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Donnerstag, 15. Juni 2017

Biwakieren (und mehr...) auf dem Rhonegletscher

Ein lange gehegter Plan, ein Biwak mit den Kindern in den Bergen im Schnee. So richtiges Hardship war der Familie natürlich nicht zuzumuten, somit sollten Verhältnisse, Temperaturen und Zustieg im erträglichen Rahmen liegen. Die richtige Zeit für ein solches Unterfangen war also eindeutig der Vorsommer, nach Öffnung der Passstrassen. Tatsächlich hielt nun eines der zwei, drei Weekends vor dem Ausapern der Gletscher perfektes Sommerwetter bereit. Den Rhonegletscher hatte ich als das richtige Ziel erkoren, also los!

Blick auf den Rhonegletscher vom Belvédère.
Jede Expedition beginnt mit einer ziemlich grossen Materialschlacht, nicht anders hier. Campingmaterial für 4 Personen, Skiausrüstung für ebenso viele, die Kletterausrüstung fürs Vergnügen und dazu noch ein paar Plüschtiere, denen man ja schliesslich auch ein Erlebnis bieten muss. Die erste Herausforderung bestand bereits darin, alles ins Auto verpackt zu kriegen. Mit einem Tetris-ähnlichem Vorgehen fand schliesslich alles im Kofferraum Platz und gelangte zum Belvédère am Furkapass. Nun galt es jedoch, diese riesige Fuhre zum Bestimmungsort zu transportieren. Dies notabene bei nur zwei Trägern und zwei Personen mit leichtem Gepäck. Dank den Kinderschlitten, welche zum Materialtransport zweckentfremdet wurden, gelang dies schliesslich ganz ordentlich. Nichtdestotrotz, bei der ersten geeigneten Stelle (und damit etwas tiefer wie daheim geplant) waren wir dann trotzdem froh, als wir das Camp aufschlagen konnten. Fachmännisch wurde der Platz ausgeebnet, Mauern um die Zelte gebaut und alles festgezurrt – natürlich mehr aus Spass an der Sache denn aus purer Notwendigkeit.

Der wesentliche Teil vom Material, das wir mitgenommen haben - noch ohne Futter und Klamotten.

Mit dem ganzen Gerödel mitten durch den Touristenrummel am Belvédère. Man kann sich ja leicht vorstellen, wie wir dabei beäugt wurden ;-)
Wir konnten lange von der Abendsonne und damit auch sehr angenehmen Temperaturen profitieren. Schliesslich legten wir uns aufs Ohr mit dem Plan, dass ich mich frühmorgens aus dem Zelt stehlen würde und auf Skitour ginge. Derweil könnte die Familie ausschlafen, ich würde dann mit dem Ankommen der Sonne am Zelt zum Zmorge wieder zurück sein. Dieser Plan wurde auf den Kopf gestellt, weil ich nicht der einzige der Familie war, der um 4.30 Uhr das ganz dringende Bedürfnis verspürte, auf Skitour zu gehen. Eine Diskussion war zwecklos, der Plan wurde spontan geändert und wir brachen gemeinsam auf. Zwischendurch und an allen steileren Stellen zwingend mussten die Kinder zu Fuss gehen (was dank dem kompakten Schnee mühelos war), im flacheren Gelände durften sie hingegen in Seilschaft "Skilift fahren". Mein ursprünglicher Plan, die mir noch fehlenden 3000er im hinteren Becken des Rhonegletschers einzusammeln, war in dieser Konfiguration natürlich Makulatur. Als neues Ziel wurde daher der Limistock (3189m) erkoren, welcher das am einfachsten erreichbare Gipfelziel im Gebiet des Rhonegletschers darstellt. Doch auch bis dahin waren es rund 8 Kilometer Distanz und 1000 Höhenmeter, so dass einiges an Durchhaltewillen erforderlich war. Doch etwas vor 8.00 Uhr hatten wir es geschafft! Was für ein tolles Gipfelerlebnis!

Jetzt heisst es Schaufeln. Der Rhonegletscher ist an dieser Stelle übrigens spaltenfrei, ich habe viele Fotos geprüft und zur Sicherheit die Gegend weitherum sondiert. Der seilfreie Aufenthalt an dieser Stelle ist also problemlos zu verantworten.

Schon fast alles parat!
Die Abfahrt im oberen Bereich war dann wirklich super. Der Schnee war schön glatt, tragend und gerade ein bisschen aufgesulzt. Dazu die beinahe unendlich breite Piste, alles nur für uns. Genauso wie wir es diesen Winter so oft in den Skigebieten geübt hatten, konnten wir nun als Familie in die Tiefe carven - wie genial! Unterhalb von 2700m glich die Oberfläche des Schnees dann mehr einem Golfball und erforderte etwas Einsatz, zum Schluss musste sogar noch übers blanke Eis gefahren werden. Doch mit Bravour wurden alle Hürden gemeistert und perfekt getimt mit dem Ankommen der Sonne waren wir retour im Basecamp. Nun konnten wir ausgiebig den Zmorge geniessen - da hatte es sich doch gelohnt, noch etwas mehr an feinen Sachen zu schleppen! Die Kinder brachten den Vorschlag, sie könnten doch einen Jokertag einziehen, d.h. am Montag (mit Bewilligung) die Schule schwänzen, so dass wir noch länger bleiben könnten. Sowas hört der Papa doch gerne, auch wenn es nicht ganz in die Pläne von uns Erwachsenen passte. Gemütlich machten wir  uns daran, alles wieder einzupacken. Nach einer gütlichen Weile war dies erledigt, im Abstieg erwies sich dann unsere Materialschlitten-Strategie erst recht als erhebliche Erleichterung. Nur hinüber zum Parkplatz musste dann nochmals etwas geschleppt werden.

Biwakidylle...

...mit Sicht bis zum Matterhorn. Trotzdem, es ist Zeit für ins Bett.
Doch schliesslich war es noch nicht einmal Mittag und wir konnten zum Après-Skitouring übergehen. Dieses spielt sich bekanntlich nicht in einer Kneipe ab, sondern am steilen Fels. Der Plan war es immer gewesen, am Azalée Beach beim Räterichsbodensee am Grimselpass noch eine MSL-Route zu klettern. Nicht bei allen von uns waren die Kräfte noch im gleichen Ausmass vorhanden. So kam es, dass ich mich schliesslich alleine mit meiner Tochter auf den Weg machte. Dies stellte eine weitere Première dar, hatte sie doch noch nie ganz mit mir alleine eine MSL-Route geklettert. Im Trockenen hatten wir die Abläufe am Stand jedoch ausführlich geübt, das Sichern mit dem Grigri am Fixpunkt war ebenfalls bestens vertraut. Dementsprechend reibungslos lief auch alles ab, wow! Natürlich, eine grosse Route war es (noch) nicht. Wir kletterten die Nils Holgersson (4 SL, 5a), die einige wirklich interessante Passagen bereithält, mitunter eine ausgewaschene Rinne, welche schon beinahe an jene in der Septumania am Eldorado erinnert. Rein von Schwierigkeit und Länge her wäre problemlos auch ein bisschen mehr dringelegen, aber wir wollten den Rest der Familie auch nicht zu lange warten lassen. Und in die Badi wollten wir ja auch noch - ein solcher Frühsommertag mit Skifahren und Klettern ist doch erst nach einem Schwumm und einem Glacé so richtig abgerundet. Klar, in harter alpinistischer Währung gemessen sind meine Taten an diesem Weekend bedeutungslos. Für mich hätte es trotzdem nicht besser sein können - diese gemeinsamen Erlebnisse mit der Familie sind einfach Gold wert. Ich freue mich jetzt schon auf mehr!

Die super Piste im oberen Teil des Rhonegletschers. Links der Bildmitte der Galenstock (3586m).

Auf dem Rückweg, das Biwak ist aufgehoben. Von der Klettertour gibt's leider keine Bilder. Der Akku vom Handy war schon leer und ich konnte auf dem Gletscher leider keine Steckdose finden... ;-) Im Bächli Bergsport gäbe es aber die nötigen Gerätschaften, damit genau dieser Fall nicht eintritt.

3 Kommentare:

  1. Gratulation an die ganze Familie Dettling zu dieser überaus verschärften Aktion!

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  2. Herrlich! Und wer braucht schon Pulkas, wenn es Kinderbobs gibt...

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