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Freitag, 24. Mai 2013

Kalymnos 2012 - Teil 3

Schon seit langer Zeit ausstehend ist der dritte Teil von meinem Bericht zu den Kalymnos-Kletterferien im 2012. Die liegen inzwischen wirklich bereits weit zurück. So weit, dass die nächste Auflage bereits näher ist, als die letzte zurück liegt. Daher will ich an dieser Stelle gar keinen lange Geschichte mehr daraus machen. Doch ob dem grau-trist-nassen Frühling 2013 liegt es nahe, etwas von griechischer Sonne, warmem Fels und steilen Routen zu träumen. Und zu meinem lange erträumten Onsight der Route Priapos (7c) wollte ich immer schon einmal etwas schreiben...

Links: Teil 1 / Teil 2 / Teil 3

Tag 10: Iliada

Der Iliada ist ein interessanter Sektor zwischen Odyssey und Spartacus. Er ist ziemlich sonnig gelegen, die Sonne erscheint bereits kurz nach der Mittagszeit. Für uns sollte dies keine Rolle spielen, da wir heute nur einen halben Tag am Fels verbringen wollten. Die Finger streckten wir uns mit Onsight-Begehungen von folgenden Routen:

Nestoras (7a, ***, os): Schon eine schöne Route, aber mit etwas gesuchter Linie. Es drängt einem immer etwas nach rechts in die benachbarte Ektor (6c), wo die Kletterei einfacher ist. Die Schlüsselstelle ist zudem auch nicht gerade optimal abgesichert.

Zorba le Gros (7b, ****, os): Absolut geniale Tour. Sieht von unten so schwierig aus, doch der Einstieg über den steilen, athletischen Sinter löst sich dann doch erstaunlich gut auf. Nachdem der folgende No-Hand-Rest gut ausgenutzt wurde, packt man die Abschlusswand mit nochmals strengen Zügen an Seit- und Untergriffen an.

Ektor (6c, ***, os): Ebenfalls eine sehr schöne Route, doch wiederum etwas unlogisch. Wenn man sich bei dieser Hakenreihe, genau wie beim linken Nachbarn Nestoras, eher etwas nach rechts hält, so klettert man einfacher.

Paris (6c+, ***, rp): Diese Route hatte ich anno 2008 bereits geklettert (als sie noch 7a war, noch früher wurde sie gar noch als 7b gehandelt). Sie bietet schöne, abwechslungsreiche Kletterei. Die leichteste Linie führt grosszügig um die lieblos gesetzten Haken herum.

Evi in Axium (6c+) an der Ghost Kitchen

Tag 11: Ghost Kitchen

Die bei Skalia gelegene Ghost Kitchen ist zurecht einer der beliebtesten Sektoren auf der Insel. Neben einigen leichteren Touren an löchrigem, wasserzerfressenem Fels sticht vor allem der Hauptsektor mit fantastischen Sinterorgeln hervor. Zwar hatte ich hier bereits schon die schönsten Touren >7a geklettert, doch seit 2008 waren auch einige Neutouren hinzugekommen. So ging es mit der ganzen Truppe an den Fels, auch unsere Tochter war für ein weiteres Mal mit von der Partie.

Joy in the Garden (6a+, ****, rp): Wirklich eine fantastische Route. Ideal zum Aufwärmen, oder natürlich auch als Projekt. Die Bewertung ist gutmütig, die Absicherung mit vielen Bohrhaken optimal.

Remember Wadi Rum (6c, ***, os): Hier kriegt man die volle Dosis an Sinter für nur den Grad 6c. So ziemlich die einfachste Route an der Hauptwand. Da muss man sich schon ein bisschen mehr anstrengen, dank zahlreicher Ruhepositionen hält sich der Kraftverlust aber in Grenzen.

Ghost Rider (7b+/7c, ****, rp): Geniale Route, Einstieg über den Totenhansel und danach in direkter Linie weiter. Die runden Sinter und kleinen Leisten danach sind trickreich und ziemlich technisch, so dass ich hier erst im dritten Versuch rotpunkt passieren konnte. Der Ausstieg über den steilen Wulst fordert dann die Athletik, wenn man aber einmal weiss wie es geht, dann geht es schon. Am Fels übrigens als 7c angeschrieben, gemäss Neutourenliste aber nur noch als 7b+ gehandelt...

Tahar ta Guele (7a, **, os): Da langsam die Sonne kam, verzogen wir uns von der Hauptwand in den rechten Wandteil, der bis nach 16 Uhr noch optimale Bedingungen bietet. Die hier beschriebene Route wurde aufwendig geputzt und bietet technische Kletterei an Leisten und Schlitzen. Irgendwie ähnlich wie auf der Galerie, mir hat es gefallen. Ob meiner Vorstellung liessen sich aber alle anderen aus unserer Gruppe abschrecken.

Serena (6b+, ***, fl): Zuerst eine einfache Platte, der steile Teil ist recht kurz, bietet aber wirklich interessante, athletische Kletterei an Auflegern. Braucht durchaus etwas Ausdauer, und ist erst fertig, wenn der Umlenker geklippt ist.

Yours Truly startet in Remember Wadi Rum (6c) an der Ghost Kitchen.

Tag 12: Iannis

Nachdem wir am Vortag einen langen und anstrengenden Klettertag gehabt hatten, wollten wir es heute ruhiger angehen und nur einen halben Tag am Fels bleiben. So verzichteten wir im Gegensatz zu unseren Kollegen auf den Ausflug nach Telendos und besuchten einmal den direkt oberhalb von Armeos gelegenen Sektor Iannis. Das war rückblickend nicht die optimale Entscheidung, aber nachher ist man immer schlauer...

Kalyne (6b, ***, os): Schöne, lange und interessante Kletterei. Ideale Aufwärmroute, da sie immer wieder gute Ruhepositionen bietet.

Adolf (6c+, ***, os): Athletische Kletterei mit einigen kniffligen Stellen in dunkelbraunem Fels. Soll oft ziemlich schmierig sein, bei uns war das hingegen problemlos.

Tufa King Pumped (7b+, ***): An sich eine interessante Route mit schönen Bewegungen. Die Absicherung ist teilweise etwas psychisch, vor allem auch in der Crux mit einem unangenehmen Aufrichter. Bis dahin kam ich beim ersten Versuch. Beim zweiten fühlte sich der Fels bereits richtig schmierig an, dass ich bereits kurz vor der Crux klein beigeben musste. Und im dritten war es so dermassen seifig, dass bereits am zweiten Haken Schluss war. Das ungünstige Mikroklima in diesem Sektor ist berüchtigt - bei schmierigen Verhältnissen hier anzutreten macht rein gar keinen Sinn.

Sens Unique (7a, ***, os): Nach einer Abfuhr im Tufa King kann man hier bestimmt wieder sein Ego polieren. Die schöne, eher technische und kaum kräftige Kletterei ist sehr gutmütig bewertet und verläuft in rauhem Fels. An den Wendenstöcken hätten die Erstbegeher (Y. & C. Remy) eine solche Seillänge wohl allerhöchstens mit 6a+ bewertet (und das ist kein Witz, sondern Tatsache).

Kathrin in DNA (7a) an der Grande Grotta.
Tag 13: Odyssey

Für die letzten beiden Tage waren wir mit Evi zu dritt am Klettern. Also sollte es ein nahe gelegener, nicht zu komplizierter Sektor mit einer guten Routenauswahl sein, an dem man lange klettern kann. Also nochmals in den Odyssey, das ist halt einfach einer der besten Felsen auf Kalymnos.

Satyros (6c+, ***, os): Gute Route, mit mehreren kniffligen und auch einigen athletischen Stellen gar nicht so einfach. Diente auch dazu, die Exen in die benachbarte Route hängen zu lassen, wo ich einen Onsight-Versuch starten wollte.

Bubu Pensaci Tu (7b+, **, os): Selten begangen, da im Kletterführer mit (zu) wenig Sternen und einem etwas unfreundlichen Kommentar ausgestattet. Die Kletterei ist aber nicht schlecht und an der Absicherung gibt es nicht viel zu meckern. Ok, etwas gesucht sind die Schwierigkeiten teilweise schon. 

Inti Rayimi (7b+, ****, os): Diese Route war für die Ferien ganz hoch in meiner Wunschliste gestanden. Allerdings ist sie beliebt und oft besetzt, und ich wollte sie nur im Vollbesitz meiner Kräfte angehen, mit guten Chancen für einen Onsight-Durchstieg. Da war jetzt der richtige Zeitpunkt, denn die Bubu hatte nicht zu viel Kraft gekostet. Wie bei der benachbarten Sirene (7c) ist die Kletterei bis weit hinauf nicht sonderlich schwer, d.h. 6bc-Gelände mit einer kurzen 7a-Stelle bis zum Ruhepunkt einige Meter unter dem Ausstieg. Die steile Abschlusswand hat es dann aber in sich: erst eine bouldrig-kräftige Stelle, dann noch Resistance bis zur Umlenkung. Soo viele Reserven hatte ich nicht, aber es reichte komfortabel.

Polifemo (7c, ***): Tja, dann könnte man ja versuchen, nochmals eins Onsight draufzulegen. Was in dieser eher kurzen und kräftigen Tour aber misslang. Erst gilt es einen steilen Sinter mit athletisch-weiten Zügen zu meistern, zuletzt geht es dann kleingriffig über den Abschlusswulst hinweg.

Aufbruch in die grenzgeniale Priapos (7c) in der Grande Grotta. Notabene 10:25 Uhr.
Die etwas glatte Cruxzone der Priapos (7c) eben gemeistert. Aber die Reise ist noch weit...


Tag 14: Grande Grotta

Den letzten Tag hatten wir uns für die Ausdauerrouten in der Grande Grotta aufgehoben. Ob das wohl eine gute Idee war? Für mich stellte sich diese Frage umso mehr, irgendetwas war meinem Magen am Vortag nicht so gut bekommen. Nach einer schlechten Nacht liess ich das Frühstück ausfallen und vorerst noch etwas halbmotiviert schleppte ich mich zur Grotte hoch. Erst einmal liess ich den beiden Girls den Vortritt, welche die DNA (7a) mit Bravour meisterten. Dann war ich an der Reihe: einer meiner grossen Wünsche für diese Kalymnos-Ferien war die surreale Route Priapos (7c) gewesen. Mit 40m Kletterlänge führt diese in 45 Grad überhängendem Gelände durch den von unzähligen Sinterbobbeln verzierten Grottenhimmel empor. Vom Stand geht es dann 30m runter, und man befindet sich auch 30m vom Einstieg weg, ein 70m Seil reicht gerade aus.

Da man ja aber nur ein einziges Mal onsight klettern kann, stellte sich die Frage, ob das jetzt sein sollte. Immerhin war die Route frei und nachdem ich inzwischen einen ganzen Liter Cola gezwitschert hatte, fühlte ich mich auch schon bereits wieder etwas besser. Ob den motivierenden Worten meiner beiden Begleiterinnen band ich mich ein, und los ging's. Unter maximaler Ausnützung aller verfügbaren Ruhepositionen kämpfte ich mich sorgfältig taktierend nach oben. Die eigentliche Schlüsselstelle, wo es ein paar kräftige Züge am Stück zu meistern gibt, folgt etwas vor der Routenhälfte. Diese konnte ich entschlossen meistern. Danach gibt es wieder ausreichend Gelegenheit, um Laktat abzubauen. Doch mit der Zeit fordern auch diese Ruhepositionen ihren Tribut: es handelt sich um Knie-, Schulter- oder Rückenklemmer, was bedeutet, das doch immer Kraft und Körperspannung erforderlich ist.

Der Kletterer ist am Grottenhimmel sichtbar. Nicht mehr weit zur Umlenkung, 12:00 Uhr.
Meine totale Begehungszeit für die Route war irgendwas zwischen 1.5 und 2 Stunden. Es war und fühlte sich an, wie ein intensives Full Body Workout im Fitnesscenter, und ich schwitzte auch wie ein Bär. So wurde das durchaus eine Konditionsfrage: ich merkte gegen oben, wie mir langsam aber sicher einfach der (Ganzkörper-)Saft ausging, auch das Cola-Zuckerflash war dann halt einmal abgefeuert. Das ist im Priapos insbesondere darum ungünstig, weil gerade zum Stand hin nochmals eine kräftige Zone folgt, wo man über einige Meter hinweg keinen Ruhepunkt findet und entschlossen durchziehen muss. Zudem ist auch die richtige Sequenz nicht ganz so einfach zu erkennen wie sonstwo. Natürlich wäre es äusserst bitter, nach all den Anstrengungen an dieser Stelle noch zu scheitern - das passierte aber nicht. Glücklich und erschöpft klippte ich den Umlenker nach einer der besten und eindrücklichsten Sportkletter-Begehungen meiner Karriere.

Weil man die Route nicht im Ablassen abbauen kann, war dann zum Schluss noch ein Toprope-Durchgang nötig. Nochmals Durchsteigen konnte ich nicht, schon zu Beginn der Crux war der erste Block fällig. Als alle Exen gerettet waren, war es dann das für Kalymnos 2012. Ich glaube, noch nie zuvor wäre ich nach einem Klettertag mit einer einzigen gekletterten Seillänge so richtig zufrieden gewesen. Heute aber schon, denn das war nun wirklich nicht mehr zu toppen!

Empfohlene Ausrüstung für Priapos:
- robustes oder altes T-Shirt!!!
- robuste oder alte Hose, die über die Knie reicht (oder Kneepad)
- Tape auf dem Handrücken für Faustklemmer-Rests wäre durchaus nützlich
- auf lange Zeit genügend bequeme Kletterfinken, Fusstechnik ist hier unwichtig
- ein Energy-Drink für unterwegs könnte helfen, man hat schon mal die Hände frei
- geduldige SicherungspartnerIn (vielen Dank Evi und Kathrin, das war Gold wert!)
- 20 Exen, mindestens 70m-Seil

Typischer Rückenklemmer in Priapos (7c). Mit der Zeit übrigens doch auch anstrengend.

Priapos ohne T-Shirt = dumme Idee. Ohne Blutzoll ging's nicht, war es aber wert. Die Chalkstriemen sind auch cool...


Donnerstag, 16. Mai 2013

Wendenstöcke - Dragon (6c)

Tja, viel neues gibt es aktuell nicht zu berichten aus dem Sektor alpine Abenteuer. Die letzten Wochen, geprägt von instabilen Wetterlagen und arbeitsintensiven Tagen erlaubten bis aufs Sportklettern keine grossen Ausflüge. Ist ja nicht so schlimm, auf diese Weise lässt sich die Grundlage für einen tollen MSL-Sommer legen, denn irgendwo her muss die Form ja kommen. Vom Sportklettern zu berichten ist halt leider etwas weniger spannend, vor allem dann, wenn man eigentlich "schwierige" Touren klettern möchte, dann aber doch immer und immer wieder runterfällt...

Übersicht und Routenverlauf: Dragon (6c) führt am markanten SE-Pfeiler des Pfaffenhuet aufs Ringband hoch.
Darum kramen wir zur Unterhaltung etwas in der Touren-Mottenkiste und da findet sich noch Material über die Remy-Route Dragon am Pfaffenhuet. Bereits im September 2011 hatte ich diese angepackt. Wunsch und Ziel war es, zusammen mit Kathrin wieder mal eine Tour an den Wenden zu machen. In einer Tagestour als Eltern von kleinen Kindern kein einfaches Unterfangen. Doch mit genauem Kalkulieren des Zeitbudgets schienen die 7 Seillängen realistisch, zumal es sich gemäss Topo um eine der nominell einfachsten Routen am Massiv handeln sollte. Der mir inzwischen bestens bekannte Zustieg war Formsache, die Schneefelder um diese Jahreszeit komplett inexistent, so waren wir um etwa 11.30 Uhr startbereit.

Hier geht's los. Sieht vielleicht easy aus, aber der Wulst zum Beginn der Wasserrille ist überhängend und total ungriffig. Die Rille selbst ist auch alles andere als henklig und geht erst gut, wenn man einmal die Füsse drin hat. Die Absicherung ist auch von der eher fordernden Seite...
SL 1, 6c: Der Auftakt hat es in sich und beinhaltet auf den ersten Metern gleich die Crux der Route. Über einen Wulst hinweg will eine senkrechte Wasserrille gewonnen werden. Die Sache ist abdrängend, rund,  untrittig und auch gleich obligatorisch. Ich kann schliesslich einen 3er-Camalot in die Rille würgen und im dritten Anlauf kriege ich die Züge auch ganz knapp frei hin. Meines Erachtens ist das eher 7a wie 6c. Hat man die Wasserrille mal bezwungen, so führt schöne Plattenkletterei im 6b-Bereich zum Stand. Achtung, man soll sich nicht täuschen, 6b-Platten an den Wenden sind nie leicht.

Schöne Plattenkletterei dann im oberen Teil von SL 1 (6c). Gut gesichert, obwohl die BH weiter auseinander sind, wie es die Zoom-Aufnahme suggeriert.
SL 2, 6c: Vom Stand weg Traverse nach links und kräftig hoch, was gleich die Crux darstellt. Danach an sich schöne Plattenkletterei mit verwirrender Zick-Zack-Linienführung bei anhaltenden Schwierigkeiten. Auch mit Verlängerungen und Halbseiltechnik ist Seilzug kaum zu vermeiden. Die Absicherung ist mit 7 BH auf 50m jetzt auch nicht so üppig, zwischendurch kann man zwei-, dreimal etwas legen.

Respektvoller Blick in SL 2 (6c). Die kleine Verschneidung 15m oberhalb wird in 30 Klettermetern mit komplexer Linienführung links herum gewonnen.
Sicht von oben zurück auf SL 2 (6c), die oben ebenfalls eine komplizierte Linie bietet und selber abgesichert werden will.
SL 3, 5c+: Puh, die ersten 100 Klettermeter bis an den Beginn des grossen Pfeilers waren ja ganz schön stiff. Da sind wir grad froh, dass es erst einmal etwas gemütlicher dahingehen soll. Man biegt links um die Ecke und klettert die Verschneidung hoch, was für einmal wirklich recht gut geht. Die Absicherung ist aber luftig und erfordert Eigeninitiative.

Kathrin folgt in SL 3 (5c+). Die Verschneidung ist nicht superduper, bietet aber doch schöne Kletterei.
SL 4, 6a+: Vom Stand weg wartet gleich eine steile Riss-Verschneidung mit ziemlich glatten Seitenwänden. Sie ist clean und muss selber abgesichert werden. Erreicht man einmal das erste Podest, geht es danach nicht mehr ganz so anhaltend weiter. Steile Aufschwünge und Ruhepositionen wechseln sich ab, die 50m sind mit 4 BH gesäumt.

Sicht auf die etwas glatte und cleane Riss-Verschneidung zu Beginn von SL 4 (6a+).
SL 5, 6b: Erst folgt man weiter der Verschneidung, die sich hier zu einem rustikalen Kamin erweitert, selbst ein bisschem Moos und Dreck ist vorhanden. Danach gilt es dann, das System nach links zu verlassen und in typischer Wendenmanier Wandkletterei zu betreiben. Erst noch griffig und mit 2 nachträglich gesetzten BH gut gesichert, wartet dann prompt an der technisch-feinen Crux ein Runout, wo echt schwere 6b-Moves 2-3m über dem Haken gezogen werden wollen. 

Wenn es nicht die Wenden wären, wo man feine Platten oder griffige Wandkletterei will, würde man sagen es sei super.
SL 6, 6a+: Tolle, steile und griffige Kletterei mit allerdings auch etwas luftiger Absicherung. Für uns ist es total ätzend, dass inzwischen eine Heli-Rettung im Gang ist, weil ein Kletterer in den Ausstiegslängen von Sternschnuppe/Inuit gestürzt ist und sich schwer verletzt hat. Der Lärm ist ohrenbetäubend, verunmöglicht jede Kommunikation und ein paar Steinchen (zum Glück nix grosses) kommen auch dann und wann geflogen.

SL 7, 6b: Die Rettung ist immer noch im Gang. Ich will noch die letzte SL machen, Kathrin verzichtet ob der Umstände im Vornhinein und heisst mich, danach gleich wieder abzuseilen. Die SL beginnt tiptop, der Ausstieg aufs Ringband dann zuletzt etwas schuttig-lose.

Oben raus haben wir ob dem ganzen Rettungs-Trubel nix mehr fotografiert, daher nochmals ein Shot aus SL 2 (6c). 
Die anspruchsvolle Kletterei hatte reichlich Zeit gefressen. Ohne es genau rekonstruieren zu können meine ich, dass ich in der Gegend von 18.00 Uhr oben war, unverzüglich die Seile fädelte und wir uns ans Abseilen machten. Da die Stände von Dragon ausgerüstet waren, ging es erst daselbst runter, unten benützten wir dann noch je einen Stand von Stars Away und Inuit und waren keine halbe Stunde später schon wieder am Einstieg. Der Unglücksrabe wurde inzwischen evakuiert, so dass auch wieder Stille eingekehrt war. Eindeutig war jedoch auch, dass das Material jenes Teams noch am Wandfuss lag. Mitnehmen oder vor Ort lassen? Ich hatte etwas Skrupel, für eine solche banale Frage die Rega-Notrufnummer 1414 zu wählen. Ich rang mich aber dann doch durch, notfalls könnte ich mich höflich entschuldigen und wieder auflegen. Mein Anruf war aber sehr willkommen. Im Nu wurde ich von der Zentrale an den Helikopter durchgestellt, aus welchem eine Verbindung zum unverletzten der beiden Kletterer hergestellt wurde. So sprachen wir von Handy zu Handy via Helikopter und natürlich war es höchst willkommen, dass wir das Material zu Tale brachten. Schon eindrücklich, wie professionell das alles funktioniert - da zahlt man seinen jährlichen Gönnerbeitrag gleich doppelt gerne. So machte ich aus drei (Rucksäcken) eins. Vorsichtig stiegen wir auf die Wendenalp ab: obwohl inzwischen eine gut erkennbare Spur vorhanden ist, ist die Steilheit des Geländes vor allem im Abstieg doch jedes Mal wieder eindrücklich und ein Fehler wäre in jedem Falle fatal.

Facts

Wendenstöcke - Dragon 6c (6b obl.) - 7 SL, 280m - Y. & C. Remy 1988 - ***, xxx
Material: 12-14 (auch lange!) Express, Camalots 0.3-3, Keile 4-9

Abwechslungsreiche Route auf der rechten Seite des Pfaffenhuet. Sie bietet erst zwei anspruchsvolle Plattenlängen, dann 2.5 SL an einer einfacheren, etwas rustikalen Verschneidung, wo der Fels ok ist, aber nicht immer allerbeste Wendenqualität aufweist. Die 2.5 Abschlusslängen bieten dann steile, griffige Wandkletterei und sind wiederum prima. Die Route wurde von den Gebrüdern Remy selber im 2009 "saniert", wobei das Wort nicht wirklich passt: an einigen einfacheren Stellen wurden ein paar wenige Zusatzbolts gesetzt. An den Schlüsselstellen, wo schon früher BH waren, blieben Abstände und Material beim Alten. Somit stecken dort sowie an den Ständen noch die Haken von 1988. Ziemliche Mogelpackung also, das mit der Sanierung. Zudem: als Bewertung sähe ich jetzt 7a (6b+/6c obl.) als realistischer an. Immerhin merkt man gleich auf den ersten Metern, ob es passt oder nicht.

Yours truly am Stand von SL 3 oder 4, fotografiert aus der Patent Ochsner. Danke Hans!
Fazit

Die Dragon ist ja eine kaum bekannte und nur wenig gekletterte Wendenroute. Der Fels und die Kletterei sind aber weitestgehend einwandfrei, und die 2.5 einfacheren Seillängen in der nicht ganz so guten Verschneidung trüben den Genuss auch nicht sonderlich. Mit einer sinnvollen Absicherung, was jetzt Material, seilzugfreie Linienführung und den Schwierigkeiten angepasste Abstände anbetrifft, könnte man diese Tour durchaus zu einer wirklich lohnenden Unternehmung aufwerten, die mit Routen wie Sonnenkönig und Aureus auf jeden Fall mithalten kann. Logisch, eine Wenden-Toproute wird es nie werden, im Vergleich zu vielen anderen Klettergebieten könnte die Dragon immer noch ein sehr lohnenswertes Highlight mit für die Wendenstöcke eher moderaten Schwierigkeiten sein. Schade, dass diese Chance bei der Pseudo-Sanierung verpasst wurde...

Mittwoch, 1. Mai 2013

Schweiz Extrem Ost

Endlich ist er da, der Schweiz Extrem Ost! Ganze 19 Jahre hatte es gedauert, bis über die Zentral- und Ostschweiz wieder ein qualitativ hochwertiger Auswahlführer für Routen von 6a bis 9a verfügbar ist. Die letzte Ausgabe, noch Schweiz Extrem genannt und das ganze Land abdeckend, stammte aus dem Jahr 1994. Sie war natürlich inzwischen hoffnungslos veraltet und auch vergriffen.

Der Extrem Ost kommt vom Filidor Verlag und stammt aus der Feder von Sandro von Känel. Ein klein wenig ist er aber auch mein Kind. Bei zahlreichen Arbeiten (Gebietsauswahl, Recherchen, Kontakte schaffen, Topos kontrollieren, Bewertungen harmonisieren, etc.) konnte ich unterstützend mitwirken. Nach über 20 Jahren Aktivzeit, vorwiegend in der genannten Region, war mir natürlich vieles aus dem Effeff bekannt. Andererseits, wenn es dann um exakte Details geht, so wird es dann manchmal doch wieder schwierig: "Beginnt der Pfad zum Voralpsee nun vor, in oder erst nach der Kurve?". Ja halt irgendwo dort, gefunden habe ich ihn bisher immer. Doch wenn man einen exakten und fehlerfreien Kletterführer will, so kommt man eben nicht umhin, alles nochmals genau zu hinterfragen und vor Ort zu überprüfen.

Cover vom Extrem Ost. Quelle: Filidor.
Mit dem Resultat bin ich aber höchst zufrieden. Der Führer verdient das Prädikat höchst empfehlenswert und gehört mit Garantie in die Bibliothek eines jeden Kletterers, der im Perimeter wohnhaft oder irgendwann im Raum Ostschweiz unterwegs ist. Für diejenigen, die sich bereits gut auskennen, haben wir viel darin investiert, um Neuheiten präsentieren zu können. So rund 20 vorher noch nie (z.B. Reduit, Axenstrasse, Nordgalerie, ...) oder schon seit langer Zeit nicht mehr (z.B. Telli, Göscheneralp, Erotisches Karussell, ...)  in gedruckter Form publizierte Klettergärten beschrieben. Auch von vielen anderen Gebieten (z.B. Galerie, Brüggler-Überhänge, ...) steht erst jetzt mit dem Extrem Ost ein vernünftiges, qualitativ hochwertiges und aktuelles Topo zur Verfügung. Ebenso gibt es im MSL-Bereich komplett neu beschriebene Gebiete (z.B. Titlis Nordwand, Hoch Fulen, Teufelstalwand, ...), wie auch viele andere mit Major-Updates (z.B. Zuestoll, Chli Bielenhorn, Graue Wand, ...).

Gebietsübersicht. Details zu den beschriebenen Gebieten gibt es hier. Quelle: Filidor.
Die Gestaltung des Führers ist absolut einwandfrei. Die Topos wurden von Sandro liebevoll, detailgetreu und mit ansprechender Farbgestaltung auf dem Computer gezeichnet. Das Piktogramm-System fürs benötigte Material ist einfach und sehr übersichtlich, sehr genaue Zustiegsskizzen sind vorhanden, bei den MSL-Touren meist auch Wandfotos mit eingezeichneten Einstiegen. Da kann man sich nun wirklich beinahe nicht mehr verirren - und sonst ist nicht der Führer schuld ;-) !!! Ebenso sind viele grossformatige Kletterfotos enthalten, was den Führer schön bunt macht. Die Kehrseite dabei ist, dass er ein stattliches Buch mit 367 Seiten geworden ist. So nimmt z.B. der Klettergarten Voralpsee mit seinen 18 Routen inklusive der Bilder total volle 6 Seiten in Anspruch. Es ist halt immer ein Kompromiss zwischen Schönheit und Schlichtheit. Mir persönlich wären einige grossformatige Personenaufnahmen weniger, dafür einige kleine Übersichtsfotos mehr (z.B. Klettergarten inkl. Wandfuss) deutlich lieber, weil ich daraus einen viel grösseren Nutzen ziehen könnte. Aber das sieht vielleicht nicht jeder so (Kommentare erwünscht...)!

Der Klettergarten an der Axenstrasse ist eines der neu beschriebenen Gebiete. Quelle: Filidor.
Dann noch ein Hinweis in eigener Sache: mich haben nun schon einige Fragen à la "warum ist dieses oder jenes Gebiet nicht enthalten?" erreicht. Ja, es gibt in der Zentral- und Ostschweiz einige bedeutende Klettergärten, die im Extrem Ost nicht beschrieben sind. Das ist nicht etwa so, weil uns diese unbekannt wären oder sie uns nicht gefallen, sondern weil die Erschliesser einer Publikation nicht eingewilligt haben. Dieses Einverständnis und die Zusammenarbeit mit den Pionieren war uns sehr wichtig, also waren diese Vorbehalte zu akzeptieren. Von daher möchte ich auch alle Kletterer bitten, sich strikte an die im Führer erwähnten Einschränkungen (z.B. Nordgalerie) zu halten und auch sonst ein vernünftiges Verhalten zu zeigen. Einerseits, damit wir dort noch lange klettern können, andererseits um auch zu demonstrieren, dass eine Publikation nicht allzu starke negative Auswirkungen nach sich zieht.

Fazit

Der durchgehend 2-sprachig (Deutsch/Englisch) gehaltene Extrem Ost ist ein konkurrenzloses Werk, eigentlich unverzichtbar und jeden der 48 Franken oder 38 Euro wert. Mit Klettern in der Schweiz von Matteo Della Bordella aus dem Verlag Versante Sud steht zwar ein ähnliches Buch zur Verfügung, welches aber in punkto Aktualität, Qualität, Klarheit und Gebietsauswahl deutlich unterlegen ist. Vom SAC gibt es die Komplett-Kletterführer Graubünden, Alpstein und Zentralschweiz (2 Bände, einer ist aktuell noch nicht erschienen). Wenn man dazu noch den GLclimbs und den Kletterführer Schächental anschafft, so hat man ungefähr dieselbe Information wie sie im Extrem Ost steht auch zur Verfügung, plus noch weitere Infos zu leichten oder weniger bedeutenden Routen, aber dafür auch 6 Bücher im Regal und ein mehrfaches an Geld ausgegeben. Und all dies sage ich, ohne eine Rappen an Tantiemen pro verkauften Extrem Ost zu erhalten...