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Freitag, 30. Mai 2014

Sportklettern in der Rumpelkammer

Zur Abwechslung mal einige bewegte Bilder vom Sportklettern! Mir ist schon klar, dass ich sicher derjenige bin, der am meisten Spass am folgenden Video hat (Tipp: in Youtube auf HD anschauen!). Aber man muss es sich ja nicht ansehen, wenn man nicht will. Es zeigt in 5 Minuten die Begehung der Route Pilates (7c) im Sektor Rumpelkammer im Klettergarten Bürs, der sich im österreichischen Vorarlberg befindet. Lässige Kletterei in gutem Konglomeratgestein mit Löchern und Leisten findet man dort. Gerade in der Rumpelkammer wähnt man sich beinahe im Frankenjura! 

Unser Besuch war von einem gewissen Hintergrundlärm übermalt. Immer Ende Mai findet SA/SO in der Bürser Schlucht ein Jagdschiessen statt. Leider wussten wir das nicht im Vornhinein, es gehörte eigentlich in den Kletterführer reingeschrieben. Als wir ankamen, da war der Zugang abgesperrt, ein Schild mit der Aufschrift Jagdschiessen, kein Zutritt zur Schlucht, Lebensgefahr war zu lesen. Hatten wir die Anreise vergebens gemacht? Nein, der Zugang zum Klettergarten wurde gewährt, und dort war dann nur das Gehör in Gefahr. Die ständige Knallerei trug logischerweise nicht eben zum gemütlichen Ambiente bei. Doch irgendwie ist auch noch erstaunlich, dass man zwar bei den ersten Schüssen vor Schreck noch beinahe von den Griffen abfiel. Mit der Zeit setzt aber eine Gewöhnung ein, so dass man sie fast nicht mehr wahrnahm und sich schon beinahe wie zuhause fühlte ;-)


Das Video habe ich natürlich auch nicht in erster Linie gemacht, um es auf dem Internet zu posten, sondern für die Analyse meines Kletterstils. Immerhin sehe ich mich selbst ja ziemlich selten beim Klettern... Ich begehe die Route übrigens im zweiten Go, und während ich die Sequenz im unteren Teil ganz vernünftig im Griff hatte, musste ich oben dann ziemlich improvisieren, weil es so wie ich eigentlich wollte nicht ging. Charakteristisch ist sicher mein eher langsamer, kontrollierter und statischer Kletterstil. Aber ich komme halt nur auf einen grünen Zweig, wenn ich mein Gewicht sauber auf die Füsse stellen kann. Mit langen Gliedern und vergleichsweise wenig Kraft bleibt da nicht viel anderes übrig. Übrigens, die Tritte gerade im unteren Teil sind oft ziemlich schlecht, die Füsse scheinen aber oft wie angegossen zu sitzen. Das war für mich doch eine erfreuliche Erkenntnis.

Montag, 26. Mai 2014

Cheselenflue - Orion (6c+)

Im Melchtal gibt es zahlreiche MSL-Routen, die meist deutlich unterhalb der 2000m-Grenze liegen. Somit bietet sich das Gebiet an, um es früh oder spät in der Saison, bzw. nach einer Schlechtwetterperiode mit Schneefall bis in tiefe Lagen aufzusuchen. Ebenso vermögen die Klettereien meist mit für den Grad ordentlicher Steilheit, prima griffigem Fels und üppiger BH-Absicherung auftrumpfen. Für wenig Aufwand gibt es also viel Genuss und darum möchte ich einen kurzen Bericht der bisher kaum bekannten 5-SL-Tour Orion (6c+, 5 SL) im wenig besuchten Sektor Gamma der Cheselenflue schreiben, bevor sich für mich der Mantel des Vergessens um die Tour hüllt. 

Wandansicht und Topo der Orion im Sektor Gamma an der Cheselenflue
Angereist waren wir im Prinzip, um die sogar noch etwas tiefer gelegene Herausforderung mit dem Namen Tropf Tropf (7b+, 5 SL)) anzunehmen. Diese ist zwar dank ihrer Steilheit selbst bei Regenfällen kletterbar, nach lange anhaltendem Niederschlag und insbesondere bei Schneeschmelze macht die Route aber dann ihrem Namen zu viel Ehre und wird wegen Nässe unkletterbar - ein Umstand, der immerhin schon von der Strasse aus erkennbar war und uns vor unnützem Aufwand abhielt. Leider zierten auch beim Plan B, nämlich der steilen Männer von Memmental (7a+, 5 SL) Wasserstreifen den Fels und wie man es drehte und wendete, die einzige wirklich mit Sicherheit komplett bekletterbare Route in der Gegend war eben die Orion, ansonsten wäre dann ein Besuch irgendwo in einem Klettergarten fällig gewesen.

L1 (5c) ist eher noch als verschärfte Zustiegslänge zur schönen Kletterei zu werten.
Dies wollten wir aber tunlichst vermeiden, denn schliesslich waren wir für eine lange Route angereist. Somit also auf der Stöckalp parkiert, dann erst der Strasse Richtung Frutt gefolgt, um später auf den Wanderweg abzubiegen und diesen kurz darauf an der Stelle in Richtung Bergstation des Skilifts verlassen, wo er zwei charakteristische Kehren schlägt. Ab da geht man mehr oder weniger weglos durch den Wald, der beste Weg ist aber dank üppiger Markierung mit blauen Punkten gut zu finden. Nach einer knappen halben Stunde waren wir am verkrauteten Wandfuss eingetroffen und hatten den mit einem Täfelchen beschrifteten Einstieg bald lokalisiert. Rasch waren wir aufgerüstet, und es konnte um 11.30 Uhr losgehen.

Sieht ja sogar schon richtig gut aus (und ist es auch!): L2, 6b.
L1, 5c: Eher unschöne, nicht total banale Kletterei in etwas brüchiger Verschneidung. Als Zustieg zu werten...
L2, 6b: Anhaltende, technische Kletterei in schönem Fels mit Diagonalschlitzen, fast wie am Gonzen. Interessant!
L3, 6c+: Leicht überhängende Kletterei an Querschlitzen mit Boulder zu Beginn und Kniffelstelle am Ende. Sehr schön!
L4, 6c: Steile Ausdauerkletterei an Querschlitzen, ziemlich homogen und ohne ausgeprägte Crux. Sehr schön!
L5, 6b: Bouldrige Moves über ein Dächlein hinweg, fast die schwerste Einzelstelle der Tour. Kurz, aber gut.

Nun hatten wir nach 3:00 Stunden Kletterei bereits das Top erreicht. Dieses liegt leider mitten in der grossen Wand, allerdings macht die folgende 10m-Bruchzone auch nicht allzu viel Appetit, um hier noch eine Fortsetzung einzurichten. Beide konnten wir uns an einer perfekten Onsight-/bzw. Flash-Begehung erfreuen. Von der Anforderung her hatte es gerade bestens gepasst: immer so fordernd, dass die Konzentration auf jeden Fall aufrecht erhalten werden musste, jedoch auch immer im Komfortbereich, so dass die Adrenalinausstösse hier für einmal auf einem Minimum gehalten werden konnten. Es stand einfach das genussvolle Vorwärtsstreben im Vordergrund, insgesamt also eine prima Route, um sich das Selbstvertrauen für höhere Aufgaben zu holen. 

Kathrin am Moven in L3, 6c+. Die BH-Abstände sind übrigens nicht gar so kurz, wie diese Zoom-Aufnahme suggeriert.
Nach einem High Five am Top waren wir zügig mit 3 Abseilfahrten wieder am Einstieg. Etwas Zeit blieb noch übrig, also stiegen wir noch rasch zum Klettergarten Stöckalp hinauf. Diese gilt durchaus als Major Crag und ist in diversen Auswahlführern vertreten, obwohl er eigentlich weder besonders oft besucht, noch mit 13 Routen besonders gross ist. Die goldfarbene Wand mit den weissen Popcorn-Einschlüssen ist aber wirklich ganz speziell anzuschauen und die leicht überhängenden Wandklettereien scheinen attraktiv. Zur Ouvertüre schritt ich zügig durch die Susibusi (6c+), die nachfolgende Verbindung via den Götterquergang (7a+) ging auch noch, doch im Schlussbouquet des Läckmerli (7c+) versagten dann die Unterarme ihren Dienst. Nanu, Zeitbudget und Kraft waren aufgebraucht, also ab nach Hause!

Facts

Cheselenflue - Orion 6c+ (6a+ obl.) - 5 SL, 140m - Britschgi/Ettlin 2011 - ***; xxxxx
Material: 18 Express, 2x50m-Seile

Eher kurze, aber nette Route in einem wenig besuchten Sektor der Cheselenflue. Nach einer noch wenig einladenden Einstiegslänge wartet anhaltende, interessante und griffige Kletterei im für die Zone typischen Fels mit seinen meist guten Querschlitzen. Die Absicherung ist sehr üppig ausgefallen, man muss eigentlich nie gross über die Haken steigen. Das heisst, mit etwas Ruhen und dem einen oder anderen Silbergriff werden hier wohl die meisten irgendwie zum Ausstieg gelangen. Die Sonne bescheint die nach SE exponierte Route von ca. 8.00-15.30 Uhr.

Am Ende von L4 (6c) ist's bald geschafft, wobei dann in L5 (6b) nochmals eine kleine Herausforderung wartet.
Topo

Im SAC-Kletterführer Zentralschweizer Voralpen Südwest befindet sich ein Topo (Wandfoto mit eingezeichneter Linie, ähnlich wie oben). Mehr braucht es auch nicht, da der Einstieg angeschrieben ist und man sich danach auf dem Weg zum nächsten Bolt unmöglich verirren kann. Ebenso werden im SAC-Führer auch weitere 6 Routen am Wandfuss mit Schwierigkeiten von 4b-6b+ aufgelistet. 

Mittwoch, 21. Mai 2014

Kleines Jubiläum

An dieser Stelle ein Posting um mein kleines Jubiläum, nämlich meine fünfzigste gepunktete Route im Grad 7c zu feiern. Wenn wir schon bei den sinnvollen Statistiken sind, dann habe ich damit im Durchschnitt mehr als eine Route dieser Schwierigkeit pro Lebensjahr geschafft. Wobei natürlich die Mehrzahl dieser Begehungen auf die jüngste Vergangenheit fällt. Die Serie begann im Juni 2008 mit der Route Strammer Bolzen im Schlänggen bei Engelberg. Für mich besondere Highlights in diesem Grad sind Priapos auf Kalymnos, Pipeline in San Vito und Base Jump in Simplon Dorf, welche ich alle sogar Onsight klettern konnte. Am härtesten, zumindest gemessen an der Anzahl Versuche, fielen mir hingegen die Galerie-Routen Pro Niederi, Yellow Submarine und Presswehen, letztere sogar ein Werk meiner selbst. Die jüngste Ergänzung auf der 7c-Liste ist nun der Lokaltermin im Klettergarten Deponie bei Näfels. Wenn wir schon dabei sind, benütze ich den Anlass um etwas Werbung für dieses Gebiet zu machen, und eine neue Route vorzustellen.

Deponie in der Dämmerung. Links einige Platten um 6c, rechts die Überhänge mit Routen von 7c-8b+.
Nun, Gebiete zu bewerben ist ja etwas für sich und oft ist man froh, wenn nicht zu viel Verkehr herrscht. Bei der Deponie ist die Frequentierung allerdings so gering, dass es durchaus einige weitere Besucher leiden möchte. So wären Unkraut und Brennnesseln an den Einstiegen besser niedergetrampelt, die Griffe weniger staubig und das lockere Material besser ausgeräumt. Wer sich von diesen (aktuellen) Unannehmlichkeiten nicht länger aufhalten lässt, der trifft nämlich auf tolle Moves. Gerade der von mir gekletterte Lokaltermin ist eine echt coole, +/- senkrechte, technische Wandkletterei an Leisten, Seit- und Untergriffen. Mit den Füssen muss man oft plattig antreten, somit eine ideale Übung für alpine Unternehmungen, z.B. im Rätikon. Die unmittelbar daneben liegende Leistenbruch (7c) ist sogar fast noch schöner, rechts finden hingegen auch weniger ambitionierte mit Routen wie Terrain d'Aventure (hart 6b), Raksa (7a) oder Sanftes Unheil (hart 7a) interessante Herausforderungen. Und eben, eine Neutour hat es auch noch gegeben, nämlich ganz links aussen am Rand. Thomas und Mirs haben hier die alte Baustelle geputzt, eingerichtet und gepunktet. Herzlichen Dank dafür! Die 35m lange Route lautet auf den Namen Venus, ist mit 6c+ bewertet und weist 16 BH auf.

Donnerstag, 15. Mai 2014

Parete d'Osogna - Apriti Cielo (7b+)

Von der 'hohen Wand' bei Osogna, eigentlich ein veritabler Bigwall, hatte mir mein Kollege Christoph schon vorgeschwärmt, als wir anno 1995 erstmals den damals noch geheimen und sagenumwobenen Klettergarten oberhalb des Dorfs besuchten. Im oberen Teil der Parete d'Osogna gab es damals drei Technorouten mit Schwierigkeiten in der Gegend von A2/A3, welche in den 1970er Jahren von Genesio Petazzi und Kameraden eröffnet wurden. Wie das so ist mit solchen Spinnereien, verwirklicht wurde die Idee einer Begehung nie. In den letzten 10 Jahren wurden dann einerseits diese alten Technorouten vom starken Tessiner Luca Auguadri bohrhakenfrei mit Schwierigkeiten um 7c befreit, andererseits eröffnete Simon Riediker mit Gefährten etliche Testpieces, die bis in den Bereich von 8a+/8b reichen. Was blieb da für mich übrig? Richtig, die Apriti Cielo von Marco Bassi und Fabrizio Fratagnoli. Mit Ausdauer und Hartnäckigkeit legten sie 2007 eine Route mit 36 SL und 1150m Kletterlänge durch die ganze Wand, von deren Fuss bis unter den Gipfel. Sie ist damit eine der längsten alpinen Sportklettereien der Schweiz. Mit einer Bewertung von 7b+ ist sie immer noch nicht einfach, aber nachdem auf der ganzen Strecke 'nur' fünf Seillängen im siebten Franzosengrad warten und die obligatorische Schwierigkeit sich im Bereich von 6c (bzw. gemäss Topo gar nur 6b) einpegelt, könnte man hier doch einen ernstzunehmenden Versuch starten.

Die Feuerlilien sind in dieser Wand sehr zahlreich und eine wahre Pracht!
Schliesslich war es dann im Mai 2014 soweit. Die Wand war trocken, ein sonniger Tag versprochen und mit Dani konnte ich einen kompetenten Seilpartner finden. Leicht negativ war der Aspekt zu werten, dass es sich für uns beide um die erste MSL-Tour der Saison handelte. Das würde gleich einen steilen Einstieg bedeuten, aber sich bietende Gelegenheiten sollte man nicht leichtfertig auslassen und schliesslich verlernt man ja über den Winter auch nicht alles, zumal wir uns beim Sportklettern bereits einer guten Form erfreuten. Von Vornherein einigten wir uns auf die Absicht, vorerst nur die ersten 21 SL bis zum grossen Band in Wandmitte zu begehen. Für die (noch nie ausgeführte!?) Komplettbegehung in einem Tag muss man nämlich doch noch etwas mehr an Kletterkönnen und vor allem Klettertempo auf dem Kasten haben als wir beiden. Und während man natürlich unterwegs an einigen Stellen biwakieren könnte, so ist die Kletterei mit dem ganzen Material plus Wasser und Food für 2 Tage dann logistisch doch als eher aufwendig zu betrachten. Nebenbei war auch nur ein einziger schöner Tag angesagt, somit war der Plan fix, dass wir bei anderer Gelegenheit zurückkommen, um den oberen Teil mit den letzten 15 Seillängen zu komplettieren.

Unterwegs in L2 'Divieto di Svolta' (7a+)
Der lange Tag begann für mich mit dem Aufstehen um 4.00 Uhr. Zuerst war natürlich die Anfahrt ins Tessin zu absolvieren, auf den noch leeren Strassen absolute Formsache. Gerade etwa um 7.00 Uhr starteten wir mit dem Zustieg. Schweisstreibend ging es erst auf einem bequemen Weg in die Höhe, und auch die Abzweigung von diesem Steig war problemlos zu lokalisieren. In der Folge hatten wir kurz leichte Probleme, den richtigen Pfad zu finden ('leicht absteigend' gemäss Beschreibung heisst eben nochmals 100hm vernichten, und nicht mehr oder weniger horizontal queren...), aber dank vorhandener Spuren und teilweiser Markierung mit farbigen Punkten an den Bäumen und sogar einigen Reflektoren kamen wir wieder auf die richtige Spur. Bis an den Wandfuss brauchten wir gerade etwa 1.5 Stunden. Leicht erstaunt nahmen wir zur Kenntnis, dass in der dritten Seillänge bereits eine Seilschaft am Werke war. Die Route wurde bisher nämlich nicht oft begangen, und dass es dann gleich zwei Teams am selben Tag trifft, ist doch erstaunlich. Andererseits, wenn verschiedene Leute die für den Tag 'logische' Tourenwahl treffen, dann vielleicht auch eben nicht so sehr. Anyway, unsere Vorgänger waren für uns kein Faktor, da wir sie nie mehr zu Gesicht bekamen und die von ihnen hier und da an entscheidenden Stellen zurückgelassenen Chalkspuren uns sogar hilfreich waren. Guten Mutes entschloss ich mich, gleich die erste, mit 7a bewertete Länge zu führen. So war ich z.B. in Spanien jeweils in den Klettertag eingestiegen, so quasi zum Frühstück eine 7a zu flashen gibt einem doch ein richtig gutes Gefühl...

Der Blick vom Einstieg, da wartet ein Menge an steilem Gneis. Mit Adleraugen erkennt man die andere Seilschaft.
L1, 25m, 7a: Hinauf zum ersten BH in 10m Höhe ist es zwar nicht so schwierig, dennoch für ein Free Solo aber auch gar nicht so einfach, zumal man sich noch 2x eines morschen Baums bedienen muss. Danach stecken die BH aber dann in Klettergarten- bis Hallenmanier und das heisst wohl, dass es schwierig wird. Dem war dann auch so, es gilt eine steile, knifflige, teilweise an Griff und Tritt arme Verschneidung in technisch sehr anspruchsvoller Kletterei zu bewältigen. Meine Onsight-Ambitionen waren auf jeden Fall rasch zurechtgerückt, und am Stand konnte ich bereits den ersten Pump fühlen. Das kann ja heiter werden, war mein erster Gedanke...

Yours truly noch Onsight und gutem Mutes unterwegs in L1 'Prima Pagina' (7a)...
L2, 35m, 7a+: Diese Länge beginnt mit einer Linksquerung aus dem Stand hinaus, dann folgt eine rissige Schuppe zum ersten Bolt. Hier beginnen die Probleme: der Nachsteiger sieht sich nach dem Aushängen desselben in der schwierigen Stelle gleich danach schon erstmals der Gefahr eines zünftigen Pendlers ausgesetzt. Der Vorsteiger hingegen klettert hinauf und trifft an der Stelle, wo man bequem Einhängen könnte, nur auf einen versenkten Dübel ohne Plättli. Prekär muss er 6-7m über der letzten Sicherung noch 1.5m weitermoven, um sein Heil im (schwierigen) Klippen des nächsten BH zu suchen. Dieses ungute Gefühl sollte uns im weiteren Verlauf leider noch ein paar Mal ereilen... Einige Meter weiter oben folgt dann die klettertechnische Crux über 3 BH in Hallenabständen; es gilt eine überhängende, griffarme Verschneidung zu meistern. Der henklige Schluss dann toll und einfacher.

Die Sonne beginnt bereits einzuheizen, dies am Start von L2 'Divieto di Svolta' (7a+)
L3, 20m, 6c: Nach diesem Auftakt waren wir gar nicht so unglücklich darüber, dass es (nominell) vorerst etwas einfacher wird. Die cleane, steile Verschneidung gleich oberhalb vom Stand mit der total glatten Seitenwand, auf welcher man antreten muss, lässt aber schon böses vermuten. Tatsächlich wartet hier dann ein hammerharter Piaz, der zum Beginn aufgrund von Vogeldreck auch noch unangenehm schmierig ist. Wer es noch nicht weiss, das Piazen ist nun wirklich mein totaler Anti-Style. Ich überlege mir grad, ob ich wohl eine Volksinitiative lancieren soll, welche solche Seillängen verbietet ;-) Anyway, nach dem Piaz und dem Verlassen der Verschneidung nach links wartet dann etwas einfachere Kletterei an griffigen Schuppen.

Pressen, drücken, würgen, ... und Friends legen. Der Start in L3 'Il Guano' (6c) ist viel schwerer wie es hier aussieht.
L4, 35m, 6b+: Nun ja, eigentlich nochmals etwas einfacher, aaaber: gleich vom Stand weg wartet eine überhängende Boulder-Passage, die jetzt nun wirklich alles andere als einfach ist. Anhaltend geht es weiter, bei einem 'fail' fällt man direkt der Sicherungsperson auf die Rübe, d.h. Absicherung ungenügend. Ansonsten ist die athletische und griffige Wandkletterei echt super, wenn auch einfach richtig schwer. Gekrönt wird das ganz noch von einer Boulderpassage beim Ausstieg übers letzte Dach auf die Platte. Diese Seillänge würde ich jedenfalls mit mindestens 6c+ bewerten.

Dieses Foto ist nochmals von L3 'Il Guano' (6c), an deren Ende mit den Bolts für einmal nicht gegeizt wurde.
L5, 45m, 7b: Für das etwas heikle Anklettern des ersten BH muss man sich doch ziemlich überwinden. Danach begibt man sich mehr und mehr in plattiges Gelände, die relativ kurze Cruxzone fordert entschiedenes Hinstehen auf einem Nichts und das Krallen von kleinsten Leisten. Allerdings kann man hier auch problemlos mit 3x Melken im A0-Style passieren. Nach einem unnötigen 10m-Runout mit einem heikel zu klippenden Bolt danach wartet dann noch eine zähe, athletisch-überhängende Passage, wirklich coole Kletterei aber. Man steigt dann aufs erste, bewachsene Band aus, der Stand ist ziemlich links unter dem Dach!

Dani in L5 'Dark Slab' (7b), jetzt geht's looooos!
L7, 30m, 6b+: Nach einer 25m Traverse im Gehgelände (L6) geht es wieder steil weiter. Erst steil und gut mit BH gesichert, erreicht man eine Rissspur, die an eine grosse und dünne Schuppe leitet. Diese wird im Piaz erklettert, bis auf einen BH mittig muss bzw. müsste diese Passage komplett selber abgesichert werden. Das ist durchaus etwas heikel, denn die dünne Schuppe macht jetzt nicht gerade einen bombenfesten Eindruck. Während das Dülfern daran ja vielleicht noch einigermassen unbedenklich sein mag, so wäre dies ein Sturz in darunter gelegte Friends kaum. Ein Absprengen der Schuppe wäre aber ein ganz schlechtes Szenario, daher muss man wohl oder übel den Runout in Kauf nehmen. 

Der Piaz an der dünnen, heiklen Untergriffschuppe von L7 'The Flake' (6b+)
L8, 30m, 7a: Vor dieser sogenannten Down Pitch hatte ich mich schon zuhause etwas gefürchtet. Ein 30m-Quergang im Grad 7a mit nur 5 BH tönt jetzt schon a priori eher unangenehm. Und nun waren vor Ort sämtliche Schwierigkeiten klar höher wie erwartet, und die Runouts deutlich mehr zum Fürchten wie erhofft. Zudem ist diese Länge nun wirklich ein Paradebeispiel für sinnfreie Absicherung: etwas weit und heikel aber noch nicht so schwer zum ersten BH, der zweite folgt unmittelbar darauf. Danach geht es dann aber 15m horizontal hinüber zum nächsten Bolt. In Mitte dieser Strecke befindet sich (wieder einmal an entscheidender Stelle) ein versenkter Dübel ohne Plättli. Warum? Wohl weil man 1m weiter einen mässigen Cam in einem nach aussen offenen Riss platzieren kann. Versagt dieser (was durchaus denkbar ist), so sind sowohl Vor- wie Nachsteiger einem üblen Pendelsturz ausgesetzt. Na ja! Die klettertechnische Crux folgt dann zum Schluss der Länge, in senkrechter Wand hat es für die Hände noch ein paar Leisten und Aufleger, für die Füsse einfach rein gar nix. Allerdings stecken hier 3 Bolts wiederum deutlich weniger als eine Armspannweite auseinander, so dass diese Passage dann easy A0 bewältigt werden kann. Eine etwas homogenere Verteilung der BH über die Seillänge hinweg wäre jedenfalls wünschenswert.

In L8 'Down Pitch' (7a), gerade bevor der 15m-Runout zum nächsten Bolt beginnt: Holy Shit!
L9, 40m, 6b+: Ob dem Stand wartet eine cleane Verschneidung und lässt schon mal Böses befürchten. Doch die geht dann für einmal ganz gut von der Hand. Auch danach folgt schöne, 'normale' Wandkletterei, einfach griffig, genussvoll und trotz etwas weiteren Abständen gut gesichert. Doch ganz ungerupft kommt man nicht zum Standplatz, ganz zum Schluss wartet noch eine heftige Boulder-Einzelstelle.

L10, 40m, 7b+: Hier warten die Hauptschwierigkeiten, dafür stecken auch 12 BH. Der Start bietet noch etwas einfachere Kletterei so um 6c rum und ist obligatorisch. Sobald man dann in die beinahe senkrechte Platte kommt, sind die Hakenabstände kurz (A0 problemlos machbar), was angesichts der traversierenden, sehr kleingriffigen Leistenkletterei mit weiten Zügen und fast keinen Tritten wohl für manchen Begeher hilfreich ist. Nach dieser ca. 5-7m langen, harten Sequenz folgt obenraus wieder einfachere, doch sehr schöne Kletterei mit grosszügigerer Absicherung.

Der Gneis mit seinen vielen flachen Leisten plättet die Unterarme enorm...
Nach diesem Testpiece wäre die Tour für uns schon beinahe zu Ende gewesen. Waren wir die ersten Längen noch vor dem Erscheinen der Sonne im Schatten geklettert, so heizte diese uns nun mächtig ein, machte uns lethargisch und bereitete uns heftig schmerzende Füsse. Obwohl wir 3 Liter ans Tranksame mitgenommen hatten, waren unsere Vorräte schon beinahe erschöpft. Irgendwie paradox und beinahe ironisch, dass der Routenname auf Deutsch "Himmel, öffne Dich!" bedeutet. Wir hätten uns nichts sehnlicher gewünscht als ein paar Wolken und etwas Abkühlung. Schliesslich konnte ich Dani weiter nach oben locken, indem ich versprach die nächsten Seillängen komplett vorzusteigen. Er würde indessen auf die Turnschuhe wechseln um seine Füsse zu entlasten, und so gut es geht nachsteigen. Das war doch einmal ein Deal, und ich machte mich auf den Weg.

L11, 25m, 6a / L12, 20m, 6a / L13, 15m, 3a: Ein einfacheres Zwischenstück, die beiden 6a-Längen fand ich wirklich schön zu klettern, und auch gut abgesichert. Auf jeden Fall war es ein gutes Gefühl, die Schwierigkeiten für einmal locker im Griff zu haben. Bei den anderen Längen war dies ja nur mehr oder weniger der Fall. Es ist übrigens problemlos möglich, zwei der drei SL zusammenzuhängen (am besten L12 & L13). Die vielen Stände sind in diesem schräg und mit einigen Bäumen und Sträuchern durchsetzten Gelände wohl mehr für ein bequemes Abseilen gedacht.

Spuren der Zivilisation...
L14, 50m, 6b+: Diese sogenannte Shark Whales Länge war mir schon vorher als sehr spektakulär bekannt. In der Tat wurde meine Erwartung hier überhaupt nicht enttäuscht, ja sogar noch übertroffen. In einmaliger, überhängender Kletterei geht es an Henkeln und abstehenden Schuppen in die Höhe. Nach weitem Abstand zum ersten BH (aber einfache Kletterei, dennoch etwas heikel) ist die Absicherung erst gut, obenraus warten dann längere Abstände bei anhaltend ausdauernder Kletterei, irgendwie schon fast wendenmässig. Für mich war es klar die beste Länge des gesamten unteren Teils. Auch dieser Vorstieg hatte richtig Laune gemacht.

Der grosse Überhang von L14 'Shark Whales' (6b+). Noch viel besser, als es hier aussieht!
Es folgt mit L15 eine weitere 30m-Zwischensequenz über ein grasiges Schrägband hinweg. Vermutlich könnte man über dieses nach links oben Aussteigen, und den Abstiegspfad erreichen. Vorsicht: dies ist eine blosse Vermutung, vom Gelände her sieht es halt einfach so aus. An ein paar Bäumen könnte unterwegs auch gesichert werden. Auf jeden Fall würde ich bei einem Abbruch an dieser Stelle sicher einmal diesen Fluchtweg probieren, anstatt lange und mühsam abzuseilen. Von hier sieht aber auch der Weg nach oben nicht mehr allzu weit aus, wobei es täuscht weil man das Ende von L19 für den Ausstieg hält und die letzten 2 SL nicht einsieht. Da es gefühlt aber nicht mehr weit war, wollten wir nun auf jeden Fall probieren, das grosse Band nach L21 zu erreichen.

L16, 40m, 6b: Zuerst wartet noch etwas gemüsiges Gelände, wo noch nicht gesichert werden kann. Die Kletterei ist aber einfach und der Fels recht solide. Nach 10-15m wird es kompakter, und einer Art Hangelrippe entlang geht es in die Höhe. Die Crux hat aber plattigen Charakter und ist voll obligatorisch, d.h. die schwersten Moves sind 2-3m über dem Haken - und es ist eine 6b-Plattencrux, sowas ist nie einfach.

Erst noch Gemüse, dann Knallerplatte: L16 'Hilti KO' (6b)
L17, 40m, 6b+: Der Name 'Expo Pitch' lässt Böses vermuten und tatsächlich ist diese Länge ungenügend abgesichert. Zuerst einmal geht es noch einfach einer schönen Schuppe entlang, dann an einem steilen Riss in die Höhe (alles clean, aber perfekt zu sichern). Nun würde man logisch nach rechts auf eine Platte queren, allerdings steckt der BH erst 3m weiter oben und zwingt einen auf eine komische Wandstelle obenrum. Ich bin dann nach dem Einhängen trotzdem untenrum geklettert, was bestimmt viel besser geht. Aber ok, das Problem kommt erst jetzt. Nachdem man mal etwa 8-10m über die Platte hochgeschlichen ist, wartet ein kleines Dächlein mit plattigem Ausstieg. Jetzt nicht wahnsinnig schwer (ca. 6b), aber wer hier fällt rutscht erst die Platte runter, fällt dann über ein grosses Dach ins Leere und pendelt schliesslich nach links in die Wand zurück, zumindest wenn die Seile beim Schlittern über die scharfe Dachkante nicht durchtrennt werden. Unter dem Dächlein kann man zwar noch 2 eher schlechte Cams versorgen, aber an dieser Stelle (bzw. in den 2-3m davor) hätte in dieser Route einfach zwingend ein BH hingehört, Punkt. So ist das saugefährlich!

Der einfache Anfang von L17 'Expo Pitch' (6b+). Don't ruin your day! Unten das Band, auf welchem man evtl. flüchten könnte.
L19, 45m, 6b+: Nachdem man auf dem Grasband 20m nach rechts gequert ist (L18) kann, muss oder darf man das Dschungelbuch anpacken. Es handelt sich um eine optisch sehr schöne, cleane Piazverschneidung. Nachdem die beiden vorherigen Piaz-Abschnitte von der eher herben Sorte waren, schwante einem auch hier nochmals eine Mühsal. Doch ganz überraschend kletterte sich dieser Abschnitt nun deutlich angenehmer, weniger brachial, ja sogar richtig genussreich. In der Folge geht es dann noch ein wenig durchs Gebüsch und über Aufschwünge hinweg, zum Teil drückte auch noch die Nässe, dank guter BH-Absicherung kam man aber sorgenlos durch.

Wieder mal piazen in L19 'Il Libro della Giungla' (6b+). Ganz tolle Meter aber, komplett und perfekt selber zu sichern.
Das Problem war nun viel mehr, dass sich der Himmel inzwischen geschlossen hatte und dichte Wolken aufgezogen waren. Ja, es roch sogar schon richtig nach einem Schauer und wir fühlten, dass wir in L19 von einem Bigwall, zwei Seillängen vom Ausstieg entfernt, alles andere als am richtigen Platz dafür waren. Ein kurzer Blick aufs Smartphone zeigte, dass im westlich gelegenen Maggia- und Verzascatal tatsächlich schon Regen niederging und die Zelle in unserer Richtung unterwegs war. Flucht nach oben war die Devise, bloss den Ausstieg erreichen, bevor der Regen kommt. Hier im Regen noch ewig abzuseilen, das war nun wirklich gar nicht nach unserem Gusto. 

L20, 20m, 6a: Zum Glück war diese sogenannte 'Nonsense Pitch' rasch erledigt, denn sie ist kurz und überhaupt nicht schwierig. Der Stand danach befindet sich auf einem bequemen Band, wo man unter einem Überhang Schutz vor dem Wetter finden, und auch ideal biwakieren könnte. Wie wir im Nachhinein wissen, waren wir hier auch nur etwa 15 horizontale Meter vom problemlos erreichbaren Abstiegsweg entfernt. Leider zeigt dies die Toposkizze nicht auf, und so waren wir der festen Überzeugung, auch noch die sich vor uns befindliche Felsstufe zwingend erklettern zu müssen.

L21, 45m, 6b: Diese Länge lautet auf den Namen 'Psico Dalle', d.h. die Psychoplatte. Tönt ja schon einmal vielversprechend, zudem fielen nun tatsächlich die ersten Tropfen und eine 45m-Plattenlänge im Grad 6b mit nur 4 BH klettert man nun einfach nicht auf glitschig-feuchtem Gneis. Somit war ein schlauer Plan B gefragt. Natürlich hätten wir den Schauer unter dem Überhang aussitzen können, doch wir fanden schliesslich weiter links einen Weg, um die Stufe clean durch gemüsigen Fels erkraxeln zu können.

Dieser Wegweiser befindet sich dort, wo der Zustiegspfad abzweigt. Wir hätten auch für den Abstieg welche gebraucht...
Somit hatten wir das grosse Mittelband erreicht, und somit den ersten Teil der Route abgeschlossen. Es war nun ca. 19.00 Uhr abends, also hatten wir über 10 Stunden Kletterzeit gebraucht. Der Schauer war nur kurz und wenig intensiv gewesen, und es klarte sogleich wieder auf. Eigentlich war also alles im grünen Bereich, es warteten nur noch die 1000hm Abstieg nach Osogna, das wäre problemlos vor dem Einbruch der Dunkelheit zu schaffen. Nun waren wir aber gemäss unseren Skizzen der Meinung, dass sich dieser Abstiegsweg weiter links oben befinden müsse. Diese Intuition war leider komplett falsch, wie wir später herausfinden sollten, hatten wir ihn beim Kraxeln über die Felsstufe unbemerkt bereits gekreuzt. Irgendwelchen vermeintlichen Spuren und Wildwechseln folgten wir nun immer weiter hinauf, zwei weitere Felszonen wurden erklettert, bis wir irgendwann vor einer kaum überwindbaren Rinne auf rund 1400m (und somit fast 200hm zu hoch) standen und endgültig die Gewissheit erlangten, dass wir uns hier oben total verkoffert hatten. Es galt nun abzuwägen, ob wir einfach in der Falllinie den steilen, felsdurchsetzen Bergwald absteigen, oder zum Ende der Route zurückgehen und den Pfad suchen. Mit dem nicht mehr allzu weit entfernten Einbruch der Dunkelheit war nur zweiteres eine vernünftige Lösung, und wir drehten um. Den Weg, den wir gekommen waren, hatten wir rasch verloren, auch mussten wir an Bäumen über eine Felsstufe abseilen. Der Nase nach und meiner Intuition vertrauend, erreichte ich nach einer Weile aber den Start von L23 ('Antro Rosso', erste Seillänge des oberen Routenteils). Ab da gelang es dann auch, das Ende von L21, d.h. den Ausstieg aufs Mittelband, zu finden. 

Die Wand vom Dorf Osogna aus. Sieht uninteressant und nach Gemüse aus. Wer's glaubt, ist selber schuld!
Ab hier waren tatsächlich schwache Wegspuren erkennbar, über die Stufe von L21 kommt man an einigen Drahtseilen hinunter, eigentlich nur wenig entfernt von der Stelle, wo wir zuvor clean hochgeklettert waren. Und zu unserem Erstaunen waren wir dann im Nu zurück auf dem Band, wo der Stand vor L21 liegt, und wir wegen dem Regen nach einer guten Alternative gesucht hatten. Hätten wir da gewusst, dass wir einfach die Schuhe schnüren und runterlaufen könnten, es hätte uns einige Mühe und eine gute Stunde rumkraxeln im steilen Bergwald erspart. Nun aber hatten wir Gewissheit, richtig unterwegs zu sein. Die Pfadspuren waren zwar meist wenig ausgeprägt und teilweise sogar unmerklich. Mit scharfem Beobachten verloren wir den Pfad aber nicht mehr, und konnten rasch Höhe vernichten. Irgendwann hatten wir dann den besseren, nach Ponasca führenden Pfad erreicht, nun sollte nichts mehr schiefgehen können. Um 21.15 Uhr, gerade vor Einbruch der Dunkelheit und über 14 Stunden nach Aufbruch, waren wir retour in Osogna beim Auto. Dass der schnelle Abstieg danach für ziemlichen Muskelkater sorgen würde, war da noch die kleinste Sorge. Nun galt es nur noch, das Material zu verpuffen und die Heimfahrt anzutreten. Zuerst noch aufgekratzt vom Abenteuer, war die Müdigkeit noch kein Faktor. Später dann waren zwei Stopps fällig, um mit ein paar Turnübungen für die nötige Wachheit beim Fahren zu sorgen. Bis ich zuhause angekommen war, noch etwas zwischen die Zähne bekommen hatte und bereit für ins Bett war, schlug es bereits 1.00 Uhr. Ein 21-Stunden-Tag also. Will heissen, dass ich im Durchschnitt während meiner Wachheit an diesem Tag genau eine Seillänge pro Stunde geklettert habe - was für eine sinnvolle Statistik dies auch ist!

Das war die erste von den 21, noch früh am Morgen.
Facts

Parete d'Osogna - Apriti Cielo 7b+ (6c obl.) - L1-21, 675m - M. Bassi & F. Fratagnoli 2007 - ****; xx-xxxxx
Material: 12 Express, 2x50m-Seile, 1x Camalots C3 00-2, 1x Camalots C4 0.3-3 (plus evtl. 4 und 0.3-0.75 doppelt)

Die Apriti Cielo ist nicht einfach eine Kletterroute, sondern schon fast eher eine Kletterreise, und dabei haben wir sogar nur den ersten Teil begangen. Auch wenn die Wand durch die sie verläuft auf den ersten Blick eher uninteressant und gemüsig aussieht, so warten hier doch viele Klettermeter in perfektem, sauberen Orthogneis. Einige bewachsene Bänder müssen zwar gequert werden, dies stört den Genuss jedoch nicht wesentlich. Die von den Erstbegehern gewählte Linie ist durchaus logisch, und verbindet die über weite Strecken selbst abzusichernden Risse, Verschneidungen und Schuppen mittels Wandkletterei durch gutgriffig überhängende Zonen und Passagen mit technisch-kleingriffigen Plattenmoves. Wo nicht selber gesichert werden kann, stecken zahlreiche Bohrhaken, jedoch ist deren Verteilung etwas inhomogen ausgefallen: in den Passagen mit Schwierigkeiten über 6c/+ kann meist bald wieder geklippt werden, alle Stellen mit Schwierigkeiten über 7a können gar ohne Schwierigkeiten A0 geklettert werden. Gerade im Bereich von 6b/+ gibt es aber auch einige weite und manchmal nicht ganz ungefährliche Runouts welche nicht entschärft werden können, dort hilft dann nur der beherzte Schritt nach vorne. Zudem fand ich gerade in diesem Bereich die Bewertung oft auf der eher harten Seite. Die obligatorische Schwierigkeit würde ich daher entgegen der Angabe im Topo auf 6c hochsetzen, mit dem Zusatz dass eine 6b dann auch meterweit über der letzten Sicherung bei technisch anspruchsvoller Kletterei absolut sicher beherrscht werden muss. Dem der es drauf hat, kann diese anhaltend anspruchsvolle Route aber wärmstens ans Herz gelegt werden. Die beste Jahreszeit ist sicher das Frühjahr, im Sommer ist es hier (ausser an bewölkten Tagen) viel zu heiss, und im Herbst/Winter dürften für Normalkletterer die Tage zu kurz sein. Nach den im Tessin manchmal heftigen Niederschlägen kann es bis über 1 Woche dauern, bis die Route wieder in Bedingungen ist. Nasse Passagen können einem im Gneis vor erhebliche Probleme stellen!

Topos 

Das Topo der Erstbegeher (PDF) ist von allererster Güteklasse! Dafür, wie auch für die immense Arbeit mit dieser Route möchte ich einen herzlichsten Dank an das Team Bassi/Fratagnoli aussprechen! Damit ich mich das nächste Mal nicht mehr im steilen Bergwald verirre und den Zustieg zum oberen Teil ohne Schwierigkeiten finde, habe ich mir eine Skizze (PDF) angefertigt. Ist halt mehr ein Fresszettel mit Notizen, aber vielleicht ist das ja irgendwem behilflich. Ebenso schafft vielleicht das Übersichtsfoto von der anderen Talseite auch noch für etwas Klarheit.





Donnerstag, 8. Mai 2014

Ragnatscherbach - Salto de Agua (6c+)

Tja, das mit dem Ragnatscherbach ist so eine Sache. Im Sommer 2012 hatte Dani zusammen mit Elia die Route 'Slippery When Wet' erschlossen, welche über die Platten neben dem Wasserfall führt. Zusammen mit Kathrin wollte ich mir deren erste Wiederholung sichern, doch am Ende der fünften Seillänge rutschte mir auf dem nassen, belagigen Fels an einer eigentlich einfachen Stelle beim Einhängen des Seils der Fuss weg. Ein Purzelsturz von 15-20m Länge in einen glücklicherweise gelegten Camalot war das Resultat. Mit einigen Prellungen und Schürfungen war ich jedoch glimpflich davongekommen. Während ich damals im Adrenalinrausch sogar noch die nachfolgende Cruxlänge kletterte, war danach Schluss, die Schmerzen waren einfach zu stark. Doch schon beim Abseilen schwor ich mir, noch einmal zurückzukommen.

Auf geht's. Dies ist L1 (6c+/7a) der oberen Stufe.
Schon damals hatte ich den Eindruck, dass die beste Kletterlinie an der oberen Stufe linkerhand vom Bach hochführen würde. Dani sah das eigentlich genau gleich, nur hatte er damals bei der Erstbegehung von 'Slippery When Wet' die rechte Seite gewählt, da diese geringere Schwierigkeiten versprach. So vereinbarten wir, bei Gelegenheit eine Linie links des Bachs zu erschliessen. So kam es dann, dass wir uns an einem Nachmittag im August 2013 an die Arbeit machten. Dazu musste zuerst die untere Stufe erklettert werden. Es floss noch einiges an Wasser, und wir wurden voll geduscht. An diesem schönen Sommernachmittag war das Wasser aber warm wie zuhause unter der Dusche, wir kletterten sowieso in den Badehosen und waren froh um die Abkühlung. Auch mit der neuen Linie kamen wir voran: schon in der ersten Länge wartete wohl ein kniffliger Wulst, danach folgten krass glattgewaschene Platten. Trotzdem gab es immer einen Weiterweg, plötzlich trumpfte der Fels auch wieder unerwartet mit griffigen Rissen und Löchern auf, welche sogar eine teilweise Absicherung mit Klemmgeräten erlaubten. Nach drei Längen ging uns aber das Tageslicht aus, und wir machten uns an den Rückzug. Inzwischen war es dunkel geworden, unsere Lampen hatten die Dorfbewohner aufgeschreckt und zum 'Nachschauen' animiert. Als wir da, mitten in der Dunkelheit und vom Abseilen durch die Dusche tropfnass auf diese Leute trafen, gaben wir wohl ein leicht schräges Bild ab...


Nur zwei Tage später waren wir wieder vor Ort, um die Arbeit zu vollenden. Dieses Mal wählten wir den bequemeren Zustieg von oben. Im Bach wird hin und wieder durch Canyoning-Freunde abgeseilt, so dass bereits Kettenstände vorhanden sind. Somit gelang der Zugang also problemlos. Ich konnte die tolle vierte Länge einbohren, und nach zwei weiteren kniffligen Sequenzen war das Ende der grössten Schwierigkeiten erreicht. Mittels drei einfacherer Seillängen gelangt man zum logischen Routenende. Nun war nur noch die Rotpunktbegehung ausstehend. Kurz vor meiner Abreise wollten wir diese ins Trockene bringen. Doch leider war uns an einem kühlen, bereits herbstlichen Morgen kein Erfolg vergönnt. Die Dusche in der unteren Stufe war dermassen stark, und das Wasser so eisig kalt, dass der Vorsteiger beinahe ertrunken wäre, und danach total durchnässt mit blauen Lippen schlotterte. Somit war erst einmal ein Rückzug fällig, und wieder trocken eingekleidet entschieden wir uns dann, lieber die Aqualandia im Schattenbachfall anzupacken. Während ich dann schon unter griechischer Sonne kletterte, zog Dani unsere neuen Seillängen an der oberen Stufe alle rotpunkt. Damit ist die Route befreit und für Wiederholer freigegeben! 

Kompakte Stelle hoch über dem Seeztal in L4 der oberen Stufe.
Anschliessend eine Beschreibung der einzelnen Seillängen.

Untere Stufe, L1: Plattige Kletterei in teils nicht ganz optimalem Fels
Untere Stufe, L2: Einfacher durch eine Rinne, die fast immer nass ist
Untere Stufe, L3: Und nun mitten durch den Wasserfall, erstaunlich einfach, aber immer nass

Es folgt ca. 150m einfaches Gehgelände, welches problemlos seilfrei möglich ist. Wer die untere Stufe mit der zwingenden Dusche vermeiden will, kann auch erst hier einsteigen. Die Umgehungsvariante durch den Wald ist im Topo sehr gut beschrieben.

Obere Stufe, L1: Schöne Kletterei an Löchern, knifflige Crux und glatte Platten
Obere Stufe, L2: Arschglatte Platte, Reibung ähnlich wie auf der Granit-Küchenabdeckung
Obere Stufe, L3: Steilerer, griffiger Aufschwung und fordernd plattige Querung nach links
Obere Stufe, L4: Schöne Kletterei an griffigem Fels und Rissen, teils selber zu sichern
Obere Stufe, L5: Unmittelbar neben dem Bach, Reibungskletterei und Aufschwünge
Obere Stufe, L6: Zuerst etwas einfacher durch die Botanik, danach spannender Überhang
Obere Stufe, L7: Über den Bach drüber und in einfachem, griffigem Gelände aufwärts
Obere Stufe, L8: Eher reibungslastige Länge mit wenig anhaltenden Schwierigkeiten
Obere Stufe, L9: Kurze und gar nicht so einfache Reibungscrux, der Rest einfacher

Vom Ausstieg kann man in einer markierten, horizontalen Querung einen Bergweg erreichen, über welchen man problemlos retour ins Tal findet. Das Abseilen über die Route dauert viel länger und macht herzlich wenig Sinn. 

Pool am Ausstieg, hier endet die Route. Wer will, kann auch hier nochmals gut ein Bad nehmen.
Facts

Ragnatscherbach - Salto de Agua 6c+ (6b+ obl.) - 12 SL, 410m (+150m Gehgelände) - D. Benz & M. Dettling 2013 - **;xxx
Material: 12 Express, Camalots 0.3-3, wenn Einstieg unten Behälter für die Elektronik und Ersatzfinken

Ausgefallene, aber landschaftlich schöne und eindrückliche Route mit viel Ambiente unmittelbar neben einem Wasserfall. Der Fels ist zum allergrössten Teil solide und kompakt, teils total glattpoliert, andernorts dann wieder unerwartet griffig, stellenweise auch dreckig und etwas Botanik hat es auch hier und da. Kurz, eine Route die vielleicht nicht klassisch schön ist, dem Liebhaber aber trotzdem auf jeden Fall ein spannendes und auch technisch herausforderndes Klettererlebnis bietet. Die Route ist mit den notwendigen BH gut eingerichtet, einige Passagen müssen und können gut mit Klemmgeräten abgesichert werden. Objektiv ist die Route bei Niedrigwasser unbedenklich, es droht kein Steinschlag oder ähnliche Gefahren. Die Saison beschränkt sich auf Trockenperioden im Sommer und im Herbst. Fliesst zu viel Wasser, so werden in der oberen Stufe einige plattige Passagen feucht, und man hat auf dem glatten Fels keine Chance auf ein Hochkommen. Die zweite und vor allem die dritte Länge der unteren Stufe sind bei einfacher Kletterei immer nass und man wird nie ohne zumindest eine leichte Dusche durchkommen. Was bei entsprechender Kleindung, bzw. tauglichen Luft- und Wassertemperaturen ein spassiges Erlebnis sein kann, ist bei Kälte kein Genuss. Dann ist es sinnvoll, die untere Stufe durch den Wald zu umgehen, es lohnt sich auf jeden Fall, auch nur die obere Stufe zu klettern.

Übersicht über die obere Stufe, links 'Salto de Agua', rechts 'Slippery When Wet'
Topo (Download als PDF)



Fotogalerie

Blick auf die untere Stufe
Plattige Kletterei in L1 der unteren Stufe, gar nicht so banal.
Kathrin folgt in L1 der unteren Stufe, anlässlich unserer Begehung von 2012.
Aufbruch in L2 der unteren Stufe, da wird man nicht trocken bleiben.
Kathrin folgt in L2 der unteren Stufe, bei deutlich besseren/trockeneren Verhältnissen im 2012.
Dies ist L3 der unteren Stufe, sie wird nie trocken sein. Trotzdem ist sie recht gut kletterbar.
Und man kann (bei entsprechenden Verhältnissen) sogar auch nach dieser Länge noch ein Lachen auf den Lippen haben!
Im grossen Quergang von 'Slippery When Wet', auf der Schmierseife im Vordergrund hat es mich runterpaniert...
In L2 der oberen Stufe von 'Salto de Agua', der Fels zu Beginn glattpoliert wie die Küchenabdeckung!
Rückblick am Stand nach L2 der oberen Stufe, landschaftlich einmalig und das Ambiente grandios!
Schöne Kletterei in kompaktem Fels in L4 der oberen Stufe.
Der hat schon bessere Zeiten gesehen. Schlecht platzierter, verzinkter Canyoning-Bolt. Unser Material ist top Inox!
Die letzten Meter zum Ausstieg, L9 der oberen Stufe. Die Pools und der plätschernde Wasserfall einfach genial!