorzüglichem, wasserzerfressenem Fels, lediglich einige kurze Passagen folgen grasgefüllten Rissen. Die Kletterei ist anhaltend recht anspruchsvoll und für die angegebenen Bewertungen ziemlich fordernd. Die Absicherung an den schweren Stellen ist bestens mit Inoxbolts, die drei einfacheren, zentralen Verschneidungslängen müssen aber teilweise zwingend mit Klemmgeräten zusätzlich abgesichert werden. 

Topo:

Gute Routenskizzen inklusive der eingezeichneten Haken (auch wenn es hier und da noch einen mehr hat als eingezeichnet) findet man im Kletterführer Alpstein, oder hier auf der Seite von Walter Hölzler. Unten ein Übersichtstopo mit Routenverläufen aus meiner Produktion, es ist auch als PDF verfügbar.

Schafbergwand: Topo von Piccolo & Bridge of Light.




Donnerstag, 26. April 2012

Galerie - Madame Muscle Natural (7c)

Die Madame Muscle ist eine Tour im Klettergarten Galerie ob dem Walensee. Mit dem Grad 7b bewertet erfreut sie sich nicht sonderlich grosser Beliebtheit. Dafür sehe ich hauptsächlich zwei Gründe: erstens ist die Tour ziemlich inhomogen. Die Schwierigkeiten bewegen sich über weite Strecken im Bereich von 6c, nur eine etwa 7-8 Züge umfassende Cruxzone ist deutlich schwieriger. Zweitens weist diese Schlüsselpassage auch noch einen unschön geschlagenen Griff auf, welcher vermeintlich eine Begehung erst möglich macht.

Routenbeschriftung, die Naturvariante könnte man jetzt ergänzen :-)
Am 28.2.2010 hatte ich diese Linie klettern können. Leicht ist sie mir nicht gefallen, in der Crux musste ich mich einer komplizierten Sequenz bedienen, welche ich erst nach 6 Versuchen erfolgreich aneinanderreihen konnte. Schon damals war mir aufgefallen, dass der künstliche Griff wohl nützlich war, aber vermutlich nicht unentbehrlich, d.h. dass eine Begehung an den naturgegebenen Strukturen möglich sein dürfte. Doch ich wandte mich wieder anderen Galerie-Projekten zu, und verschob die Idee der Nature-Begehung auf später.

Nach dem Einrichten der gleich nebenan gelegenen Crossroads lag es dann auf der Hand, die Madame Muscle wieder einmal zu inspizieren. Die Griffabfolge ohne Verwendung des geschlagenen Bohrmaschinenlochs konnte ich mir bald einmal vorstellen, das ganze in eine durchstiegsreife Sequenz zu verpacken war dann aber doch gar nicht so einfach, der Teufel steckte im Detail. Zudem brauchen die kleinen Griffe schlicht und einfach Kraft, ebenso fressen sie ziemlich Haut. So waren dann über 4 Besuche verteilt ganze 10 Versuche notwendig, bis endlich der Rotpunkt gelang! Mit etwas Glück bzw. weniger Unvermögen und grösserer Hartnäckigkeit wäre es vielleicht auch ein bisschen schneller möglich gewesen...

Föhnstimmung auf der Galerie
Somit kann man nun also sagen, dass der Kunstgriff in der Madame Muscle definitiv unnötig ist. In der Naturvariante schätze ich die Schwierigkeit auf 7c oder 7b+ ein, wegen meiner zahlreichen Versuche würde ich eher auf ersteres tippen. Somit bleibt einzig drei Fragen im Raum: a) hast Du die Madame Muscle auch schon einmal ohne den Kunstgriff geklettert, b) welcher Grad passt für die Madame Muscle Natural und c) müsste man den geschlagenen Griff jetzt wieder auffüllen? Kommentare sind erwünscht...

Sonntag, 22. April 2012

Amden - Sellbach - Tapis Volant (WI3+)

Während der Kälteperiode im Februar 2012 überschlagen sich in den Medien die Superlative bezüglich maximal tiefer Temperaturen. Für den Eiskletterer ist auch ohne das Mediengetöse sehr offensichtlich, dass wir es mit einer einmaligen Chance zu tun haben, die möglicherweise nicht so bald wiederkommt. Als ich dann auch noch ein sehr spannendes Projekt in der Nähe vorschlagen kann, lässt sich Kathrin nach nur kurzem Zögern für eine Tour im Eis begeistern...

Obwohl viele "klassische" Touren zu jenem Zeitpunkt "risikolos" zu haben gewesen wären, d.h. gemäss Berichten in eindeutig sehr guten Bedingungen, entscheiden wir uns für das Abenteuerliche, sprich für eine unbekannte, aussergewöhnliche Tour, wo wir dafür über das Anzutreffende im Unklaren waren. Nun, dass im von Amden in den Walensee entwässernden Sellbach Eis vorhanden war, hatte ich auf der Vorbeifahrt klar gesehen. Ungewiss waren vor allem Verlauf und Schwierigkeiten. Ebenso wenig drang trotz Rumfragen Kunde von früheren Begehungen dieses Baches zu meinen Ohren.

Terrasse von Amden mit Mattstock, der Sellbach in Bildmitte.
Oben im Bild die Sicht über den Walensee hinweg, auf Amden und Mattstock. Der Sellbach führt kaum sichtbar, ziemlich genau in Bildmitte, durch ein eingeschnittenes Couloir vom flachen Gelände oberhalb is zum See runter. Die Zoom-Aufnahme im Bild unterhalb schafft Klarheit: das Eiscouloir, wiederum in Bildmitte, ist klar sichtbar. Hinweis: die Bilder wurden eine Woche nach der Tour aufgenommen, auf dem Rückweg von der Tschuggen-Skitour, als schon eine deutliche Erwärmung eingesetzt hatte.

Close-Up vom Sellbach.
Der Zustieg ist dann selten bequem - mit dem Auto fährt man direkt am Einstieg vorbei. Dass man auf der schmalen Strasse nicht direkt am Bach parkieren kann, ist unter diesen Voraussetzungen fast unerhört ;-). Na ja, 300m weiter geht das schon, und in minutenschnelle ist man wieder zurück am Einstieg. Da spielt es nicht einmal eine Rolle, dass ich für einmal wieder die Seile im Kofferraum liegen lassen habe.

Einstieg auf der Teerstrasse.
Der Einstieg, reichlich skurril, auf einer Teerstrasse direkt am Walensee, auf 419m. So trivial wie man meinen mag, ist es dann aber gar nicht, ans Eis zu kommen. Die Betonmauer, bzw. der Abgrund dahinter stellt doch ein ziemliches Hindernis dar, so dass ich Kathrin am seeseitigen Brückengeländer ablasse. Ich ziehe dann aber doch den Weg über die Mauer und die dadurch folgende Traverse im Fels vor.

Die erste Seillänge sieht ganz ordentlich gemütlich aus: einfache Eiskletterei in der schmalen Bachrinne, mit zwei etwas steileren Aufschwüngen durchsetzt. WI2 kann man dafür veranschlagen, tiptop zum Aufwärmen und Angewöhnen. Bei einem (trockenen) Bassin bietet sich nach 50m ein idealer Stand an, Bäume an den Seiten wären vorhanden, bequemer geht's mit zwei Schrauben im Eis. So, nun ist Kathrin mit dem Nachstieg dran...

Kathrin folgt in SL 1 (WI2).
Oben im Bild Kathrin am Ende der ersten Seillänge (WI2), welche der hier schmalen, aber tiptop vereisten Bachrinne folgt. Während von der Strasse durch das Geäst noch fast gar nichts erkennbar war, haben wir nun freien Blick auf die nächste, d.h. die zweite Seillänge, welche einen sehr vielversprechenden Eindruck macht.

Blick auf SL 2 (WI3).
Erst warten 20 weitere Genussmeter, ebenfalls im WI2-Bereich, danach wird es steiler, und es folgen 30m supertolle Kletterei, gegen Schluss hin so um 80 Grad steil, ich würde WI 3 dafür veranschlagen. Die Eisqualität übrigens tiptop, trotz der Kälte schön plastisch, gar nix spröde, und bestens zum Schrauben.

Kathrin folgt in SL 2 (WI3).
Ja, so macht es richtig Spass! Kathrin steigt auch diese zweite Seillänge problemlos nach - nicht selbstverständlich, ist es doch eine kleine Ewigkeit her, seit sie das letzte Mal die Steileispickel geschwungen hat. Das gute Eis, die genussreiche Kletterei an der Sonne, das liebliche, fast mediterrane Ambiente und trotz Minusgraden angenehme Temperaturen machen es aber auch einfach. Der Weiterweg sieht nochmals einen Tick schwieriger aus. Aber nichts beängstigendes...

Die Cruxlänge, ca. WI3+/WI4-.
Die erste Hälfte der dritten Seillänge offeriert genussreiches Gelände um WI3-. Danach folgt die steilste Stelle der Tour, etwa 10m erreichen fast die Senkrechte, d.h. sind ca. 85 Grad. Ich denke, die dürften so bei WI3+, vielleicht sogar WI4- einchecken. Bei diesen guten Bedingungen, die Pickel bissen zumeist beim allerersten Schlag solide, aber natürlich problemlos.

Nachstieg in der Cruxlänge, mit Sicht runter bis zum Einstieg.
Kathrin packt auch diese Seillänge sauber im Nachstieg, so können wir schon bald den Blick nach vorne richten. Und da wartet nochmals eine dick vereiste Stufe, etwa 70 Grad steil, etwa WI2. Erneut eine super Genusslänge, gute 30m geht es so dahin, dann weiter bis zum Seilende über einige Stufen rauf dem sonst flachen Bach entlang.

Blick auf SL 4 (WI2).
Kathrin kommt zügig zu mir nach, und das Bild, welches ich machen kann, bevor sie den Stand erreicht, dürfte für eine Eisklettertour Seltenheitswert haben: nebst dem Eis ist es fast so grün wie in der Masoala-Halle im Zürcher Zoo!

Kurz vor dem Stand von SL 4.
Spannend ist nun vor allem der Weiterweg. Am Fusse einer Felswand entlang hat sich der Bach sein Bett gefressen, landschaftlich sehr eindrücklich. Hier kann man ganz simpel auf Eis spazieren, danach wird es dann wieder steil zur Sache gehen - womöglich gar zu steil? Also machen wir uns auf den Weg...

Der Weiterweg: was wartet wohl?
Wie wir am Fusse der nächsten Stufe ankommen, müssen wir konstatieren, dass sich diese nicht vollständig wird beklettern lassen. Viel zu dünn ist das Eis, stellenweise kaum vorhanden. Im Toprope oder wenn im Fels Bohrhaken stecken würden, so könnte man sich vielleicht schon hocharbeiten.

Die zu schwach vereiste Stufe - in Natura höher und steiler, als es hier aussieht.
Aber das ist halt nicht so, und darum ist ein schlauer Plan B gefragt. Natürlich, abseilen zurück zum Einstieg wäre problemlos möglich, aber nach oben aussteigen ist immer attraktiver. Und dafür entdecke ich eine Möglichkeit. Zuerst wartet nochmals eine 15m-Eisstufe, dann Mixedgelände und schliesslich können werden wir auf einem Felsband nach links ausqueren können.

15m-Eisstufe zu Beginn der 6. SL (WI3).
Das Eis zu Beginn der Stufe ist recht steil, lässt sich aber gut klettern. Doch es wird dünner und dünner, und das Gelände wird Mixed. Bei kurz etwas mässiger Sicherung muss ich auf dem eher ausgewaschenen Fels rumkratzen: eher etwas psycho als wirklich schwierig. Weiter geht es dann linkshaltend in cooler Torfkletterei zu bequemem Stand auf dem Felsband.

Kathrin steigt nach im "Eigerterrain" von SL 6 (WI3). 
Das Felsband lässt sich wohl problemlos begehen, hält aber sonst noch einige Überraschungen bereit. Da war wohl mal der Specht auf Besuch, allfälligen Angstschweiss kann man mit Rexona übertünchen und für potentielle Schmerzen gäbe es auch noch eine Portion Total Tramal...

Torfkletterei und Felsstufe zum Ende von SL 6 (WI3).
Wir können uns indessen losseilen, queren über das Band raus und erreichen oberhalb einen bequemen Weg. Diesem folgen wir, um bald auf den Wanderweg zu treffen, der uns nach Betlis zurückführen wird. Erst ist noch etwas Aufstieg nötig, dann geht alles runter, und es gibt tolle Einblicke in den Seerenbachfall.

Felsband, auf welchem wir ausgequert sind.
Nach kurzer Zeit sind wir retour beim Strandbad in Betlis, wo sich der Kreis schliesst und wir unsere Tour beenden. Das Ambiente mit dem baldigen Sonnenuntergang über dem Walensee ist fast mediterran. Wer würde glauben, dass wir von einem Eisklettertag zurückkehren?

Sonnenuntergang über dem Walensee

Facts:

Betlis/Amden - Sellbach - Tapis Volant (III, WI 4-, 280m) - Marcel & Kathrin Dettling 12.02.2012*

* Womöglich wurde der Fall schon früher begangen, ich habe bisher aber nix derartiges erfahren

Superschöne, gemütliche Eisklettertour mit zwei, drei kurzen, steileren Stellen durch eine Bachrinne. Wegen der tiefen Lage (Einstieg auf 420m), der südseitigen Ausrichtung und der Tatsache, dass der Sellbach für das Kraftwerk Muslen gefasst wird und daher nicht viel Restwasser fliesst dürften die Bedingungen nur in seltenen Fällen geeignet sein. Wenn dem aber so ist, so darf man nicht zögern! Der Erlebniswert der Tour steht für mich auf allerhöchster Stufe, es ist eine der, wenn nicht die schönste Eistour, die ich bisher begehen konnte.


Dienstag, 17. April 2012

Pilatus: Killing the Healer (7c)

Will man bei der aktuellen Wetterlage bergsportlich aktiv sein, so gilt es, die sich bietenden Gelegenheiten zu nützen, selbst wenn man nur kleine Brötchen backen kann. Für den heutigen Tag war das eine Klettersession am Pilatus, zusammen mit Chris. Nun, als wir kurz nach Mittag an der Wand ankamen, da war die Situation alles andere als erfreulich: tropf, tropf, tropf, ... und die meisten Routen in diesem fast immer trockenen, sonst mediterranen Klettergarten waren noch nass.

Immerhin konnten wir uns in der bereits früher gekletterten Choose Wisely (7a+) aufwärmen - gar rotpunkt, und erst noch ohne zu überhitzen. Dann war guter Rat aber etwas teuer. Eigentlich all die erträumten Projekte waren nicht bekletterbar, als einzige Möglichkeit blieb die mit etwas Sika und Bohrmaschine hergerichtete The Healer (7c+). In jener erwies sich, eine Einzelstelle als für mich zwar grenzwertig knapp kletterbar, aber (noch?) nicht wirklich tauglich für einen RP-Durchstieg.

Chris am Ausklettern in Sunset Strip (7a)
Als lohnende Alternative bot sich in Routenmitte ein Wechsel in die daneben gelegene Killin' Rats (7c) an. Jene war im Einstiegsbereich nass, der von uns benutzte, pumpige Ausstieg an rauhem Fels war hingegen tiptop. Im dritten Versuch gelang mir dann, langsam ein bisschen auf Reserve, der Rotpunkt-Durchstieg. Sie bietet lohnende, homogene und kraftraubende Kletterei mit logischer Linie, die zudem auch nach starken Regenfällen Trockenheit garantiert. Als Name für diese Kombination bietet sich so etwas wie Killin' the Healer oder Healin' Rats an - ich bevorzuge ersteres. Und als Bewertung dürfte man im lokalen Kontext wohl eine 7c veranschlagen.

Samstag, 14. April 2012

Oltrefinale / Acquario, Tortuga und Guggenheim

Im Val Pennavaire, im Hinterland von Albenga an der ligurischen Küste, schossen in den letzten 10 Jahren die neuen Klettergebiete wie Pilze aus dem Boden. Diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen, noch immer werden neue Felsen entdeckt und eingerichtet. Anders als hierzulande werden dort die neuen Klettergärten auch noch veröffentlicht: so gelangte die Kunde der Gebiete Acquario, Tortuga und Guggenheim bereits in den letzten Jahren zu mir. Als ich mir Gewahr wurde, dass diese alle 3 viel Kinderfreundlichkeit bei wenig Andrang bieten, war ein Besuch in unseren Oster-Kletterferien gesetzt. 

Unser Arcimboldo wie er leibt und lebt - immer am kraxeln, oder mit einer spannenden Entdeckung!

Acquario 

Dieses Klettergebiet befindet sich in unmittelbarer Nähe des bekannten Terminal. Ja, es ist sogar von der Strasse sichtbar, da die Felsen aber nicht allzu hoch sind, und im lokal typischen Wald versteckt sind, nimmt man ihn kaum wahr. Als Ausgangspunkt dient der Weiler beim Agriturismo da Ferruccio (4.5km ab  Martinetto), wo man im Aufstiegssinn links des Bächleins startet und so in problemlosen 10 Minuten die Einstiege erreicht, der Weg ist aktuell (April 2012) mit Schildern und Filzstiftmarkierungen sehr gut gekennzeichnet. 

Der erste Eindruck der Wand ist dann gar nicht so „mega wow“, denn die Felsen sind maximal 15m hoch. Aber steil, gespickt mit Sintersäulen, Flowstone und rauhen, Blumenkohl-ähnlichen Strukturen. Es gibt 45 Touren in den Graden 5a-7c, die Wand ist nach Süden exponiert, und am besten für Frühling und Herbst tauglich. Für den Winter liegt der Fels zu tief im engen Tal und erhält nur wenig Sonne, im Sommer wird es hingegen zu warm sein. Die Absicherung sieht perfekt aus (und ist es auch), und in der Tat ist der terrassierte Wandfuss sehr kinderfreundlich. Positiv ist auch zu werten, dass wir bis auf 2 italienische Seilschaften alleine da sind. Dann also mal los! 

Fränkische Atmosphäre im Sektor Acquario
Aufgewärmt wird in Phycis (6c). Strenge, athletische und ausdauernde Sinterkletterei, super genussvoll, für mich gerade recht für ein kleines Anpumpen zum Aufwärmen. Aber ist da einer der entscheidenden Griffe in der Route etwa künstlich aufgebessert? In diesem Fall bin ich nicht zu 100% sicher, da aber in etlichen anderen Routen offensichtlich gebastelt wurde, auch nicht ausgeschlossen. Immerhin, die Kunstgriffe sind ziemlich diskret, recht natürlich eingebettet und homogenisieren die Routen angenehm. Nicht, dass sie deswegen gutzuheissen wären, aber immerhin „stören“ sie den Kletterfluss nicht. 

Schliesslich komme ich zu einer zweiten Aufwärmrunde in der Diavolo di Mare (6b). Den Mädels ist da eine Stelle zu schwer und zu psychisch. Die Route hat es dann trotz guter Absicherung tatsächlich in sich, bei der obligatorischen Crux muss ich genau hinschauen, um sie zu entschlüsseln und komme durchaus etwas ins Schnaufen – den angegebenen Grad empfinde ich als klar zu tief. Die Kletterei ist wohl gut, qualitativ mit der Phycis aber nicht zu vergleichen. 

Als Rotpunkt-Ziel für den heutigen Tag erküre ich dann die interessant aussehende Wakin (7c). Ein erster Go zum Erkunden zeigt, dass es da gleich die ersten Meter sind, welche Probleme machen. Schliesslich kommt mir einer der Italiener zu Hilfe. Während wir diese, ob ihren grauen Haaren erst für Plaisirkletterer gehalten haben, ziehen die nämlich ganz schön harte Moves, besonders der 60-jährige Ermanno und der 69-jährige Brunin bewegen sich noch Rotpunkt in den Graden 7b und 7c! So kommt es dann, dass mir ein Rentner die Züge der Wakin erklärt. 

Sektor Acquario, kräftige Sinterkletterei, 15m hoch und 3-4m überhängend.
Schliesslich ist eine für mich konsistente Lösung gefunden und mein erster Rotpunktversuch scheitert nur knapp. Der schwere Einstieg läuft perfekt, danach ist aber noch etliches an Rési erforderlich, und kurz vor dem Ausstieg wartet eine Sequenz von harten Zügen. Da bin ich eigentlich korrekt unterwegs, doch weil sich ein Move hart anfühlt und ich ihn nicht zu 100% statisch ausführen kann, beginne ich zu zögern. Ich suche eine neue, bessere Position, die es aber nicht gibt... in Sekundenschnelle ist das Pulver verschossen und Game Over. 

Im dritten Go dann bin ich wieder an derselben Stelle, kann den nächsten Griff in einem Deadpoint gerade noch fassen. Ab dort wären es noch 5 Moves, aber mir geht an den schon besseren Griffen der Strom aus, und wieder: tschüss! Als ich mich das nächste Mal einbinde, bin ich gar nicht mehr so voller Hoffnung. Doch Klettern ist manchmal schon komisch: während ich unten erst einmal mangels Druck am Fuss von einer kleinen Leiste rutsche, mich bereits etwas ausgepowert fühle, aber dennoch gleich nochmals erfolgreich neu beginne, geht es oben dann perfekt, so dass ich die Züge kraftvoll und sauber durchziehen kann, und mir den Rotpunkt in der Wakin (7c) abhole! 

Tortuga 

Eigentlich war unser Plan für diesen Ostersonntag, im weiter taleinwärts gelegenen Sektor Red Up an der Sonne zu klettern. Wir kurvten (weit, 15km ab Martinetto!) hoch nach Alto im Val Pennavaire, und erreichten den Red Up in 15 Fussminuten. Doch ganz offensichtlich erfreuen sich diese super aussehenden, dem Terminal ähnlichen Sinterklettereien sehr grosser Beliebtheit. Am Einstieg sieht es ähnlich aus wie in der Kletterhalle bei Höchstbetrieb. Darauf haben wir keine Lust, und auch der Wandfuss ist bei diesem Andrang nicht genügend kinderfreundlich. Weil der nahe gelegene Sektor Corsia zwar verwaist ist, aber mit seinen 8-10m hohen Boulderrouten an geschlagenen Griffen auch gleich sehr unattraktiv, beschliessen wir, mal den Sektor Tortuga auszuchecken. 

Felsstruktur im Sektor Tortuga, das Seil hängt in Barbanera (7a).
Dieser befindet sich gar nicht im Val Pennavaire, sondern im benachbarten Val di Neva, allerdings ganz am Eingang. D.h., bei der Strassenverzweigung in Martinetto gilt es nicht links, sondern für einmal rechts Richtung Garessio-Zuccarello zu halten. Schon nach 800m ist linkerhand ein grosser Steinbruch, wo man parkieren kann. Von da ca. 80m auf der Strasse zurückgehen und auf der linken Talseite recht steil auf schwachen Wegspuren in ca. 7 Minuten zu den bereits von der Strasse sichtbaren Felsen hochsteigen. Aktuell (April 2012) befindet sich an der Hangböschung ein Baustelle, so dass der Beginn des Pfades nicht ganz einfach zu lokalisieren ist. 

Die Felsen sind nach Westen exponiert, die Einstiege sind im Schatten der Bäume. Die Sonne erreicht den Fels ab dem frühen Nachmittag. Ideale Jahreszeit sind Frühling und Herbst, im Winter ist es hier zu kalt/schattig, im Sommer sind die Morgenstunden tauglich. Der Hauptsektor bietet 16 Routen zwischen 15-25m Höhe in den Graden 4b-7c+. Die schweren Touren im Zentrum der Grotte sind athletische Überhangklettereien, vom Stil her ähnlich wie in Castelbianco. Die leichteren Touren rechts und die 11 Routen im 50m rechts oberhalb gelegenen Nebensektor bieten leicht überhängende Wandkletterei. Ein weiterer Vorteil: der auch hier terrassierte Wandfuss ist perfekt kinderfreundlich, die Grundmauern eines alten Gebäudes geben gar eine perfekte Kinderbox her. 

Crux in Calipso (7a), Sektor Tortuga
Weil Mittag inzwischen schon vorbei ist, steige ich ohne zu Zögern gleich in die Barbanera (7a) ein. Deren Crux hält einen super Bouldermove bereit, welchen ich aber nicht auf Anhieb entziffern kann. Im Rest wird mehr die Ausdauer gefordert. Im zweiten Go kann ich die Route problemlos durchsteigen. Als nächste Tour ziele ich auf die Francis Drake (7b). Die ersten Meter sehen schwer aus und ich vergebe mir den Onsight schon mit der Entscheidung, am in der zum selben Stand führenden Nachbartour hängenden Seil zu klettern. Dies war aber der richtige Entschluss, die weit auseinander liegenden Crimps wollen geplant in eine Sequenz integriert werden. Im zweiten Versuch kann ich sie dann sauber und mühelos durchsteigen. So bleibt zuletzt noch ein Onsight-Go in der weit überhängenden Calipso (7a), die unnahbar und schwer aussieht. Es entpuppt sich dann aber doch weitgehend als henklig-gängig, erst kurz vor dem Stand kommt die Crux. Da muss ich knieklemmen und schütteln, kann mich aber schliesslich mit dem letzten Strom sauber zum Stand retten. 

Guggenheim 

Am Ostermontag regnet es leicht, also muss ein geeigneter, überhängender Sektor her. Die Standardwahl, das Anfiteatro am Monte Cucco in Finale, fällt wegen dem zu erwartenden Andrang aus. Im Val Pennavaire gibt es aber diverse Alternativen, unter anderem der neu erschlossene Settore Guggenheim. Diese Felsen hatte ich bereits früher von der Strasse beobachtet und mich noch gefragt, warum es da wohl keine Routen gäbe... inzwischen ist das also erledigt mit der Erschliessung. 

Sektor Guggenheim im Val Pennavaire, am prominentesten im Bild der rechte Sektor.
Die Zustiegsbeschreibung im Faltblättchen ist leicht irreführend, so dass ich mich erst mal durch nasses Buschwerk an den Wandfuss vorkämpfe. Im Abstieg zurück zur Familie finde ich dann den richtigen Pfad, und kann mit ihnen den korrekten Weg nehmen: dieser beginnt, wenn man von Colletta nach Oresine fährt, in der letzten Haarnadelkurve vor dem Ort, rechts des kleinen Rinnsaals beim Schild mit der Aufschrift „Via del XXIV Maggio“. Schon nach 15m geht’s links über den Bach, und ab da leiten gute Wegspuren über Terrassen in 3 Minuten zum Wandfuss. 

Hier beginnt der Zustiegspfad zum Sektor Guggenheim.
Der Guggenheim unterteilt sich in 2 Sektoren. Zuerst kommt man zum rechten, der 23 sehr schöne, 20m hohe Routen in den Graden 5c-6c+ bietet. Es handelt sich um leicht überhängende Wandkletterei an rauhem, griffigen Fels. In einer kleinen, zentralen Grotte hat es auch noch einige Projekte, aber vor allem befindet sich an deren Fuss ein schöner, kindertauglicher Platz. Da nach SE exponiert und recht hoch an der Talflanke gelegen, könnte man hier auch in der kalten Jahreszeit gut klettern. Der linke Sektor ist ca. 1 Minute entfernt und besteht im Wesentlichen aus einer steilen Grotte. An deren Flanken gibt es auch noch einige gemässigte Touren, so dass 14 Routen zwischen 6a-7c zur Verfügung stehen, mit bis zu 25m Länge. 

Kathrin in der fotogenen Gaugin (6b) im Sektor Guggenheim.
Ich klettere im rechten Sektor die Touren Van Gogh (6b, super), Monet (6c, prima Tour mit harter Einzelstelle) und Arcimboldo (6b+, fantastisch). Im linken Sektor engagiere ich mich in der Rembrandt (7a). Die ist auch genial, dünkt mich aber eher auf der harten Seite, ist tricky und erfordert Kraft und Ausdauer. Onsight chancenlos, kann ich mich im zweiten Versuch gerade knapp zur Kette retten – vielleicht sind es aber auch die mässigen, feucht-kühlen Bedingungen, oder die Ermüdung am 5. Klettertag am Stück. Anyway, der Guggenheim-Sektor ist eine gute Adresse, und wir werden sicher wieder hierherkommen.

Topos

Ein Faltblatt mit Zustiegsbeschreibungen (nicht ganz so präzisen wie die meinigen oben ;-)) und Routenlisten kann man auf Anfrage für 5 Euro pro Stück in der Bar Neva in Cisano sul Neva kaufen. Am Fels sind alle Touren mit Namen angeschrieben, so reichen im Prinzip auch die im Internet auffindbaren, jeweils fast vollständigen Routenlisten aus:

Tortuga: Routenliste
Acquario: Routenliste
Guggenheim: Routenliste, Ergänzung

Donnerstag, 12. April 2012

John Salathé

Die Salathé Wall am Granitmonolithen El Capitan im Yosemite Valley ist ein Begriff in der Kletterwelt: hoch, glatt, steil und schwierig. Was und wer sich hinter dem Namen "Salathé" verbirgt, wäre selbst mir als durchaus an der Alpinhistorie-Aficionado bis vor kurzem unbekannt gewesen. Jetzt weiss ich es, und die Sache ist tatsächlich hochspannend.

Wand und Tour haben ihren Namen zu Ehren von John Salathé, seines Zeichens ein in der Schweiz geborener USA-Emigrant. Ein total kauziger Typ, der erst im Alter von 46 Jahren während einem Kuraufenthalt in der Sierra Nevada mit dem Klettern begann. Trotz diesem hohen Alter reichte die Zeit noch für einige wegweisende Bigwall-Erstbegehungen im Yosemite-Valley, und was echte Handwerksqualität bei Schlaghaken anbetrifft, da war Salathé der Wegbereiter - "wo Gras in einem Riss wächst, da geht auch ein Haken rein", soll einer seiner Leitsprüche gewesen sein. Die Erfindung der Hooks geht wohl ebenfalls auf sein Konto, was ihn insgesamt zum "Grandfather of Big Wall Climbing" macht.

El Capitan im Yosemite Valley, die Salathé Wall links im Lichte der letzten Sonnenstrahlen. Foto: Dan Hughes.

Sein Leben ist in einem sehr empfehlenswerten NZZ-Artikel von Max Matter und Emil Zopfi nachgezeichnet. Als Appetizer zitiere ich einige Zeilen:  "Robin Hansen, einer der Sierra-Cracks, nahm Salathé ans Seil und führte die schwierige und exponierte erste Seillänge. Auf einem Band, versteckt hinter einem Felspfeiler, machte er Stand. «Climb freely», rief er zum Neuling hinab, doch nichts bewegte sich. Nach einigen Minuten kletterte John um die Kante – unangeseilt. Er hatte die Aufforderung, nachzusteigen ohne sich an den Haken festzuhalten, missverstanden..."

Erst nach dem Lesen des Artikels wird mir klar, dass ich selber auch schon die Gnade hatte, eine Route von Salathé wiederholen zu können - nämlich den Aufstieg auf die einzigartige Felsnadel des Lost Arrow Spire. Bei meinem Aufenthalt im Yosemite Valley im Jahr 2000 kletterten wir diese als Technoroute. Mit 5.7 C2 ist sie bewertet, was diese Bewertung bedeutet, kann man wohl nur richtig einschätzen, wenn man selber schon Erfahrungen im (amerikanisch geprägten) Aid Climbing gemacht hat. Auch für uns war damals total ungewiss, was uns erwarten würde.


Yours truly bei der Tyrolean Traverse vom Lost Arrow Spire zurück zum Rim. Foto: CO, Sept/2000
Nun, freigeklettert sind wir trotz der Bewertung von 5.7 (ca. 5b) nicht viel an diesem Tag. Die von uns begangene Tip-Route am Lost Arrow Spire fordert mehr bezüglich Strategie, Bastelei und Seilhandhabung. Schon im Zustieg müssen beim Abseilen zwingend Knoten passiert werden, dann folgt die Techno-Bastelei beim "Klettern": an der Schlüsselstelle galt es z.B., sich erst an einigen windigen, mit nur 2 Segmenten klemmenden Friends hochzuziehen, dann einen in einen flachen Riss geklopften Copperhead zu nutzen, sich an einem schlechten Keil fortzubewegen und mit 2 Skyhook-Placements den nächsten Bohrhaken zu erreichen.

Eine abenteuerliche Passage, die im Grad 5.12b (ca. 7b) auch frei zu haben wäre. Doch ans Freiklettern habe ich damals keinen Gedanken verschwendet, diesen Grad hatte ich zu jener Zeit auch nicht drauf. Nach der Schlüsselstelle warten keine allzu grossen Herausforderungen mehr, doch das Highlight folgt dennoch zum Schluss: nämlich die spektakuläre Seiltraverse über den gähnenden Abgrund hinweg, um vom Gipfel des Lost Arrow Spire wieder das Plateau zu gewinnen.

Insgesamt war das für mich ein einzigartiger Bergtag, an den ich immer noch und immer wieder zurückdenke - John Salathé sei Dank! Ich schliesse diesen Artikel mit einem weiteren Zitat von ihm ab: "I find that rock climbing is the finest, most healthiest sport in the whole world. It is much healthier than most; look at baseball, where 10,000 sit on their ass to watch a handful of players". Recht hat er!

Nochmals der Link zum NZZ-Artikel: klick!

Dienstag, 3. April 2012

Schweiz Plaisir Selection

Nun ist er fertig, und ab Ende April kann man ihn kaufen: den neuen Kletterführer Schweiz Plaisir Selection. Beschrieben werden die 115 schönsten Plaisirtouren (Mehrseillängen, 4b - 6c) von der Dauphiné im Südwesten bis in den Alpstein in Nordosten. Kurzum, die Highlights im moderaten Mehrseillängenbereich gesammelt in einem Werk - für viele wohl eine Lebensaufgabe, alle diese Touren zu klettern.

Dass der Führer demnächst erscheint weiss ich, weil darin auch unsere "Hanimoon" am Hanibal P.2882 im Sidelengebiet am Furkapass enthalten ist. Es freut uns natürlich sehr, dass diese es in die Auswahl der allerbesten Plaisirtouren geschafft hat. Für den Fels können wir nichts, bezüglich Linienwahl, Absicherung und Einrichtung haben wir aber wie immer das beste gegeben. Ein Ausschnitt aus dem Führer ist bereits auf der Filidor-Webseite ersichtlich, und dabei handelt es sich exakt um unsere Hanimoon :-)

Ausschnitt aus Schweiz Plaisir Selection. Quelle: filidor.ch
Ausschnitt aus Schweiz Plaisir Selection. Quelle: filidor.ch
Der Schweiz Plaisir Selection ist ab Ende April erhältlich und kann bis Mitte Mai noch zum Sonderpreis von 40 CHF (danach 48 CHF) bezogen werden. Bestellt werden kann er auf der Filidor-Webseite: klick!