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Freitag, 23. November 2012

Gonzen - Miss Marple (7b)

Die Absicht war, mit Kathrin nochmals eine lange Route zu klettern diesen Herbst. Doch wenn Mami und Papi an den Fels wollen, so muss auch für die Kinder gesorgt sein. Wir können hierbei zwar auf ein sehr gutes Netz zählen, doch dieses Mal war es schwieriger, und wir hatten die Tour bereits abgeschrieben. Spontan meinte dann mein Vater, es wäre doch Sünd und Schade, wenn wir diesen traumhaften Herbsttag auslassen würden. Er würde die Kinder den ganzen Tag hüten. Für ihn eine Premiere, einen ganzen Tag zu 100% alleine zuständig zu sein. Das ist die Grundlage, warum dieser Bericht überhaupt existiert, darum an dieser Stelle herzlichen Dank.

Herbstliches Nebelmeer über dem Sarganserland, gesehen von der Wang. Es blieb den ganzen Tag über erhalten.
Uns zog es derweil an den Gonzen. Der eignet sich für den Spätherbst bestens, da freistehend und sehr sonnig weit über dem Tal gelegen, mit einer Gipfelhöhe von nur 1829m. Der obere Wandteil hat mit rund 200m Höhe und 6-8 Seillängen auch das richtige Ausmass für eine November-Tour. Während ich vor ziemlich genau einem Jahr mit Dani die erste Rotpunktbegehung von Metronom (8a) machen konnte, sollte dieses Mal einer der Klassiker wiederholt werden. Gonzo, Ablöscher, Aischans Weg oder Miss Marple? Alle wären interessante Herausforderungen, für dieses Mal wählten wir die Miss Marple.

Zustiegsgelände. Wer genau hinschaut, erkennt die beiden Kletterer, die uns folgen.
Von Trübbach gelangt man auf einer guten Bergstrasse bis zu den Rieterhütten P.1576. Von da mit einem horizontalen Marsch bis zur Abbruchkante bei der Wang, wo man die Gemsweid hinuntersteigt, um aufs Band zu gelangen, auf welchem man inmitten der riesigen Gonzenwand den Einstieg erreicht. Im unteren Wandteil gibt es auch einige Routen, über welche man das Band erreichen könnte. Schon rein aufgrund ihrer Länge sind sie für den Herbst weniger tauglich. Und auch wenn sie interessante Kletterei in gutem Fels bieten, vermögen sie dem eher plattigen und von einigen Bändern durchzogenen Gelände wegen nicht gleich viele Begeher anzuziehen wie der obere Wandteil.

Der Zustieg aufs und übers Band ist zwar nirgendwo richtig schwierig und an den schwersten Stellen zumeist mit Fixseilen ausgerüstet, aber doch auf lange Strecke ausgesetzt (T5,I), so dass ein Ausrutscher ein böses Ende nehmen würde. Um ca. 10.45 Uhr waren wir, nach einem freundlichen Rencontre mit Blogleser Toni, am Parkplatz aufgebrochen, um 11.30 Uhr konnte es mit der Kletterei losgehen. Die Sonne bescheint die Wand um diese Jahreszeit bereits ab etwa 8.30 Uhr (Winterzeit), zwei Stunden früher dran zu sein wäre also gut möglich, war aber in unserer Situation, mit den Kindern und der Organisation darum herum, nicht zu realisieren.

Situation am Einstieg, steil geht's los. Rechts der Kletterer zwar nicht das Metronom-Dach, dieses sieht aber ähnlich aus.
SL 1, 20m, 6b+: die ersten Meter geht's noch einfach gerade hinauf bei sehr enger Absicherung, danach wird nach links gequert. Erst eher technisch, wo gutes Hinstehen und sauberes Positionieren gefragt ist. Dann werden aber bald Bizeps und Unterarme gefordert. Die Kletterei an den schräg verlaufenden Querschlitzen mit den Auflegern-Henkeln ist pumpig und erstaunlich knifflig, am Stand ist man um eine erste Ruhepause nicht unfroh.

SL 1 (6b+) ist wohl meist henklig-griffig, aber man sieht's dem Seil an, auch sehr steil und ziemlich pumpig.
SL 2, 20m, 6c+: gleich vom Stand weg kommt die Crux in Form einer zähen Boulderstelle. Von guten Untergriffen muss an Tropfloch-Rauhigkeiten ein Aufrichter an schlechten Tritten eingeleitet werden. Ein Sturz führt erst mal zum Zusammenprall mit Kathrin. Nachdem ich die Moves ausgiebig studiert habe, schaffe ich den Boulder dann knäppstens. Definitiv die Stelle der Route, die mir am meisten Mühe bereitet hat! Ich würde jedenfalls für eine Aufwertung auf 7a plädieren. Auch danach ist es nicht geschenkt, wenn auch nicht mehr ganz so hart. Die richtige Linie muss erkannt werden, zum Stand hin kommt dann an besseren Griffen auch wieder der Pumpfaktor ins Spiel.

Super Leisten-, Loch- und Schlitzparade zum Ende von SL 2 (6c+), bereits mit grandiosem Tiefblick.
SL 3, 40m, 6a+: aufgewärmt sind wir schon lange richtig, ja fast schon froh, dass nun eine gemütliche Seillänge kommt. Mit einem Linksbogen gelangt man auf eine plattige, wieder nach rechts ziehende Rampe und muss zuletzt eine einschüchternd aussehende Verschneidung hoch. Die eng steckenden Haken lassen Böses vermuten, doch einigen komfortablen Tritten sei Dank löst sich das Piazproblem easier und kraftsparender als befürchtet.

Kathrin auf der plattigen Rampe in der Mitte von SL 3 (6a+).
SL 4, 30m, 6b: vom Stand weg über eine nicht schwere Platte unter das Dächlein hoch. Da gilt es kurz mal anzuziehen, die Henkel oberhalb sind aber perfekt. Der Rest ist dann einfacheres Gelände im fünften Grad. Ein bisschen grasig auch, aber ok. Wir finden retrospektiv, dass dies die gängigste Seillänge der ganzen Route ist.

Unterwegs in der bis auf ein kurzes Dächli gutmütigen SL 4 (6b). Oben etwas grasig, stört aber nicht weiter.
SL 5, 25m, 7b: das bisschen Erholung war aber nicht schlecht, da jetzt die Cruxlänge wartet. Nach rechts hoch ist es zuerst einmal noch nicht schwer, dann gilt es einen Doppelwulst zu überwinden. Der erste Teil mit der eigentlichen Crux (?) geht mir erstaunlich problemlos von der Hand, eventuell dank vorteilhafter Reichweite?!? Der zweite Teil dann kniffliger, Seitgriff blockieren, in schlechter Untergriffschuppe etablieren und trittlose Querung danach nach links. Hart an der Sturzgrenze komme ich ganz, ganz knapp durch und habe den Henkel in der Hand. Nun sich nur noch zitternd, gempumpt und pumpend voll Adrenalin, über den einfacheren, athletisch-griffigen Piaz an den Stand retten. Onsight, so cool!

Steile Wandkletterei in SL 5 (7b), die letzten Meter sind aber formidabel griffig!
SL 6, 25m, 6c: Kathrin ist schneller am Stand als mir lieb ist, noch ohne voll bei Kräften zu muss ich weiter. Tatsächlich beginnt mein Bizeps zu krampfen. Die SL ist aber mehr technisch als pumpig-athletisch, daher komme ich dann doch problemlos durch. Schon zum 2. BH ein Bewegungsproblem, danach Reibung/Aufleger, ein kniffliger Move hoch an eine Schuppe, mal etwas kräftiger an Seitgriffen und zuletzt eine einfachere Linksquerung zum Stand. Gefühlt um Welten einfacher als SL 2!

Picobello Stimmung in SL 6 (6c). Die Schrofen rechts am Bildrand übrigens die Gemsweid, über die man zusteigt.
SL 7, 30m, 6a: Nach links hoch geht es, an zumeist sehr griffigen Querschlitzen. Oft fehlen aber die Tritte, d.h. man muss auf glattem Fels auf Reibung antreten, was die Sache etwas mühsam, anstrengend und irgendwie auch gar nicht so einfach macht. Aber ok, 6a kann schon sein. Übrigens gibt es auf dieser SL den einzigen Runout. Man könnte dort gut eine Sanduhr fädeln oder einen Friend/Keil legen. Es ging aber auch gut ohne, die Kletterei an jener Stelle ist nicht schwer.

Der Nebel sieht fast aus wie ein Gletscher, so war es wohl in der Eiszeit! Kathrin in SL 7 (6a).
SL 8, 25m, 6b: Man wähnt sich schon beinahe am Ausstieg und das nunmehr etwas grasig durchsetzte Gelände schaut von unten auch nicht mehr arg schwierig aus. Da der Fels aber zugleich plötzlich strukturarm, abschüssig und etwas glitschig ist, täuscht das sehr. Die Crux erfordert Leistenkrallen und gutes Anlaufen auf Reibung, um einen Untergriff zu gewinnen und dann ein Dächlein an scharfen Leisten zu handeln. Unter Ausnützung meiner Körpergrösse geht's kommod, wie macht man das, wenn man kleiner ist?!? Zuletzt dann die banal aussehende Verschneidung hoch, welche aber durchaus noch knifflig, aber zum Glück sehr gut abgesichert ist.

Die Sonne ist weg, ab nach Hause! Kathrin auf den letzten Meter in SL 8 (6b), die schwerer sind, als man meinen würde.
Um 16.15 Uhr erreichen wir das Top. Wow, das war jetzt eine richtige Superroute. Ich bin sehr zufrieden mit der Tourenwahl und meiner Performance! Wir verweilen aber nicht lange, sondern schlagen uns durch die Büsche und Lawinenverbauungen zum Weg durch, der in nur gut 20 Minuten retour zu den Rieterhütten führt. Sicher war es eine gute Idee, das komplette Gear mitzuführen, denn das Abseilen über die Tour und das Zurücksteigen über die Gemsweid ist schon viel zeitraubender (braucht ca. 1 Stunde mehr). Um nicht mit Rucksack klettern zu müssen entschieden wir uns mit dem Einfachseil zu klettern und an einer 50m-Line einen kleinen Haulbag aufzuziehen, was hervorragend geklappt hat.

So rollen wir um 16.45 Uhr talwärts, schon bald beginnt es einzudunkeln. Ein Anruf aus dem Bockmattli, wo Bekannte in ihrer Tour vermeintlich blockiert sind, schreckt uns auf. Wir stellen uns darauf ein, dort noch in einer Nachtaktion zu Hilfe eilen zu müssen. Schliesslich lässt sich das Problem mit genauen telefonischen Instruktionen aber beheben, meinen guten Kenntnissen des Geländes, dem fotografischem Gedächtnis und einem voll geladenen Handyakku sei Dank. So treffen wir zeitig bei Neni und den Kindern ein, die mit Spielen, Wasserfarbe malen, Keller streichen und Modellautorennen besuchen einen zufriedenen Tag verbracht haben.

Facts:

Gonzen - Miss Marple 7b (6b+ obl.) - Wälti/Götz/Gamper 1997 - ****, xxxx
Material: 11 Express

Tolle, abwechslungsreiche und bestens abgesicherte Route in zumeist rauhem, griffigem und solidem Fels. Nur vereinzelt gibt es wenige Grasbüschel, erst ganz am Schluss ist der Fels ein bisschen abschüssig-glatt. Ein bisschen entgegen dem, was das Topo suggeriert, ist schon solides Kletterkönnen (ca. ein 7a-Klettergartenniveau) nötig, um in der Tour Spass zu haben, 6b reicht da nirgends hin. Die Sache ist recht anhaltend und während die Absicherung, gerade an einfacheren Stellen, üppig ausgefallen ist, warten an den Schlüsselstellen in SL 2/5/6 dennoch zwingende Moves, die m.E. ein 6b+ obl. auf jeden Fall verlangen.

Links:

- Sehr guter und in den meisten Aspekten übereinstimmender Bericht von Chris Moser
- Webcam in Fläsch, die einen sehr guten Blick auf die Gonzenwand bietet
- Das sehr gute Originaltopo von Erstbegeher Thomas Wälti

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