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Sonntag, 15. Februar 2015

Kandersteg - Lochroute (WI5)

Der Eiskletterwinter fand in den vergangenen zwei Wochen statt. Zumindest für mich, wahrscheinlich gilt das aber auf der Alpennordseite ziemlich generell. Mich haben all die Jahre gelehrt, dass es insbesondere im Eis rein gar nichts bringt, Routen in schlechten Verhältnissen erzwingen zu wollen. Man muss die Geduld haben, auf den richtigen Moment zu warten und dann zuschlagen. Natürlich braucht es auch immer etwas Glück, damit es dann wirklich aufgeht. Dieses Mal war es mir wirklich hold, deshalb werde ich hier in den nächsten Tagen die Perlen der Eissaison 2015 präsentieren.


Den Auftakt macht die Lochroute im Sektor Staubbach bei Kandersteg. Sie wurde bereits im Jahr 2000 erstbegangen, fand aber lange relativ wenig Beachtung. Wenn man in diesen Sektor pilgerte, dann für die beiden schillernden Fälle Blue Magic und Rübezahl. Denn obwohl die Lochroute sehr interessante Kletterei bietet, so fehlt ihr die plakative Linie, welche die beiden anderen Fälle haben. Im Winter 2013 war die Lochroute dann in sehr guten Verhältnissen, mit entsprechend vielen Begehungen. Das war der Zeitpunkt, wo auch wir sie auf die Projektliste gesetzt hatten. Nun, zwei Jahre später wagten wir einen Versuch, ohne genaue Kenntnisse über die aktuellen Bedingungen zu haben. Nach einer gemütlichen Anfahrt mit dem Zug und dem ca. 45 Minuten dauernden Zustieg zum Wandfuss konnten wir um 9.45 Uhr mit der Kletterei beginnen. Vor und nach uns war je eine Seilschaft auf Platz, welche aber beide die Mixed-Linie Bück Dich klettern wollten.

Der Sektor Staubbach mit Blue Magic (links), Bück Dich/Finderlohn (mittig) und der von uns gekletterten Lochroute.
L1, 35m: Interessante Auftaktlänge mit einer ziemlich homogenen Steilheit von rund 80 Grad, welche meistens nicht üppig vereist ist. Das war auch dieses Mal so, doch liess sich dieses Teilstück gut klettern und auch sauber absichern. Gut strukturiertes Eis und Begehungsspuren ermöglichten es mir im Nachstieg, die ganze Länge ohne einen einzigen Pickelschlag zu klettern. Die Schwierigkeit würde ich auf ca. WI4- veranschlagen.

L2, 35m: Während Bück Dich nach links zieht, müssen wir rechts weiter. Im Vergleich zu L1 wird es noch ein bisschen steiler und erreicht auf ein paar Metern um die 85 Grad. Man erreicht dann eine kurze Verflachung (Schneefeld), wo man den NH-Stand links aber auslässt. Mit interessanter bouldriger Kletterei über Balkone und Überhänge hinweg erreicht man das nächste Band mit Stand an BH. Diese Länge ist als ca. WI4 einzustufen.

Jonas folgt in L2
Ganz schlechter Standplatz am Ende von L2. Der Bohrhaken steckt in einer dünnen, brüchig-losen Schuppe. Als ich 3 Tage später das nächste Mal vor Ort war, waren sowohl Schuppe wie Bohrhaken bereits entfernt. Folglich muss man aktuell an dieser Stelle an 1 BH Stand machen und auch Abseilen. Wenigstens steckt dieser in soliderem Fels.
L3, 50m: Vom Stand quert man horizontal nach rechts hinaus, um dann über Schnee und/oder Mixed-Terrain aufwärts in die grosse Verschneidungs-/Kaminrinne hinein zu steigen. Der Beginn ist von der Steilheit her noch moderat und problemlos, später wird es dann steiler. Bei optimaler Vereisung ginge die ganze Länge vermutlich sogar als WI3 oder WI3+ durch. Das Problem war aber, dass es hier wie oft nur sehr wenig Eis hatte, man muss eher von dünner Glasur sprechen. Zuverlässige Schrauben konnten nicht gesetzt werden, also mussten Absicherung wie Kletterei zumindest teilweise im Fels stattfinden, was jedoch auch nicht nach Belieben möglich ist. Bei diesen Verhältnisse ist diese Länge eher als M4+ bis M5 zu werten.

Blick auf das Couloir/Kamin, in welchem der zweite Routenteil verläuft. Hier im Vordergrund ist L3 sichtbar.

Detail von L3 beim Abseilen. Wenig Eis hier, zu wenig zum Schrauben, zum Klettern geht's grad so.
L4, 30m: Nun standen wir tief in der Kaminrinne an einem Klemmblockstand vor der nominellen Schlüsselstelle. Hier bildet der Kamin eine ca. 8m hohe, überhängende Nische. Bei optimalen Verhältnissen wächst von oben eine Säule herunter, dank welcher man hier mit ca. WI5 hochkommt. Aber nix da, es hat zwar etwas Eis, doch die Säule reicht nicht bis zum Boden, ist sehr dünn, glasig-fragil und unkletterbar. Wir haben ja das Felsgear dabei, also versucht sich Jonas direkt am überhängenden Kamin. Zentimeter um Zentimeter schiebt und klemmt er sich höher, eine erste Sanduhr bietet dabei Sicherheit. Kurz bevor es endgültig prekär wird und zwingend der Wechsel an die Säule erfolgen muss, lässt sich ein Friend in den Riss schieben und schliesslich unbequem weit im Grund eine weitere Sanduhr fädeln. Jonas bezeichnet diese zuverlässige Sicherung treffend als Game Changer und tatsächlich: auf diese Weise gut gesichert, überwindet er den maroden Vorhang sauber. Der Weg nach oben zum nächsten Stand erfordert dann nur noch Eiskletterei um WI4 herum. Insgesamt muss man bei dieser Länge aktuell aber von M5+ bis M6 sprechen.

Blick aus der Nische hinaus auf die Schlüsselstelle
So sieht es hier bei guter Vereisung aus. Bild von Februar 2013 von Schuff Vince.

Blick beim Abseilen auf die Schlüsselstelle und die Nische runter. Schon steil hier, und schlechtes Eis.
L5, 50m: Zum Abschluss gibt es nochmals eine sehr spektakuläre Länge mit der namensgebenden Passage durchs Loch. Vom Stand weg kommt aktuell eine erste Stelle diagonal nach rechts hinauf, die ebenfalls Mixed und ca. M4 ist. Im Felsenfenster selber dann wartet sehr gutes Eis, nur den Durchschlupf habe ich mir einfacher vorgestellt. Beim ersten Versuch bleibe ich doch tatsächlich stecken und muss nochmals runter. Im zweiten Ansatz richte ich den Körper dann etwas anders aus und komme durch. Nun wartet bis zum Ausstieg noch Plaisir-Eiskletterei im Grad WI3.

Durch dieses Loch musst Du gehen... zu viel Körperfülle ist eher hinderlich.
Blick vom Eingang des Loch zurück auf den letzten Standplatz.
Um 13.15 Uhr sind wir am Top angelangt. Das war jetzt wirklich eine sehr coole Begehung, die uns in jeder Hinsicht gefordert hat. Die Kletterei abwechselnd und herausfordernd und trotzdem lief es gut und zügig, was will man mehr?!? Tja, vielleicht noch ein paar zusätzliche Eismeter! Dementsprechend machen wir uns ans Abseilen. Vom Top sind es direkt runter 60m zurück zum Klemmblock, dann nochmals 50m aufs Band, von welchem man in gestreckten 60m gerade den etwas höher gelegenen Grund links vom eigentlichen Einstieg erreicht. Nach einem Schluck Tee und einer kurzen, aber ergebnislosen Suche nach der abgeworfenen BD-16er-Schraube machen wir uns auf den Weg zum nächsten Testpiece, über welches an dieser Stelle demnächst berichtet wird.

Imposanter Tiefblick beim Abseilen auf den Routenverlauf. Schon ziemlich steil hier!
Facts

Kandersteg - Lochroute - TD IV WI5 oder M5-M6 - 5 SL, 200m - Schäli/Abächerli 2000 - ****
Material: 10 Schrauben (eher auf der kurzen Seite), Keile 4-9, Camalots 0.3-1

Sehr interessante und etwas alpin anmutende Linie, welche nach zwei normalen Eiskletterlängen durch ein enges, teilweise kaminiges Couloir führt, aus dessen letzter Arena ein Felsenfenster (eben das Loch) einen erstaunlichen und einfachen Ausweg bietet. Bei üppig Eis handelt es sich um eine reine und auch gar nicht extrem schwere Eiskletterei. In manchen Wintern sind aber diverse Passagen Mixed, davor sollte man sich also nicht scheuen und auch etwas Felsgear mitführen. Zu- und Abstieg wie auch die Route sind bei normalen Verhältnissen lawinensicher. Zu beachten ist die Gefahr durch Eisschlag von den grossen Zapfen von Finderlohn und dem Direktausstieg Sepsis - nur bei kalten und trockenen Bedingungen einsteigen!


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