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Freitag, 24. Juni 2016

Signal - Tronco (7b+)

Petrus kann es ja doch noch - nach langem Darben aufgrund von regnerischem Wetter hält endlich der Sommer (zumindest für 3 Tage) Einzug und eine MSL-Tour liegt drin. Die Frage ist bloss welche, denn aufgrund von beruflichen Verpflichtungen können wir einzig den ersten Tag dieser Schönwetterphase nutzen. Da gilt es, ein Ziel zu wählen, wo wir nicht durch die verbleibende Restfeuchte ausgebremst werden. Da der Wetterbericht im Vorfeld (unberechtigerweise) trotzdem von Schauern und Gewittern faselt, sind ein früher Start und geeignete Tourenauswahl auch aus diesem Aspekt unverzichtbar. Nachdem wir so ziemlich alle Optionen in der Schweiz durchgekaut haben, entscheiden wir uns schliesslich goldrichtig für eine Tour am Signal.

An diesem Junitag gab's nach langem Regenwetter einfach nur Sonne satt. Immer wieder erstaunlich, diese schnellen Wetterwechsel.
Dort, wo auf den Webcams am Vorabend etwas erkennbar ist, sowie auch auf der Anfahrt ins Berner Oberland sehen wir vor allem eines: vor Nässe total schwarze und unbekletterbare Felsen. Doch wir bleiben guten Mutes. Wenn man vor der Tour nach dem zu wählenden Abzweiger Richtung Allenschwendi und Burgalp noch ein kurzes Stück ins Urbachtal hinein fährt, so hat man freien Blick auf die Wände am Signal. Wie erhofft und kalkuliert präsentiert sich die Lage rosig: die Wand ist zwar noch von einigen Wasserstreifen durchzogen, aber bis wir den langen Zustieg erledigt haben, sollte die hier ideal auftreffende Morgensonne der Nässe den Garaus gemacht haben. So packen wir unsere Säcke und machen uns wenig nach 7.00 Uhr auf den Marsch. Für mich ist es nach Wurzelbrut (6c+) und Häxering (6c+) der dritte Besuch im Gebiet (siehe meine Fels-Seite für einen Kurzbericht zu diesen Touren), so sind mir Weg und Steg bereits bekannt.

Schon auf dem Zustieg hat man eine super Aussicht, hier z.B. die obere Burgalp (Mad) mit den Wenden.
Bis zur unteren Burgalp führt ein guter Weg, hinauf zur oberen Burgalp (Mad) ist dann schon ein minimaler Spürsinn vonnöten. Das Gelände ist teils etwas verkrautet, die Wegspuren nicht eindeutig bzw. mehrfach vorhanden und nicht überall sichtbar. Bis zur oberen Burgalp hat es ob der Wärme schon reichlich Durst gegeben, hier können wir unsere Flaschen nochmals füllen. Ich bin bei solchen Quellen im Bereich wo noch Alpwirtschaft betrieben wird immer etwas skeptisch in Bezug auf die Qualität, allerdings war das Wasser hier bekömmlich. Nun gilt es, die Querung zum Signal aufzugreifen. Ich habe bisher immer den unteren Wildheuerweg gewählt, er ist direkter und problemlos begehbar. Die in der Literatur als heikel angegebene Querung um eine Felsnase herum ist wohl exponiert, aber nicht schwierig - kein Problem also. Grosso Modo steigt man von der oberen Burgalp linkshaltend bis unter die Felsbarriere auf, quert dann nach links und um die exponierte Nase herum. Dann in Grobrichtung der gut sichtbaren (und einzigen) Tanne in Richtung der Signalwände aufsteigen. Es sind hier durchgehend Wegspuren vorhanden, das Gelände leitet einen gut und die Schwierigkeiten übersteigen ein T4+ nicht - weniger ernsthaft wie die Wenden-Zustiege also, obwohl auch hier ein Ausrutscher an manchen Stellen das Ende wäre (Vorsicht bei Schneeresten und Nässe!).

Auf dem unteren Wildheuerweg (Sieht man ihn? Er ist abgebildet!) kurz vor dem exponierten Felseck.
Wie vermutet, sind nach den 1.5 Stunden Zustieg die meisten Wasserstreifen bereits verbrutzelt. Wir nehmen einen ganz genauen Augenschein. Der zeigt, dass im Optimist (7a+) eine mutmasslich nicht ganz so schnell abtrocknende Verschneidung geklettert werden muss, in der vor der Sonne noch geschützten Einstiegsverschneidung vom Sternwächter (6b+) sifft es auch etwas, bei der Berghäx (7a) stört evtl. ein Wasserstreifen im Bereich der ersten Längen, doch in der Tronco sieht's eigentlich perfekt aus. Umso besser, damit ist die Tourenwahl erledigt, sowieso hatten wir diese Route zuoberst auf der Liste gehabt. Auf die Begehung der anderen freue ich mich heute schon, wenn man unbedingt gewollt hätte, wären sie wohl an dem Tag auch machbar gewesen. Noch als Zusatz: zu den Touren links am Mittaghiri hätte der Zustieg noch über steile Schneemassen (die auf glatten Felsplatten liegen) geführt. Das wäre ohne alpine Ausrüstung nicht möglich gewesen und sowieso heikel wegen potenziellen Schneerutschen. Mit dem Studieren aller Routenverläufe und dem Frühstück hatten wir uns noch etwas Zeit gelassen, es gab auch keinen Grund zur Eile. Die Bedingungen waren formidabel, mehr als kurze Hosen und T-Shirt war an Kleidung nicht nötig. Um 9.15 Uhr stiegen wir schliesslich ein. Der Einstieg ist übrigens mit einem einzelnen BH und mittels eingemeisselter Aufschrift "TRONCO" bezeichnet.

Im Bild die markante (und einzige) Tanne, kurz unterhalb der Wände vom Signal (oder genauer P.2210).
L1, 30m, 6a+: Schöne Kletterei über eine Steilplatte. Nach einfachem Auftakt findet man anfänglich immer wieder griffige Schuppen, die ein genüssliches Höhersteigen erlauben. Eine Querung nach links und das Erklimmen einer steileren Passage kurz vor Schluss erfordern dann aber sorgfältiges Planen der Moves - hier sollte man meines Erachtens eher mit 6b bewerten.

Jonas in der Cruxzone der steilplattigen L1 (offiziell 6a+, aber eher mit 6b zu bewerten).
L2, 25m, 7b+: Coole, steile, athletische Seillänge mit einer Bouldercrux zu Beginn und anhaltender Ausdauerkletterei danach. Die Schlüsselstelle folgt gleich vom Stand weg an scharfen Mikro-Crimps bei mässigem Trittangebot. Ziemlich einfach zu lesen, aber hier muss man subito von null auf hundert beschleunigen - die Einstiegslänge ist leider kein adäquater Aufwärmer für die hier gestellten Anforderungen. Ansonsten geht's mit 2 p.a., danach klettert man noch eine geniale, überhängende 7a-Pumpe an guten Griffen.

Wenig repräsentatives Bild von L2 (7b+), nur gerade die letzten Meter sind plattig & technisch.
L3, 30m, 6a+: Plattige Kletterei, der Auftakt ein bisschen weiter gesichert, v.a. beim Anklettern des zweiten Bohrhakens an den seichten 2-Finger-Löchern keinen Fehler machen. Danach ein kurzes "tratto alpinistico" durch den Graskamin links, am Ende dann nochmals schöne und eng abgesicherte Plattenkletterei, wo sauber angetreten werden will.

Schöne, plattige Kletterei mit kurzem Gras-Intermezzo links in L3 (6a+).
L4, 30m, 6b+: Sehr schöne Seillänge, die erst über Steilplatten mit erstaunlicher Struktur führt. Hier kann man sich erstaunlich einfach in die Höhe bewegen, immer wieder bieten mehr gegen die Horizontale geneigte Strukturen gute Reibungstritte an. Das Finish dieser Länge dann an einem Wandl mit steilen und seichten Wasserrillen, die gepiazt werden wollen. Der Hakenabstand ist nicht so weit, aber die diffizile Kletterei ist recht ernsthaft und bietet das Potenzial für einen unangenehmen Abgang. Vermutlich die Vorstiegscrux der Route. Am Schluss dann noch ein ziemlicher Runout in einfachem, grasigen Gelände zum Stand - ja nicht stürzen hier!

L4 (6b+) mit dem grasigen Finish ist von oben leider nicht fotogen, also geniessen wir nochmals die Aussicht zum Susten.
L5, 35m, 6b: Eine weitere, sehr schöne Plattenseillänge! Der Auftakt genial, genussreich und noch nicht so schwer. Griffe und Tritte sind an der richtigen Stelle, die Moves fliessen dahin wie unsere Schoggi an der warmen Junisonne. Nach zwei Dritteln dann die deutliche Crux - Füsse auf prekäre Reibung, für die Hände hat's nur die üblichen Sloper. Ist allerdings ziemlich rasch vorbei, das Finish dann wieder sehr schön und gemütlicher.

Prima Plattenkletterei in L6 (6b), meist gemütlich und immer schön aufgehend, die Crux kurz und ein bizzli glatt.
L6, 25m, 6b+: Weniger attraktive Überführungslänge, hier konnte ich die Bewertung mit 6b+ nicht nachvollziehen, 6a oder 6a+ hätte sicherlich auch gereicht. Erst relativ steil einer Verschneidung mit kleinem Überhang nach, dann das Türmli hinauf und links durch einen angedeuteten Kamin. Hier würde man rechts der Haken sicher höhere Schwierigkeiten finden, aber das wäre dann doch ziemlich unlogisch und vermeidbar.

L7, 20m, 6a+: Ein weiteres Teilstück, das etwas den Charakter von Überführungslänge hat. Ein steiler Riss zieht hier in die Höhe und bietet griffige, recht gute Kletterei. Der Ausstieg über ein Bäuchlein hinauf dann ziemlich sec, hier muss man 2-3 kleine aber gute Leisten durchriegeln. Klar schwerer wie 6a+, eher 6b oder gar 6b+. Ich vermute, dass im Original- und allen folgenden Topos die Grade von L6 und L7 vertauscht wurden. Hier zu Beginn wegen dem Band darunter noch 1-2 Cams zu legen wäre auch nicht verkehrt, selbst wenn's ohne geht (solange man nicht runterfällt...).

Unerwartet und tückisch kommt die Crux in L7 (6a+ in den Topos, aber eher schwerer). Jonas am Durchriegeln.
L8, 30m, 6c: Prima, eng abgesicherte Seillänge mit bouldrigem Auftakt vom Band weg, der sich als einfacher entpuppt als gedacht und noch keine Schwierigkeit darstellt. Der nächste Abschnitt ist geprägt von einer steilen, athletischen Zone, die auf den ersten Blick total griffarm aussieht. Es hat aber versteckte Henkel - wenn sie denn noch dort sind, für die Ewigkeit sind diese Griffe nämlich nicht alle gemacht... Danach kann man nochmals etwas ruhen und es folgt die Crux in senkrechtem, technisch sehr anspruchsvollem Gelände. Leider stecken die Haken hier nicht auf der 6c-Lösung, direkt über die Bolts ist es viel schwerer (~7b). Allzu viel will ich an dieser Stelle nicht verraten, vielleicht nur eines: ja, man kann dort durchklettern, wo es am einfachsten geht, der nächste Haken lässt sich dann unerwartet doch klippen... Achtung, den Stand nicht verpassen, die Haken sind nicht verbunden und der eine ist etwas um die Ecke versteckt. Wobei, wenn man einfach die 14 empfohlenen Exen dabei hat, dann kommt er dann, wenn nix mehr am Gurt baumelt... Insgesamt irgendwie deutlich anspruchsvoller wie die mit 6b+ bewerteten Seillängen, an diesen gemessen passt der Grad nicht so ganz.

Im oberen Teil von L8 (6c) wartet technisch anspruchsvolle Kletterei an Slopern in exzellentem, senkrechtem Fels.
L9, 15m, 6b+: Sehr schöner Abschnitt, der auf den ersten Blick sowohl schwierig als auch gesucht aussieht. Die Kletterei entpuppt sich dann aber als echt genial, hier hat die Natur an der genau richtigen Stelle mit ein paar überraschenden Löchern und Leisten für das komfortable Hochkommen des Kletterers gesorgt. Kurze Hakenabstände und die Bewertung ist auch sehr grosszügig, 6a+ oder 6b hätte wohl auch gereicht.

L9 (6b+) ist eine super Seillänge, viel weniger schwierig als es zuerst aussieht.
L10, 35m, 6a: Kurze, einfache Traverse nach rechts und dann an einem steilen Pfeiler an vielen Henkeln sehr griffig aufwärts. Die Kletterei ist wirklich cool und genussreich, der Fels neigt etwas zum splittrig sein (passt aber schon). Den ersten (Abseil-)Stand an der Kante besser überklettern und noch durchs Gemüse aufwärts zu Stand an BH und SU weiter oben am Beginn der nächsten Wand.

Fotogene Kletterei am steilen, sehr griffigen Pfeiler in L10 (6a) - super Sache!
L11, 20m, 6b+: Coole Seillänge, erst ein bisschen durch die steile Platte moven, was gut geht. Dann ein, zwei Rissklemmer und der Wechsel an die rechte, steile und athletische Wand. Sieht auf den ersten Blick sackschwer und ein bisschen splittrig aus. Die guten Griffe sind aber da (und bleiben es hoffentlich auch...), mit etwas Entschlossenheit ist man bald am nächsten Stand.

Einfach nicht zögern und die weiten Moves im steilen Gelände durchziehen heisst es am Ende von L11 (6b+).
L12, 25m, 6a: Zum Top ist es nicht mehr weit, aber es wartet nochmals eine Prüfung in Form von Wasserrillen-Kletterei. Diese sind hier tief eingeschnitten und schön griffig, so dass die Moves tatsächlich nicht allzu schwer sind. Es stecken allerdings nur noch 2 BH auf dieser Länge, aufpassen dass das Blut nicht zu fest in Wallung gerät!

Genialer Wasserrillenfels wartet auf einen in der letzten L12 (6a).
Um 14.30 Uhr sind wir nach 5:15 Stunden Kletterei am Topo angelangt. Vom letzten Stand sind es nur 3-4 einfache Meter zum Grat hinauf, wo man sich bequem hinsetzen kann und eine schöne Aussicht auf den Brünig, Meiringen und das Gadmertal geniesst. Anders als zuerst in den Wetterberichten angekündigt, präsentierte sich der Tag sehr stabil. Quellwolken waren rar und die Gefahr von einem Gewitter inexistent. Ja selbst an den Wendenstöcken blieb der berüchtigte Nebel aus - natürlich hätten wir diesen heiligen Gral des alpinen Sportkletterns gerne besucht. Ob's wirklich eine gute Idee gewesen wäre, bleibt aber offen, denn oben in den Wänden schien doch noch eine grosse Menge an Schnee zu lagern (Gefahr von Schmelzwasser und Steinschlag!). 

Den tollen Tiefblick ins Urbachtal hat man den ganzen Tag. Wie erwähnt, ist die Route im Rückblick mässig fotogen...
Aber es gab sowieso nichts zu verzagen, die Tronco hatte uns grosses Vergnügen bereitet und unsere Erwartungen an einen tollen MSL-Klettertag voll erfüllt. So machten wir uns nach einer Weile ans Abseilen. Dieses vollzieht sich über die Route, ein paar Stände können ob der recht kurzen Seillängen auch mit 2x50m-Seilen übersprungen werden. Für uns waren schliesslich 7 Manöver an den Ständen 12/10/9/6/5/4/2 notwendig. Nach einer guten halben Stunde waren wir wieder am Wandfuss, wo wir als erstes den Schatten aufsuchten - das war jetzt nämlich doch eine gehörige Portion an Sonne gewesen, vor allem für so Bürolisten-Bleichgesichter und Schattenwand-Sportkletterer wie mich. Zuletzt noch der Abstieg ins Tal - für den ersten Teil gilt es, die Konzentration aufrecht zu erhalten. Auch wenn nicht schwierig, so liegt ein Misstritt nicht drin. Zwischen der oberen und unteren Burgalp werden wir dann etwas lästig von den zahlreichen Geissen bedrängt und über den Haufen gerannt. Zum Glück ist der Spuk bei den unteren Hütten vorbei, und ein Schwatz mit dem Hirt, der hier oben seit 32 Jahren amtiert, seine über 20 Geissen von Hand melkt und täglich die Milch verkäst bietet ein willkommene Abwechslung und sehr interessante Einblicke in das Leben von einem Menschen, das einen ganz anderen Fokus hat wie das unsrige.

Facts

Signal - Tronco 7b+ (6b obl.) - 12 SL, 320m - Kaspar Ochsner 2001 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, evtl. Camalots 0.4-1

Schöne Route mit abwechslungsreicher Kletterei. Oft Steilplatten, einige Teilstücke an Wasserrillen und Löchern, die beiden schwersten Längen sind steil und athletisch. Die Absicherung mit BH ist gut und freundlich, es gibt nur wenige längere Abstände in einfachem Gelände. Dort könnte man auch noch das eine oder andere Klemmgerät platzieren, wir empfanden es nicht als unbedingt nötig. Die Felsqualität auf den Platten ist meist hervorragend mit besten Reibungswerten. Einige kurze Abschnitte sind etwas grasig oder weisen leicht mindere Felsqualität auf, das stört jedoch kaum. Was der Route etwas fehlt ist der Charakter einer grossen, natürlichen Linie, teilweise ist der Verlauf zu Gunsten von homogenen Schwierigkeiten, gutem Fels und interessanten Kletterstellen etwas gesucht. Insgesamt aber solide drei Schönheitssterne, für die schöne Umgebung, das tolle Erlebnis und das geniale Wetter gebe ich für mich persönlich gerne einen vierten hinzu.

Topo

Ein Topo und weitere Informationen findet man im Schweiz Extrem West, oder auch im frei zugänglichen Artikel in der SAC-Zeitschrift "Die Alpen", Ausgabe Juni 2015 ab S.53. An dieser Stelle die wichtigsten beiden Seiten:

Zugang zum Signal und allgemeine Infos aus SAC "Die Alpen" 6/2015.
Topos der beliebtesten Routen am Signal aus SAC "Die Alpen" 6/2015.



Sonntag, 19. Juni 2016

Update zur Routenübersicht Wendenstöcke

Schon seit einiger Zeit ist es meine Absicht, sämtliche der von mir bekletterten MSL-Routen auf der Fels-Seite dieses Blogs informativ zu dokumentieren. Da es sich dabei um Hunderte von Routen geht, handelt sich das um ein Langzeit-Projekt, das wohl erst in einiger Zukunft zur Vollendung kommt. Einiges ist schon da, heute ist im Angesicht vom Wetter, das höchstens zum Träumen von vergangenen und zukünftigen MSL-Routen einlädt, einmal der erste Teil der Wendenstock-Kette entstanden. Auch dabei handelt es sich bereits um 13 Routen, welche beschrieben werden. Weiter rechts am Massiv habe ich noch 15 weitere begangen, die irgendwann in der Zukunft auch aufgenommen werden. An dieser Stelle der Text als Duplikat...


Wendenstöcke

Die Wendenstöcke bilden eine rund 10km lange, generell nach SSE orientierte Kette im Gadmertal, auf der Westseite des Sustenpass. Vom Tällistock bis zum Titlis gibt es hier verschiedene Sektoren mit total rund 130 MSL-Routen. Das Herzstück bilden dabei die Routen an Pfaffenhuet, Gross Wendenstock und Reissend Nollen. Dies ist das Epizentrum des alpinsportlichen MSL-Kletterns in der Schweiz. Obwohl man in aller Regel nur im unteren Bereich dieser Berge klettert, so sind die Routen wegen Felsqualität, Nimbus und Anspruch sehr begehrt. Die Kletterei ist oft steil und athletisch, der Fels vielfach fest, optimal strukturiert und griffig. Da stört es dann auch nicht, dass man nach rund 10 SL am Ausstieg irgendwo im nirgendwo angekommen ist, d.h. an dem Punkt wo der feste Fels zugunsten von endlosem Schotter aufhört. Die Saison an den Wendestöcken erstreckt sich grob vom Juli bis in den Oktober hinein. Früh im Jahr stören oft Schmelzwasserstreifen aus den bis 3000m hohen Gipfelregionen und solange auf den Bändern weiter oben noch Schnee liegt, herrscht erhebliche Steinschlaggefahr. Im Hochsommer tritt ab der Mittagszeit (ausser an sehr stabilen Tagen mit tiefer Luftfeuchtigkeit) oft thermische, tiefbasige Quellbewölkung auf, welche die Wände in den kalten, gespentischen Wendennebel hüllt, der beim Klettern unangenehm ist. Die besten Bedingungen trifft man in der Regel im Herbst an, jedoch nur bis der erste Schnee fällt. Zu erwähnen ist die Absicherung: je nach Route schwankt diese zwischen gut bis Harakiri, fast überall ist sie jedoch knapp gehalten und erfordert einen beherzten Vorstieg, Plaisirrouten gibt es keine. Die Zustiege weisen inzwischen meist sichtbare Wegspuren auf und sind bei guten Bedingungen nicht allzu heikel. Trotzdem führen sie über weite Strecken durch steile Schrofen, die keine Fehler erlauben, es haben sich im Zustieg bereits tödliche Unfälle ereignet. Wer an den Wenden in ein Gewitter kommt, hat auf mehrere Arten ein Problem: in den oberen Wandbereichen können sich enorme Wassermassen sammeln, welche sich als gewaltige Sturzbäche über die Routen und Einstiegsbereiche ergiessen, zudem führen diese dann auch die Steine mit, welche in den oberen Wandbereichen so zahllos herumliegen. Und natürlich bekommt dann auch der Weg ins Tal über die nassen Schrofen eine ganz andere Dimension, als man ihn am morgen bei freundlichem Wetter im Aufstieg wahrgenommen hat.

Der zentrale Teil der Wendenkette mit Mähren, Pfaffenhuet und den Sektoren am Gross Wendenstock.

Tällistock (2580m)

Der dolomitisch anmutende Tällistock bildet mit seinen 2580m Gipfelhöhe den westlichen Eckpfeiler des Massivs. Er ist etwas tiefer gelegen und die Routen führen bis zum Gipfelgrat (aber nicht dem Gipfel selber) hinauf, so dass man hier nach sommerlichen und herbstlichen Kaltfronten schneller wieder auf gute Bedingungen trifft als in den anderen Sektoren. Nichtsdestotrotz, auch dies ist ein alpines, nicht zu unterschätzendes Kletterziel mit steilem Zustieg und einem langen, nichttrivialen Fussabstieg. Begehrt ist am Tällistock vor allem die eindrückliche, klassische Inwyler/Bielmeier (6a+). Die alpinen Sportklettertouren neueren Datums werden hingegen nur selten wiederholt. Das liegt vor allem daran, dass die Wände am Tällistock etwas weniger kompakt sind und die Felsqualität hier durchaus einen Tick schlechter ist wie in den zentralen Sektoren. Deswegen gehen weniger Leute hin, daher weiss und hört man nur wenig über diese Touren, was auch keine Besucher anzieht. Irgendwie ein Teufelskreis... wer ihn durchbricht, findet jedoch sicher auch hier schöne und lohnende Klettermeter. Ausser für die Inwyler/Bielmeier kann ich jedoch derzeit auch keinen Beitrag leisten, motiviert dies zu ändern bin ich aber jederzeit!

Der dolomitisch anmutendende Tällistock mit seiner steilen, nach SSE exponierten und rund 400m hohen Wand.

Tällistock - Inwyler/Bielmeier 6a+ (6a obl.) - 14 SL, 450m - Inwyler/Bielmeier 1960 - ****;xxx
Material: 2x (evtl. 1x bei Nordabstieg) 50m-Seil, 12 Express, Camalots 0.3-2, evtl. Keile
Links: Blog, Bericht, Topo

Toller Alpinkletterklassiker durch die steile, dolomitisch anmutende SE-Wand am Tällistock. Die wirklich kühne Leistung der Erstbegeher soll hier gewürdigt sein! Auch nach heutigen Massstäben ist die Kletterei durch Risse und Verschneidungen, über Tropflochplatten, Wasserrillen und henklige Dächer wirklich sehr lohnend. Der Fels ist meist vorzüglich und bestens strukturiert. Die Absicherung liegt für meinen Geschmack im grünen Bereich. Die Stände sind mit Muniringen saniert, meist steckt auch unterwegs der eine oder andere BH an strategisch günstiger Stelle, und etliche NH sind auch noch vorhanden. Punktuell will noch die eine oder andere mobile Sicherung gelegt sein, allzu viel Eigeninitiative ist jedoch nicht gefragt, insbesondere nicht an den Schlüsselstellen. Stand: September 2014.


Mähren (2970m)

Die gewaltige Felsmauer des Mähren wird nur relativ selten beklettert. Das liegt zu einem wesentlichen Teil daran, dass um viele der Routen an diesem Berg Geheimniskrämerei herrscht, d.h. dass leider nie Topos veröffentlicht wurden. Zugleich sind die meisten Routen lang, schwer oder nur spärlich abgesichert, oft treffen alle drei Dinge gleichzeitig zu. Nebenbei trifft man in den Routen der beiden Haupterschliesser Lechner und Pitelka nicht selten auch nur auf vergammelte Schlingen in gebohrten Sanduhren anstelle von soliden Bohrhaken, schade! Wegen der wenigen Besucher findet man auch im Netz nur wenige Informationen, dazu ist auch der Zustieg noch weglos und ohne genaue Infos einfach mal ins Blaue zu klettern ist ja oft auch nicht so prickelnd. Schade eigentlich, denn natürlich steht die Felsqualität am Mähren derjenigen in den Sektoren rechts daneben nur um wenig bis nichts nach.

Die gewaltige Felsbastion des Mähren vom weglosen, steilen Zustieg aus gesehen.
Mähren – No Name 7a+ (6b+ obl.) – Lechner/Pitelka 1990 – 11 SL, 350m - ***, xx
Material: 10 Express, 2x50m-Seile, Camalots 0.3-2, Cliff, Messer, Seilstücke für Sanduhren, evtl. Tibloc fürs Fixseil.
Links: Blog, Routenverlauf

Die „No Name“ bietet über weite Strecken tolle Kletterei in prima Wendengestein. Die Fixseilpassagen bzw. die Schrofenzonen sind wendenuntypisch, sind aber durchaus zu verkraften. Während die steilen, athletischen Passagen im unteren Teil gut abgesichert sind, warten oben dann weite Sicherungsabstände über den windigen, gebohrten Sanduhren, die eine gewisse Unerschrockenheit und Risikobereitschaft erfordern. Stand: Oktober 2011.

Mähren – AHV 6b (6b obl.) – Michal Pitelka – 2 SL, 100m - **, xxx
Material: 12 Express, 2x60m-Seile, Keile, Camalots 0.3-0.5
Links: Blog, Routenverlauf

Es handelt sich um eine durchaus lohnende Kurztour in gutem Fels. Natürlich entbehrt sie mit ihren 2 Seillängen am Fuss einer 700m-Wand vielerlei Logik, und kaum jemand wird den weiten Zustieg für eine solch kurze Kletterei in Kauf nehmen. Als Dessert oder Trostpflaster ist sie aber auf jeden Fall empfehlenswert. Die Absicherung ist trotz einigen Runouts vernünftig, v.a. in der zweiten Seillänge muss aber zwingend mobil ergänzt werden. Stand: Oktober 2011.


Pfaffenhuet (3007m)

Beim Pfaffenhuet (oder Pfaffenhüöt, wie in der neusten Schreibweise der Landeskarte im lokalen Dialekt) handelt es sich um den beliebtesten Sektor an den Wendenstöcken. Das liegt daran, dass der untere Wandteil bis aufs erste Band vorzüglichen, kletterfreundlichen Fels bietet. Gleichzeitig ist der Zustieg hierhin zwar immer noch steil, aber ohne grössere Gefahrenmomente und extrasteile Schrofenpassagen. Die Routen haben mit rund 10 SL eine ideale Länge und sind meist nicht ganz so verzweifelt schwer wie in den anderen Sektoren. Ebenso ist die Kletterei im Vergleich zu den benachbarten Bergen nicht ganz so steil, d.h. oft steilplattig und nur punktuell athletisch und überhängend. Das wesentlichste Argument ist aber sicherlich, dass der legendäre Kaspar Ochsner der Haupterschliesser an diesem Berg war. Er hat seine Routen zwar durchaus auch anspruchsvoll eingerichtet, sie sind aber gut eingebohrt, d.h. die Haken stecken in vernünftigen Abständen und vor allem auch an den richtigen und wichtigen Stellen - genussreiches, alpines Sportklettern für Fortgeschrittene also.

Die gewaltige Bastion des Pfaffenhuet an den Wendenstöcken.

Pfaffenhuet - Sonnenkönig 6c (6a+ obl.) - 11 SL, 325m - Kaspar & Ruth Ochsner 1990 - ***; xxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Camalots 0.3-2
Links: Topo im Schweiz Extrem West

Wie so manche Seilschaft erlebte ich anno 1997 in dieser Route meine Wenden-Première. Sehr schöne und beliebte Kletterei, vielfach plattig mit einer steil-griffigen Cruxlänge, die nach fantastischer Henkelkletterei an einen etwas abgelutschten Riss führt. Ambiente und Ausgesetztheit bieten (nur) einen Vorgeschmack auf das, was in den Nachbartouren wartet. Die Absicherung darf man in der Cruxlänge als gut bezeichnen, die Hauptschwierigkeit muss nicht zwingend geklettert werden. In allen anderen, einfacheren Längen muss man durchaus hier und da beherzt von den Haken wegsteigen, doch bevor man Stress oder graue Haare bekommt, ist der nächste Sicherungspunkt in aller Regel erreichbar. Achtung: eigentlich endet diese Route nicht am ersten Band, sondern führt weiter bis hinauf zum Gipfel. Dieser obere Abschnitt ist aber wohl deutlich alpiner und wird nur äusserst selten begangen - ich kenne niemanden, der sich je dort oben herumgetummelt hat. Stand: Juni 1997.


Pfaffenhuet - Passion 7a (6b obl.) - 9 SL, 330m - Kaspar Ochsner 1992 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-2, Keile nicht zwingend nötig
Links: Blog, Topo

Sehr schöne Steilplatten-Kletterei in gutem, rauem Wendenkalk, gehört insgesamt zu den zugänglicheren Routen an den Wendenstöcken. Athletische Stellen gibt es auch ein paar, aber doch seltener wie in vielen anderen Routen am Massiv und als in den Pfaffenhuet-Routen weiter rechts. Auch wenn häufig deutlich über die Sicherungen hinaus gestiegen werden muss und im leichteren Gelände teils grössere Abstände warten, darf man die Route als vernünftig oder gut abgesichert bezeichnen. Mit einem Satz von kleinen bis mittleren Cams kann man punktuell gut ergänzen, die Schlüsselstellen sind sowieso gut gebohrt und wie eigentlich immer bei Ochsner-Routen kann man sich darauf verlassen, dass die Haken am richtigen Ort stecken und dass man nach einem Runout nicht vor dem nächsten Klipp nicht noch irgendwelche Harakiri-Moves zum Anklettern des nächsten Bolts ausführen muss. Stand: August 2010.

Pfaffenhuet - No Name 6c+ (6c obl.) - 3 SL, 80m - Piola/Sprüngli 1992 - ***;xx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Camalots 0.3-1
Links: -

Baseclimb, zu erkennen an den goldenen Simond-Plättli, das zwischen der Passion und der El Condor liegt. Es handelt sich eigentlich um ein abgebrochenes Projekt der Seilschaft Piola/Sprüngli, da sich die Fortsetzung der Route wegen einer Zone ungenügender Felsqualität nicht lohnt. Die eingerichteten 3 SL bieten jedoch prima Kletterei an wasserzerfressenem und strukturiertem Fels. Die Absicherung ist weitgehend gut (xxx) aber doch zwingend, an einer Stelle mit einem etwas heiklen Runout (xx) hätten die Erstbegeher wohl noch nachgebessert, wenn die Route ein Hit geworden wäre. Stand: September 2014.


Pfaffenhuet - El Condor Pasa 6c+ (6b obl.) - 11 SL, 320m - Kaspar & Ruth Ochsner 1991 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Camalots 0.3-2
Links: Blog, Topo im Schweiz Extrem West

Weniger häufig begangene, aber sehr lohnende, abwechslungsreiche Wendentour, insgesamt eine der leichteren Routen am Massiv. Nebst einer spektakulären, athletischen und gut gesicherten Cruxlänge meist Wandkletterei im Schwierigkeitsbereich 6a/6b an wasserzerfressenem Fels (unten) und Knobs (oben). Auch die einfacheren Seillängen empfand ich als echte Perlen. Während die athletische Cruxlänge und sämtliche Cruxen gut mit Bohrhaken gesichert sind, muss man sich im plattigen 6a-Gelände auch abseits und über den Haken zurechtfinden - mit der dort durchaus spärlich gehaltenen Absicherung werden die meisten nicht einfach durchmarschieren. Stand: Juli 2008.


Pfaffenhuet - Voie de Frère 6c+ (6b obl.) - 10 SL, 320m - Piola/Sprüngli 1991 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 1-3 (nur für die 1. Seillänge nötig!)
Links: Blog, Topo im Schweiz Extrem West

Beliebte Kletterei durch den zentralen Teil der Pfaffenhuet-Südwand, die man sich leider erst mit einer psychisch anspruchsvollen, (zu) knapp abgesicherten Wasserrillen-Einstiegslänge (6b) verdienen muss. Dort müssen zwingend einige semi-zuverlässige Friends in Löcher gelegt werden und ein unerschrockenes Gemüt ist von Vorteil. Danach folgt über mehrere SL griffige, athletische und fast klettergartenmässig gesicherte Kletterei, bevor dann zuletzt nochmals einige plattigere Passagen folgen. Hinweis: sämtliche Topos behandeln die allerletzte (zehnte) Seillänge (20m, 6b) links über den Wulst aufs Ringband hinauf stiefmütterlich - sie lohnt sich aber sehr und bietet gute Kletterei. Stand: September 2009.

Wendenkletterei der grandiosen Art in der ersten Seillänge der Route Inuit (6c+) am Pfaffenhuet.

Pfaffenhuet - Transocean 7b+ (7a+ obl.) - 6 SL, 230m - Ruhstaller/Rathmayr 2010 - ****; xxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, evtl. Camalots 0.5-1
Links: Blog, Topo

Schöne, schwere und oft kratzige Kletterei zentral an der Südwand des Pfaffenhuet. Von psychsich herausfordender Plattenkletterei über Crimperei an kleinen, rauhen Strukturen zu athletisch-grossgriffigen Zonen wird ein bisschen alles geboten. Die Felsqualität ist praktisch durchgehend gut, ja teilweise sogar fantastisch. Zwei, drei etwas weniger schöne oder staubige Stellen sollen hier jedoch nicht unerwähnt bleiben, was sich mit weiteren Begehungen sicher noch verbessern wird. Die Absicherung kann man als vernünftig bezeichnen. Wirklich gefährlich ist es nirgendwo und an den schweren Stellen sind die Abstände nie extrem weit. Dennoch sind viele schwere Passagen absolut zwingend zu meistern, was der Sache doch einen reichlich sportlichen Anstrich gibt. Der obligatorische Grad von 7a+ passt und spricht alleine schon Bände. Klemmgeräte und -keile können eigentlich kaum wirkungsvoll eingesetzt werden, meines Erachtens kann man diese auch gleich daheim lassen. Besondere Würdigung verdient der Runout am Ende von L5, die 6-7 zwingenden Meter über die feinstrukturierte Platte im 7a-Bereich wird zumindest der Vorsteiger nicht so rasch vergessen, egal ob der Abflug passiert oder nicht... Stand: September 2014.


Pfaffenhuet - Patent Ochsner 7a (6c obl.) - 13 SL, 380m - Kaspar & Ruth Ochsner 1993 - *****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-1.
Links: Topo im Schweiz Extrem West

Fantastische und direkte Kletterei zentral durch den rechten Teil der Pfaffenhuet-Südwand. Eine der besten und beliebesten Routen an den Wenden, was vor allem auch daran liegt, dass die Bohrhaken hier etwas enger stecken als in manch anderen Routen - nicht gerade wie im Klettergarten, aber längere Runouts im Stil der älteren Routen wie z.B. der Sternschnuppe gibt's hier deutlich weniger, Klemmgeräte kann man kaum zum Einsatz bringen. Die Kletterei beginnt in den ersten 3 Seillängen plattig, dann warten 5 steile, athletische und griffige Seillängen zum Wandbuch hinauf. Die letzten 5 einfacheren und nicht mehr ganz so steilen Längen aufs Ringband (welche nominell zur früher erschlossenen Sternschnuppe gehören) werden längst nicht von jeder Seilschaft begangen. Sie sind zwar nicht schlecht, können aber qualitativ nicht ganz mit dem Gebotenen bis zum Wandbuch mithalten. Stand: September 1997.


Pfaffenhuet - Sternschnuppe 6c+ (6c obl.) - 14 SL, 420m - Kaspar & Ruth Ochsner 1987 - *****;xx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Camalots 0.3-1.
Links: Bericht, Topo im Schweiz Extrem West

Absolute Weltklasse-Tour mit genialer Kletterei in meist hervorragendem Fels, für mich eine der besten an den Wenden! Unten direkt durch das „graue Meer“, an den für den Pfaffenhuet typischen Löchern. Gegen oben athletischer werdend über den Steilriegel hinweg. Kein Wunder nennen die Italiener diese Route "Silbergeier dei poveri" (d.h. "Silbergeier für Normalos"), das finde ich hier absolut gerechtfertigt. Die Bolts stecken im Vergleich zu den anderen Routen am Berg eher spärlich, sind aber immer genau dort wo man sie am meisten braucht. Sich mehrere Meter über dem letzten Bolt den Weg durch den griffigsten Fels zu suchen, gehört hier zum Programm, was die Route aber auch so bemerkenswert macht. Zusätzlich abgesichert werden kann aufgrund der Felsstruktur nur selten, dennoch sollte man auf die empfohlenen Klemmgeräte nicht verzichten. Stand: Juli 2010.


Pfaffenhuet - Inuit 6c+ (6c+ obl.) - 13 SL, 420m - Kaspar & Ruth Ochsner 1986 - ****; xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-2.
Links: Blog, Bericht, Topo im Schweiz Extrem West

Tolle Wendentour, die viel Abwechslung bietet. Durch die dem einfachsten Weg folgende Linienführung mit einigen Quergängen hat die Tour mehr alpines Flair als ihre Nachbarn. Die Tour ist weniger athletisch und weniger anhaltend wie z.B. die Voie de Frère oder Patent Ochsner. Immer wieder sind dafür eher weite Hakenabstände zu überwinden, d.h. die Bohrhaken sind klar spärlicher anzutreffen als in der Voie de Frère oder Patent Ochsner. Trotzdem würde ich die Route als gut abgesichert bezeichnen. Die Bolts sind optimal plaziert, so dass in den Schlüsselstellen immer einer in der Nähe ist, zudem steckt seit der Sanierung 2009 solides Inoxmaterial. Von der Kletterführerangabe mit 6b+ obligatorisch lasse man sich nicht blenden. Die Schwierigkeiten gehen gleich nach dem Einstieg los, wenn man mit den Füssen auf dem Silexeinschluss steht. Dann hilft der Haken etwas rechts auf Kniehöhe rein gar nichts mehr zur Fortbewegung. nach links oben Die Stelle ist gut abgesichert, aber zu 100% zwingend, deshalb ist für mich glasklar ein hartes 6c+ obligatorisch. Der Rest der Route ist dann in Bezug auf die Kletterschwierigkeiten deutlich leichter verdaulich. Stand: Oktober 2009.


Pfaffenhuet - Dragon 6c (6b obl.) - 7 SL, 280m - Y. & C. Remy 1988 - ***, xxx
Material: 12-14 (auch lange!) Express, Camalots 0.3-3, Keile 4-9
Links: Blog, Routenverlauf, Topo im Schweiz Extrem West

Abwechslungsreiche Route auf der rechten Seite des Pfaffenhuet. Sie bietet erst zwei anspruchsvolle Plattenlängen, dann 2.5 SL an einer einfacheren, etwas rustikalen Verschneidung, wo der Fels ok ist, aber nicht immer allerbeste Wendenqualität aufweist. Die 2.5 Abschlusslängen bieten dann steile, griffige Wandkletterei und sind wiederum prima. Die Route wurde von den Gebrüdern Remy selber im 2009 "saniert", wobei das Wort nicht wirklich passt: an einigen einfacheren Stellen wurden ein paar wenige Zusatzbolts gesetzt. An den Schlüsselstellen, wo schon früher BH waren, blieben Abstände und Material beim Alten. Somit stecken dort sowie an den Ständen noch die Haken von 1988. Ziemliche Mogelpackung also, das mit der Sanierung. Zudem: als Bewertung sähe ich jetzt 7a (6b+/6c obl.) als realistischer an. Immerhin merkt man gleich auf den ersten Metern, ob es passt oder nicht. Stand: September 2011.

Samstag, 11. Juni 2016

Wendenstöcke - Passion (7a)

In einer Zeit, wo das Wetter in etwa ähnlich bescheiden ist wie meine Erfolge beim Sportklettern, lohnt es sich, wieder einmal in der Touren-Mottenkiste zu kramen. So kommt dieser Bericht über die Wendenroute Passion (7a) am Pfaffenhuet zustande. Diese fristet unter ihresgleichen keinem sonderlich berühmtes Dasein, was sicherlich auch mit den Angaben in der Führerliteratur zu tun hat. Klar, an die absoluten Toplinien im Gebiet reicht sie nicht ganz heran, auf globaler Skala gesehen handelt es sich aber um eine sehr schöne MSL-Kletterei. Zugleich ist es eine der einfacheren im Massiv.

Der klassische Ausblick am Beginn einer Wendentour mit Mähren, Pfaffenhuet und den Sektoren am Gross Wendenstock.
Unsere Tour startet wenig vielversprechend. Ein heftiges Gewitter am Vorabend hat im Haslital gewaltig die Schleusen geöffnet. Dies notabene in einem Zeitalter, als wir noch nicht mit Smartphones ausgerüstet waren und daher die Möglichkeiten zum Online-Tracking von aktuellem und vergangenem Niederschlag noch reichlich bescheidener zur Verfügung standen. Nun denn, da wir schon vor Ort waren, liessen wir uns durch die von zahlreichen, dunklen Wasserstreifen durchzogenen Wände nicht abhalten und stiegen trotzdem gegen den Pfaffenhuet hinauf. Womöglich würde ja die Sonne ihre Arbeit verrichten und schon bald für Trockenheit sorgen - so war es dann tatsächlich auch. Um etwa 9.20 Uhr waren wir am Einstieg startbereit. Dieser befindet sich etwas links am Pfaffenhuet, noch vor der markanten, grossen und brüchigen Verschneidung. Damals war er mit abblätternder Farbe markiert, ob man das heute noch lesen kann?!? Maybe, aber vielleicht auch nicht. Ein BH und ein paar alte Schlingen waren ebenso präsent, diese sind bestimmt noch immer vor Ort.

Verlauf der Route Passion am Pfaffenhuet, die Wasserstreifen sind eher aussergewöhnlich.
L1, 45m, 6a+: Wie immer bei einer Wendentour ist eine gewisse Anspannung nicht zu verneinen und die ersten Meter starten gleich fulminant. Nicht mega schwierig jetzt, aber an einem Riss will erst gleich ein Cam gelegt sein und dann folgen ein paar kompakte Meter, wo sorgfältig angetreten werden will. Im oberen Teil der Länge klettert man dann eine grosse Links-Rechts-Schleife, dabei erst die technische Crux, danach sehr schöne Wasserrillen.

Sehr schöne Wasserrillen und eine für die Region typische, gebohrte Sanduhr als Sicherung oben in L1 (6a+).
L2, 45m, 6b: Plattiger Auftakt mit guter Kletterei in schönem Fels, wobei es beim Riesenslalom um die Bohrhaken die Ideallinie zu erwischen gilt. Die Crux wartet dann an einem steilen Aufschwung gegen das Ende hin. Sieht etwas einschüchternd aus, klettert sich auch nicht ganz trivial, hier stecken die Bohrhaken aber wirklich eng, nur im Ausstieg muss man etwas "gehen".

Soeben wurde der Steilaufschwung mit der Crux von L2 (6b) gemeistert.
L3, 40m, 6a: Diese Länge ist sicher nicht die beste der Route, aber trotzdem nett. Schöner, einfacher und etwas weit abgesicherter Beginn, dann eine etwas komische Linie welche kurz an die Verschneidung rechts aussen geht, diese aber auch schon bald wieder zu Gunsten von schöner Wasserrillenkletterei links in der Wand verlässt.

Kurz an die nicht ganz so solide Verschneidung in L3 (6a), sonst aber meist schöne Wandkletterei.
L4, 40m, 6b: Der Auftakt sieht steil und einschüchternd aus und der erste BH steckt in bedenklicher Ferne. Etwas rechtsrum gibt's aber einen gut gangbaren Weg, so passt's schon. Danach unter einer schräg aufwärts führenden Verschneidung entlang anhaltend in prima Wendenfels. Wo diese ausläuft wartet die beinahe schon knifflige 6b-Passage, super! Für die letzten Meter zum Stand ist dann ein Cam durchaus noch dienlich.

Viel Betrieb an dem Tag auf der Wendenalp, das heftige Gewitter am Vorabend hatte niemand auf der Rechnung.
L5, 45m, 6a: Unsere Topos aus diversen Editionen des Schweiz Extrem zeigen etwas rechts um die Ecke schon bald wieder einen Stand, der aber vor Ort nicht existierte. Aber egal, er ist auch nicht nötig, die Längen lassen sich gut verbinden, hilfreich ist aber Halbseiltechnik und gutes Verlängern der Sicherungen. Die Kletterei durch die kompakte Wand mit distant steckenden BH sieht kühn aus, löst sich aber immer gut auf und übersteigt den Grad 6a tatsächlich nicht, das hätte man von unten kaum geglaubt - super Sache!

Fantastische Wendenkletterei am Ende von L5 (6a), der Fels vorzüglich.
L6, 25m, 6c+: Ich behalte gleich die Führung für die gemäss den Topos nominelle Cruxlänge der Route. Hier muss man zuerst einmal einen Schnall haben, wo es überhaupt durchgeht. Der erste BH steckt nämlich ziemlich im Schilf, gut verlängern und untenrum nach rechts klettern macht es deutlich einfacher. Die Crux besteht aus einer kurzen, feinen und technischen Stelle, nachher an traumhaften Wendenrillen noch etwas dranbleiben und schon bald nehmen die Schwierigkeiten ab. Der Stand auf einem Band, in einer beinahe etwas gerölligen Zone.

Technisch Durchmoven in der Crux von L6 (6c+) - ging mir aber recht leicht von der Hand.
L7, 30m, 6c: Die athletischste Länge der Route. Der Steilriegel sieht auf den ersten Blick ziemlich abweisend aus und anderswo wäre solchermassen geschichtetes Gestein vermutlich auch brüchig. Nicht so hier - alles hält und dann sind es erst noch vorwiegend Henkel! Die Crux etwas sloprig über die Dachkante hinweg.

Steil und athletisch geht's in L7 (6c) zu Werke, allerdings meist an guten Henkeln.
L8, 45m, 7a: Bis an diese Stelle ist die Route echt vorzüglich und auch genüsslich. Doch hier wird es einerseits deutlich schwieriger wie zuvor, andererseits stimmen die Topos auch überhaupt nicht mit der Situation vor Ort überein, was es auch nicht unbedingt angenehmer machte. Als erstes folgt eine harte, kleingriffig-plattige Passage in schon fast etwas glattem Fels. Im Topo stand 6c, wir fanden es (und sind damit nicht die einzigen...) selbst für 7a schwierig, für den Fall der Fälle steckt aber der BH günstig. Danach nach Topo eigentlich Stand an einer SU, aber die ist so dünn und in unbequemer Position, so dass einzig Weiterklettern vernünftig erscheint. Plattig, anhaltend und schwer geht's an kleinen, teils etwas fragil wirkenden Schüpplein dahin, auch der Seilzug beginnt mit der Zeit hinderlich zu werden. Nach 45m findet sich rechts aussen ein Stand in einer Nische. Hier gab's eine SU und einen Bolzen ohne Plättli - um diesen Umstand wissend, hatten wir eines mitgeführt und den Stand wieder benutzbar gemacht.

Im Vordergrund die glatte Crux von L8 (7a) - irgendwie ungriffig alles und die Wasserrillen stumpf.
L9, 15m, 6a: Nun sind es nur noch ca. 15m hinauf aufs grosse Schuttband, auf welchem die modernen Routen alle enden. Nun nochmals prima griffige Kletterei in schönem Wendenfels.

Nachstieg auf der grossen und schweren Platte im oberen Teil von L8 (7a). Der Wendennebel kam auch noch kurz vorbei.
Etwas nach 16.30 Uhr und damit nach über 7 Stunden Kletterei haben wir das Routenende erreicht. Wir queren ungefähr 20m nach links (d.h. Westen), um den Stand der Abseilpiste zu erreichen. Dort treffen wir unmittelbar vor einer Seilschaft aus dem Sonnenkönig ein. Wir wollen nicht länger warten und nehmen den gewährten Vortritt an - klar, hinterher zu gehen wäre wegen allenfalls fallenden Steinen besser, doch zuerst abzuseilen bringt auch einen Benefit... wie wir bald merken. Beim etwa vierten Abseiler lässt sich das Seilende nicht abziehen, egal wie sehr wir uns Mühe geben. Knoten war sicher keiner im Seil, was ist denn da los?!? Die nachfolgende Seilschaft löst uns nach etwas Wartezeit dann das Seil. Das freie Ende wurde (wohl durch den schnellen Seildurchlauf) herumgewirbelt und verknotete sich am Stand selbständig. 

Shit Happens! Das Seil wurde beim Abziehen durch den schnellen Seildurchlauf herumgewirbelt und hat sich am Ende selber verknotet. Da kann man von unten ziehen so viel man will, das geht bestimmt nicht auf. Hinweis: das Foto stammt nicht von unserem Vorfall in der Passion, sondern wurde auf einer späteren Tour aufgenommen, wo dasselbe Malheur passierte. Doch erstens folgte da keine Seilschaft nach, so dass wir das Problem selber beheben mussten, zweitens war es dort dank dem Abseilen über die Route überhaupt erst möglich für Ordnung zu sorgen und ein Foto zu machen!
Wäre nicht die andere Seilschaft nachgekommen, so wären wir an dieser Stelle definitiv in der Falle gesessen - im Bereich der Abseilpiste verläuft keine Route, d.h. weder hinaufklettern oder Abseilen mit einem 50m-Strang wären Optionen gewesen. Das wäre definitiv ein Fall für den Helikopter gewesen! Es sei an dieser Stelle übrigens erwähnt, dass ich inzwischen zwei weitere Fälle hatte, wo sich das Seilende beim Durchlaufen selbst verknotete (siehe z.B. hier). Dort liess sich die Situation mit einem Wiederaufstieg klären - das Fazit aus dieser Geschichte ist klar: wenn irgendwie möglich, so seilt man besser über (s)eine Route als eine routenunabhängige Abseilpiste ab. Wenn etwas schief läuft, so ist man auf einer Abseiltrecke ohne Zwischenhaken einfach rasch einmal total aufgeschmissen!

Facts

Pfaffenhuet - Passion 7a (6b obl.) - 9 SL, 330m - Kaspar Ochsner 1992 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-2, Keile nicht zwingend nötig

Sehr schöne Steilplatten-Kletterei in gutem, rauem Wendenkalk, gehört insgesamt zu den zugänglicheren Routen an den Wendenstöcken. Athletische Stellen gibt es auch ein paar, aber doch seltener wie in vielen anderen Routen am Massiv und als in den Pfaffenhuet-Routen weiter rechts. Auch wenn häufig deutlich über die Sicherungen hinaus gestiegen werden muss und im leichteren Gelände teils grössere Abstände warten, darf man die Route als vernünftig oder gut abgesichert bezeichnen. Mit einem Satz von kleinen bis mittleren Cams kann man punktuell gut ergänzen, die Schlüsselstellen sind sowieso gut gebohrt und wie eigentlich immer bei Ochsner-Routen kann man sich darauf verlassen, dass die Haken am richtigen Ort stecken und dass man nach einem Runout nicht vor dem nächsten Klipp nicht noch irgendwelche Harakiri-Moves zum Anklettern des nächsten Bolts ausführen muss.

Topo

Wie bereits erwähnt, die kommerziell erhältlichen Topos stimmten nicht mit den Verhältnissen vor Ort überein. Daher habe ich unmittelbar nach der Begehung selber ein Topo mit korrekten Standplätzen und vernünftiger Aufteilung der Seillängen gezeichnet.


Donnerstag, 2. Juni 2016

Petit Clocher du Portalet - Le Chic, le Chèque et le Choc (6c)

Irgendwie, so scheint es mir, bleiben mir auf diesem Blog vor allem Klettertouren aus der Mont-Blanc-Region nachzutragen. Woran das wohl liegt? Sicherlich nicht daran, dass diese unlohnend oder nicht genügend inspirierend für einen Beitrag gewesen wären. Wohl eher, dass dafür eine stabile Schönwetterperiode notwendig ist, sich die Abwesenheit von Familie und Arbeit wegen der längeren Anreise auf mehrere Tage ausdehnt und es deshalb in den Tagen danach meist anderes zu tun gibt, als einen Blog zu tippen. Aber kommt Zeit, kommt Gelegenheit und daher hier meine Erinnerungen an einen Weekend-Trip mit Jonas im 2013.

Der Petit Clocher mit Routenverlauf noch weit weg, gesehen vom Ausgangspunkt bei der Prise d'Eau. 
Um an eine Tagestour zu denken, liegt der Petit Clocher du Portalet im Val Ferret, d.h. ganz im Südwesten des Kantons Wallis, doch etwas zu weit weg von Zürich. Klar, nichts ist unmöglich, aber da müsste man schon hart im Nehmen sein, vor allem wenn es um die Fahrerei geht. So machen wir uns am Samstag gemütlich auf den Weg und legen einen Stopp an den Gastlosen ein, wo wir uns auf deren NW-Seite der Kletterei widmen. Das lohnt sich sowohl fürs harte Sportklettern wie auch für ein paar MSL-Routen. Wir entschieden uns für die beiden nahe beeinander liegenden Magirus (5 SL, 7a) und die Audrey Daniel Gedenkführe (3 SL, 6b+), worüber ich in diesem Beitrag schon einmal ein paar Worte verloren hatten. Nach diesem bereits genussreichen Tag machten wir uns auf, um in Martigny in einem Hotel zu nächtigen, von wo wir am nächsten Tag zum Petit Clocher starteten.

Die Fahrt führt bei Orsières ins Val Ferret, wo man in Praz-de-Fort gegen das Tal des Saleinagletschers abzweigt. Eine steile und enge Bergstrasse führt hinauf zur Wasserfassung auf 1540m, bis hierher kann man fahren. An schönen Weekends stehen oben meist viele Fahrzeuge, und man darf seine Kreativität beim Bestimmen eines Parkplatzes zeigen - natürlich so, dass niemand behindert wird und alle wieder ins Tal kommen. Von da nimmt man den Weg zur Orny-Hütte, welcher bald in grossen Kehren den steilen Hang hinaufführt. Im Aufstieg verliessen wir diesen bereits in der Kehre bei P. 2194, wobei der Challenge alsbald im überqueren der drei Gletscherbäche liegt. Frühmorgens oder generell bei Niedrigwasser mag dies möglich sein, je nachdem werden diese aber zur unüberwindbaren Herausforderung! Im Abstieg sind wir dann weiter oben hinübergequert und trafen den Weg auf 2420m, was sicherlich auch im Aufstieg die bessere Alternative darstellt.

Die sonnige E-Wand, rechts die schattige N-Wand, gepunktet der exponierte Zustieg am Sockel. Unsere Route ist links um die Ecke, nicht sichtbar.
Der letzte Teil des Aufstiegs wird dann ziemlich alpin. Die letzte Moräne, welche es zu queren gilt, bevor man an den solideren Nordwand-Sockel des Clochers gelangt, ist steil und instabil. Ein Fixseil vermittelte damals etwas Sicherheit, ebenso waren selbst Mitte Juli noch Querungen von verschneiten Couloirs zu meistern, wo ein Ausrutscher verheerende Konsequenzen gehabt hätte. Dank bereits vorhandenen Tritten genügte ein Leichtpickel, bei sehr ungünstigen Verhältnissen kann man aber ohne Bergschuhe und Steigeisen im dümmsten Fall auch anbrennen. Danach quert man quasi ein halbes Mal am Sockel um den Clocher herum von der Nord- auf die Südseite. Die Exposition nimmt dabei stetig zu, und es sind auch einige Kletterpassagen zu meistern. Teilweise sind Ketten vorhanden und nötigenfalls stecken Haken zur Sicherung, ein seilfreies Gehen ist aber bei entsprechenden Können gut zu verantworten. Den Weg in dieser Querung zu beschreiben ist sehr schwierig, allerdings leitet einen das Gelände gut und es hat Wegspuren, die Passage dünkte mich nicht sonderlich schwer zu finden. Nachdem wir um etwa 7.00 Uhr auf den 1100hm-Zustieg bei der Wasserfassung gestartet waren, ging es um rund 9.30 Uhr mit der Kletterei los.

L1, 5c+: Der Einstieg befindet sich wenige Meter links der Südostkante. Zuerst einfach an einem System von Schuppen empor (BH), danach deutlich nach rechts queren (BH) und die cleane Verschneidung benützen, um auf einem Absatz zu Stand an einem Felszacken zu kommen, bevor es in der nächsten Sequenz Ernst gilt.

Gut einprägen dieses Bild! Hier geht's los, Jonas klettert in L1. Der Einstieg ist sonst nicht näher bezeichnet.
L2, 6a+: Lange, eindrückliche und anspruchsvolle Superlänge entlang der grossen Verschneidung. Vereinzelt stecken ein paar Bohrhaken, dazwischen legt man gerne selber noch etwas hinzu. Vor allem das Ende um die Nase herum ist dann aber zwingend und ohne eine gewisse Entschlossenheit und Vorwärtsstrategie geht's nicht.

Eine Seilschaft im unmittelbar benachbarten SE-Pfeiler, auch eine schöne Route.
L3, 6c: Teilweise knifflige Traverse nach links hinauf, die Füsse müssen plattig antreten und die Hände benützen die Untergriffschuppen. Diese Passage ist gut mit (älteren) BH abgesichert. Man erreicht schliesslich ein Risssystem, das tolle Kletterei bei recht anhaltenden Schwierigkeiten (ca. 6a+) bietet, wobei die letzten 20m komplett selber abgesichert werden müssen.

L4, 6c: Den Pfeiler hinauf, etwas nach rechts und dann zur Schlüsselstelle in plattiger Wandkletterei, welche gut mit BH abgesichert ist. Diese Passage ist womöglich etwas grössenabhängig, mir bereitete sie jedenfalls keine grossen Schwierigkeiten.

Jonas folgt in L4 (6c), die Schwierigkeiten liegen hier in der Wand- und Plattenkletterei.
L5, 6b: Kurze, aber coole Seillänge, welche von einem Grasband weg einen steilen Wandaufschwung recht athletisch entlang einer Rissverschneidung bezwingt. Es stecken hier zwei BH, damit man sicher nichts aufs Band hinunterplumpst, legt man vielleicht gescheiter noch etwas hinzu.

Jonas am Moven in der schönen, steilen Rissverschneidung von L5 (6b).
L6, 6c: Der Auftakt entlang einer seichten Verschneidung mit einem ziemlich geschlossenen Riss im Grund ist zwar auch "nur" mit 6c bewertet wie L3 & L4. Während ich letztere beide problemlos klettern konnte, stellten sich mir hier aber doch ein paar Fragezeichen. Es muss sehr plattig angetreten werden und Griffe sind nahezu inexistent. Nötigenfalls kommt man mit den nahe steckenden BH aber gut A0 durch. Danach wird's dann etwas einfacher, die Verschneidung mit dem Grasriss im Grund am Ende empfand ich als etwas unangenehm.

Das Finish von L6 (6c) ist nicht mehr so schwer, die weit abgesicherte Grasverschneidung für den Vorsteiger aber nicht unbedenklich.
L7, 5c: Easy peasy, könnte man meinen... die kaminartige Passage klettert sich aber deutlich schwieriger, wie man erst meinen könnte. Vor allem scheint's tatsächlich keine elegante Möglichkeit zu geben, um man kommt nicht um die Schrubberei herum, schwer für den Grad und auch recht zwingend. Das Finale dem Grat entlang zum Gipfel dann aber schliesslich deutlich einfacher.

Rustikaler Abschluss zu Beginn von L7 (5c), ohne Einklemmen geht's irgendwie nicht.
Um etwa 13.45 Uhr waren wir nach 4:15 Stunden Kletterei am Gipfel und konnten an diesem wunderschönen Sommertag einen grandiosen Blick auf die umliegende Bergwelt geniessen. Ja, hier oben könnte man eine ganze Weile sitzen bleiben. Der weite Heimweg mahnte aber doch irgendwann zum Aufbruch. Er beginnt mit einem Abseilen über die Route, wobei 5 Manöver nötig sind. L5 & L6 sowie L1 & L2 lassen sich mit 2x50m-Seilen verbinden. Danach gilt es wieder konzentriert die exponierte Sockelwand abzuklettern, erst nach der Passage der Couloirs und der Moräne kann man schliesslich etwas entspannen. Nach der weglosen Querung zurück zum Orny-Hüttenweg ging's dann rassig auf dem Bergweg gen Tal, wo wir um etwa 16.00 Uhr eintrafen. "Granitklettern par Excellence" hatte ich im Kurzbeitrag unmittelbar nach der Tour geschrieben, das sehe ich auch aus heutiger Sicht noch genauso!

Facts

Petit Clocher du Portalet - Le Chic, le Chèque et le Choc 6c (6b obl.) - 7 SL, 250m - C. & Y. Remy 1986 - ****; xxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, 1 Set Keile, 1 Set Camalots 0.3-3, evtl. Leichtpickel für Zustieg

Sehr schöne Granitkletterei, meist an Verschneidungen mit ein paar plattigen Wandkletter-Einlagen dazwischen. Die Felsqualität ist durchgehend gut, der Fels weist aber relativ wenig Struktur auf und ist einfach nicht ganz so schön wie in den besten Chamonix-Routen. Hin und wieder spriesst auch etwas Gras aus den Rissen. Weiter ist das Verhältnis von Routenlänge zu Zustieg auch etwas knapp. Das ist Jammern auf hohem Niveau, für volle 5 Sterne reicht es aber nach meinem Empfinden nicht ganz. In der Route stecken regelmässig Bohrhaken, die 6c-Passagen sind gut abgesichert. In den Rissen lassen sich öfters zusätzliche Sicherungen anbringen, einige Passagen sind sogar zwingend selber abzusichern, was mit je einem Set Keile und Cams aber gut möglich ist. Die Route liegt sehr sonnig und hat für ihre hochalpine Lage ein grosses Begehungsfenster. Im Frühjahr und Herbst können aber Schneereste und Vereisung am Sockel der Nordwand Probleme bieten. In Sachen Topo empfiehlt sich der Topoguide Band III, man kann die Seiten zum Petit Clocher hier auch als Einzelstücke erwerben. Ansonsten kenne ich effektiv kein Topo, das diese Bezeichnung wirklich verdient.