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Donnerstag, 29. August 2019

Schlossberg - Fusion (7b)

Der Schlossberg ist ein imposanter Bigwall weit hinten im Engelberger Tal. Seit der eigentlich relativ späten klettertechnischen Erschliessung mit der klassischen Route von Grüter et al. (1971) und einigen wilden Wiederholungsversuchen ranken sich Mythen und Legenden um diese Wand. Im Jahr 1994 legten dann die Gebrüder Remy diverse moderne Routen in die Wand. In der Anfangszeit fanden sich darin einige Wiederholer, doch grosse Popularität erlangte das Gebiet nie, bald wieder geriet es in Vergessenheit. In den letzten Jahren wurden einige wenige Routen (Jingo, Benedikt, Sens Unik) saniert, die anderen fristen ein nun noch umso einsameres Dasein. Ganz verständlich ist das nicht, führt doch eine Route wie die Fusion als eindrückliche Linie mitten durch den Bigwall und bietet vorzügliche, wenn auch anspruchsvolle Riss- und Wandkletterei. Auf der anderen Seite warten Schwierigkeiten bis 7b und eine mit nur 88 BH auf 12 Seillängen möglicherweise nicht allzu üppig ausfallende Absicherung. Somit zögerte auch ich lange - doch schliesslich siegte der Reiz dieses Projekts doch. Absolut zurecht, wie sich zeigen sollte!

Der Sektor Bigwall am Schlossberg mit dem Verlauf der Fusion (7b). Rechts davon befindet sich die berüchtigte Grüter'71.
Zum etwas abgelegenen Schlossberg bin ich schon in verschiedenen Modi angereist: per Pedes oder auch (besser bzw. zeiteffizienter) mit dem Bike durch das Surenental oder mit dem Ultraleicht-Gleitschirm. Mit einem Nichtflieger unterwegs sollte an diesem Tag wieder das Bike zum Einsatz kommen, wobei wir eine neue Anreisevariante ausprobieren wollten. Per Bahn ging's auf die Fürenalp (erst Fahrt um 8.00 Uhr von Juli-September, 13 CHF mit Halbtax plus 5 CHF fürs Bike). Von dort wartet ein cooler Traversen-Downhill zum Stäuber-Wasserfall im Surenental, von wo es noch die nächste Stufe zum P.1507 hinuntergeht. In nur 15 Minuten hatten wir die Wechselzone erreicht. Anstatt dem offiziellen Weg zur Spannorthütte wollten wir heute direkt der T4-Pfadspur der Wand ('Ortflue') entlang zum Einstieg gelangen. Hier geht's steil und effizient 600hm bergauf, für die Routen am Gendarm und am Bigwall ist dieser Zustieg sicher schneller, wie wenn man via Hütte geht. Um 9.30 Uhr, d.h. nach total 1:30h von der Fürenalp-Talstation waren wir am Einstieg. Mit einer sportlichen Pace schafft man diese Zeit (mit Bike) auch ohne die Fürenalp-Bahn. Mit dieser kostet's ein paar Fränkli, es spart aber Kraft und die 350hm Downhill machen mehr Spass wie die 350hm Uphill. Wie auch immer, make your choice! Um 9.45 Uhr stiegen wir schliesslich noch tief im Schatten des Berges ein - kalt war's an diesem Hitzetag überhaupt nicht. Nicht selten ist's hier aber wohl fröstelig, die Sonne erreicht den Einstieg auch im Hochsommer erst um ca. 13 Uhr.

Der Bike-Downhill von der Fürenalp ist gut befahrbar, auch für weniger Versierte und mit dem Kletterrucksack tauglich.
L1, 6b: An sich (und erst recht im Gesamtkontext) nicht allzu schwierig und auch relativ üppig mit BH gesichert. Trotzdem anspruchsvolle Kletterei mit rissigem Auftakt, wo man den ersten Cam bereits legt, wenn die Füsse noch auf Terra  Firma stehen! Später Querung in Wandkletterei, dann grooviger Riss, Grasband zu Stand in Zone in Quarzsandstein wie am Sanetsch - die Remys werden sich daheim gefühlt haben!

Marmor, Stein und Eisen bricht, aber hoffentlich diese super Hakenlasche nicht (es ist nicht das schlimmste Exemplar!)
L2, 6a: Rechtsquerung an die schöne Verschneidung. Es stecken nur 2 BH, der Rest muss und kann gut selber abgesichert werden. Argwohn verspricht einzig die aus einem ultradünnen Messerhaken hergestellte Alteisen-Lasche am ersten BH. Aber zum Glück ist's ja nicht so schwierig, insgesamt die einfachste Seillänge.

L3, 7a: Die steile Rissverschneidung oberhalb vom Stand geht gut: nicht allzu schwierig und auch gut abgesichert. Wie vermutet besteht die Crux der kleingriffigen Linksquerung in Wandkletterei. Prima Fels, gut gesichert, spannende Moves!

Zeigt den Charakter prima: lässige Rissverschneidung, dann die Crux in Top-Wandkletterei in L3 (7a).
L4, 7b: Gleich ein zügiger Auftakt, dann geht's in den Rissverschneidungen aber erstaunlich gut voran! Auch die erste Wandzone ist noch von gemässigter Schwierigkeit, erst ganz am Schluss folgt die Crux in sehr gut mit BH abgesicherter Wandkletterei. Wenn man den leichtesten Weg findet, so ist die 7b eher leicht zu haben. Wählt man den im Onsight logischen Weg, so passt der Grad schon - die Bemerkungen machen übrigens durchaus Sinn, wenn man die Stelle einmal geklettert hat ;-)

Full Gaz! Top-Wandkletterei in der Crux der Route (L4, 7b) - gescheit auf die Füsse stehen und Crimps durchziehen.
L5, 6c: Sehr lange und eindrückliche Rissverschneidung, die Böses vermuten lässt. Aber auch hier ist die Kletterei angenehm und vorerst auch gar nicht so schwierig. Gegen das Ende hin zieht es dann aber an und die Sache kulminiert in der Untergriff-Querung nach rechts und dem Klippen des Standes, der sich hier etwas im Niemandsland (kein No-Hand-Rest) befindet. Wobei es wegen dem Seilverlauf hier wirklich kaum eine Alternative gab/gibt.

13 Uhr, die Sonne kommt. Zeit zum Spielen, während Jonas in der Rissverschneidung von L5 (6c) fightet. So cool!
L6, 6b+: Anspruchsvoller, steiler Auftakt vom No-No-Hand-Rest-Stand weg - ein bisschen brüchig und gleich oberhalb vom Stand, besser die Sicherungsperson mit dem Zusatzbolt rechts aus der Schusslinie nehmen! Danach geht's etwas einfacher dahin, man soll dabei am rechten Riss bleiben! Schliesslich erreicht man die berühmte Langstrasse (diagonales Grasband) - Halbzeit!

L7, 6b+: Eine scheinbar plattige, kompakte Wand mit nur 2 BH - puh, das weckt einen Heidenrespekt! Aber es gibt keine Alternative, da muss man durch. Doch man glaubt es kaum, es lassen sich tatsächlich noch Sicherungen legen, so dass man hier zwar kühn aber vernünftig gesichert klettert! Eine fantastische Seillänge!

Kompakte Plattenwand mit nur 2 BH, aber es geht! Das ist L7 (6b+), unten die Langstrasse (Grasband).
L8, 6b: Neben L2 (6a) die einfachste Seillänge. Dem Riss entlang weiter und dann über Stufen auf ein grosses, überdachtes Band hinauf. Wenn der Nachsteiger da ist, muss man ca. 30m ans linke Ende des Bandes übersiedeln (gut begehbar, keine Sicherung nötig).

Rückblick auf das gut begehbare Band, auf welchem man nach L8 (6b) zum Start von L9 (6b+) quert.
L9, 6b+: Lange Seillänge mit leicht überhängendem Auftakt in griffiger Wand, dann der markanten Verschneidung entlang. Der Fels macht hier einen etwas blockig-mässig soliden Eindruck, aber eigentlich hält alles tiptop. Pumpige Sache, langsam beginnt man die Anstregungen zu fühlen.

Poweriger, überhängender aber recht gutgriffiger Auftakt in L9 (6b+), langsam eine Konditionsfrage!
L10, 6c: Die relativ kurze, aber kompakte, senkrechte Plattenwand stellt nochmals ein echtes Testpiece dar! Die Tropflochkletterei ist zwingend und recht anhaltend. Schon etwas dehydriert und kräftemässig ein bisschen angebrutzelt musste ich mich echt in den Hintern klemmen, um hier nicht noch den Onsight-Gesamtdurchstieg zu vergeigen. Am Ende des kompakten Teils linkshaltend über gebändertes Kraxelgelände zum Stand.

Dieses Mal den Kletterer auf der Bandquerung nach L10 (6c) noch erwischt. Das Foto wird der tollen Kletterei in dieser Länge nicht gerecht.
L11, 6b+: Auf einmal wartet der Schlossberg noch mit Plattenkletterei wie im Rätikon auf! Kurz vor dem Ende wartet hier nochmals ein richtiges Highlight! Nach einem noch gut machbaren Auftakt folgt in der Mitte kühne, fordernde Kletterei. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Tatsache, dass an einer Stelle nur gerade eine Schnürsenkel-Sanduhr zur Absicherung dient. Auch im Finish will die Linie gesucht und optimiert werden, die Bolts wurden hier eher weiträumig platziert. Sie stecken aber sinnvoll, d.h. die Absicherung ist ok und reasonably safe.

Auf einmal kommt Top-Plattenkletterei wie im Rätikon (L11, 6b+). Am oberen Bildrand übrigens die Spannorthütte.
L12, 6b: Diese Länge ist im Extrem Ost nur halbfett eingezeichnet, zudem steht auch in ziemlich allen Führern der Zusatz "brüchig". Naja, da war doch mal etwas in der Tsunami an den Wendenstöcken... aber mein Alpinistenherz lässt sich nicht abhalten und diese Seillänge wird natürlich auch noch angegangen. Der Auftakt spielt sich links in der Wand ab und ist gar nicht so übel, nachher geht's dann doch in die alpin anmutende Verschneidung hinein. Während diese erst noch recht gängig ist, wird sie oben überhängend-athletisch. Hat man diesen Abschnitt gemeistert, so geht's recht steil weiter und die soliden Griffe müssen tatsächlich sorgfältig ausgewählt werden. Insgesamt ist's aber schon in Ordnung, die Bolts stecken auf dieser Länge auch wieder dichter wie z.B. in L10 & L11 - es wäre definitiv schade gewesen, die Route nicht bis zum Ende zu klettern. Allerdings, während ich für den ganzen Rest der Fusion den Remy-Brothers wirklich eine gute Nase für die Linie attestieren kann, so hätte man im zweiten Teil von L12 einfach linkshaltend zum Grat ziehen können. Hier hätte es bis zuoberst schönen, soliden Fels und spannende Plattenkletterei gegeben. Wenn die Route einmal saniert wird, dann sollte man dies korrigieren.

Die letzten Meter zum Top (L12, 6b). Die Felsqualität ist hier definitiv nicht mehr Premium, aber es geht schon! Vor allem würde (im Aufstiegssinn) links an etwas unlogischer Position nochmals ein BH stecken. Mit diesem anstelle vom Cam im Bruch hätten sich der finale Abschnitt noch a bisserl entspannter geklettert, aber ich habe ihn erst beim Abseilen entdeckt.
Um 17.15 Uhr sind wir beide am Top und konnten der Fusion in 7:30h Kletterzeit eine der raren, erfolgreichen Begehungen abringen. Dies für mich im erst noch bestmöglichen Stil, alle Seillängen im Vorstieg onsight. Während die nominellen Schlüsselstellen schon recht weit unten kommen, so heisst es nachher doch noch eine ganze Weile durchhalten und im 6b+/6c-Gelände keinen Fehler mehr machen. Und wie man bestens weiss, kann einem selbst dieser Schwierigkeitsgrad in schon reichlich angebrutzeltem Zustand auf die Pelle rücken. Verstärkt wurde dieser Faktor für uns durch die am Nachmittag unerbittlich brütende Sonne und die Tatsache, dass deswegen die Getränkevorräte schon viel zu bald zur Neige gingen. Nun denn, am Top gab es nichts zu trinken, dafür mussten wir definitiv talwärts. Und das konnten wir mit gutem Gewissen tun, denn die Fusion hatten wir ja komplettiert. Allerdings zeigte der Blick nach oben auch, dass nach dem Überqueren des Diagonalbandes nochmals ca. 4-5 weitere, herausfordernde Seillängen möglich wären. Da hatten wohl selbst die sonst unermüdlichen Remy-Brothers für einmal die Schnauze voll gehabt...

Nochmals ein Shot von unterwegs, es ist die kühne L7 (6b+) von der Langstrasse weg.
Die Abseilerei (8 Manöver) geht in 45 Minuten zügig vonstatten, auch wenn man über die beiden Bänder zurückgehen muss. Sehr gut, so sind wir bald zurück bei unseren (inzwischen auch gut gewärmten) Getränkevorräten. Bald einmal machen wir uns aus den Weg zurück zu unseren Bikes. Leider haben die Munggen gefallen an meinem Sattel gefunden, während sie den von meinem Kletterpartner verschmäht haben... Naja, nach einem solchen Tourentag lässt sich das problemlos verschmerzen! In zügiger Fahrt sind wir um 19.30 Uhr zurück bei der Fürenalp-Bahn, d.h. der Rückweg nimmt total weniger als eine Stunde in Anspruch. Höchst zufrieden, aber mit einem gerüttelt Mass an Müdigkeit fahren wir heim. Ja, mit der Fusion hatten wir einen echten Knaller geklettert! Das war jetzt wirklich super gewesen - kaum zu glauben, dass eine solche Route nie Popularität erlangt hat.

Kogen Munggen! Vorsicht also bei Bike-Depot beim P.1507.


Facts

Schlossberg - Fusion 7b (6b+ obl.) - 12 SL, 400m - C. & Y. Remy 1994 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Camalots 0.3-3, evtl. Keile

Eindrückliche, auf weiten Strecken naturgegebene Linie durch den Bigwall am Schlossberg. Es warten viele Rissverschneidungen auf die Begeher, welche fast durchwegs mit griffigem Fels und Struktur für die Füsse auftrumpfen und darum genussreich und ohne Mühsal zu begehen sind. Verbunden werden diese Abschnitte mit ein paar Wandstellen, die dann meist Top-Kletterei an kompaktem Fels bieten. Ein paar schuttige Bänder sowie etwas loser Fels ganz am Ende gehören zu einer solchen Tour einfach dazu, sollten den Begehern aber keine grauen Haare wachsen lassen. Nachdem ich im Vorfeld zwar nur wenige, aber eigentlich nur abschreckende Statements zur Fusion gehört hatte, behaupte ich hier mit gutem Gewissen, dass die Route gut abgesichert sei. Die BH stecken in angemessener Zahl und sind sinnvoll platziert - etwas, was ich den Brüdern nicht in jedem Fall/Route attestieren kann, aber hier ist es ihnen wirklich sehr gut gelungen. Rein vom Material her ist's etwas ein Gemisch: teilweise stecken nur M8-Bolts (auch an den Standplätzen), teilweise weisen sie selbstgemachte Laschen aus alten NH auf und grösstenteils sind's verzinkte Anker und rostfreie Plättli (der Zustand ist aber 25 Jahre nach der Erstbegehung noch recht gut). Wir haben für die Begehung ein Doppelset Cams und einen Satz Keile mitgeführt. Bis auf wenige Abschnitte (z.B. die lange Rissverschneidung in L5) waren das zweite Set Cams und die Keile immer am Gurt des Nachsteigers. Daher bin ich der Meinung, dass man gut mit nur einem Satz durchkommt, welcher dann aber auch zwingend einzusetzen ist. "Notfalls" steckt auch in den Rissverschneidungen immer wieder einmal ein BH, von welchem man allenfalls backcleanen könnte. Topos und weitere Infos gibt's im Schweiz Extrem Ost, dem Outdoorführer Engelberg oder dem SAC-Kletterführer Zentralschweizer Voralpen Südwest. Am genausten und detailreichsten ist der Verlauf jedoch im Originaltopo, das in den 1990er-Jahren in einem Mammut-Faltblatt erschienen ist.

Originaltopos der Gebrüder Remy von einem Mammut-Faltblatt aus den 1990er-Jahren. Zu beachten: auf dem Topo steht zwar p=Bohrhaken Mammut M10. Das stimmt so nicht. Erstens ist p=#Sicherungspunkte, so zählt z.B. die Schnürsenkel-Sanduhr in L11 auch. Dann sind die Haken längst nicht alle M10 und dass Mammut je Bohrhakenlaschen aus ausrangierten NH hergestellt hat, wäre mir auch neu (siehe Foto oben).

Mittwoch, 21. August 2019

Parete dei Titani - Venus ou bien Venise (6b+)

Zum Abschluss unseres Chamonix-Trips wollten wir uns nochmals ein richtiges Highlight gönnen und besuchten das italienische Val Ferret auf der Südseite vom Mont-Blanc-Massiv. Das Tal ist paradiesisch schön: Auen, lichte Wälder, tosende Flüsse, klare Tümpel, hohe Berge, Gletscher, alles was das Alpinistenherz begehrt ist da. Der Plaisirkletterer findet an den Aiguilles Rouges de Triolet sein Vergnügen in extrem griffigem und strukturiertem Granit. Viele der Touren dort werden vom Rifugio Dalmazzi angegangen und liegen nicht mehr im Tagestourenbereich. Das trifft für die an der Sockelwand der Triolet-Berge gelegene Parete dei Titani nicht zu. Hierhin gelangt man mit nur 1h Zustieg und trifft in der 'Venus' auf ein herrliches Feuerwerk von abwechslungsreichen Seillängen in bestem, kletterfreundlichem Granit. Auch wenn die Wand alpinistisch eher unbedeutend ist, ob der schönen Umgebung und der exzellenten Kletterei haben wir es mit einer 5-Sterne-Tour zu tun!

Das italienische Val Ferret ist ein Paradies - eines der schönsten Alpentäler, die ich bisher besucht habe!
Von unserem Basecamp in Vallorcine sind es zwar keine 20km zum Einstieg, aber es ist doch eine längere Reise. Sie führt erst nach Chamonix und durch den teuren Mont-Blanc-Tunnel (57 Euro retour) und dann sehr sehenswert durch das Val Ferret. Bis Planpincieux ist mir dieses bekannt, dorthin waren wir damals nach dem Nordwandabenteuer an den Grandes Jorasses abgestiegen. Nun ja, dieses Mal soll es weniger wild zu- und hergehen. Trotzdem sind wir früh aufgebrochen. Einerseits wollten wir nicht vor dem Tunnel im Stau stehen, andererseits wird die Strasse im hinteren Val Ferret ab Lavachey teilweise ab 9 Uhr gesperrt und vor allem gibt's zuhinterst in Arpnuova nur eine limitierte Anzahl Parkplätze. Unterwegs hatten wir uns ein feines Frühstück gekauft, das wir hier in schönster Umgebung an der Sonne geniessen konnten - top!!! Kaum zu glauben, wie oft wir dabei von asiatischen und amerikanischen Wandergruppen fotografiert wurden. Ob die wohl der Meinung waren, dass wir hier irgendwo in den Büschen leben ;-)

Blick vom Zustieg Richtung Triolet-Gletscher und Parete dei Titani, wo Ein- und Ausstieg der Route markiert sind.
Zum Pressieren gab's für uns nichts mehr. Die Parete dei Titani ist erst ab dem späteren Vormittag (je nach Jahreszeit 10-11 Uhr) an der Sonne und absolut stabiles Wetter war angekündigt. Trotzdem machten wir uns um 10.00 Uhr langsam auf den Weg. Zuerst geht's noch 1km der Fahrstrasse entlang ins Tal hinein, bevor man links ausgeschildert Richtung Rifugio Dalmazzi abzweigt. Über einige improvisierte Brücken quert man das Bachbett, geht am Klettergarten vorbei und erreicht über eine Stufe die langgezogene Moräne vom Triolet-Gletscher. Dieser folgt man bis unmittelbar vor dem Einstieg, der aufgrund des Topos resp. Wandfotos im Groben problemlos zu identifizieren war. Wir brauchten bei (für mein Gefühl) gemütlichem Gehtempo gerade die im Plaisir Süd und auf C2C veranschlagte Stunde Gehzeit. Ja, es bessert langsam mit der Lauferei, inzwischen halten wir bereits die Zeiten aus der Literatur ein :-) Nachdem wir uns dick mit Sonnencrème eingeschmiert hatten, konnte es um 11.30 Uhr losgehen. Bis auf eine Seilschaft, welche sich bereits in L5 der Venus befand, war der ganze Wandbereich verwaist.

Blick auf die Parete dei Titani und den Routenverlauf vom Punkt, wo man von der Moräne abzweigt.
L1, 6b: Zuerst heisst's, in die richtige Route einzusteigen! Angeschrieben ist nichts, die Tour die direkt vor der Nase gerade links vom tiefsten Punkt an der markanten Schuppe startet ist jedoch die 'Ahi Ahi Ahi'. Der Einstieg der 'Venus' ist ca. 5m weiter rechts, d.h. rechts vom tiefsten Punkt und der Kante, ein bisschen weniger offensichtlich. Es wartet nun senkrechte, recht anhaltende Wandkletterei an vernünftigen Griffen, eine prima Sache. Nicht ganz einverstanden bin ich mit der Bemerkung im Plaisir Sud, es sei nur 1 Move, der die 6b ausmache.

Rückblick aus der Kletterstellung auf die steile L1 (6b), die mit anhaltenden Moves in senkrechtem Gelände aufwartet.
L2, 5c: Lange, superschöne Platte, der Fels ist ideal strukturiert. Hier muss man nicht wie am Grimsel schleichen, sondern klettert immer an Struktur - ein wenig wie in Ailefroide, würde ich sagen.

Sehr schöne Plattenkletterei in L2 (5c), die Umgebung einfach unschlagbar schön, erst recht an diesem Traumtag!
L3, 6a: Die Route führt durch die Verschneidung rechts, welche auf ein paar Metern etwas glatt und gar nicht mal so einfach ist. Man verlässt diese und klettert links an den Stand, gerade hinauf könnte man sich in die 'Titanic' verhauen (die Gefahr ist allerdings klein, einfach den Haken nach und nach oben wird's eh grasig).

Wieder einmal einen No-Hand-Rest gefunden. Gut, in der 6a-Verschneidung von L3 nicht so erstaunlich...
L4, 6a+: Schöne Wandkletterei mit steiler, griffiger Zone, super. Das Ende bringt einen dann auf die nächste, grosse Platte.

Ich wurde schon oft gefragt, wie ich mich auf MSL von der Tochter sichern lasse. Mit Grigri am Fixpunkt heisst die Lösung, hier im Bild gut sichtbar. Funktioniert perfekt, ist 100% safe und ich hab's natürlich vor dem Echteinsatz auch mit Hintersicherung sturzgeprüft. Einzig die mangelnde Dynamik kann man ankreiden, harte Stürze in die ersten 1-2 Haken wären wohl moderat angenehm. Einzig am Einstieg ist jeweils etwas Kreativität nötig: entweder natürlichen Fixpunkt schaffen, erste Zwischensicherung als Fixpunkt benutzen oder Edelrid Ohm verwenden. Hier bei der Venus gab's eine prima Sanduhr von verkeilten Blöcken, Problem gelöst. 

Eine spezielle Geschichte ist auch der leer glänzende Dübel neben dem Standhaken. Unbekannte hatten vor relativ kurzer Zeit an den Standplätzen Ketten angebracht. Dazu wurden jeweils 1-2 neue Dübel gesetzt. Leider wirkt diese ganze Aktion sehr unprofessionell. Die vorhandenen Haken waren von rostfreier Qualität und noch einwandfrei, man hätte sie problemlos weiterverwenden können - und wenn schon, hätte man sie am besten abgeflext und die Löcher gepatcht. Noch schlimmer ist aber, dass die neuen Dübel nur verzinkt sind....
L5, 5c: Lang, homogen, super. Griffige Plattenkletterei at its best! Ein bisschen erstaunt bin ich darüber, dass hier die Absicherung aufgebessert wurde, d.h. es wurden in dieser Länge ca. 4 zusätzliche BH gesetzt. Dies ohne den Erschliesser Michel Piola um Einwilligung zu fragen. Er zeigte sich denn auf meine Nachricht hin auch wenig erfreut - gut möglich also, dass diese Haken bald wieder verschwunden sind. 

Eindrückliche, grosse Platte in L5 (5c).
L6, 3a: Noch kurz einige Meter im leichten Fels aufs Grasband und dieses nach rechts hochsteigen, um an den oberen Wandteil zu gelangen. Offenbar gab's auch hier schon Verhauer in die 'Ahi Ahi Ahi', aber wenn man den Trittspuren auf dem Gras folgt und dieses logisch diagonal überquert, kann man kaum fehlgehen?!? Als Tipp noch: die 'Venus' ist die rechteste Route in diesem Wandteil!

L7, 6b+: Die steile, weiter oben gar überhängende Wand des zweiten Teils und die Tatsache, dass wir es mit der Cruxlänge zu tun haben, erheischen ziemlich Respekt. Die Kletterei löst sich dann aber perfekt auf, weitgehend spielt sich diese Länge im 6a-Bereich ab. Zum Schluss wird's dann aber doch noch knifflig, man muss äusserst sorgfältig antreten und kleine Crimps krallen, um durchzukommen. Mich dünkte die Stelle einfacher wie die Crux der Eau Rance, aber massiv schwieriger wie jene von Cacao Girls, Cocher Cochon oder Ombre et Lumière. 

Blick auf die Crux in L7 (6b+). Ihr Kommentar: "Daddy, hast du das echt so schwierig gefunden, wie es ausgehen hat?"
L8, 5c: Gängig und griffig hinauf über die Platte zur Verschneidung hin, welche man über einen interessanten Balkon nach rechts verlässt. Mit genügend Spannweite ein Kinderspiel (oder eben nicht, da müsste man ja Erwachsenenspiel sagen, aber das ist wohl eine leicht frivole, auch wieder nicht passende Bezeichnung ;-)).

L9, 6a+: Supergeniale Seillänge, in welcher man durch eine leicht überhängende Zone in einer Art Verschneidung nach rechts um den Pfeiler "ausweicht". Der Fels weist zahlreiche Henkel auf, eine wirklich geniale Turnerei. Und die Linienführung in dieser steilen, von unten beinahe unüberwindbar scheinenden Wand überzeugt voll und ganz!

Mega lässige, steile und henklige Kletterei in L9 (6a+), dazu auch noch gehörige Exposition.
L10, 6a+: Schöne Wandkletterei, ein bisschen technisch-knifflig zu einer wenig ausgeprägten Verschneidung hin und nach links aufwärts. Beim Ausstieg in die flachere Wandzone steckt dann nicht mehr viel (die Kletterei ist auch einfacher). Aber man wird den Stand schon finden. Bei uns war er durch das italienische Paar markiert, das bei unserem Start schon in der Hälfte der Route war und die wir hier tatsächlich einholten (was sie auch gleich zum Rückzug bewog?!?).

L11, 5b: Superschöne Seillänge mit irre strukturiertem Fels, die sich aber ob der geringen Schwierigkeiten sehr zügig klettern lässt. Nach meinem Empfinden eher einfacher wie 5b. Am Ende dieser Seillänge steht man dann unter grasigen Schrofen, über welche man allenfalls noch etwas höher hinaufsteigen könnte.

Ambiente am Top, einfach der Hammer diese Berggegend. Und erst das Wetter!
Um 15.30 Uhr waren wir nach 4:00 Stunden begeisternder Kletterei am Top. Das war jetzt mit Sicherheit eine der besten Plaisirrouten gewesen, die ich bisher geklettert habe und so klein ist meine bisherige Tourenliste nun ja auch wieder nicht! Noch dazu gelang uns beiden eine lupenreine Begehung, tiptop! Zum Abseilen hatten wir extra 2x60m-Seile mitgebracht, so ging's mit nur 6 Manövern (Stände 11 - 9 - 7 - 5 - 4 - 2) gerade auf. Achtung, ein paar Mal reichen die Seile nur knapp! Alles ging glatt, das Seil platziert sich hier auch jeweils zügig selber, so brauchten wir nur 40 Minuten zurück an den Einstieg. Gemütlich packten wir den Rucksack und wanderten zurück nach Arpnuova, wo wir um 17.30 Uhr eintrafen. Ich hätte nun gerne Polenta, Dolce und Caffè im dortigen Restaurant genossen. Doch Madame präferierte ein Menü vom Sternekoch auf dem Gasbrenner, also ging's mit ein wenig, aber gut erträglicher Wartezeit vor dem Tunnelportal zurück nach Vallorcine. Damit war der Schlusspunkt unserer MSL-Woche in Chamonix gesetzt. Wow, das war ein richtiges Feuerwerk an 6 tollen Touren , einem Besuch am Weltcup und einem Bouldertag gewesen, genial!

Eigentlich unweit vom Parkplatz, aber selbst hier ist's schööön! Füsse abkühlen vor der Heimfahrt...

Facts

Parete dei Titani - Venus ou bien Venise 6b+ (6a obl.) - 11 SL, 400m - Piola/Motto 1996 - *****;xxxx
Material: 2x50m-Seile bzw. 2x60m (vorteilhaft zum Abseilen), 12 Express, Keile/Cams nicht nötig

Fantastische Plaisirtour mit abwechslungsreicher Granitkletterei über Platten und steile Wandzonen. Der Fels ist ideal zum Klettern strukturiert. Henkel, Löcher, Leisten und Sloper, hier gibt's fast alles. Dies noch dazu in einer herrlichen Umgebung und mit moderatem Zustieg. Da vergebe ich gerne die Höchstnote von 5 Sternen, auch wenn die Route auf keinen Gipfel führt und der grosse Nimbus fehlt. Die Absicherung ist wie von Piola gewohnt prima ausgefallen. Die Inox-BH stecken in sinnvoller Menge am richtigen Ort. Für Keile und Cams besteht kein Bedarf, sie wären im kompakten Fels auch höchstens vereinzelt zu platzieren. Achtung, die Strasse zum Ausgangspunkt nach Arpnuova kann in der Sommerzeit ab 9 Uhr gesperrt werden, dann muss man das letzte Stück per Bus zurücklegen. Sowieso gibt's in Arpnuova nur beschränkt Parkplätze, eine frühe Anreise ist daher empfehlenswert. Ein Topo findet man im Plaisir Süd oder im Topoguide. Auf C2C sind diverse frei verfügbare Topos verlinkt. Die Bewertungen variieren je nach Quelle. Ich habe in meinem Bericht jene von C2C verwendet, die schienen mir am stimmigsten.

Donnerstag, 15. August 2019

Sanetsch - Chratz Bürschtä (6b+)

Auf dem Sanetsch war ich 1995 das erste Mal. Mit einem Kollegen wurde oben biwakiert und wir kletterten einige für uns damals anspruchsvolle und eindrückliche Touren wie die 'Follomi' (6b+) oder 'Les zeros sont fatigués' (6a+). Noch nicht einmal in meinen kühnsten Träumen hatte ich mir damals ausgemalt, dass ich 24 Jahre später mit meiner Tochter zum Klettern hierher käme. Aber times-they-are-a-changing und jetzt war es soweit! Ich hatte mir ausgedacht, dass wir auf dem "Heimweg" von Chamonix vielleicht noch 2-3 Tage hier oben verbringen könnten. Denn am Sanetsch ist's einfach super, nur kommt man viel zu selten da rauf - aus dem Züri Oberland ist's einfach viel zu abgelegen. Nun denn, mit einem mehrtägigen Aufenthalt wurde es nichts, aber eine gute Tagestour liessen wir uns nicht entgehen!

Paroi des Montons - immer wieder schön, hier oben auf dem Sanetsch zu sein. Unsere Route eher im rechten Teil der Wand!
Die Kurverei aus dem Rhonetal hinauf zur Passhöhe ist ja nicht eben kurz. Besonders witzig ist aber, dass man dabei das Dorf Erde passiert. Oben sieht's ja schliesslich ein wenig wie auf dem Mond aus, passt also. Als wir dann endlich da sind, lockt wie eh und je die Paroi des Montons. Durch das Blockchaos geht's hinauf. Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wo wir damals das Zelt platziert hatten, gewisse Dinge sind offenbar fix auf der Festplatte eingebrannt. Unbedingt speichern sollte man auch, dass man für die Touren im rechten Teil der Wand beim grossen Block mit den eingerichteten Routen (unscheinbar!) rechts abzweigen soll und nicht dem markierten Pfad hinauf zum Hauptsektor zu folgen hat. Dies dauert erheblich länger, die Querung unter der Wand ist unerquicklich!

Im Zustieg, gerade etwa beim Einstieg der 'Follomi'. Der Pfad der Wand entlang ist nicht überall so bequem.
Wir hatten indes noch die Routenwahl zu treffen. Beim einen oder anderen Besuch im Lauf der Jahre waren mir bereits etliche der leichteren Klassiker bis und mit der 'Douce Violence' (satt 6c) geglückt. Hingegen fehlen im Palmares die richtigen Sanetsch-Knaller mit klingenden Namen à la 'Axis' (7a) oder 'Chemin des Extremes' (7b). Wiewohl, auch für den heutigen Tag wäre dies ein zu gewagtes Unterfangen gewesen. Wir entschieden uns schliesslich für die 'Chratz Bürschtä' (6b+) mit dem Grund, dass sie im Plaisir Selection gelistet ist und der Tatsache, dass die 'Elite des ménages' (6b+) im selben Wandteil bei meinem ersten Besuch ein echter Meilenstein für mich gewesen war. Um 13.30 Uhr standen wir bereit unter der Wand, es konnte losgehen. Noch frappant: von weitem sieht die Paroi des Montons so unnahbar, kompakt und genial aus. Von direkt darunter ist der Anblick aber dann eher etwas enttäuschend. Davon sollte man sich aber nicht abhalten lassen, die Kletterei ist dann nämlich doch formidabel.

Kein sonderlich gutes Foto, aber man erkennt hier doch +/- die Wand und den Verlauf der Route. Der orange Teil figuriert noch als Zustieg, bzw. ist unsere L0. Danach sind 3 Seillängen ziemlich gut nachvollziehbar, die vierte noch so halb und die letzten beiden, sich wieder zurückliegenden Seillängen nur noch rudimentär.
L0, 40m, T5+, 2a: Mit entsprechend Erfahrung läuft dieser Abschnitt noch unter Zustieg und einen erfahrenen Wendenkletterer wird es mässig beeindrucken. Die Kraxelei ist aber recht steil und bald einmal gehörig exponiert, runterfallen liegt da nicht drin. Keine Frage, hier haben wir also schon gesichert.

L1, 30m, 5c: Aus der Nische raus geht's gleich exponiert los, um oberhalb von dieser nach rechts zu queren. Nachher dann gerade hinauf, wo man schon richtig auf die Füsse stehen muss. Die Reibung und der Fels sind aber exzellent. Für den Grad aber eine richtig fordernde Sache. Der Stand ist zum Schluss links im Couloir zu finden.

L2, 30m, 6a: Coole Steilplattenkletterei à la Wenden oder Rätikon. Die Absicherung bemisst sich ebenfalls eher an diesen Vorbildern wie an einer Plaisirroute, sehr ehrlich angeklettert sein wollen die Haken dazu auch noch. Da muss sich der Vorsteiger seiner Sache schon richtig sicher sein, ansonsten kann man sich hier auch gröber wehtun. Kein Gelände jedenfalls, wo ich zurzeit meine Tochter vorgehen liesse.

Sehr schöne, aber taffe Steilplatte in L2 (6a) - von unterwegs im Rückblick fotografiert.
L3, 35m, 6b+: Beim Start gleich direkt über den Überhang, mit genügend Körpergrösse ist das kein Problem (sonst schon, rechtsrum geht's auch einfacher). Dann kurz hinauf und links um die Ecke. Hier geht's originell entlang von einem Hangelriss in athletischem Gelände überhängend aufwärts, die Haken stecken deutlich näher. Für den Grad auch nicht geschenkt!

Ein Blick auf L3 (6b+) im Grossen: nach dem Startüberhang über die Platte zum athletischen Teil.

Die hängt nicht etwa im Seil, sondern hat hier im Überhang tatsächlich einen Drop-Knee-Toehook No-Hand-Rest gefunden, echt sehr bemerkenswert. Tja, genügend Weltcups live und Adam Ondra Videos geschaut um zu merken, wie man sich das Klettern möglichst einfach macht. Seitdem werden an allen möglichen und unmöglichen Positionen solche Positionen gesucht. Klettern ist halt eben auch Spielen!
L4, 35m, 6b+: Zum Auftakt gleich powerige, athletische Kletterei an Seitgriffen. Ausspreizen und mit Gegendruck Haftung auf die Füsse bringen heisst die Devise. Notfalls geht's wohl dank der Haken auch A0. Den Preis für die Komfortabsicherung zahlt man dann aber danach. Im steilplattigen Gelände geht's fordernd und mit weiten Abständen voran. 6a+ obligatorisch ja, aber auch 3m über dem Haken ohne gescheite Griffe in der Hand!

Im Vordergrund die fordernde und ziemlich weit abgesicherte Steilplatte am Ende von L4 (6b+).
L5, 35m, 5c: Zum Auftakt gleich bouldrig-powerig über den Überhang, nach üblichem Plaisir-Massstab der in Chamonix gekletterten Routen sicher eher 6b als 5c. Danach einfacher zur Kalksandsteinzone, wo auf einmal im sehr runden Fels an Slopern operiert werden muss, auch nicht trivial aber sehr speziell!

L6, 30m, 5c: Auf dem Band 5m nach links (der dortige Stand wurde abmontiert) und an guten Griffen über den Überhang hinauf (Felsqualität nicht restlos überzeugend). Man erreicht ein exponiertes Band, auf welchem man nach rechts zurückkehrt und dann erneut athletisch über einen Riegel die Ausstiegswiese erreicht. Achtung, lange Schlingen verwenden, damit man sich nicht ausbremst.

Nochmals einen No-Hand-Rest gefunden. Hier in der Quarzsandsteinzone am Ende von L5 (5c).
Um 16.45 Uhr und damit nach 3:15h Kletterei waren wir am Top. Die Kletterei war doch ein ganzes Stück fordernder ausgefallen, wie ich mir das gedacht hatte. Einerseits bezüglich der Absicherung, andererseits bezüglich der Bewertungen und die athletische Zone in den Längen 3 und 4 hatte ich so auch nicht auf dem Radar. Standesgemäss gelang mir eine lupenreine Begehung, Larina reichte es zu Beginn von L4 leider nicht ganz, was ja aber auch keinen Beinbruch darstellt. Bereits im Schatten und bei zugiger Luft war das Top kein gemütlicher Ort, so dass wir umgehend die Schuhe wechselten und uns auf den Fussabstieg begaben. Erst über die Wiese zum Sattel links (östlich) der Wand, dort dann den roten Punkten entlang steil nach Süden runter. Die Passage ist doch ziemlich exponiert und mit etwa einer T4+ zu bewerten, halt so ein bisschen wie 'Wendenstöcke light'. Nach rund einer Stunde Abstieg sind wir retour beim Auto, kurven zufrieden mit einer weiteren schönen Sanetsch-Route im Palmares vom Mond runter Richtung Erde und verbringen eine weitere Nacht auf dem Camping in Vallorcine.

Für Boulderer gibt's am Sanetsch auch etwas zu tun!

Facts

Sanetsch - Chratz Bürschtä 6b+ (6a+ obl.) - 7 SL, 225m - Schoch/Adam/Rüesch 1990 - ***;xxx
Material: 1x50m-Seil, 10 Express, Keile/Friends kaum einsetzbar

Sehr schöne Kletterei in oft sehr gutem Fels mit idealer Reibung im rechten Teil der Paroi des Montons. Leider ist die Route mit 6 SL eher kurz und die letzten 2 Seillängen sind nicht mehr ganz gleich gut wie die ersten 4, somit begnüge ich trotz einigen hervorragenden Passagen mit drei Sternen. Obwohl die Route in diversen Plaisirführern enthalten ist, würde ich sie eher als moderat schwierige, alpine Sportklettertour sehen. Wer das unbeschwerte Klettervergnügen sucht, könnte hier auch graue Haare kriegen. Erstens sind die Bewertungen gemessen am modernen Plaisirstandard hart und orientieren sich eher daran, was man an Wenden und Rätikon als Währung verwendet. Die Absicherung kann man gerade noch als gut bezeichnen. Die athletischen Schlüsselstellen sind zwar +/- klettergartenmässig eingerichtet, aber die Steilplatten sind eher in der Art gebohrt, dass man nicht stürzen sollte. Somit ist m.E. etwas Erfahrung in solchem Terrain notwendig. Für die in der Literatur empfohlenen mobilen Sicherungsmittel konnte ich keine sinnvollen Einsatzmöglichkeiten erkennen. D.h. das mitgeführte Camset verblieb ungenutzt am Gurt, ich würde das nächste Mal nichts mehr mitnehmen. Hinweis: die Route ist nicht zum Abseilen eingerichtet bzw. geeignet, ein Rückzug ist im Notfall bei Nutzung von Standplätzen in Nachbarrouten aber sicher möglich.

Freitag, 9. August 2019

Salbit - Jimmy (6b+)

Die Jimmy (11 SL, 430m, 6b+) ist eine Kreation der Remy Brothers in der Zwillingsturm SE-Wand am Südgrat des Salbit. Sie verläuft in unmittelbarer Nachbarschaft des ungleich bekannteren Villigerpfeilers. Im Topo 'Salbit Erleben' wurde sie zwar schon immer mit der Höchstnote von 5 Sternen ausgezeichnet. Trotzdem geriet sie in Vergessenheit: die Ausrüstung war eher spartanisch, die Uraltbolts korrodiert und die Risse, nachdem nie geputzt wurde, teilweise zugewachsen. Das änderte sich im Herbst 2018 mit dem grandiosen Einsatz von Bunschi und Gefährten: die Risse wurden gereinigt, alle Haken mit neuem Inoxmaterial ersetzt und wo sinnvoll, auch die Linie korrigiert. Dies alles wollten wir mit unseren eigenen Sinnen erfahren und soviel vorweg, es war der Hammer!

Sicht auf den Zwillingsturm und die Route Jimmy. Der Einstieg und die ersten 2 Seillängen sind hier gut nachvollziehbar, der obere Teil ist zwar korrekt eingezeichnet, aber perspektivisch stark verzerrt. Rechts eingekreist ist die markante Aufschrift 'Clog'. In Originalauflösung sind rechts auch noch 2 Kletterer im Villiger-Pfeiler zu erkennen.
Nun, der Zustieg zum Salbit ist nicht eben kurz, insbesondere wenn man die Routen als Tagestour angehen möchte. Damals zur Ruska hatte ich mit Chris gerade gute 2 Stunden gebraucht. Zur Jimmy nahmen wir es ob der Hitze und der zusätzlich mitgeführten Flugausrüstung ein wenig gemütlicher. Reine Gehzeit brauchten wir etwas weniger als 2.5h, wobei hier eine halbstündige Pause auf der Terrasse der Salbithütte nicht mit eingerechnet ist. Diese machte aber durchaus Sinn, nicht nur für den Flüssigkeitsnachschub. Sondern auch, um vom Hüttenwart Richi die neusten Infos über die Jimmy einzuholen, sowie auch über die sonstigen Aktualitäten im Salbitgebiet informiert zu werden. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank dafür!

Der erste Blick auf's Salbitmassiv von wenig oberhalb des Reglibergs.
Auf den letzten Metern zum Einstieg lag noch Schnee, das wussten wir schon von der Konsultation der Webcam-Bilder. Bei ungünstigen Bedingungen (Hartschnee, Randkluft) kann das zur Herausforderung werden, das Gelände ist doch 35-40 Grad steil. Im Falle des Falles findet man unter einem grösseren Block mit roter Markierung noch einen alten, deponierten Pickel. Zur Zeit unserer Begehung stellte das alles kein Problem dar, der Schnee war weich und die Randkluft inexistent, d.h. man konnte einfach zum Fels marschieren. Entgegen den Skizzen in den alten Topos befindet sich der Einstieg weiter rechts als angegeben, nur 3-4m links von Clock & Stock, welche gross in weisser Farbe mit "CLOG" angeschrieben ist. Mit einer ersten Solo-Risskletterei über 5-6m gelangten wir vom Schnee zu 2 Stand-BH, bei vollständiger Ausaperung ist da womöglich bereits eine (kurze?) Seillänge fällig. Bis wir alles parat hatten und nochmals ausgiebig mit Sonnencrème eingeschmiert waren, wurde es ca. 11.45 Uhr.

Die grandiose Arena unter den Südgrattürmen. Nur noch das Schneefeld hinauf, dann geht's los!

L1, 55m, 6b+:
Entlang der Rissverschneidung geht es geradeaus aufwärts. Es dauert nicht allzu lange, bis man das erste Mal zu den Cams greift, weil die Kletterei ziemlich knifflig ist. Während es im Mittelteil dann vorerst einmal etwas gemässigter vorwärts geht, wird es zum Schluss nochmals richtig schwierig. In der V-Verschneidung müssen alle Register und Techniken eingesetzt werden (Spreizen, Jammen, Piazen, ...). In den alten Topos steht zwar nur eine Bewertung von 6a+, aber meinem Empfinden ist hier sicher eine 6b+ zu veranschlagen. Zum Stand hin war mir dann sowohl das Material wie auch das Seil ausgegangen, unsere 50m-Stricke reichten deutlich nicht und der Nachsteiger musste ein paar Meter nachfolgen.

Die V-Verschneidung im oberen Teil von L1 (6b+) ist ziemlich anspruchsvoll zu klettern!
L2, 50m, 6a: Um die Ecke (der Start ist echt cool) geht's in die nächste Verschneidung. Vom Stand her sieht's echt steil aus und wir stellen uns auch wieder auf fordernde Kletterei (original 5c+) ein. Nachdem die Seitenwände hier mehr strukturiert sind und alles ein wenig griffiger daherkommt, fallen die Schwierigkeiten dann aber doch spürbar geringer aus als in L1. Der Stand nach dem Ausstieg auf die grasigen Terrassen eher etwas links zu finden.

Die zweite Seillänge (6a+) sieht nicht minder eindrucksvoll aus, entpuppt sich dann aber als etwas gängiger.
L3, 50m, 5a: Über grasige Bänder und einige felsige Aufschwünge geht's in diesem, am wenigsten attraktiven Abschnitt der Route wieder volle 50m vorwärts. Es stecken 3 neue BH, welche von weither sichtbar sind und den Weg weisen, kurz vor dem Stand dann auch noch ein alter Ring-BH.

L4, 60m, 6a: Hinein in den oberen Wandteil, der mit der markanten Verschneidung leicht rechts startet. Der Splitter Crack vom Villigerpfeiler befindet sich nur wenige Meter noch weiter rechts. Am Beginn der Verschneidung (d.h. nach 10-15m über einfaches Gelände) befinden sich nochmals 2 BH. Wer mit 50m-Seilen den nächsten Stand erreichen will, muss hier nochmals Halt machen. Ist jedoch nicht unbedingt nötig, das der Zweite bei "Seil aus" die einfachen ersten Meter gut folgen kann. Die Kletterei in der Verschneidung ist echt cool, gegen oben hin wird es immer schwieriger. Zuletzt dann links raus um die Kante zu Stand.

Der obere Wandteil mit seinen klar geschnittenen Linien, gesehen vom Stand nach L3.
L5, 25m, 6a: Wie in der Dawn Wall gibt's auch hier eine Loop Pitch! Die direkte Querung nach links ist sicher möglich, sieht und fühlt sich bei einer Anprobe aber ziemlich schwierig an (>6a?). Der logischere Weg führt vom Stand der Schuppe entlang 5m nach unten, dann 3m nach links und den Rissen entlang wieder hinauf. Dann weiter den Rissen entlang zu Kettenstand und Muniring, der für einmal schon ziemlich bald folgt.

Hand Jam in L5 (6a). Risshandschuhe (=Hand Jammies) zu tragen ist übrigens auf der ganzen Routen sinnvoll.
L6, 30m, 6a: Erneut geht's mit einer schwierigen Linksquerung los, diesmal ist der Move aber auch ohne Loop gut machbar. Danach weiter schön und anhaltend der Verschneidung entlang.

Fantastische Kletterei, immer der Sonne entgegen, auch in L6 (6a).
L7, 25m, 6b: Während man zuerst der Verschneidung folgt, erklettert sich das Dach mit dem Rechtsknick nicht dem Risssystem entlang, sondern rechts in der Wand. Dabei gibt es tatsächlich einen etwas kniffligeren Move (der zudem auch obligatorisch ist). Die Bewertung von 6b global gesehen vielleicht schon ok, im Vergleich zu vielen anderen Seillängen der Route fand ich diesen Abschnitt aber einfach.

Eine kurze Passage in Wandkletterei, das Rissdach wäre hier mühsamer zu klettern in L7 (6b).
L8, 25m, 6b+: Vom Stand im Niemandsland der feinen Rissspur entlang unters Dach und mit einem weiten Move nach links an die griffige Schuppe. Piazend aufwärts, die Griffe bleiben nicht ganz so gut und man tritt auf etwas brösmeligem Fels an. Die Crux kommt dann aber erst ganz am Schluss, wo man knifflig nach links um die Ecke muss - man finde die seichten Klemmer und sehe zu, dass die Pfoten nicht rausflutschen!

Feine Rissspur zu griffiger Schuppe, an welcher dann kräftig gepiazt werden will in L8 (6b+).
L9, 45m, 6b: Zuerst geht's noch gemässigt daher, es kommt wieder einmal die Double-Gaston-Technik zum Einsatz. Sowas braucht man ja eher selten, in der Jimmy aber längst nicht das einzige Mal. Ganz generell ist so, dass das Gelände zwar gar nicht allzu steil ist. Um rein auf Reibung anzutreten reicht es dann aber doch nicht, so dass man sich stets irgendwie hinpressen muss. Anyway, diese Seillänge geht dann in einen Riss über, wo schliesslich 3m rechts aussen in der Wand ein Standplatz ist. Dieser scheint mir schwierig zu erreichen und ich bin mangels aktuellem Topo verwirrt, da es gemäss den älteren Skizzen an dieser Stelle auch zum Kontakt bzw. Kreuzung mit dem Villigerpfeiler kommt. Daher also weiter dem Riss entlang. Mittels Jamming und Verklemmen der Füsse geht's, die Cams kommen zum Einsatz, gar nicht mal so einfach! Schliesslich gehen mir Seil und Material aus, doch ein Stand kommt keiner (derjenige rechts aussen wäre es eben doch!). Gerade beim Kreuzungspunkt mit dem Villigerpfeiler lässt sich aber mit BH und einer soliden Schlinge an einem Felskopf auf bequemer Trittleiste einer improvisieren. Vermutlich fast die bessere Lösung so!

Mal ein bisschen Schatten war gar nicht schlecht, Sonne hatten wir an diesem Tag schon viel abbekommen. Allerdings für die Fotoqualität ist's nicht unbedingt förderlich ;-) Trotzdem kommt hier der anspruchsvolle Jam-Riss in L9 (6b) noch einigermassen zur Geltung. Es sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich erwähnt. Ich sichere hier nicht von einem offiziellen oder eingerichteten Standplatz, der improvisierte ist jedoch sehr gut.
L10, 25m, 6a+: Über den Aufschwung und weiter dem Riss entlang. Es wartet eine feine Stelle, der Rest entpuppt sich dann als deutlich gutmütiger. Man trifft schliesslich auf einen gemeinsamen Stand mit dem Villigerpfeiler.

L11, 30m, 6b+: Die glatte, fordernde Piazverschneidung geradeaus habe ich vom Villigerpfeiler her noch gut in Erinnerung. Unsere Route verlässt sie aber in ein paar Metern überhängend-griffiger Kletterei nach links (Crux). Ist man einmal um die Ecke, wartet nur noch (vermeintliches) Cruising-Gelände, das sich dann doch ein bisscshen schwieriger als gedacht entpuppt. Dennoch zügig geht's zum Stand am Top des Zwillingsturms.

Top of Zwillingsturm erreicht nach gut 5:00h anspruchsvoller, aber genialer Granitkletterei.
Wenige Minuten vor 17.00 Uhr und damit nach gut 5:00h Kletterei tragen wir uns im Wandbuch ein. Ich kann es nicht unterlassen, das Buch durchzublättern. Und siehe da, es ist fast exakt 10 Jahre her, seit ich mit Kathrin diesen Punkt via den Villigerpfeiler erreicht hatte. Das war nur wenige Wochen nach unserer Hochzeit und ein paar Monate vor der Geburt unserer Tochter gewesen. Tolle Erinnerungen, aber heia wie die Zeit vergeht - mir kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen! An der Gipfelwand sind noch einige Seilschaften unterwegs. Wir aber begnügen uns mit einem Rundblick und denken dann bald ans Abseilen, es wartet ja doch noch ein zünftiges Restprogramm auf uns. Für den ersten Abseiler ist es definitiv geeigneter, nicht den Stand am Gipfel/Buch zu nutzen, sondern jenen wenige Meter tiefer in der Scharte. Nach knapp 50m befindet sich ein weiterer Abseilstand. Man könnte von dort nun über die Abseilpiste "Bärner Blitz" weiter, optimaler ist es jedoch, zum Stand nach L8 abzuseilen und dann in 5 weiteren Manövern über die Route zurück zum Einstieg, zuletzt reichten die Seile gerade knapp bis auf den Schnee, Dauer total ca. 1:00h.

Panorama vom Zwillingsturm, was für eine tolle Bergwelt!

Tiefblick auf den Salbit Westgrat. Bald erscheint ein neuer Artikel aus meiner Feder dazu!
Zurück am Einstieg bleibt uns dann keine Zeit zum Trödeln. Wir wollen ja noch in die Luft und die SE-Mulde unterhalb kriegt immer mehr Schatten, irgendwann wird der katabatische Abwind einsetzen. Wenige Meter unterhalb, beim Einstieg von Licht + Schatten ist es etwas flacher, hier wäre ein Start denkbar. Es hat aber nur 1 Schirm auf's Mal Platz und es ist trotzdem steil. So scheint es uns einfacher und zeitsparender, rasch 100hm durch den weichen Schnee abfahrend zu vernichten und dort auszulegen. Ein leichter Zug von hinten ist schon spürbar und wir müssen die Schirme entsprechend befestigen. Die Handgriffe sitzen aber routiniert und um 18.20 Uhr wird entschlossen abgehoben. Dank dem ideal geneigten Gelände geht's perfekt. Wir müssen nur ein wenig Vorfliegen an die Kante zum Voralptal, dort steht wie vermutet schon die erste Bombenthermik. Im Nu geht's aufwärts, es ist ein Kinderspiel, den Gipfel nochmals zu erreichen, ja sogar zu überhöhen. Die Fliegerei in solch starker Thermik mit dem Minimal-Equipment (Typ 1-Lagen-Plastikfolie mit ein paar Zahnseidefäden) ist durchaus speziell und sehr, sehr eindrücklich. Es geht aber gut und sowieso ist es mehr Kopfsache - mit dem Streckenschirm und dem Beinsack-Gurtzeug hat man zwar schon mehr Material um sich, aber eine geschützte Druckkabine ist das ja dann doch auch wieder nicht.

Hey ho, let's go! 2 Minuten Surf in schön weichem Schnee zum Startplatz.
Auf jeden Fall ist es genial, auf diese Art und Weise das Salbit-Massiv aus einer neuen Perspektive zu sehen. Irgendwann ist dann doch Zeit, um sich auf den Heimweg zu machen. Das dauert, sind doch noch über 2000hm zu vernichten und es trägt selbst über dem Tal draussen sehr gut. Auch die Landung ist dann eher auf der sportlichen Seite. Der Talwind ist zwar nicht überaus stark, aber jojomässig geht's mal runter und dann doch wieder rauf. Gut jedenfalls, wenn man bereits bei früherer Gelegenheit und anderem Material Erfahrung in solchen Conditions gesammelt hat. Der Schlüssel liegt ganz einfach darin, Geduld zu haben und sich auf das Pilotieren zu konzentrieren. Auch wenn der Boden schon nahe scheint, die Sache ist erst gegessen, wenn beide Füsse auf der Erde sind. Etwas nach 19 Uhr nach einer knappen Flugstunde setzen wir schliesslich auf. Alles perfekt gelaufen, bis auf eine am Schirm versteckte Biene, die mich beim Zusammenlegen noch sticht - wow, war das ein Tag!

Hier habe ich mich dann einmal getraut, die Pfoten von den Bremsen zu nehmen und ein Foto zu machen. Mitten über dem Tal, und immer noch fast höher als der Salbit. Das war schon ein  unglaublicher Thermik-Hammertag, schliesslich ist es zum Zeitpunkt des Fotos schon nach 18.30 Uhr abends!

Facts

Salbit Zwillingsturm - Jimmy 6b+ (6b obl.) - 11 SL, 430m - C. & Y. Remy 1988, saniert R. Bunschi et al. 2018 - *****;xxx(x)
Material: 2x50m-Seile, 14 Express (min. 6 verlängerbare), Cams 0.3-3, evtl. 0.3-1 doppelt, evtl. Keile

Grandiose Granitkletterei entlang von vielen, dank der Sanierung im 2018 nun sauberen Rissen und Verschneidungen. Die Route kann meiner Meinung nach mit den besten Granit-Gustostücklein der Welt mithalten, so dass ich gerne die Höchstnote von 5 Sternen vergebe. Einzig die so richtig ausgesetzte Linie in einer steilen Wand bleibt der Jimmy vorbehalten - die Kletterei ist oft etwas "liegend", bei dafür nicht so stark strukturiertem Fels. Mit einer Bewertung von 6b+ und vielen Seillängen im Bereich 6a mag die Route als "an easy day" erscheinen. Dies täuscht jedoch, es warten viele fordernde Klettermeter und die Bewertungen sind granittypisch hart. Im Vergleich zu manch anderer, moderner Kalktour kann man gerne überall einen Buchstabengrad hinzuzählen und z.B. die mit 7a bewertete Sacremotion am Chli Bielenhorn würde ich aus Gesamtsicht als einfacher betiteln. Die Absicherung mit besten Inoxmaterial ist seit der Sanierung sehr gut, muss jedoch vielerorts mit Cams noch vervollständigt werden, was sehr gut möglich ist und sich bei den vielen Rissen auch anbietet. Wer die Schwierigkeiten im Griff hat, kommt mit 1 Set Cams 0.3-3 durch. Wer üppiger und weniger taktisch legen will, ist möglicherweise um ein zweites Set vom 0.3-1 froh. Ein präzises Topo in gedruckter Form gibt es derzeit nicht. Die beste Literatur ist der Führer "Salbit Erleben", welcher jedoch den Stand vor der Sanierung zeigt und bzgl. aktuellem Routenverlauf und Absicherung nicht mehr wirklich stimmig ist. Unten findet ihr meine Skizze. Ich habe unterwegs keine Notizen gemacht, die Angaben zur Anzahl Bolts und den gelegten Cams sind daher ohne ganze exakte Gewähr, geben aber hoffentlich doch einen guten Anhaltspunkt.

Topo der Jimmy am Salbit Zwillingsturm