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Freitag, 31. August 2018

Ticket to Rockstars 2018

Vor einem Jahr war's meine erste Wettkampfteilnahme im Klettern überhaupt gewesen, inzwischen sind wir in diesem Metier schon beinahe alte Hasen. So wollten wir uns denn auch die Ausgabe 2018 vom Qualifikationswettkampf für das Rockstars nicht entgehen lassen. Meine Vorbereitung war eher von der dürftigen Sorte: am Plastik war ich schon seit langer Zeit kaum mehr und ob das Klettern von Plaisir-Routen mit den Kindern oder das Einbohren von MSL-Routen dem Boulderstrom förderlich sei, ist auch eher fraglich. Wobei uns aber interessanterweise gerade Jernej Kruder, der Gesamtweltcupsieger im Bouldern 2018 zeigt, dass solche wenig zielgerichteten Vorbereitungsstrategien selbst auf höchstem Level funktionieren können. Kein Grund also, um den Kopf schon im Voraus in den Sand zu stecken!

Konzentriert analysieren, dann sauber durchziehen. Gilt für diesen Boulder wie für den ganzen Anlass!
Fotos: Vladek Zumr, Kletterzentrum Gaswerk, Adidas Rockstars
Präsentiert wurden uns 40 taufrische Boulder zwischen kinderleicht und selbst für die nationale Spitze unlösbar schwer. Gerade auf meinem Niveau besteht die wesentliche Herausforderung auch dabei, mit Kraft, Haut, Versuchen und Zeit haushälterisch umzugehen, so dass man bei möglichst vielen Problemen das Top erreicht, idealerweise sogar im Flash. Wie schon letztes Jahr ging's mir schlussendlich gar nicht so leid: Rang 11 unter 36 abgegebenen Scorecards, Teilnehmer hatte es auch noch ein wenig mehr. Kathrin schrammte sogar nur relativ knapp am Podest vorbei, während die Kinder an diesem Wettkampf natürlich einen schweren Stand hatten. Wenn man aber weiss, wie sehr sie um eine Teilnahme gebettelt hatten, mit wie viel Freude & Stolz sie dabei waren und wie viele Kollegen und Kolleginnen sie noch für ein Mitmachen begeistern wollten, dann spielt die Ranglistenposition überhaupt keine Rolle. 

In den technischen Bouldern holten wir wenig erstaunlicherweise mehr Punkte als in den brachialen Überhängen...
Fotos: Vladek ZumrKletterzentrum Gaswerk
Wie schon letztes Jahr war's ein mega lässiger Anlass! Herzliche Gratulation den Siegern und besten Dank ans Team vom Kletterzentrum Gaswerk für die Organisation und das Schrauben der Boulder, an Adidas fürs Sponsoring und an alle die sonst noch beigetragen haben und hier nicht erwähnt wurden. Jetzt freue ich mich darauf, den Finalevent am 21./22.9. im Livestream zu verfolgen. Hoffentlich gibt's im 2019 die nächste Auflage vom Ticket to Rockstars - ich werde bestimmt wieder mit dabei sein!

'Il est fort, le gamin': Standardkommentar der Zuschauer am Tout à Blocs, einem Wettkampf dem wir in den Ferien beigewohnt haben ;-)
Fotos: Vladek ZumrKletterzentrum GaswerkAdidas Rockstars

Dienstag, 28. August 2018

Hoch Fulen - Annika (7a+)

An den Hoch Fulen wollten wir nun schon seit einigen Jahren einmal gehen. Aber wie das so ist, trotz positiver Berichte von Kollegen und einem attraktiven Layout gemäss Kletterführer ist das Gebiet einfach noch nicht so auf dem Radar der Kletterer wie andere Felsen. So verschoben wir unserem Besuch auch immer wieder auf einen anderen Tag. Doch schliesslich kam dieser: es war warm, andernorts waren am Vortag heftige Gewitter niedergegangen und auch für den Tourentag war viel Instabilität und nachmittägliche Schauer angesagt. Da wollten wir es also einmal probieren mit diesem Hoch Fulen. Soviel vorweg, wir waren begeistert! Da wartet hoch über dem Urnerland eine echte Perle, mit steiler Kletterei an griffig-wasserzerfressenem Fels!

Bescheidene Bildqualität im morgendlichen Gegenlicht, für einen Eindruck von Wand und Verlauf der 'Annika' am Hoch Fulen taugt das Bild trotzdem.
Zum Zeitpunkt unserer Tour war die Seilbahn aufs Haldi wegen Revision gerade nicht in Betrieb, so dass wir auf den Bus-Ersatzbetrieb ausweichen mussten. Das ist inzwischen Geschichte und spielt sowieso keine grosse Rolle, weil die Reisezeit sich nicht wesentlich ändert und sowohl mit der Bahn wie auch mit dem Bus das Bike mitgenommen werden kann. Dies ist auf jeden Fall empfehlenswert: schon im Aufstieg spart man dabei ein wenig Zeit und Effort, die Abfahrt geht dann im Nu und macht sogar einen Heidenspass! Wir entschieden uns für den Kurs um 6.30 Uhr und konnten somit um 6.50 Uhr auf dem Haldi (ca. 1100m) lostrampeln. In gemässigter Steigung auf guter Strasse geht's erst bis zum Ober Oberfeld (P.1446). Danach kann man mit kräftigen Beinen und guter Bike-Technik auf schon deutlich rauerer Strasse noch bis zum Ausgang des Waldes (ca. 1500m) hinauftrampeln, danach schoben wir unsere Räder noch weitere 70hm hinauf. Der raue, geröllige Karrweg ginge noch weiter bis zur Stafelalp (1780m), doch es erschien uns wenig ökonomisch, die Räder noch weiter hinaufzustossen. Mit einem E-Bike könnte man möglicherweise (mir fehlt die Erfahrung) bis zur Stafelalp fahren. 

Die Wand vom Hoch Fulen ist im Profil schon richtig schnittig und die anhaltende Steilheit lässt sich bestens erahnen! Das Bild stammt natürlich von unserem Abstieg, am Vormittag beim Zustieg war's also schon noch nicht so bewölkt und regnerisch!
Also ging's weiter zu Fuss, nach zügigem Marsch trafen wir gerade nach gut 1:30 Stunden am Wandfuss ein. Damit konnten wir die Vorgabe nach Extrem Ost (2:15h Fussaustieg, 40 Minuten Zeitersparnis mit dem Bike) gerade so einhalten. Wobei gesagt sei, dass wenn wir uns so anstrengen, wir normalerweise deutlich schneller als die Angaben in den Kletterführern sind. Wie dem auch sei, das einfach zur Information. Ergänzt sei an dieser Stelle noch, dass die Gegend schön ist, der Aufstieg angenehm und sich die ganze Sache ob der sehr guten Kletterei am Hoch Fulen schlicht und einfach lohnt. Für uns stellte sich im Angesicht der eindrücklichen Wand die Frage, welche Route wir anpacken wollten. Auf dem Papier und im Gelände sehen alle attraktiv aus. Unsere Wahl fiel dann schliesslich auf die nominell einfachste, d.h. die Annika ganz links. Wobei 'einfach' hier auch nicht ganz zutreffend ist, denn schliesslich warten 10 Seillängen bis 7a (Extrem Ost) bzw. 7a+ (Erstbegeher im SAC-Führer Urner Alpen Ost) mit sehr anhaltenden Schwierigkeiten, welche den Grad 6c in keiner Seillänge unterschreiten. Die anderen Routen weisen dafür jeweils mindestens eine Länge im Bereich 7b/+ auf, wären dafür nicht ganz so anhaltend. Item, der Einstieg im linken Wandteil, unter den Überhängen beim grossen Brennesselfeld ist angeschrieben, so konnte es um irgendsoetwas in der Gegend von 8.45 Uhr losgehen.

L1, 35m, 6c: Los geht's henklig-steil aber einfach, auch später dem Riss entlang stecken die Bolts eng und es geht ohne grosse Schwierigkeiten in die Höhe. Dann quert man nach rechts hinaus, wo die Moves schon sorgfältiger geplant werden müssen. Zuletzt geht's an und neben der Verschneidung diagonal zum Stand hinauf. Super Kletterei in wasserzerfressenem Fels, mit der Crux ganz am Ende. Hier stecken die Bolts etwas weiter auseinander und der Vorsteiger muss im Kopf parat sein!

Super Kletterei bereits in L1 (6c), an deren Ende muss man bereits parat sein und an Tropflöchern riegeln!
L2, 25m, 6c: Die steile Wand oberhalb vom Standplatz klettert sich verblüffend einfach, weil das Gestein ultrarau und unverschämt griffig ist. Da denkt man sich schon beim Klettern, dass man da gerne einige der hier überzähligen Griffe mitnehmen würde, um sie anderswo als Joker einzusetzen. So kommt's dann schon am Ende der Seillänge, wo beim Ausstieg ins flachere Gelände plötzlich ein Mantle an weit auseinander liegenden Slopern gefragt ist.

Tolle Henkelei in unverschämt griffigem Fels in L2 (6c). Die Crux mit dem Sloper-Ausstieg im Vordergrund zu erahnen.
L3, 45m, 6c (bzw. 6b+ im SAC-Führer): Die etwas blockige Zone zu Beginn geht gut, man klettert rechts in der griffigen Wand. Um die Ecke dann warten 2x kniffligere Stellen an Schuppen. Das Gestein ist dort glatter und es gibt nicht so viele Tritte. Bei der zweiten Crux ist auch etwas Entschlossenheit gefragt, da man doch vom Haken wegsteigen muss. Zuletzt dann einfacher in weniger gutem, aber weitgehend ausgeräumtem Fels zum Stand. Hinweis: nach der Crux stecken 2 Dübel, das eine Plättli wurde hier jedoch absichtlich demontiert, der echte Stand kommt erst nach 45m bevor es wieder steil und schwierig wird. 

L4, 30m, 6c (bzw. 6b+ im SAC-Führer): Zu Beginn sehr schöne Wandkletterei in wasserzerfressenem Gestein. Bald einmal ist an Tropflöchern etwas Entschlossenheit und ein weiter Move gefragt, dann lässt es wieder etwas nach. Man quert nach rechts, überquert einen Riss und klettert an Henkeln hinauf zum nächsten Stand.

Ebenfalls sehr lässige Kletterei in prima Gestein wartet in L4 (6c) - kommt auf dem Foto nicht so zur Geltung.
L5, 20m, 6c+: Kurzer Boulder gleich nach dem Stand, dann übers Band hinweg und hinein in den henkligen Überhang. Mit ein paar athletischen Zügen geht's da zügig vorwärts. Erst zum Schluss wird die Sache unübersichtlich und die Griffe kleiner - wohl dem, der nicht so gepumpt ist, dass er hier noch Zeit hat, um sich entsprechend Übersicht zu verschaffen! Der Stand liegt unterhalb der Kante, oben auf dem Turm gibt's einen Abseilstand, zu welchem man vor dem Abseiler wechseln muss. Dann geht's rückseitig ca. 15m runter zu Stand am Turmfuss, am Rande des eindrücklichen, über 1m breiten und sehr tiefen Spalts. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass man L5 auch gut auslassen kann. Man kann vom Stand nach L4 direkt übers Band zu jenem vor L6 gelangen - nicht, dass ich das anraten würde oder es Sinn macht.

Puh, friss mich nicht auf! Das ist der kurze Abseiler vom Turm nach L5 (6c+) zum breiten und tiefen Spalt vor der Hauptwand.
L6, 45m, 6c+: Diese Länge beginnt mit dem Überfall am Spalt - diesen aufzulösen ist dann nicht ganz einfach, vor allem im Angesicht des tiefen Schlundes darunter. Dann vorerst einfach aber weit zum zweiten Bohrhaken, von welchem es horizontal und gutgriffig weit nach rechts geht. Dann hinauf, entlang einer schwach ausgeprägten Verschneidung/Schuppe. Athletische, griffige und anhaltende Kletterei, gegen oben hin mit zunehmenden Schwierigkeiten und Hakenabständen, sehr schön! Etwas Beachtung ist hier dem Seilzug zu schenken, den Haken am Ende des Quergangs sollte man sehr grosszügig verlängen (jenen darunter und oberhalb auch!) oder nochmals zurücksteigen und ihn sogar wieder aushängen.

Da kann man nur sagen 'wow!'. Fantastische Wandkletterei in der langen und komplexen L6 (6c+).
L7, 30m, 7a: Wow, was für eine Seillänge! Insgesamt etwa 3-4m überhängend geht's an vorwiegend guten bis sehr guten Henkeln in die Höhe. Die Crux folgt im steilsten Abschnitt und wird mit ein paar entschlossenen, weiten Zügen erledigt. Danach heisst's im steilen Gelände dranbleiben und schauen, dass man ungerupft in die weniger steile Wandpartie entkommt.

Eine richtige Power-Kletterei wartet in L7 (7a). Sie ist deutlich henkliger, wie es auf diesem Foto den Anschein macht!
L8, 30m, 7a (bzw. 7a+ im SAC-Führer): Hinauf zum ersten Haken, dann folgt ein horizontaler Quergang nach rechts, noch ohne besondere Schwierigkeiten. Achtung, der vom Stand gut sichtbare Dübel ohne Lasche gerade hinauf ist ein Verhauer. Am Ende der Rechtsquerung folgt dann der totale Kontrast zu den vorangehenden Längen. Es wartet eine sehr technische, rätikonartige Plattenkletterei mit Stehproblemen und seichten Wasserrillen. Dank der guten Absicherung kann man hier voll angreifen und da mir bisher die ganze Route onsight gelungen ist, stimmt's auch mit dem Kopf. So bin ich mit ein paar Moves, gefühlt aber durchaus an der Abrutschgrenze, rasch über die schwierigste Passage hinweg. Mir persönlich kam diese Passage deutlich schwieriger wie L7 vor. Dort ging's locker im Cruising-Mode, hier war ich am Limit. Aus dieser Sicht scheint mir die höhere Bewertung aus dem SAC-Führer durchaus realistisch. Zuletzt dann einfacher zum Stand mit Wandbuch.

Sonne gibt's in der 'Annika' erst ab Mitte Nachmittag (ca. 14.30 Uhr), es ist ein Ziel für warme Tage!
L9, 30m, 6c+ (bzw. 6c im SAC-Führer): Eine steilplattige Seillänge, welche auf den ersten Blick nicht so schwierig aussieht. Unterwegs bewahrheitet sich dieses Präjudiz nicht so ganz. Ob's wirklich schwierig ist oder nicht bleibe einmal dahingestellt - jedenfalls gibt einem die Seillänge ständig das Gefühl, dass man sich ungeschickt anstellt. Liegt wohl daran, dass hier zwar durchaus Strukturen vorhanden sind, diese jedoch Richtungen aufweisen, welche für die Richtung der Fortbewegung leider nicht passend sind.

L10, 35m, 6c: Im Prinzip hat man nach der vorangehenden Seillänge die obere Begrenzungskante der Wand erreicht. L10 führt dann an dieser Kante noch über eine weitere Sequenz zum Routenende. Wer noch über unbändige Kraftreserven verfügt, könnte an dieser Stelle übrigens auch problemlos in die letzten beiden, steilen Seillängen (7a, 7a+) von 'Raffael' wechseln. Wir entscheiden uns aber, auf der 'Annika' zu bleiben. Vorerst geht's einfach in etwas losem Gestein aufwärts. Dann kommen athletische Moves an guten Griffen. Achtung, hier ist nicht mehr alles fest was brüchig aussieht! Insgesamt aber doch nochmals ein spassige Sache, vielleicht auch ein bisschen einfacher als 6c?!?

Das Top ist erreicht! Auf den letzten Metern an der Nordkante kommt man in alpines Gelände.
Um 15.15 Uhr und damit doch nach geschlagenen 6:30 Stunden Kletterei sind wir am Top, meinereiner ohne das Seil belasten zu müssen. Immer wieder ein tolles Gefühl, durch eine solche Wand zu steigen und dann zu konstatieren, dass man eigentlich auch Free Solo hätte gehen können ;-) Zufrieden stelle ich auch fest, dass mir die Bewertungen der 'Annika' und in der 'Adam & Evi' am Eiger im Gegenvergleich ziemlich stimmig vorkommen. Für weiteres Philosophieren bleibt aber gar nicht so viel Zeit. Während der Vormittag über lange Zeit überraschend wolkenfrei und sonnig war, hatte sich der Himmel beim Klettern der letzten beiden Seillängen doch sehr rasch überzogen und gezeigt, dass solche Wetterlagen eben trotz allem heimtückisch sind. Allzu lange schien ein Gewitter nicht mehr auf sich zu warten, also warfen wir praktisch unverzüglich die Seile aus. Die Abseilerei vollzieht sich erst über die Route, dann über die benachbarte 'Raffael' und im unteren Teil über routenunabhängige Abseilstände. Dank Effizienz im Handling und der steilen Wand brauchen wir nur gute 20 Minuten, bis die 6 Manöver erledigt sind und wir am Wandfuss stehen. Und dies gerade rechtzeitig, denn es beginnt gerade zu tröpfeln. Es ging nicht mehr lange, bis sich der Regen stark intensivierte. Doch zu diesem Zeitpunkt sassen wir bereits am Trockenen unter dem grossen Überhang im Einstiegsbereich und genossen unseren Vesper.

Für uns hat das Timing perfekt gepasst: trocken geklettert, trocken abgeseilt und trocken abgestiegen. Den Gewitterschauer haben wir mit einem Vesper am Trockenen unter dem grossen Überhang am Wandfuss überbrückt. Auch wenn man heute mit den genauen Vorhersagen ziemlich präzise planen kann, so gehört schlussendlich aber natürlich auch etwas Glück dazu, damit alles aufgeht.
Der Radar-Animation sei Dank liess sich voraussagen, dass wir das Gewitter wohl problemlos würden aussitzen können. Tatsächlich war es 30 Minuten später wieder trocken, so dass wir uns auf die Socken machten. Mit im Gepäck hatten wir da übrigens je einen vergammelten, heftig nach Bockmist stinkenden Strick, der wohl zum Bohren als Fixseil gedient hatte und dann am Wandfuss 'entsorgt' worden war. Wir gehen davon aus, mit der Beseitigung von diesem Material der Sache einen Dienst getan zu haben - ansonsten sorry, die Seile wurden bereits entsorgt, aber etwas anderes hätte man damit eh nicht mehr tun können. In zügigem Abstieg ging's zu unserem Bike-Depot. Wir fuhren zurück zum Ober Obfeld, von wo wir es uns nicht nehmen liessen, auf dem ausgeschilderten Bike-Trail zurück nach Schattdorf zu fahren. Wie erwartet machte es richtig Laune, talwärts zu heizen und die Bremsscheiben zum Glühen zu bringen. Zu bald waren wir retour am Ausgangspunkt, Zeit um das Fazit zu ziehen. Dieses fiel äusserst positiv aus - welche eine geniale Route, kaum zu glauben, dass hier fast niemand klettern geht! In den 10 Jahren ihres Bestehens erlebte die 'Annika' gerade einmal 20 Begehungen, in den letzten Jahren sogar mit abnehmender Frequenz, weil die 'üblichen Verdächtigen' (Locals, Bekannte der Erstbegeher) alle bald nach der Eröffnung vor Ort waren. Schon kaum zu glauben, anderswo in den Alpen (Dolomiten, Chamonix) stehen sich die Leute in im Vergleich dazu schon beinahe mediokren Routen auf den Füssen herum und in einer solchen Route ist man allein.

Facts

Hoch Fulen - Annika 7a+ (6c obl.) - 10 SL, 320m - Fullin/Wicki 2007 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Sehr schöne, spektakuläre und anhaltende Kletterei in wasserzerfressenem Fels. Über weite Strecken ist dieser sehr solide und unverschämt griffig. Vereinzelt warten auch ein paar technischere Passagen und ein paar Abschnitte mit etwas weniger hochwertigem Gestein gibt's auch. Zu erwähnen auch, dass aufgrund der seltenen Begehungen hier und da gerne noch das eine oder andere Tropflochspitzli bricht. Aber das gehört in solchen Routen einfach dazu, ich vergebe jedenfalls nur zu gerne die vier Schönheitssterne! Die Absicherung mit verzinkten Fixé-Bolts ist weitgehend tiptop ausgefallen. Nach meiner Meinung ist Niveau 'gut+' bzw. xxxx treffender als die xxx aus dem Extrem Ost. Hier und da könnte man wohl tatsächlich noch einen Cam (kleine Grössen von 0.3-0.75) unterbringen, wenn man denn wollte. Als notwendig habe ich das jedoch nirgends empfunden. Als Hinweis noch: obwohl die Route über eine routenunabhängige Abseilpiste verfügt, kann man von jedem Punkt in der Route problemlos umdrehen und abseilen. Das wird aus dem Topo nicht ganz klar, vor Ort ist aber absolut logisch wie, was und wo. Und wie bereits erwähnt, das Bike für den Zustieg (und vor allem den Rückweg) lohnt sich absolut. Topo und Infos zu den weiteren Routen am Berg gibt's im Extrem Ost von Filidor oder im SAC-Führer Urner Alpen Ost, die man z.B. bei Bächli Bergsport kaufen kann.

Freitag, 24. August 2018

Tête de Gaulent - Gaulent-Tement (6a)

Nachdem wir rund um Ailefroide und anderswo bereits diverse, plattige Granit-MSL erklettert hatten, sollte es heute einmal in steilere Gefilde gehen. Dies insbesondere, weil für den Tourentag bestes und vor allem gewitterfreies Bergwetter prognostiziert war, im sehr warmen Sommer 2018 doch eine eher rare Sache. Auf unserem Radar war die Gaulent-Tement (8 SL, 6a) an der Tête de Gaulent (2867m). Sowohl im Plaisir Sélection wie auch im Topoguide wird die für den moderaten Grad sehr steile Tropflochkletterei hoch gelobt. Soviel vorweg, dies absolut zurecht! Nach einer Anfahrt wie ins Rätikon wartet Kletterei wie am Rothorn im Berner Oberland - genial!

Tête de Gaulent, hier verläuft die Route. Es wäre fast ein Frevel, dieses schnittige Foto mit einer roten Linie zu verunstalten. Daher hier für einmal nur eine Wortbeschreibung des Verlaufs: die Route beginnt beim Riss/Rampe ganz am linken Bildrand und führt dort zum Grat hinauf. Dann eine Seillänge über den Grat, bis sich dieser aufsteilt. Dann geht's immer etwas unterhalb der Gratlinie selber in der orangenen Wand aufwärts. Routenende und Gipfel sind beim runderen, rechten Buckel.
Wie bereits erwähnt beginnt die Sache mit einer langen und holprigen Anfahrt über eine Schotterstrasse. Ein sportlich tiefergelegtes Auto ist hier definitiv von entscheidendem Nachteil, doch mit einem normalen PW und einem erprobten Fahrer ist der Parkplatz am Waldrand unterhalb der Cabane de Tramouillon auf ~1950m gut zu erreichen. Von dort folgt man erst dem Pfad in Richtung Col de Tramouillon. Doch da dieser sehr weit nach rechts ausholt, steigt man bald direkt weglos hinauf in Richtung des bereits gut sichtbaren Objekts der Begierde. Vorerst geht das über moderat steile, gut begehbare Wiesenhänge vor sich. Die letzten 300hm hinauf zum Wandfuss sind dann hingegen steil und erfordern kräftige Beine. Meine Tochter lief ganz famos, so dass wir die rund 750hm Zustieg mit nur 3-4 kurzen Trinkpausen in 90 Minuten geschafft hatten. Auch der Einstieg bei der markanten Rampe im linken Wandteil war problemlos zu identifizieren. Eine Seilschaft hatte ihr Tageswerk eben beendet. Die beiden musterten uns etwas verwundert, da es ja doch eher eine Ausnahme-Erscheinung ist, an einem solch abgelegenen Einstieg auf einen Erwachsenen mit Kind zu treffen, welche zudem erst am Nachmittag einsteigen und klettern wollten. Sie meinten noch, dass die Bewertungen 'bien sec' seien und die Kletterei 'raide et exigeante'. Doch wir hatten keine Zweifel und stiegen um 13.20 Uhr ein.

L1, 30m, 5c: Die erste Sequenz ist durchaus etwas gesucht. Ganz rechts auf der Rampe, der Verschneidung entlang, ginge es hier ziemlich einfach, ca. im vierten Grad in die Höhe, doch die Bohrhaken stecken links an der runden Rampenkante in der kompakten Wand. Schöne Kletterei, zu Beginn nicht ganz trivial, gegen oben wird's einfacher. Am Ende der Seillänge klettert man an gleich büschelweise vorhandenen Edelweiss vorbei, sehr schön!

Auf der markanten Rampe von L1 (5c), welche im oberen Teil nicht mehr ganz so schwierig zu klettern ist.
L2, 30m, 5b: Nun führt die Route deutlich nach rechts zurück, quasi dem Grat entlang. Es wartet erst eine kurze, senkrecht-griffige Stufe, gefolgt von Gehgelände und einem erneuten, etwas gesuchten Steilaufschwung. Auch hier gibt's nochmals Edelweiss en masse!

Wunderschöne Edelweiss en masse finden sich auf den ersten 2 Seillängen!
L3, 25m, 6a: Nachdem man einige Meter über den horizontalen Grat geklettert ist, wartet die Crux mit einem Boulderzug an einem Riss bzw. einer kleinen Verschneidung. Dann noch etwas hinauf, wobei man sich nicht von den Schlingen einer Clean-Route verleiten lassen soll. Sondern, es wartet ein sehr schöner, luftiger Quergang nach rechts zu exponiertem Stand auf einer Kanzel.

Luftiger Quergang in sehr schönem Fels am Ende von L3 (6a).
L4, 30m, 5c: Gleich oberhalb vom Stand geht's durch die v-förmige Verschneidung empor, die schwierigste Stelle kommt an der Wandstufe gleich nach dem Stand, bevor man den Riss erreicht. Sehr schöner Tropflochfels, man kann ideal ausspreizen, so richtig elegante Kletterei. Am Ende steigt man auf ein Band aus, über dieses noch 10m zu Stand empor.

Die Felsqualität einfach genial!
L5, 30m, 6a: Hammermässige und anhaltende Tropflochkletterei, sicherlich die herausragendste Seillänge der Route - der Fels erinnert in Bezug auf Farbe und Struktur wirklich sehr an die Routen am Rothorn im Färmeltal, einfach genial. Nach dem ersten Drittel kommt eine nicht ganz unknifflige Stelle. Im Topoguide steht dort eine VII (d.h. 6b). Sicher im Bereich des Möglichen, bestimmt ist der offizielle Grad von 6a hier komplett ausgereizt. Man klettert die Stelle jedoch mit dem Haken an der Brust, notfalls geht's auch A0. Gegen Ende der Seillänge wird's dann nochmals richtig interessant, die letzten Moves an den Stand haben es in sich. Auch fehlt hier (Stand August 2018) das letzte Bohrhaken-Plättli. Die Stelle ist zwar gut gesichert, der letzte Haken befindet sich erst bei den Füssen - doch A0 geht's ohne diese Lasche nicht. Wer's reparieren will ist sicher froh um den Hinweis, dass es nur ein 8er-Dübel ist (d.h. Plättli und eine 13er-Mutter für Reparatur erforderlich).

Mrs. Easy Peasy krallt sich die Tropflöcher am Ende von L5 (6a). Die Kletterei ist anspruchsvoller, wie es scheinen mag!
L6, 35m, 6a: Hinauf und dann bei bester Tropflochkletterei nach links. Hier wartet bald über dem Stand noch eine Stelle, die für den Grad von 6a nochmals gar nicht trivial ist. Hat man den Riss dann erreicht, geht's einfacher in die Höhe. Zum Schluss gelangt man unter einen Überhang, welcher so richtig dolomitisch an einer Mischung zwischen Kamin und Verschneidung erklettert wird. Doch es entpuppt sich mit ein wenig Ausspreizen dank formidablen Henkeln als deutlich einfacher wie befürchtet.

Nochmals super Tropflochgelände am Anfang von L6 (6a).

Das Finish von L6 (6a) dann fast dolomitisch an einer kaminartigen Verschneidung, aber es hat ja viele Henkel.
L7, 20m, 5b: Linksherum ginge es sicher einfacher, doch die Route führt direkt am Pfeiler oberhalb vom Stand hoch. Erst ein paar schöne Tropflochmoves, dann über eine steil-griffige Zone hinweg und dann hat man die Route im Sack, es geht über den breiten und flachen Grat noch etwas weiter.

L8, 40m, 3b: Ohne Schwierigkeiten durch das markante Couloir hinauf. Bis zum Gipfel sind's gerade gute 50m (dort kein Standplatz vorhanden!). Hingegen gibt' nach 40m einen Zacken vor dem Top einen Stand der Gaulent-Tement. Der Schlussstand der 'Gouttes d'Eau d'Alpage', wo die Abseilpiste beginnt, befindet sich nur wenige Meter rechts SE-seitig in der Wand.

Super Ambiente am Top der Route. Wunderschöne Berggegend und einfach ein fantastischer Bergtag!
Um 16.30 Uhr waren wir nach knapp 3:15 Stunden sehr vergnüglicher Kletterei am Top. Trotz nominell nicht unerheblicher Schwierigkeiten war das formidabel vom Stapel gelaufen. Madame hatte bewiesen, dass sie es nicht nur mit Granitplatten kann, sondern auch mit Tropflöchern. Nicht weiter überraschend, meinte sie, denn an diesem Fels hätte es ja überall Griffe, wo man sich gut festhalten kann, weshalb diese Route nicht schwierig und eher im Bereich 4b-5a sei. Tja, die immer wieder erfrischende Kinderlogik! Darüber hinaus hatten wir einen absoluten Traumtag erwischt. Das Wetter war sicher und stabil, die Ausblicke in die französischen Alpen genial. Diese Weite hier, die vielen Berge, unbeschreiblich schön und mit dem Fotoapparat kaum einzufangen. Um uns herum sausten in der starken Thermik diverse Segelflieger sowie auch zahlreiche Geier. Ein grosses Vergnügen, diesen Tieren beim majestätischen Segeln in der Luft aus so naher Distanz zusehen zu können.



Nach einer gütlichen Pause machten wir uns ans Abseilen. Dieses geht subito vonstatten, denn die Wand ist sehr steil und mit 3 gestreckten Manövern à 50m steht man auch schon wieder am Boden, wo's mit ein wenig Fussabstieg zurück zu den Rucksäcken geht. Nachdem wir nochmals gemütlich pausiert hatten, liefen wir um 17.30 Uhr Richtung Tal. Etwas nach links querend erreicht man eine Geröllrinne, durch welche man teilweise abfahren kann. Leider ist die Körnung vielerorts eher auf der groben Sorte, sprich so richtig flutschig-gut wie es sein könnte ist's leider nicht. Danach bei sehr schöner Abendstimmung retour zum Automobil, wo wir nach 45 Minuten Abstieg ankamen. Es wartete noch die Holperfahrt von den angenehm temperierten Höhen ins heisse Tal - wie gut, dass unser Zelt gleich neben dem Badesee stand, von welchem wir natürlich umgehend Gebrauch machten.

Facts

Tête de Gaulent - Gaulent-Tement 6a (5c+ obl.) - 8 SL, 240m - Cambon/Rambaud 1999 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Für den moderaten Schwierigkeitsgrad sehr schöne Tropflochkletterei mit vielen eindrücklichen Passagen in steilem und luftigem Gelände. Extrem anhaltend ist die Sache nicht und es sind auch einige einfachere Zonen und Bänder zu queren. Aufgrund der Beliebtheit hat selbst dieser sehr raue Fels an einigen Stellen einen leichten Ansatz zur Politur, das bin ich mir von den Touren in höheren Graden nicht gewohnt - störend ist das jedoch nicht. Anfahrt und auch Zustieg sind nicht eben kurz, führen einen jedoch in eine sehr schöne Berggegend mit toller Aussicht - sprich, es lohnt sich. Die Absicherung mit verzinkten Fixé-Bolts ist komfortabel gehalten (Niveau gut+, xxxx), mobile Sicherungen muss man keine mitführen. Ein Topo findet man in den Auswahlführern Plaisir Selection oder Topoguide Band II, sowie auch in lokalem MSL-Führerwerk.

Sonntag, 19. August 2018

Eiger Nordwand - Adam & Evi (7a+, 10 SL, Erstbegehung)

Einmal eine Route an der 'Wand der Wände' in der Schweiz einzurichten, das war ein grosser Wunsch von mir. Normalerweise assoziiert man die Eiger Nordwand eher mit einem gefährlichen Abenteuer in Eis, Schnee und brüchigem Fels als mit alpinem Sportklettern. Doch schon seit einiger Zeit hat sich herumgesprochen, dass man im westlichen, gut zugänglichen Teil der Nordwand vielerorts auf hervorragendes Gestein trifft, das exzellente Routen in einem einmaligen Ambiente bereithält. Bei der Begehung der Freakonomics im 2011 und der Deep Blue Sea im 2012 hatte ich das Potenzial erkannt, am Genfer Pfeiler eine Neutour einrichten zu können. Wenig später stand ich das erste Mal mit der Bohrmaschine am Einstieg. Nach einer beinahe biblischen Enstehungsgeschichte über die Zeitdauer von 6 Jahren hat mein Projekt nun am 12. August 2018 mit der Rotpunkt-Begehung seinen Abschluss gefunden.

Die Eiger Nordwand mit dem im wolkenfreien Bereich markant hervortretenden Genfer Pfeiler im rechten Bilddrittel.
Die lange Erschliessungsdauer versteht sich von selbst, wenn man sich bewusst wird, dass wir hier von einer schattigen Nordwand auf 3000m Höhe sprechen. Genussvoll klettern kann man hier in erster Linie im Hochsommer an wetterstabilen Hitzetagen nach einer Trockenperiode (>30 Grad im Flachland, Nullgradgrenze >4000m). Und auch wenn die Route gut und ab dem Eigergletscher rasch zugänglich ist, so befindet sie sich dann doch nicht in meinem Vorgarten und ein Besuch am Genfer Pfeiler ist auf jeden Fall eine ausgedehnte Tagesunternehmung. Ein ganz herzlicher Dank gebührt an dieser Stelle an Evelyne, welche mich am ersten Bohrtag ganz uneigennützig begleitet hat. Ohne sie hätte ich dieses Projekt damals nicht sogleich nach der Begehung der Deep Blue Sea starten können und es wäre wohl im Lauf der Zeit wieder in Vergessenheit geraten. An diesem Tag schafften wir es, die ersten beiden Seillängen einzubohren, seilten dann wieder ab und stiegen entlang der damals maroden Fixseile etwas weiter westlich wieder zum Grat auf. Und genau aus diesem Grund heisst die Route auch so, wie sie heisst. Nein, ich bin nicht der Adam und man muss auch keiner sein, um die Tour zu klettern - aber mit Blick auf die lange Erschliessungsgeschichte und Evis Beitrag lag's auf der Hand, den Namen so zu wählen.

Der gewaltige Genfer Pfeiler im Morgenlicht mit dem Verlauf von 'Adam & Evi' (7a+). Foto: Daniel B.
Das nächste Mal vor Ort war ich dann ein Jahr später, am Folgetag der Löcherspiel-Begehung. Damals schaffte ich die nächsten drei Seillängen (L3-L5), somit war der untere Teil bereits komplett. Doch zur Fertigstellung war noch ein langer Schnauf nötig! Den nächsten, sehr langen Bohrtag gab's erst im 2015, um an der oberen Hälfte zu arbeiten. Ich hatte damals bewusst den Gleitschirm mitgenommen, damit ich nicht auf die letzte Bahn um 18 Uhr für die Talfahrt angewiesen war. Als ich diese von weit oben am Berg davonrattern sah, war mir plötzlich bewusst, in was für eine Lage ich mich begeben hatte. Zu dem Zeitpunkt war ich von der Bohrerei völlig ausgepowert, Getränke und Food waren ebenfalls aufgezehrt. Wenn's mit dem Flug nicht geklappt hätte, so wäre mir noch eine ellenlange Wanderung mit einer mordsschweren Packung bevorgestanden. Mit zittriger Hand und klopfendem Herzen drapierte ich spätabends meinen Schirm bei wechselhaften Windverhältnissen. Ja, es klappte schliesslich und ich konnte sanft ins Tal gleiten - trotzdem schwor ich mir damals, mich nicht mehr so extrem auf Gedeih und Verderb auf eine Fluggelegenheit zu verlassen.

Der Routenverlauf im oberen Teil. Die Exposition hier ist NW, am Nachmittag kann man an der Sonne klettern.
Im 2016 kam mir die Sache mit dem Hängegletscher in die Quere, während der Zeit wo sich gute Bedingungen mit meiner Verfügbarkeit überschnitten, war der Zustieg in der Westflanke sogar offiziell gesperrt (inzwischen hat sich die Lage entspannt, man kann wieder ganz normal über die Westflanke zusteigen!). Im 2017 ergab es sich dann aus ferientechnischen Gründen nicht und somit sind wir bereits beim aktuellen Jahr. Hier konnte ich, teils mit der Mithilfe von meinem Vater Sepp, die noch fehlenden Meter einbohren. Spätabends waren wir am Tag zuvor aus den Kletterferien heimgekehrt, ich machte ich mich umgehend ans Auspacken, um danach die Bohrausrüstung zusammenzuklauben. Viele Stunden Schlaf gab's anschliessend nicht mehr, denn wir wollten ja auf die erste Bahn zum Eigergletscher. Komplett verrückt eigentlich, aber ohne einen die absolute Passion und einen gewissen Einsatz geht's nicht, wenn man als berufstätiger Familienvater solche Routen einrichten will. Dies von den rund 500 CHF für die Bohrhaken und einem noch grösseren Betrag für Fahrspesen und Billette einmal abgesehen... wobei sich definitiv jeder Cent mehr als gelohnt hat! Jedenfalls war die Route nun komplett und ich fieberte darauf hin, sie endlich einmal komplett am Stück klettern zu können. Nach einer wöchigen Periode mit instabil-gewittrigem Wetter war es schliesslich soweit, dass ich mit Kathrin angreifen konnte.

Typisches Zustiegsgelände: geröllige Bänder mit Stufen drin. An sich problemlos begehbar, trotzdem nicht ganz harmlos.
Wie üblich nahmen wir die erste Bahn um 7.25 Uhr in Grindewald Grund. In gut 45 Minuten mit Umsteigen auf der Kleinen Scheidegg gelangt man zum Ausgangspunkt beim Eigergletscher. Es wird prognostiziert, dass sich dieser Teil der Reise zukünftig mit der sich bereits im Bau befindenden V-Bahn zeitlich massiv reduzieren wird. Von dort steigt man in die Westflanke ein, es sind deutliche Pfadspuren vorhanden, weiter oben bis zum Rotstocksattel dann auch Markierungen und Fixseile. Von diesem Sattel erst dem Weglein entlang übers Geröll hoch und dann in einer Links-Rechts-Links-Schleife über die etwas steileren, schuttbedeckten Platten und zuletzt wieder über Geröll zum Depot am Fuss des Genfer Pfeilers auf ~2900m. Bis dahin sind also ~600hm zu überwinden, was bei normalem Gehtempo rund eine Stunde in Anspruch nimmt. Um an den Einstieg zu gelangen, seilt man am einfachsten 3x über die Freakonomics ab. Das geht sehr zügig, die Strecken betragen je 40-50m und das Gelände ist sehr steil. Danach muss man noch 15m auf dem gut begehbaren Band nach links queren und es kann losgehen. Einige Minuten nach 10.00 Uhr waren wir schliesslich, bereit.

Hier geht's los! Bin gespannt, wie lange die Farbe halten wird...
L1, 40m, 7a: Die erste Seillänge präsentiert sich als wahre Knallerplatte. Die ersten 10m lassen sich an griffigen Löchern noch gut klettern, doch dann beginnt der Ernst der Sache. Die teils seichten Löcher und kleinen, scharfen Leisten wollen in eine Sequenz eingereiht werden und es warten gleich mehrere knifflige Boulder. Das Einbohren dieser Länge lag bereits 6 Jahre zurück, somit hatte ich natürlich keine Ahnung mehr von der richtigen Beta. Kommt noch hinzu, dass ich in der Erwartung von plattiger Kletterei mit Socken und den Quadratlatschen angetreten war - völlig falsch, muss man doch effizient auf kleine Leisten und in Löcher treten. Noch dazu hatte ich während dem Anschreiben der Route in den Kletterfinken kalte Füsse bekommen, welche nach einer Weile nur noch gefühllose Klumpen waren, ziemlich suboptimal. Doch beharrlich kämpfte ich mich durch und konnte die Länge schlussendlich mit vollem Einsatz punkten. Daher Bewertungsvorschlag 7a!?! Oder würde man das mit dem richtigen Gummi am Fuss und bei guten Bedingungen nur als 6c empfinden?!? Schwierig zu sagen, jedenfalls ist's sicher deutlich schwieriger wie L1 (6c+) von Freakonomics.

Ziemliche Knallerplatte in L1 (7a), über eine längere Strecke anhaltend schwierig zu klettern.
L2, 30m, 6b+: In meiner Erinnerung hatte ich eine Boulderstelle bald nach Beginn und dann eine formidable Turnerei. Genau so entpuppte sich die Sache auch 6 Jahre später wieder. Der Boulder war jedoch (mit nun aufgetauten Gliedern, ohne Socken und mit den präzisen Schuhen) doch ziemlich viel einfacher wie befürchtet, vielleicht reicht auch 6b als Bewertung?!? Der zweite Teil der Seillänge dann wirklich spektakulär und genussreich, der Felscharakter ähnlich wie an den Wendenstöcken!

Spektakuläre und griffige Kletterei im oberen Teil von L2 (6b+), der Fels erinnert an die Wendenstöcke.
L3, 30m, 6c+: Eine spektakuläre, athletische Seillänge an guten Griffen! Vorerst geht's moderat und in gleich schönem Fels weiter wie zuletzt gehabt. Am dachartigen Überhang selber befinden sich dann Henkel und auch ein paar Aufleger. Mit ein paar athletisch-weiten Moves und etwas Entschlossenheit geht's darüber hinweg. Doch auch danach lässt es nicht gleich nach, der Ausdauerfaktor und die Übersicht kommen zu tragen, erst die letzten Meter hinauf in die Standnische sind dann markant einfacher. Als Bewertung passt wohl 6c oder 6c+?!?

Kleiner Wasserstreifen am Ende von L3 (6c+), man konnte daneben klettern ohne einen einzigen feuchten Griff zu nutzen.
L4, 45m, 6b: Unglaublich spektakulär, wie sich die Felsstruktur von der einen zur anderen Seillänge ändert! Hatten wir zuletzt Henkel und horizontal-positive Leisten, gibt's hier nun 'buchi da Ceüse', d.h. sloprige Löcher und diagonale Strukturen. In einer Rechtsschleife geht's aus dem Stand raus und dann 'geng gredi' - super lässige, lange und anhaltende Turnerei. Diese Seillänge ist sicher jene, welche in Bezug auf die Nässe am problematischsten ist. Dank Einfachheit, Griffigkeit und der guten Absicherung sollte man aber wohl auch dann durchkommen?!?

Super lässige Lochkletterei, fast à la Ceüse, wartet in der letzten Seillänge vom unteren Wandteil (L4, 6b).
L5, 30m, 3a: Nach L4 befindet man sich wenige Meter vom Abseilpunkt der Freakonomics und damit dem Depot entfernt. Also ein idealer Zeitpunkt, um sich zu verpflegen und allenfalls einige Kleider zurückzulassen, den nun geht's von der schattigen Nordwand in die am Nachmittag sonnige NW-Wand. Das Überführungsstück zum oberen Wandteil ist problemlos, wer will kann auch noch den Bohrhaken für das Fixseil vom Deep Blue Sea Notausstieg einhängen.

L6, 25m, 7a+: Vom selben Punkt wie die Freakonomics geht's weiter. Während erstere die markante, etwas grimmige Rissverschneidung hochführt (die im trockenen Sommer 2018 dauernass und daher kaum kletterbar war!), zieht meine Route über den Bauch in die rechte Verschneidungswand und um die Kante. Athletisch geht's an ein paar Löchern los, dann an kleinen, scharfen Crimps und flachen Leisten weiter. Die Felsqualität wird nach den ersten 3-4m mega! Die Crux folgt nach dem dritten Haken und ist vorzugsweise direkt am Bauch zu klettern. So hatte ich das beim Bohren angedacht und auch beim Punkten geklettert. Ich wurde mir aber gewahr, dass man an dieser Stelle eventuell linkshaltend auskneifen kann - sicher weniger empfehlenswert, möglicherweise auch heikel wegen dem Seilverlauf. Danach heisst's dann in ausdauerndem Gelände dranbleiben, zuletzt biegt man um die Kante zu Stand.

Hammermässige, athletische Kletterei an super Fels wartet in L6 (7a+).
L7, 35m, 7a: Hinein in die schöne Rissverschneidung oberhalb vom Stand, erst auch gar noch nicht mal so schwierig. Doch sie steilt sich auf und es bleibt schliesslich nur der Ausweg nach rechts in henkliges Gelände. Das Problem stellt die Absenz von nutzbaren Tritten dar, weshalb ich das Ganze schliesslich in Campus-Manier gemeistert habe und dabei ganz schön an die Grenze kam. Ist's tatsächlich eine 7a oder habe ich es so schlecht erwischt?!? Die Zeit wird es zeigen. Danach geht's nach rechts, an griffigen Rissen aufwärts (mit der Möglichkeit, ein paar Cams zu versorgen, was mir jedoch nicht wirklich nötig scheint), bevor zuletzt ein plattiger Quergang nach links zum Stand an der Kante erfolgt.

Coole Kletterei an griffigen Rissen im oberen Teil von L7 (7a), wo unterhalb eine schwierige athletische Stelle wartet.
L8, 25m, 6c: Eine ganz lässige Seillänge mit hervorragender Felsqualität - kompakt-rauer Plattenkalk und Aufleger, man fühlt sich plötzlich wie im Rätikon! Nie ganz trivial, aber bevor es wirklich schwierig würde, taucht doch wieder eine nutzbare Struktur auf. Nur gegen das Ende hin ist dann auf einmal etwas Entschlossenheit nötig - möglicherweise auch die zwingendste Stelle der ganzen Route, wobei das immer schwierig zu sagen ist, wenn man alles gut klettern kann.

Kompakt-rauer Plattenkalk und Aufleger, fast wie im Rätikon warten in L8 (6c). Kathrin gerade in der zwingenden Stelle.
L9, 35m, 7a: Achtung, der Kletterer sollte hier rechts (!) der Sicherungsperson starten und gleich einen zupfigen Boulder an stark wasserzerfressenem Fels aus dem Stand raus klettern. So ist das auch tiptop gesichert. Linksherum probieren wäre hingegen definitiv expo (und ich vermute, es ist nicht einfacher, bzw. gar nicht möglich). Nun geht's rechts um die überhängende, sehr luftig exponierte Nase herum, gefolgt von einer Boulderstelle an erst feinen Leisten. Da sieht man dann, wie viel Crimp-Strom noch vorhanden ist! Nach der ersten Hälfte der Seillänge lassen die Schwierigkeiten dann etwas nach, worüber man vermutlich gar nicht unfroh ist.

Fantastischer Tiefblick auf die grünen Weiden unter der Nordwand am Ende von L9 (7a).
L10, 25m, 6a: Vom Stand geht's griffig über den steilen Wulst auffi, danach wird das Gelände einfacher. Auf den letzten 15m zum Top im dritten/vierten Grad ist das Gestein nicht mehr sonderlich kompakt und es liegen lose Steine herum. Mir ist's sowohl beim Bohren wie auch beim Punkten gelungen, keinen einzigen Stein in die Tiefe zu schicken. Der Stand unterhalb ist allerdings für den Fall des Falls gut geschützt, so dass die Sicherungsperson safe positioniert ist.

Wie bei allen anderen Routen auch sind die letzten 15 Meter nicht mehr super kompakt, das gehört am Eiger einfach dazu!
Um 16.30 Uhr und damit rund 6:30 Stunden nach Beginn der Kletterei hatten wir das Top erreicht. Von dort sind's keine 5m zum Biwakplatz auf dem Genfer Pfeiler, wer also spät dran ist, muss nicht mehr lange nach einer Übernachtungsmöglichkeit suchen. Für Wiederholer, welche der Route nur einigermassen gewachsen sind, wird's nach Aufbruch mit dem ersten Zug aber bestimmt gut reichen, die letzte Bahn zu erwischen (fährt derzeit um 18.08 Uhr am Eigergletscher). Wir hatten uns unterwegs viel Zeit zur Freikletterei an beiden Seilenden gelassen, Verpflegungspausen eingelegt, die Route markiert, usw.. Trotzdem blieb uns am Top noch Zeit, eine halbe Stunde mit einem vor Ort biwakieren wollenden Bergsteiger zu plaudern, der extra aus South Carolina (USA) angereist war, um den Eiger über die Westflanke zu besteigen - dem Vernehmen nach waren exakt 160 Jahre seit der Erstbesteigung des Berges über ebendiese Route vergangen!

Ambiente im Abstieg zum Eigergletscher. Einfach eine wunderbare Berggegend hier!
Für den Abstieg heisst's, vom Top ca. 250m nach Westen zu queren - erst horizontal, dann etwas absteigend. Es sind Wegspuren und wohl meist auch Steinmänner vorhanden, welche einen zur Rinne leiten, an welchen entlang von Fixseilen über dies Stufe abgestiegen wird. Danach in gerölligem Gelände in total nur 15-20 Minuten zurück zum Depot. Wer sich das Gewicht für die Schuhe sparen will: ich bin diesen Abstieg auch schon in Kletterfinken gegangen, für meinen Geschmack ist das so gut und problemlos möglich. Vom Depot zurück zum Eigergletscher geht's dann auf dem Aufstiegsweg, wofür nochmals etwa 40 Minuten zu veranschlagen sind. Wenn's pressiert, dann geht's sicher auch noch ein paar Minuten schneller. In unserem Fall war das nicht nötig - bereits 15 Minuten vor Abfahrt sitzen wir auf dem Bänkli vor der Station, können in die Westflanke hinaufschauen und konstatieren, dass dies nun alles in allem einfach eine total geniale Sache war!

Facts

Eiger Nordwand - Adam & Evi 7a+ (6b+ obl.) - 10 SL, 320m - M. Dettling et al. 2018 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seil, 10-12 Express, evtl. Camalots 0.3-1

Alpine Sportklettertour am Genfer Pfeiler in der Eiger Nordwand, die sehr viel Abwechslung bietet. Von der Knallerplatte zu griffiger Wandkletterei, über henklige Überhänge zu fantastischem Lochfels, wasserzerfressenem Crimpy-Gelände, ein paar griffigen Rissen und sogar rätikonartigem Plattenkalk ist fast alles vorhanden. Die Felsqualität ist über weite Strecken sehr gut bis hervorragend. Wie überall am Eiger liegt hier und da etwas loses Geröll auf den Bändern und Griffausbruch-Spezialisten werden garantiert die Möglichkeit finden, ihr Metier zu praktizieren. Der Zugang zum Depot in Routenmitte erfolgt problemlos vom Eigergletscher in ca. 60 Minuten, dann wird am besten 3x à 40-50m über Freakonomics zum Einstieg abgeseilt. Alternativ kann man die Fixseilpiste weiter westlich zum Abstieg benutzen, über welche im Notfall auch aufgestiegen werden kann (ca. 100m, 3./4. Grad im Aufstieg, gebohrte Standplätze und Fixseile vorhanden). Die Route ist fair und solide mit Inox-Bohrhaken abgesichert (Niveau xxxx), in L1-L4 mit Irniger-Laschen, in L6-L10 mit Austrialpin-Laschen. Hier und da lässt sich sicher noch ein Cam der Grössen 0.3-1 platzieren, persönlich empfinde ich dies jedoch nicht als notwendig und trete nur mit Expressschlingen am Gurt an. Der Abstieg vom Top am Genfer Pfeiler erfolgt am schnellsten und einfachsten zu Fuss (auch in Kletterfinken machbar). Ein Rückzug/Abseilen über die Route ist sowohl im unteren wie auch im oberen Teil problemlos möglich, jedoch im Vergleich zu den Alternativen (unten: Zugang via Abseilen über Freakonomics, oben: Fussabstieg) nicht erste Wahl und daher zur Zeit der Erstbegehung nicht eingerichtet. Hinweis: auf der Panorama-Webcam vom Lauberhorn (Zoom möglich!) kann man die Verhältnisse im Gebiet sehr gut einschätzen. Ein PDF-Topo mit allen Informationen kann man hier runterladen.

Hinweis

Der Route fehlt aktuell noch das Wandbuch! Bei der Rotpunkt-Begehung ging's vergessen und Freunde, welche sich in der Woche darauf die erste Wiederholung sichern wollten, sind wegen heftiger Niederschläge am Vortag bereits am Einstieg gescheitert. Das Wandbuch ist aber vor Ort: es wartet 3m rechts vom Stand nach L5 (d.h. am Anfang des oberen Routenteils) in einer Nische. Ideal wäre es, wenn es jemand in der Nische am Stand nach L9 (oder allenfalls L8) platziert könnte! Man  sollte es dort einfach ohne weitere Befestigung hinter ein paar Steine platzieren können! Vielen Dank an die Seilschaft, welche das erledigt und mir eine kurze Notiz zukommen lässt!

So ist das Buch bzw. die Dose aktuell deponiert, so kann man's auch weiter oben in einer der Nischen platzieren. Instruktionen zur Platzierung der Büchse sind auch vor Ort vorhanden.

Mittwoch, 8. August 2018

Rätikon - Schwarzer Diamant (7a+)

Das Epizentrum der Kletterei im Rätikon sind die Kirchlispitzen und das Schweizereck, doch auch am Westgipfel der Drusenfluh gibt’s famose Klettereien, welche nebst sehr gutem Fels auch Grosszügigkeit und eine stolze Länge aufweisen. Bereits 1997 und damit vor 20 Jahren hatte ich diese Zone das erste Mal besucht und mir eine der ersten Wiederholungen von Mangold (11 SL, 6c+, inzwischen ein Klassiker) sichern können. Wenige Jahre später, anno 2000, bohrten Jörg Nuber und Matze Ruf eine tolle Linie in die Wand. Mit einem deutlichen Makel allerdings. In Seillänge 12, etwa 5-7m vor Ende der Schwierigkeiten war ihnen beim Bohren das Tageslicht und anschliessend der Schnauf zur Vollendung der Route ausgegangen. So figurierte die Nuber/Ruf Unvollendet lange Jahre in den Kletterführern und wurde auch hin und wieder bis zu ihrem damaligen Ende begangen. Ab 2014 nahm sich dann Walter Hölzler der Sache an und vollendete die Linie, welche heute unter dem Namen Schwarzer Diamant (14 SL, 7a+) geläufig ist.

* Ein Blog aus dem Sommer 2017... dann kamen die Sommerferien und er wurde bisher nie komplett fertiggestellt.


Ungewohnte Perspektive auf die aus dieser Distanz fast niedlich kleinen Kirchlispitzen.
Nachdem die Kinder «bessere Pläne» hatten, war es Kathrin und mir wieder einmal vergönnt, eine längere MSL gemeinsam anzupacken. Nachdem nicht zu 100% gewitterfreies Wetter versprochen war, hiess es um 5.00 Uhr aus den Federn zu steigen – eher einen Tick zu früh, wie sich schliesslich zeigen sollte. Der Einstieg der Route ist auf beinahe 2400m gelegen und erhält erst nach 10 Uhr Sonne. Nach einer klaren Nacht ist’s vorher ausser an absoluten Hitzetagen doch meist eher frisch und die erste Seillänge ist kein Spaziergang. Doch erst gab’s sowieso den Zustieg zu meistern. Wir folgten der Güterstrasse zum Heidbüel, was für einmal eine andere, ungewohnte aber sehr interessante Perspektive auf die Rätikon-Wände gibt. Vom Heidbüel dann markiert aber weglos zum Prättigauer Höhenweg und schliesslich zum Einstieg hinauf. Das tönt lapidar, ist es aber nicht. Die riesige Geröllreisse zum Wandfuss hinauf ist ein Pièce de Resistance. Mit guter Planung kann man sich meist in Zonen bewegen, wo die Blöcke gerade gross genug sind, damit nicht alles in Bewegung gerät – aber nicht immer. Und zum Schluss wird man sich dann noch gewahr, dass auch noch heikel der ausgespülte Graben zum Fels zu überqueren ist. Je nach Verhältnissen (z.B. bei hartgefrorenen Schneeresten, oder wenn der Dreck sehr trocken und hart oder dann durch Regen stark aufgeweicht ist) kann dies durchaus problematisch werden – besser beim Schuhwerk etwas konservativ planen! Ist man einmal «drüben», so muss man noch über Schrofengelände zum Einstieg hinauf. An sich nicht weiter schwierig (ca. T5), aber doch gehörig exponiert über der darunter liegenden Felsstufe, Fehler werden hier keine mehr verziehen. Wir waren etwas nach 7.30 Uhr beim Melkplatz losgelaufen, um ca. 8.50 Uhr am Einstieg beim rot angepinselten BH (trotz nur knapp 700hm zieht es sich!) und stiegen schliesslich um 9.15 Uhr ein.

L1, 35m, 7a+:  Schon auf den ersten Metern der Route kriegt man einen Vorgeschmack auf das, was noch folgt. Die Kletterei ist zwar nicht allzu schwierig (5c-Bereich), aber der erste Bolt steckt  auch erst auf 10-12m Höhe. Ein Sturz liegt da nicht drin und es sei bereits an dieser Stelle erwähnt, dass dies noch an manchen anderen Stellen dieser Schwierigkeit genauso gilt. Danach stecken die Haken vermeintlich näher beieinander, allerdings ist die plattige Wand wenig strukturiert und wirkt auch ein bisschen glatt. Sofort ist die Kletterei alles andere als trivial und beim heiklen Move nach rechts raus rutscht mir prompt der eine Fuss weg. Mirakulös kann ich mich auffangen und das Adrenalin schiesst ins Blut – genau das hat es irgendwie gebraucht, mit dieser Spritze bin ich plötzlich befreiter unterwegs und kann auch die eigentliche Crux gerade durchmoven. Kathrin tut sich dann im Nachstieg recht schwer – während ich noch warm vom Aufstieg klettern konnte, ist sie durchs Sichern im Schatten gehörig ausgekühlt. Jedenfalls ist’s gleich ein happiger Kaltstart, nach den ersten Metern auch ok eingebohrt. Trotzdem aber recht zwingend, v.a. auch die Crux.

Aaahhh, endlich an der Sonne, denkt sie. Erst die letzten Meter in L1 (7a+) bieten gemütliche Kletterei.
L2, 25m, 3a: Problemloses Überführungsstück in weniger kompaktem Gelände. Achtung, die Topos sind hier nicht so genau, es geht diagonal nach rechts hinauf. Das ist insbesondere darum etwas störend, weil sich gerade oberhalb bzw. leicht links ein weiterer Stand mit denselben Haken befindet, von wo aus ein Verhauer (BH gut sichtbar) weiterführt.

L3, 35m, 5c+: Bisschen nach rechts und dem Riss entlang aufwärts zu einem ersten Bolt. Dort offenbaren sich Fragezeichen – erstens ist weiteres Equipment nur in weiter Ferne zu erspähen, zweitens sprengt direktes Überklettern des Hakens den Rahmen von 5c+ bei Weitem. Es geht linksrum der Schuppe entlang und erst weiter oben wieder nach rechts zurück. Der zweite Haken steckt erst auf 15-20m Höhe, sprich relativ bald nachdem man den ersten BH überklettert hat, droht ein Sturz auf den Boden (bzw. das Band unter diesem Wandteil). Die Kletterei ist nur im 5b/5c-Bereich, aber ein Sturz wäre kritisch. Gute Möglichkeiten zum Legen habe ich nicht gesehen – Augen zu und durch. Nachher dann sehr schöne Kletterei in ideal strukturiertem Fels.

Die verzinkten Haken von Nuber/Ruf aus dem Jahr 2000 sind nicht mehr alle taufrisch... Im Moment aber noch ok.
L4, 40m, 6b: Ziemlich alpine Länge, hat mir nicht so Freude gemacht. Die ersten Meter unter dem Dach bleiben lange nass, auch bei uns waren noch ein paar Griffe schlonzig – nachdem das Gelände aber henklig und der Fels rau ist, kommt man hier sicher immer durch. Nach dem athletischen Auftakt folgt ein Quergang nach rechts – es fragt sich bloss, wie weit. Das Topo suggeriert bis beinahe zur Rinne rüberzuqueren, aber vor Ort schaut das unlogisch und ungeschmeidig aus. Besser erscheint es, nach dem vierten Bolt wieder gerade hinauf zu steigen, doch ist dort kein weiterer Haken zu erspähen und so richtig trivial ist die Kletterei nicht. Trotzdem, es ist der richtige Weg, es kommen dann schon wieder Bolts. Zum Schluss dann deutlich nach rechts, bisschen lottrig um die Ecke rum und die Rinne überqueren, inzwischen mit irre Seilzug.

Das Finish von L4 (6b) vermittelt einen Eindruck vom sehr schönen Ambiente, in welchem man klettert.
L5, 45m, 6a+: Die Route macht hier ein bisschen einen Umweg nach rechts in sehr schönes, wasserrilliges Gelände. Die Kletterei ist wirklich ausgesprochen attraktiv, dafür die Absicherung wieder einmal mangelhaft. Der erste Bolt kommt nach ca. 6m, der zweite nicht vor 20m und gute Placements habe ich auf den kompakten Platten keine erkannt. Ein Blick nach unten verheisst gar nichts Gutes, somit sträuben sich die Nackenhaare erneut. Ansonsten ist die Kletterei aber wirklich sehr genussvoll. Der letzte Teil, nachdem man auf den Mauerläufer getroffen ist, dann in ein wenig glatterem und anspruchsvollerem Fels.


Sehr schöne Kletterei über wasserrillige Platten bei eher weiten Hakenabständen in L5 (6a+).
L6, 15m, 2a: Kurzes Überführungsstück über wenig kompakten Fels, leicht linkshaltend hoch zu Stand an der nächsten, kompakten Wandstufe.

L7, 35m, 6a: Schöne Kletterei ohne allzu grosse Schwierigkeiten, steht in punkto Schönheit und Attraktivität etwas hinter anderen Seillängen in diesem Wandteil und dieser Schwierigkeit. Von den Abständen her nicht ganz so wild, auch lassen sich hier noch zusätzlich mobile Sicherungen versorgen.

L8, 35m, 6a+: Auf den ersten Blick sieht dieser Abschnitt auch wieder crazy weit  gesichert aus, doch offenbaren sich schlussendlich auch noch einige, von unten nicht sichtbare Bohrhaken, somit passt das tiptop. Die Kletterei genussvoll, dort wo es steiler wird, ist der Fels mit unglaublichen Henkeln gespickt. Zum Stand hin durch eine kleine Verschneidung an die grosse Schlussplatte (eben den Schwarzen Diamant). Da ist gleich klar, dass nun ein Gang hochgeschaltet werden muss.

Genussvolle Henkelkletterei in L8 (6a+).
L9, 30m, 6c+: Gleich zum Auftakt gibt’s eine Boulderstelle, zwei kleine Leisten kneifen und hopp, an den Henkel. Danach geht’s vorerst sehr griffig dahin und man meint, die Schwierigkeiten dieser Länge bereits gemeistert zu  haben. Das Schlussstück zum Stand belehrt einem etwas besseren. Die vorher üppigen Griffe reduzieren sich zu ein paar Tropflöchern und scharfen Krallern, mit den Füssen muss ziemlich sorgfältig auf die Raufasertapete angetreten werden.

Am Ende von L9 (6c+) beginnt sich die Sache langsam zuzuspitzen. Super Kletterei an sehr kompaktem, rauem Fels hier!
L10, 25m, 7a+: Man startet mit einer Querung nach rechts hinaus, erst geht das noch gut. Der zweite Bolt steckt dann ein bisschen doof – schwierig zu klippen und man weiss  nicht recht, wo man am besten langklettert. Hat man das rausgetüftelt, so geht’s kräftig zum dritten Bolt und dann wird es richtig schwierig. Aus der Kletterposition sind keine weiteren Haken mehr sichtbar und auch die korrekte Sequenz ist nicht offensichtlich. Gerade hinauf scheint die logische Variante. Es pumpt und gute Griffe sind keine in Reichweite. Ich kämpfe wie eine Löwe, um die rauen Kraller in eine Abfolge einzureihen. Schliesslich bin ich gekommen, um dieser Route eine Komplett-Onsight-Begehung abzuluchsen, wer würde da einen taktischen Bloc einlegen?!? Doch leider geht der Kampf verloren, ausgepumpt wirft es mich ins Seil. Schlagartig kommt mir dabei das Momentum abhanden. Im Seil hängend erkenne ich dann zumindest, dass etwa 5m weiter gerade obsig tatsächlich der nächste Bolt steckt. Doch die Stelle am dritten Bolt vorbei ist einfach schwierig und der Abstand zur nächsten Sicherung weit, so dass auch der Kopf seine Rolle spielt. Nach ein paar Versuchen identifiziere ich schliesslich ein slopriges Leistlein, dank welchem ich mich (mit den Füssen bereits gut über dem Bolt) noch ein wenig höher schieben kann und endlich wieder etwas greifbares in die Pfoten kriege. Dann wird’s einfacher, nach ein paar Griffen schnappt endlich der nächste Bolt ein. Der Rest zum Stand in griffigem Gelände ist dann Formsache. Fazit: anspruchsvoll, die Crux ziemlich obligat, aber wenn man einmal weiss wie, dann passt der Grad wohl schon.

Ab hier hat's wieder gute Griffe... Sehr schöne und kompakte, unten auch harte Moves in L10 (7a+).
L11, 30m, 6c+: Hier hat Walter im Zuge der Fertigstellung den ersten Bolt nach unten verschoben, da wähnt man sich sehr dankbar darüber. Zum zweiten wartet dann trotzdem eine zupfige Stelle, welche mir in meinem kraftleeren Zustand ordentlich auf die Pelle rückt. Schliesslich bleibt mir nur die Flucht nach vorne, ganz knapp geht’s auf. Das wäre, mit den Füssen bereits 2m über dem Haken, ein harter Sturz in die erste Zwischensicherung gewesen. Ungefährlich zwar, aber es ist mir doch lieber, dass es beim Konjunktiv bleibt. Dann geht’s erst ein bisschen gangbarer weiter, zum Stand hin wird’s aber nochmals sehr plattig und technisch anspruchsvoll. Auch hier steckt verdankenswerterweise gegenüber dem Originalzustand ein Zusatzbolt – immer noch ist’s zwingend und fordernd, im ursprünglichen Zustand hätte ich mich (vor allem in meinem zu der Zeit desolaten Zustand) wohl nicht mehr über Stelle rübergetraut.

Unten athletisch, oben plattig, so geht's in L11 (6c+). Der hier noch sichtbare, letzte BH wurde erst im Zuge der Fertigstellung der Route (zum Glück!) hinzugefügt. Noch immer ist's 'allegro', ohne diese Haken war's definitiv ein crazy Runout, alles andere als einfach. 
L12, 25m, 7a+: Wohl dem, der jetzt noch gut Reserven im Tank hat! Es wartet noch der zupfig-athletische Abschlussüberhang. Erst rechts über 2 Bolts kräftig hinauf und knifflig nach links in eine Nische. Hier, am dritten Bolt, hatten Nuber/Ruf damals aufgegeben. Es folgt ein kräftiger Boulderzug, wobei ich nun nach der Konsultation des Videos von Zimmsi nicht mehr sicher bin, ob ich die einfachste Lösung erwischt habe – meine Sequenz war jedenfalls komplett verschieden von jener, die im Video gewählt wurde. Aber egal, es hat ja geklappt :-) Nach einem Schüttelpunkt folgt noch der Abschlussboulder mit einem weiten Move und dem Mantle aufs Band hinauf.

L13, 40m, 5b: Nach rechts übers Band queren und dann hinauf, bis auf eine kurze Stelle handelt es sich weitgehend um einfaches Gelände. Den Zwischenstand rechts am Band empfand ich als unnötig, sowieso steckt dort derzeit nur 1 Bolt mit Plättli, vom zweiten ist nur der nackte Dübel da.

Aussicht vom vorletzten Stand (oder kurz davor?!?) auf die 'ultimo tiro' (L14, 5a oder auch ein bisschen mehr).
L14, 50m, 5a: Zum Abschluss noch eine anhaltende Seillänge mit Plaisir-Wasserrillen. Weit, weit oben kann man den ersten und einzigen Bolt erspähen, den es anzupeilen gilt. Dort ist auch die schwerste Einzelstelle, doch auch der Rest ist nicht ganz trivial. Meines Erachtens ist diese letzte Länge deutlich anspruchsvoller wie L13, dort 5a und hier 5c dünkte mich als Bewertung passender. Will man hier mehr Zwischensicherungen anbringen, so stellen Cams in den Wasserrillen die einzige Möglichkeit dar. Den 0.75er konnte ich unterbringen, kleineres Material passte nirgends. Und da darüber hinaus nur noch der 1er mit dabei war, sträubten sich unvermeidlich nochmals die Nackenhaare. Wer hier gut absichern will, kommt um den Camalot 2 nicht herum, den 1er und/oder 2er doppelt dabei zu haben ist kein Luxus.

Stand, chasch cho! Spartanische Einrichtung am Routenende.
Um 17.30 Uhr und damit nach über 8 Stunden Kletterei hatten wir doch noch den etwas spartanischen Ausstiegsstand (dünne, gebohrte Sanduhr – zum Nachnehmen als Totmann hinter dem Grat ok, zum Abseilen wäre mir das unangenehm!) erreicht. Nachdem ich in L10 meine Kräfte verpufft hatte, war der Rest ein unerwartet harter Fight geworden. Ich fühlte mich komplett ausgepowert, aber gewonnen war gewonnen. Doch vorerst wartete noch der Abstieg, der auch nicht eben kurz ist. Aber jammern hilft ja nix, runter vom Berg geht’s nur auf den eigenen Füssen. So machten wir uns an den Abstieg über die Nordabdachung. Ich hatte noch in Erinnerung, wie wir diesen nach der Yume heisst Träume in den Kletterfinken angegangen waren und gemäss meiner Erinnerung zügig zurück am Schweizertor waren. Wie das manchmal so ist mit Erinnerungen, dieses Mal kam es mir doch ordentlich weit vor und wir brauchten eine gute Stunde, bis wir den Boden unterhalb des Öfapass unter den Füssen hatten. Der Weg war mit vielen Steinmännern gekennzeichnet, ist im Prinzip (zumindest bei guter Sicht) aber ohne grössere Schwierigkeiten zu finden. Wenn man irgendwo im Zweifel ist, so muss man sich eigentlich immer links halten, zu weit nach links kann man auf diesem Abstieg eigentlich fast nicht geraten. Schliesslich war es dann noch eine Dreiviertelstunde retour zum Auto, wo sich der Kreis nach rund 12 Stunden on the Move schloss. Nachdem die Kinder immer noch «bessere Pläne» als nach Hause zurückzukehren hatten, konnten wir den Abend bei einem feinen Abendessen beschliessen. Prompt wurden wir durch ein Gewitter noch von der Terrasse verjagt, während das Wetter tagsüber perfekt gehalten hatte. Höchst zufrieden fielen wir zuhause dann in tiefen Schlaf - das war wieder ein Rätikon-Abenteuer erster Güte gewesen!

Impression vom  Abstieg. Weiter unten wird's dann auch noch ein bisschen steiler und es muss gekraxelt werden.

Facts

Drusenfluh - Schwarzer Diamant 7a+ (6c obl.) - 14 SL, 450m - Nuber/Ruf, Hölzler et al. 2000-2016 - ****;xx-xxx
Material: 50m-Seil, 12 Express, Camalots 0.3-2, Grösse 1 & 2 evtl. doppelt.

Sehr schöne Rätikon-Route im typischen Drusenfluh-Westgipfel-Style. Das heisst, unten klettert man auf Platten, die hin und wieder von Geröllbändern unterbrochen sind. Die Schwierigkeiten sind dort nicht anhaltend. Das Herzstück der Route bieten die 4 sehr schönen, kompakten und anhaltend schwierigen Seillängen 9-12, bevor die Route auf einfachen Wasserrillenplatten zum Grat führt. Die Absicherung ist an den einfacheren Stellen eher spärlich ausgefallen (bis ca. 6a+, Niveau xx). Oft klettert man bei suboptimalem Sturzgelände meterweit über dem letzten Haken, mobiles Ergänzen ist höchsten vereinzelt möglich. Hier darf man schlicht und einfach keine Fehler machen, sonst hat das gravierende Konsequenzen. Die schwierigen Seillängen sind gut, aber auch nicht allzu üppig eingebohrt und erheischen zwingende Klettermoves auf nichttrivialem Niveau (ca. 6c/+ obl, Niveau xxx). Auch wenn sie nicht allzu oft zum Einsatz kommen, so sind ein Set Camalots von 0.3-2 absolut anzuraten. Im Wasserrillen-Gelände zum Schluss ist es durchaus angenehm, die Grössen 1 und 2 doppelt mitzuführen, ansonsten sind dort weite Runouts fällig. Topo und weitere Infos findet man auf der Seite von Walter Hölzler: klick!