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Montag, 30. Januar 2017

Brunnital - Krümelmonster (M8+)

Das Brunnital ist neben Kandersteg sicherlich das beste MSL-Eisklettergebiet in der Schweiz. Ab dem Niveau WI4 gibt es hier bis zu Mixed-Herausforderungen im Grad M9 so ziemlich alles, was das Herz begehrt. Doch leider waren gute Bedingungen in den letzten Jahren kaum mehr anzutreffen, so dass ich seit meiner Begehung von Verschneidung (WI4-), Cold Carpet (WI4+) und rechtem Lisslerenfall (WI5) im 2010 nicht mehr hier aktiv war. Doch im kalten Januar 2017 ging endlich wieder etwas. Wir wollten einmal anreisen und schauen...

Die vielleicht bekannteste Linie im Tal ist die Hydrophobia (WI6-), welche in der Top Ten Liste der Schweizer Eisfälle von Urs Odermatt auf Position 7 rangiert. Bis auf die fehlende (aber rechts über ein Band umgehbare) Einstiegssäule war sie solide gewachsen. Dorthin hätten wir uns zuerst orientiert, doch war uns eine Seilschaft um wenige Minuten zuvor gekommen. Eine Panne mit den Kontaktlinsen hatte uns hier um einen Versuch gebracht, schon lustig was das Schicksal jeweils für einen bereithält. Nun denn, es galt nichts zu verzagen, denn an Eislinien gibt es im Brunnital ja wahrlich genügend. Der Bluebalu (WI6-) etwas weiter hinten im Tal wird auch hoch gehandelt, allerdings fehlte dort die erste Länge aufgrund von Trockenheit komplett. Auch der äusserst eindrückliche Flohzirkus (WI6) stand ungenügend. Somit schwankten wir schliesslich zwischen Gfrorni Träne (M9), Meister der Klinge mit der Födlispalt-Variante (M7+) und dem Fall, worauf unsere Wahl schliesslich fiel, nämlich dem Krümelmonster (M8+).

Blick auf das Krümelmonster (M8+), wenige Minuten unterhalb vom Einstieg.
Dieses erreicht man direkt vom Parkplatz bei der Brücke. Ein Steig führt hier in ca. 15 Minuten Gehzeit fast direkt zum Einstieg, selbst wenn nicht gespurt ist, sollte man hier wohl kaum je Hilfsmittel wie Schneeschuhe benötigen. Während es vom Auto noch nach machbarer Eiskletterei aussieht, so präsentiert sich der wahre Charakter der Route erst kurz vor dem Einstieg. Die ersten beiden Längen sind nämlich in Mixedkletterei an ein paar Zapfen in einem steilen Fels-Amphitheater zu meistern - und genau diese Passage ist eben vom Parkplatz aus hinter den Bäumen versteckt. Ich muss ehrlich sagen, es sah attraktiv und einschüchternd zugleich aus. De fakto gibt es zum Krümelmonster gemäss Topo einen einfacheren, linken Einstieg mit dem Namen Octopus (M7). Bei einem Augenschein vor Ort schien uns diese Variante aber schwieriger und massiv kühner zu sein als die M8+ Stelle vom Krümelmonster. Es liegt wohl daran, dass in anderen Jahren die Zapfen anders gewachsen waren. Somit packten wir also um etwa 9.30 Uhr das Krümelmonster an.

Hier die Linie auf den ersten beiden Seillängen (M7, M8+) vom Krümelmonster aus anderer Perspektive. Die linke, deutlich einfacher bewertete Einstiegsvariante Octopus (M7) startet am bis zum Boden reichenden Eisstreifen. Die Bolts von dessen Ende führen eher nach rechts zum langen Zapfen, der jedoch nur sehr schwierig und kühn erreichbar schien.
L1, 15m, M7: Diese Seillänge sieht auf den ersten Blick ziemlich unscheinbar aus, hat es aber in sich. Zuerst einmal ist es alles andere als einfach, eine sichere und gute Position für den Sicherungsmann zu finden. Dann stecken zwar zwei Bolts im Überhang, aber es ist trotzdem kühn. Vom ersten zum zweiten klettert man im mässig soliden Fels mit blödem Sturzpotenzial aufs Band darunter, nach dem zweiten geht's dann athletisch rechtsrum an den Eisvorhang und an diesem hinauf. Wer's nicht packt, sieht sich einem sehr unangenehmen Pendler ausgesetzt. Zuletzt hinter dem Eis durch zu Stand an einzelnem BH und Schraube.

L2, 30m, M8+: Hier hat man so etwas wie eine Mini-Version der Cruxlänge von Mach 3 an der Breitwangflue. Erst ein paar Meter senkrecht im Eis empor, bevor es der markanten Schuppe entlang durch den mehrere Meter ausladenden Überhang nach aussen geht. An der Schuppe kann man hooken, leider längst nicht so solide, wie man das gerne hätte - und für die Füsse gibt es nicht viel. Immerhin ist diese Stelle mit 4 BH eng abgesichert. Während das die technische Schlüsselstelle ist, ist dann natürlich vor allem (wie immer) der Wechsel ins Eis sehr aufregend. Sanft das erste Gerät einschlagen, vorsichtig mit dem Fuss dagegen spreizen, man will ja nicht gleich das ganze Gebilde abräumen... Dann mit Commitment ganz rüber wechseln, nach links queren, mühsam und schwierig um die Ecke von der Innen- auf die Aussenseite des Vorhangs klettern und schliesslich im senkrechten Eis ein paar Meter empor, bevor man endlich etwas durchschnaufen und wieder eine Schraube platzieren kann/soll. Das ganze psychisch ziemlich anspruchsvoll, entfernt man sich dabei immer weiter vom letzten, weit innen am Fels steckenden Bolt - wobei man sagen muss, dass ein Sturz ins Leere führen würde und damit ungefährlich wäre. Dani packt's onsight, Wahnsinn! Dann ist die Reihe an mir - mein Herz klopft wie verrückt, solche Längen sind auch im Nachstieg ziemlich wild und psychisch fordernd. Wenn man das Bild unten betrachtet, so wird wohl sofort klar, dass (vor allem) ein Sturz nach dem Aushängen des letzten Bohrhakens keine echte Option ist. Das gäbe einen wilden Pendler ins Leere, mit der Gefahr, auch gleich das Eis abzuräumen. Und sowieso, wer bei dieser Kombination von indirekten Seilverlauf und starkem Überhang stürzt, tut gut daran einen Ropeman oder Tibloc am Gurt zu haben, sodann er nicht im Freien baumelnd als gefriergetrockneter Schinken enden will.

Ein gewaltiger Felsüberhang in L2 (M8+), dann vorsichtig an den Vorhang und links darum herum.
L3, 50m, WI4+: Vom Stand am Baum rechts aussen geht's über einen grossen, gleichmässig geneigten Eisschild sehr schön aufwärts. Oben wartet dann eine Steilstufe, wo man aber sehr elegant sowohl dem ganz steilen Gelände wie auch der Dusche ausweichen konnte - so kam mir diese Länge eher einfacher wie die im Topo angegebene WI4+ vor. Der Stand dann oben am Fuss der beiden Säulen.

Unterwegs auf dem grossen Eisschild zu Beginn von L3 (WI4+).
Ausblick auf die beiden Säulen in L4 (WI5). Die linke gehört gemäss Topo zu Octopus, die rechte zum Krümelmonster.
L4, 40m, WI5: Die etwa 15-20m hohe Säule sah an ihrem rechten Rand gut machbar, wenn auch ziemlich feucht aus. Nach dem Motto lieber schwerer dafür trocken wollte Dani aber am steilen, linken Rand klettern. Das erste Mal richtig ausgezogen und den Pickel eingerammt, gibt die Struktur ein seltsames Geräusch von sich. Wir zögern... die Säule scheint zwar am Boden gut angewachsen, aber sie steht aus einem Fundament aus griesigem Schnee, das wohl keinen echten Halt bildet. Somit eben keine Säule, sondern ein Vorhang/Zapfen. So weit unterhalb dessen Anfrierpunkt zu klettern, scheint wenig empfehlenswert, somit suchen wir nach Alternativen. Wir entdecken dabei eine tolle Eishöhle mit den Krümelmonstern (Eis-Stalagmiten), versuchen die felsige Stufe mit Hilfe eines Baums zu überwinden, was uns mangels Felsgear nicht gelingt. Somit denken wir schon an einen Rückzug, bis schliesslich doch noch die zündende Idee kommt. Links im Fels und an einigen Eisstrukturen lässt sich die Säule mixed bei genügender Sicherung anklettern, so dass man sieh mehr oder weniger bei deren Anfrierpunkt erreicht. Diese Stelle ist nochmals so im Bereich M7, dann geht's im feucht-soften WI5-Eis aufwärts um zuletzt einfacher den Stand in der Nische am Fuss der Schluss-Säule zu erreichen.

Das Problem... (schlecht auf griesigem Schneeuntergrund verankerte Säule)
...und die Lösung (Mixedkletterei aus der Grotte hinaus bis dorthin, wo die Säule am Fels angefroren ist).
L5, 40m, WI4: Auf der letzten Seillänge geht's zuerst etwa 6-8m senkrecht dahin, somit die Bewertung durchaus zutreffend. Danach flacht's ab und es geht genussreich hinauf durch die sich verengende Bachrinne, unter ein paar umgestürzten Bäumen hindurch, zum Ausstiegsstand, der sich an einem Baum im Wald oberhalb befindet.

Unterwegs haben wir in einer Grotte noch die Krümelmonster gefunden. Dem Schwierigkeitsgrad entsprechend sind die im Brunnital ein bisschen grösser ausgefallen wie die Eiszwergli in Kandersteg, welchen ich am Tag davor einen Besuch abstattete (Bericht folgt).

Die letzten Meter zum Ausstieg. Mit Holzschlag rechnet beim Eisklettern wohl keiner... aber solide sind diese Bäume nicht.
Ob dem vielen Hin und Her in L4 war es beinahe 15.00 Uhr geworden, bis wir beide am Ausstieg waren. Die letzten Meter konnten wir sogar in der Sonne geniessen. Somit schien es wenig empfehlenswert, zu diesem Zeitpunkt noch über die Route abzuseilen, was in 4 Manövern ohne grössere Schwierigkeiten möglich wäre. Alternativ kann man auch horizontal 2-3 Minuten nach rechts (Süden) queren, um dort eine Alp zu erreichen, von wo man über einen exponierten, teilweise mit Leitern und Ketten versicherten Steig in 10-15 Minuten retour zum Einstieg gelangt. Dort sammelten wir unseren Rucksack auf und stiegen gleich retour zum Parkplatz, um das Material zu sortieren. Dann den Motor starten, die Heizung an - wobei, es war also auch schon dringend nötiger als heute. Zufrieden, dem wohl nur ganz selten begangenen Krümelmonster eine Begehung abgetrotzt zu haben, zuckeln wir nach Hause.

Der Abstieg erfolgt bequem zu Fuss über einen mit Leitern versicherten Steig...
...an diesem Sektor kommt man auf dem Abstieg vorbei, hier gäbe es auch noch ein bisschen etwas zu holen (u.a. Aisha, M9).
Facts

Brunnital - Krümelmonster M8+ - 5 SL, 175m - Rathmayr/Zurkirchen 2002 - ****
Material: 1x oder 2x50m-Seile, 10 Schrauben, Keile/Friends nicht nötig

Eine sicherlich nur selten begangene Linie, welche direkt über dem Parkplatz beim Schächenbach lockt. Von dort ist nur der obere Eisteil sichtbar, welcher mit Schwierigkeiten im WI4/5-Bereich nicht allzu hohe Schwierigkeiten, jedoch genussreiche und interessante Kletterei bietet. Verborgen bleibt hingegen der steile, anspruchsvolle Mixed-Einstieg, wo ein ca. 15m überhängendes Fels-Amphitheater an ein paar Zapfen und Vorhängen, sowie im steilen Fels überwunden werden will. Somit sind die Schwierigkeiten sicherlich etwas inhomogen, trotzdem darf man hier zu einer sehr lohnenden Route sprechen, welche meines Erachtens im Hot Ice zurecht zu den Top 50 der Schweiz gezählt wird.

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