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Sonntag, 26. April 2015

In Silenzio...

Im Frühling habe ich traditionsgemäss bei der Arbeit am meisten zu tun. Mich hat's oft nicht so gestört, weil ja das Eis dann eh geschmolzen ist, beim alpinen Sportklettern noch nicht viel geht, die Lust um mitten in der Nacht für ein paar Skischwünge aufzustehen sowieso abnimmt und das Wetter meist durchzogen ist. Dieses Jahr ist's für einmal etwas anders, eine lange anhaltende Hochdruckperiode würde tolle Skitouren erlauben und in den Nordwänden herrschen beste Bedingungen. Aber eben, wo nichts zu machen ist, ist nichts zu machen.


Somit ist der Frühling für mich traditionell die Zeit, um beim Sportklettern wieder in Form zu kommen, und bereit zu sein für die grossen Taten im Sommer. Dieses Jahr profitiert man dabei auch vom schönen Wetter und dank der anhaltenden Trockenheit kann man Gebiete besuchen, welche sonst oft erst später im Jahr gute Bedingungen aufweisen. Nur, übers Sportklettern zu bloggen ist mässig interessant - die Gebiete sind meist wohlbekannt oder dann sind sie geheim und sollen es bleiben. Mit dem Publizieren von Anleitungen für irgendwelche Schlüsselstellen macht man auch niemandem eine Freude und schreibt man von den eigenen Erfolgen, so fördert man nur sein Image als Blöffsack.


Anyway, mich haben wieder einmal ein paar Besuche ins Gäsi geführt - ein massiv unternutzer Fels, eigentlich in unmittelbarer Nähe von total überlaufenen Gebieten. Beim ersten Besuch musste schon nur der Zustieg von massiv Fallholz befreit werden, hierher hatte sich bestimmt schon monatelang keine Menschenseele mehr verirrt. Und natürlich gilt es auch alle Routen zuerst von ihrer Patina zu befreien und die technisch anspruchsvollen, hochkomplexen Moves ohne verräterische Chalkspuren zu entschlüsseln. Kein Wunder, gefällt es in diesem Gebiet vielen Kletterern nicht, so dass sie rasch das Weite suchen und nie mehr zurückkehren. Ich glaube, eigentlich ist das auch gut so. Wer an der Oberfläche kratzt, findet auf jeden Fall supertolle Moves, welche es in den schweren Routen zu lösen gilt. Jede Bewegung muss hier sitzen, der Körper stets perfekt positioniert sein und ohne Fusstechnik und geeignete Schuhe geht gar nichts. Denn das Nordwand-Gestein ist ziemlich glatt, abschüssig und von beschränkter Reibung, Kraft alleine hilft da nirgends hin - hier muss man gefühlvoll mit dem Fels im Einklang steigen, und kann ihn nicht an guten Griffen mit am Plastik erworbener Kraft niederknüppeln. Nachdem jetzt aber heftige Regenfälle in den Prognosen stehen, ist's wohl vorerst wieder mal vorbei damit. Gut, dass mir heute die Toptour Mandala (8a) mit ihren absolut genialen Moves rotpunkt gelungen ist :-) Zuletzt noch ein Avis aux Amateurs: eine Neutour hat es auch noch gegeben. Sie befindet sich rechts der Zentrifuge, hört auf den Namen Salatschleuder und checkt irgendwo in der Gegend zwischen 6c und 7a ein. Pass auf, dass du weder ins Schleudern kommst, noch als welkes Blatt irgendwo verhungerst ;-) 

Mittwoch, 15. April 2015

Les Courtes (3856m) - Schweizerführe (IV TD- WI3)

Wer Nordwand möchte, der tut gut daran, in den Argentière-Kessel zu reisen. Denn dort stehen sie grandios gleich reihenweise rum. Aiguille Verte, Droites, Courtes, Aiguille de Triolet, die Wände im Talschluss und der Mont Dolent. Seit meinem ersten Besuch vor 3 Jahren (1,2) hatte ich nur darauf gewartet, hierhin zurückzukehren. Nachdem sich ein Fenster mit perfekten Wetterbedingungen angekündigt hatte und auch die Verhältnisse optimal waren, zogen wir kurzfristig los. Herausgekommen ist eine absolute Traumtour durch die Nordwand der Courtes.

Schon ein toller Berg! Die Courtes (3856m) mit ihrer Nordwand. Die Schweizerführe verläuft zentral durch den Eisschlauch zum Gipfel.
Das nicht unübliche Hindernis dabei war, dass das Refuge Argentière bereits durch Skitouren-Aspiranten für die Haute Route komplett ausgebucht war. Somit gab es keine andere Option, als die Tour mit einem Biwak zu bestreiten. Will man dabei noch ein Dach über dem Kopf, so bietet sich der charmante Betonbunker der Bergstation Grandes Montets (3295m) an. Wobei man so dann allerdings im Zustieg zur Courtes-Nordwand in den Genuss einer nächtlichen Skiabfahrt mit anschliessendem Wiederaufstieg kommt und schliesslich doch fast 2h bis zum Einstieg braucht. Das schien mir zu umständlich und auch ungemütlich, weshalb eine andere Strategie zum Zug kam.

Diese bestand daraus, auf dem Argentière-Gletscher unter der Courtes-Nordwand zu zelten. Das lässt sich dort sehr bequem machen, denn einerseits gibt es mehr als genug flachen Platz, und auch ewig weit zu schleppen braucht man den Plunder dazu nicht. Eine schwerbepackte Abfahrt von Grandes Montets über 650hm und ein Aufstieg von rund 200hm über den Gletscher, das ist alles. Da mag man also auch noch die Komfortausrüstung mit in den Rucksack packen. Unsere Tour startete um 16.00 Uhr mit der letzten Bahn nach Grandes Montets. Das schöne Wetter hatte gerade eine Pause eingelegt, es war neblig und windig. In der Bergstation lungerten gegen 20 Alpinisten herum, alle mit dem Plan, dort die Nacht zu verbringen und am nächsten Tag ihren Traumzielen entgegenzustreben.

Unser Biwakplatz auf dem Argentière-Gletscher. Hinten der Mont Dolent und die Nordwände im Talschluss.
Gemütlich erreichten wir schliesslich unseren Biwakplatz auf rund 2740m und richteten uns ein. Aus Spass an der Freude, zum Zeitvertrieb und natürlich auch als Schutz vor potenziell aufkommendem Wind schaufelte ich uns eine prima Vertiefung fürs Zelt, mit Mauern drumherum. Schon toll, so etwas erleben zu können, das volle alpine Ambiente, und nicht mal weit weg von daheim! Das Wetter klarte schon am Abend wieder auf, der Blick auf die Courtes-Nordwand war frei und so legten wir uns guten Mutes für die Tour am nächsten Tag aufs Ohr. Einige weitere Zelte standen in der Gegend, ganz alleine würden wir also vermutlich nicht sein. Schliesslich waren es dann mit uns drei Seilschaften, welche durch die Wand stiegen. Für die vorherrschenden, perfekten Verhältnisse eigentlich sogar erstaunlich wenig.

Im Vorfeld hatten wir uns einige Gedanken zur Aufstehenszeit gemacht. Durch die Tatsache, dass wir dank perfektem Platz und dem warmen Schlafsack sehr geruhsam und tief schliefen, liess uns leider den Wecker überhören. Um 4.15 Uhr rüttelte mich Ovidiu aus dem Schlaf und wies mich an, sofort aufzustehen, wir hätten schon eine Stunde Rückstand auf den Zeitplan. Etwas amateurhaft, ich weiss. Wobei man im Nachhinein sagen muss, dass ein früherer Aufbruch nicht nötig, bzw. sogar hinderlich gewesen wäre. Manchmal läuft's nicht so wie geplant, aber doch perfekt. Nach einem Frühstück und dem eher umständlichen Anlegen der Ausrüstung - vom Pijama zur Nordwandausrüstung ohne stehen zu können und mit Schnee rundherum dauert es eine Weile - waren wir um etwas nach 5.00 Uhr bereit zum Aufbruch. Oben am Wandfuss war bereits eine Seilschaft am Werke, zwei weitere Teams zogen auf dem Gletscher gegen die Wand hin.

Das erste Mal genug Licht zum Fotografieren hatte es gerade, als ich die Cruxlänge kletterte.
Ziemlich gleichzeitig trafen wir alle am Bergschrund ein, erstaunlicherweise auch die Seilschaft, die schon weiter oben engagiert gewesen war. Sie waren im Dunkeln auf Abwege geraten, in eine felsige Zone mit schlechter Schneeauflage, und hatten deswegen den Rückzug angetreten. Davon liessen wir uns aber nicht abhalten, links aussen ging es problemlos übere eine Art Schneebrücke über den Schrund hinweg. Mit einer Traverse ging es zurück in den zentralen Wandteil, wo ein weiterer Schrund überklettert werden musste. Ein kurzer, steiler Schritt war es, mit gutem Eis oberhalb aber problemlos. Nun kletterten wir am langen Seil weiter, erfreut nahmen wir die perfekten Verhältnisse wahr. Es lag "squeaky neve", "neige couic" oder einfach ein absolut genialer Firn. Die Pickel liessen sich mit einem Schlag stets bis zum Ansatz der Haue versenken und sassen mit dem typischen Geräusch bombensolide, ebenso war es für die Steigeisen optimal griffig. Tritte gab es allerdings keine, so dass die Wadenmuskulatur schwere Arbeit zu leisten hatte.

Von unserem Lager aus, bzw. auf Wandfotos scheint die Route eigentlich super offensichtlich. Doch ich muss sagen, dass gerade im unteren Wandteil, v.a. bei Dunkelheit, die Wegfindung doch deutlich anspruchsvoller ist wie gedacht! Das Gelände leitet einen gerne zu weit nach rechts, bis man eben in das ungute Plattengelände kommt. Wir profitierten hier jedoch davon, bereits über etwas Tageslicht zu verfügen, und konnten über eine steilere Stufe etwas unlogisch wieder auf die korrekte Fährte kommen. Nach einer Weile des gemeinsamen Steigens kam schliesslich die Cruxlänge ins Blickfeld, und bald darauf waren wir da. Weil die meisten Teams dort 1-2 Längen  effektiv sichern, kommt es hier gerne zu einer Massierung - so auch bei unserer Begehung, interessanterweise waren alle drei Teams trotz des sehr internationalen Verkehrs in Chamonix in der Schweiz ansässig. 

Yours truly auf dem Weiterweg nach der Cruxlänge. Links einer der drei einzigen NH-Stände, die wir in der ganzen Wand angetroffen haben. Der Weiterweg führt leicht links hinauf, über den beiden als kleine Punkte sichtbaren Kletterern über den Eishubel.
Das war aber kein Problem, ohne Wartezeit konnte es weitergehen. Die Kletterei war ein grosser Genuss. Die Steilstufe war solide vereist und prima mit Schrauben abzusichern. Weil das Eis schön strukturiert und auch überhaupt nicht spröde war, brauchte es aber auch gar nicht so viele Sicherungen. Die Steilheit wird hier mit 75 Grad angegeben und die Passage gilt als WI3. Das würde ich nach Wasserfall-Massstäben so unterschreiben, für Chamonix-Verhältnisse dünkte mich die Bewertung eher etwas tiefgestapelt. Was jetzt z.B. am Chère Couloir (WI4) schwieriger sein soll, erschliesst sich mir überhaupt nicht. Und auch die Modica Noury (WI5+) war jetzt vielleicht noch etwas steiler in der Cruxlänge, aber auch nicht um Welten schwerer. Aber was soll's, das ist ja nun nicht das Wichtigste.

In dieser Cruxlänge bot sich rechts an der Seitenwand auch einmal ein Placement für einen Cam ab. Ansonsten hing mein Set über die ganze Wand hinauf unbenutzt am Gurt, dieses Gewicht hätte ich mir auch gut sparen können. Ich fand, dass es im Fels kaum Möglichkeiten zum Sichern gibt, bei weniger Eis und Firn sieht's aber womöglich anders aus. Auch fixes Material sucht man so gut wie vergebens, drei windige NH-Stände im Bereich der etwa 80m langen Cruxpassage waren das einzige, was wir angetroffen haben. Anyway, die Crux war gemeistert und erste Sonnenstrahlen erreichten uns.

Fantastischer Tiefblick, als wir im mittleren Wandteil unterwegs sind.
Der Weiterweg führt erst über eine kurze, etwas flachere Passage (immer noch 50 Grad!), bevor dann zwei Optionen offen stehen. Entweder geht man am rechten, oberen Ende der "Flachpassage" durch eine Goulotte, oder man zieht schon vorher über eine vereiste Steilstufe direkt nach links hinauf. Dies schien mir die richtige Wahl, es war dort nochmals schön vereist und gut zu klettern. Hat man dieses Stück mit nochmals 70 Grad Neigung gemeistert, so geht es dann eigentlich schon gegen den Gipfel hin. Allerdings ist der Weg noch weit, ja sehr weit sogar! Ein Ausstieg nach rechts zum Grat hin wird von dieser Stelle manchmal auch praktiziert. Er ist aber sicherlich weniger ästhetisch, und war wie ich inzwischen gelesen habe, auch in schlechten Verhältnissen.

Der Autor unterwegs in der Nordwand, fotografiert von unserer Vorgänger-Seilschaft.
Etwas Kopfzerbrechen bereitete mir erst der Fakt, dass die Situation zum Sichern mehr und mehr ungünstig wurde. Bis anhin hatte man immer hier und da solides Eis zum Eindrehen von Eisschrauben gefunden, doch nun gab es nur noch Styroporschnee. Die Steilheit dort oben beträgt sicher immer noch gute 55-60 Grad, auf der harten Rutschbahn - es gab keine Fusstritte, man stand nur auf den Frontzacken! - kam durchaus ein Gefühl von Exposition auf. Von Ovidiu kam der zündende Tipp, doch einfach nach Eis zu graben. Hm ja, warum nicht!? Tatsächlich kam ca. 20cm unter der Firnschicht solides Eis zum Vorschein, an welchem es sich perfekt sichern liess. So konnten wir auch den langen Weg im Gipfeleisfeld effizient erledigen. Am langen Seil gemeinsam gehend platzierte ich alle 30m eine Schraube, so dass wir immer an mindestens zwei soliden Punkten gesichert waren. Damit diese Taktik aufgeht, ist es natürlich entscheidend, eine vernünftige Anzahl an Schrauben mitzuführen, sonst muss man ja doch immer wieder anhalten. Unser Arsenal von 10 Stück empfand ich auf jeden Fall als zweckmässig.

Wieder unterwegs in eine lange Seillänge. Wir kletterten jeweils ca. 240m am Stück, bevor wieder ein Schraubentransfer stattfand.
Um 11.30 Uhr, nach rund 5.5 Stunden in der Wand, stieg ich unmittelbar neben der eindrücklichen Gipfelwächte aus. Windstill, warm, super Panorama und alles perfekt gelaufen, einfach Wow!!! Trotz all diesen Hochgefühlen durfte die Anspannung jedoch noch nicht zu fest abfallen, da der Abstieg über die NE-Flanke durchaus auch nochmals seriöses Gelände bietet. So hielten wir uns nach einer halbstündigen Rast dann auch nicht länger auf, und traten den Abstieg an. Unsere Vorgänger-Seilschaft entdeckte ich bereits weit unten in der NE-Flanke, was mich weiter beruhigte. Die beiden hatten weniger als 1h Vorsprung auf uns und bereits den wesentlichen Teil des Abstiegs gemeistert, also mussten die Verhältnisse gut sein. Gesagt sei an dieser Stelle, dass der Abstieg über die knapp 50 Grad steile NE-Flanke bei ungünstigen, eisigen Verhältnissen eine sehr mühsame Geschichte sein kann. Für uns blieb es zum Glück beim Konjunktiv.

Der Gipfel der Courtes in Sicht, markiert durch den grossen Champignon. Hinten Panorama total!
Happy Times on top! Yours truly flankiert von Grandes Jorasses und Mont Blanc. Welch eine tolle Gegend!
Der Abstieg verläuft erst über den luftigen SE-Grat. Schöne Kraxelei in atemberaubender Position mit fantastischen Tiefblicken in blockigem Gelände, so beschreibt man das wohl am besten. Hat man die Einschartung dann erreicht, geht's direkt die NE-Flanke hinunter. Das oberste Stück ist am steilsten, auch war dort der Schnee am härtesten. Wer will, kann hier aber an improvisierten Abseilverankerungen ein paar Manöver ziehen. Mir erschien dies unnötig, und sowieso wurde der Schnee schon wenig weiter unten pulvrig und ideal trittig. Für einen Abstieg vorwärts ist's grad einen Tick zu steil, so arbeitete ich mich in bester Ueli-Steck-Manier im Rückwärtsgang zügig nach unten. Schon nach weniger als einer Stunde hatte ich den Schrund erreicht, der sich auch problemlos überwinden liess. Beim Warten auf meinen Kollegen, der sich etwas mehr Zeit gelassen hatte, konnte ich auch noch zwei Skifahrer beim wilden Ritt über die Flanke beobachten.

Im obersten Teil wird über den sehr schönen, luftigen SE-Grat abgestiegen. Vor uns zwei deutsche Bergsteiger.
Danach geht's rückwärts die grosse Rutschbahn der NE-Flanke hinunter.
Das ist auch noch was... Skiabfahrt über die NE-Flanke (ca. 48 Grad, 5.2 bewertet). Fehler sind da nicht erlaubt. Zeitlich lohnt es sich hingegen bei einem Nordwanddurchstieg kaum. Die beiden brachen ca. 5 Minuten vor mir auf dem Gipfel auf, und ich war schliesslich vor ihnen aus der Flanke draussen. 
Für uns war der Kreis schon bald geschlossen. Wegen Spaltengefahr hiess es nun wieder anseilen, und zum Basislager zurückmarschieren. Bei einer Affenhitze und einer unglaublichen Sonneneinstrahlung trafen wir um 14.00 Uhr happy dort ein. Nach einem Imbiss musste noch das ganze Gear gepackt und wieder effizient in die Rucksäcke verfrachtet werden, was auch nochmals seine Zeit in Anspruch nahm. Irgendwann war es dann aber soweit, wir konnten die Bretter anschnallen und auf dem flachen Gletscher talwärts flitzen. Unterwegs war natürlich der eine oder andere Stopp fällig, zahlreiche Eislinien an Droites und Verte wollten bestaunt werden, denn dort wollen wir ja schliesslich auch bald einmal hin. Schliesslich gelangten wir erst auf die Freeride-Piste dem Gletscherrand entlang, um dann auf dem offiziellen Kunstschnee-Band zusammen mit Horden von Touristen noch bis zum Parkplatz nach Argentière (1230m) abzufahren.

Back at home, sozusagen!
Welche Wohltat war es, die schwere Ausrüstung ablegen zu können, die viel zu warmen Alpinkleider gegen Shorts und T-Shirt zu tauschen und ein eisgekühltes Getränk zu öffnen! Auch wenn Wetter und Bedingungen in den folgenden Tagen weiterhin top gewesen wären und es uns an weiteren Tourenideen natürlich nicht mangelte, so riefen uns Familie und Arbeit trotzdem nach Hause. Ohne grosse Verzögerungen gelang die Rückfahrt, Zeit zur Reflexion blieb dennoch. Das war nun echt ein total geniales, alpines Erlebnis gewesen! Mit Biwak auf dem Gletscher und einem eindrücklichen Nordwand-Durchstieg. Natürlich, das Renommee dieser Route mag nicht an die Nordwände von Grandes Jorasses oder Matterhorn heranreichen - nicht jedoch, dass mir das irgendwie eine Rolle gespielt hätte. In der Liste meiner schönsten Alpintouren reiht sich diese Route auf jeden Fall weit vorne ein.

Da gehen wir dann das nächste Mal hin... die Droites (4000m) mit ihrer Nordwand.

Facts

Les Courtes (3856m) - Schweizerführe (IV TD- WI3, 900m) - Cornaz/Mathey 1938
Material: 10 Eisschrauben, 40-60m Einfachseil, evtl. kleiner Totem Cam und Camalots 0.3-0.5

Bei guten Verhältnissen reine Eis- bzw. Firntour mit grossartiger Ambiance durch die fast 900m hohe Nordwand der Courtes. Dabei werden nur 600m Horizontaldistanz gemeistert, was eine Durchschnittsneigung von ziemlich steilen 57-58 Grad ergibt. Flachstücke sucht man jedenfalls komplett vergeblich, und gerade kurz ist die Tour auch nicht. Die Schlüssellänge und einige weitere Teilstücke bieten schöne, moderate Eiskletterei. Bei guten Verhältnissen gibt es kaum Felskontakt und die Schwierigkeiten sind zwar anhaltend, aber nie extrem. Sind die Bedingungen schlecht, wird die Tour ziemlich sicher zu einem heiklen Unterfangen, die Sicherungsmöglichkeiten im Fels habe ich als marginal wahrgenommen und ein Rückzug ist ausser durch Abklettern auch kaum zu bewerkstelligen. Somit kann man auch getrost mit einem Einfachseil anrücken und wer viel gemeinsam steigen will, wählt dieses besser nicht zu lang. Der Abstieg kann über die Normalroute in der SW-Flanke (PD, 40 Grad) erfolgen. Leider befindet man sich danach auf der hinteren Seite des Berges und hat keine Möglichkeit, allenfalls zurückgelassene Ausrüstung abzuholen. Daher wird bevorzugt über die NE-Flanke (AD, 50 Grad) abgestiegen. Ist diese in guten Bedingungen, so geht das gut und zügig. Ist diese Flanke hingegen blank, so wird das auch eine mühsame Geschichte und Abseilmanöver dürften unumgänglich sein. Dann ist man sicher auch froh, wenn man ein 60m-Doppelseil mitgenommen hat. Selbstverständlich kann bei diesem Abstieg auch die Lawinengefahr ein Thema sein. Ebenfalls noch zu erwähnen ist, dass sowohl die Wand wie auch der Abstieg morgens in der Sonne stehen. Ein früher Aufbruch ist daher sehr anzuraten, wobei die Orientierung in der Wand im Dunkeln auch nicht trivial ist. Am besten geht man im ersten Dämmerlicht über den Schrund, und ist dann einfach schnell beim Klettern.