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Dienstag, 9. Juli 2019

Weltcup, Speed-SM & Lead-MYCC Villars 2019

Um den Titel dieses Beitrags zu verstehen, braucht's ja schon einiges an Fachwissen! Jedenfalls gab's in Villars in den Waadtländer Alpen ein wahres Feuerwerk an Kletterevents. Als Coach für meine Tochter und als Zuschauer für die anderen Events war ich an der Seitenlinie mit dabei. Mit kribbelnden Fingern notabene: trotz herausfordernden Plastikrouten vor der Nase, Klettergärten gleich um die Ecke und dem MSL-Paradies Miroir d'Argentine in Sichtweite bin ich keinen einzigen Move geklettert. Ich glaube, ich nehme ernsthaft das Speed-Training auf, damit ich nächstes Jahr an der SM teilnehmen kann und so auch etwas Nervenkitzel und Bewegung kriege :-)

Eine schöne Gegend! Aber an diesem Weekend immer wieder für einen Schauer gut...
Am Samstag konnten wir nach dem Eintreffen gleich noch den Top-Performern im Weltcup-Lead-Halbfinal zusehen, dann war aber Speed angesagt. Mit hohen Ambitionen waren wir da nicht angetreten, irgendwie liegt das nicht so in unserem Blut und trainiert hatten wir auch nicht allzu oft, es war ja in letzter Zeit auch nicht gerade wirklich Hallenwetter. Schliesslich gab's Rang 10, für ein Weiterkommen in den Viertelfinal fehlten am Ende nur Sekundenbruchteile - das war gut. Ansonsten war der Wettkampf leider ein bisschen etwas zwischen Farce und Lotterie. Die Zeitmessung schien ihre Flausen zu haben: zwischendurch fiel sie aus, so dass Runs wiederholt werden mussten und es gab extrem viele Fehlstarts, gehäuft auf der einen Linie. So auffällig, dass man auch da einen Bug befürchten musste. Nachdem ein heftiger Regenschauer eine Zwangspause erforderte, hiess es offiziell, dass die Zeitmessung nicht mehr in Gang gesetzt werden könne, womit der Wettkampf von U12 & U14 mitten in den Viertelfinals abgebrochen wurde. Erst wurde kommuniziert, die finale Rangierung würde aufgrund der Qualifikation erstellt. Später dann sollten alle gekletterten Zeiten einfliessen und schliesslich gab's noch eine dritte Variante, wo man mit einem verlorenen Viertelfinal-Duell aber schnellerer Qualizeit nicht mehr vor seiner Besiegerin platziert sein konnte. Für die Rangierung meiner Tochter spielte das zwar alles keine Rolle, sonst gab es aber ob dem vielen Hin und Her manche Kindertränen zu trocknen. Absolut verständlich, um die Spitzenplätze war das kein fairer Wettstreit. Schade, da darf man mehr erwarten.

Auf geht's! Das ist die Quali 2 vom Lead-MYCC U12.
Am Samstagabend konnten wir dann die Lead Finals im Weltcup verfolgen und den Sieg des Schweizer Athleten Sascha Lehmann beklatschen - einfach genial! Online gab es zwar auch hier viele negative Reaktionen über die "miserabel geschraubten Finalrouten". Zu einfach hiess es bei den Männern (3x Top, 3x am letzten Move gescheitert), ein Stopper-Move störte bei den Frauen (alle bis auf eine an derselben Stelle gescheitert). Vor Ort habe ich das ein wenig differenzierter wahrgenommen. Sprich, die Show war absolut grandios. Klar, den Sieger mittels Countback zum (knallharten!) Halbfinal zu bestimmen ist nie ganz optimal. Aber wer dort am höchsten geklettert ist und die Finalroute getoppt hat, der hat es ganz einfach verdient.

Die Quali 1 im Lead-MYCC an der Speed-Wand: 6 Minuten statt 20 Sekunden :-o
Am Sonntag ging es dann mit dem Lead-Wettkampf der Jugendkategorien weiter. Auch da reichte es nicht ganz für den erhofften Finalplatz. Meine Tochter ist die jüngste Teilnehmerin in der U12 und gehört darum zu den kleinsten Kletterinnen der Kategorie. Wo die entscheidenden Konkurrentinnen alle mühelos hingelangt hatten, war der verflixte Griff gerade knapp ausserhalb der Reichweite. Aber gut, das kann immer passieren - dynamisch ziehen und weiter lautet die Lösung. Doch für diesen unerwarteten Stopper und einen Risikomove bereits so früh in der Route stimme das Mindset nicht, wozu ich mit dem Coaching das Meinige beigetragen hatte. Erstens war uns bei den grossen, älteren, vorne klassierten und darum zuerst kletternden Mädchen entgangen, dass dieser Move so problematisch sein könnte. Und zweitens waren wir beide der Meinung, dass ihr sowieso bevorzugter Stil von geplant, statisch und defensiv klettern in dieser Route absolut richtig wäre und bloss ein unnötiger Risikomove das Aus bedeuten könnte. So wurde schlussendlich die Kraft für die Suche nach der unmachbaren Lösung verpulvert statt die machbare zu riskieren und das war's dann. Tja, sometimes you win, other times you learn.

Da war noch alles im grünen Bereich. Quali 2 am Lead-MYCC U12.
So gerne sie im Endausmarchung dabei gewesen wäre und so gerne sie klettert: nach dem Final der U12 sagte sie mir, dass sie jetzt doch sehr froh sei, die Qualifikation nicht geschafft zu haben. Die mit 7b+ bewertete Finalroute war dann nämlich ehrlich gesagt "over the top" für das Teilnehmerfeld und hätte meiner Tochter gar nicht zugesagt. Nicht einmal die Schwierigkeit. Sondern die Tatsache, dass in Routenmitte ein heftiger Runout eingerichtet war. Heikle Moves 3m über der letzten Sicherung waren notwendig, die nächste Exe konnte schliesslich nur mit einem Über-Kopf-Heelhook unterhalb des Körpers eingehängt werden. Klar, die Besten packten diese Stelle, teils verblüffend souverän. Andere trauten sich nicht, sprangen ab oder kletterten gar wieder zurück - aber immer noch besser, als die Kopfüber-Stürze mit eingefädeltem Seil und verbrannter Kniekehle, die es ebenfalls zu sehen gab. Man hätte übrigens nur die Exe 50cm weiter links und im Routenverlauf platzieren müssen, dann wäre alles OK gewesen... An der Schlusswand gab's darüber hinaus noch einen Seitwärts-Sprung, natürlich ebenfalls oberhalb der Sicherung. Auch hier war viel Mut gefragt, doch eine Teilnehmerin meisterte selbst diese Klippe, Chapeau! Die Kehrseite: einer der Jungs konnte den Schwung am Zielgriff nicht halten. Er stürzte weit, unkontrolliert und mit dem Kopf voran - an der dort nur leicht überhängenden Wand nur Dezimeter an den vorstehenden Griffen und Volumen vorbei. Nicht auszumalen wenn... das hätte ganz, ganz bös enden können.

7 Uhr morgens, 150 Kinder voll motiviert am Aufwärmen. Die lange Schlange sieht man auf dem Bild nicht...
Zuletzt möchte ich mir noch eine wiederum positive Bemerkung zur Disziplin Speed erlauben. Auch hier sind die Online-Kommentarspalten voll von negativen Meinungen über Speed und das olympische Format. Klar, super glücklich ist das nicht. Aber wer hat je selber ernsthaft einen Versuch gegeben oder einen Speed-Wettkampf live gesehen? Das ist eindrücklicher Klettersport und sehr spannend obendrein. Und auch wenn Speed nicht das Nr.1 Kriterium beim Klettern ist. Jeder der schnell ist, kann extrem gut klettern und alle die sehr gut klettern, sind auch schnell. Gerade beim Nachwuchs, bei der Elite gibt's natürlich schon etwas Spezialisierung, aber der Grundsatz gilt auch da. Uns jedenfalls hat etwas Speed-Training nur gut getan und die Augen geöffnet, woran es beim Skill-Set noch hapert. Und selbst mir als alpinem Grufti hat es Spass gemacht, in der Speed-Route nach oben zu "rasen" (Mehrfach-Anführungszeichen definitiv nötig, Wortwahl überdenkenswert ;-)) und mit dem einen oder der anderen NachwuchsathletIn ein Duell zu machen. Jedenfalls, trotz einiger Wermutstropfen und dem einen oder anderen Regenschauer war es ein tolles Weekend in Villars und es macht immer wieder Spass, die Community zu treffen. 

Speed-Training (auf inoffizieller Route) am Summer Opening. Foto: Kletterzentrum Gaswerk.

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