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Freitag, 4. Oktober 2019

Ailefroide - Cascade Blues (6a)

Vor der langen Heimreise und dem Stillsitzen auf dem Polster wollten wir noch eine Route in Ailefroide klettern um ein wenig Bewegung zu erhalten und die schöne Berggegend ein letztes Mal zu geniessen. Die Wahl fiel auf die Paroi de la Draye, die mit minimalem Zustieg und vormittäglichem Schatten auftrumpft. Ebenso dünkten mich die Touren an dieser Wand auch nicht ganz so stark frequentiert wie jene an der Poire, im Palavor-Sektor oder bei der Fissure, aber möglicherweise hatten wir auch einfach Glück. Erwähnt sei aber auch, dass die Routen an der Draye vielleicht auch nicht ganz so homogen gut wie die beliebteren Ziele sind, sie bieten aber trotzdem lässige Kletterei. Meinen kleinen Mann konnte ich insbesondere damit locken, dass auf dieser Tour auch noch 2 Wasserfälle (wovon 1 aber ausgetrocknet) überschritten werden mussten. Zudem konnte er dank dem Mix von einfacheren und schwierigeren Seillängen auch die Hälfte der Route vorsteigen.

Ansicht der Paroi de la Draye, Sektor Cascade von der Strasse, mit dem Verlauf von Route, Abseilständen und Fussabstieg.
Nachdem wir das Zelt getrocknet und verräumt sowie unser ganzes Hab und Gut eingepackt hatten, waren wir erst am frühen Nachmittag startbereit. Unmittelbar Ausgangs Ailefroide beim Ortsschild gibt's ein paar wenige Parkplätze, ein wenig bergaufwärts startet auch der Pfad, der in wenigen Minuten zur Wand führt. Eine Seilschaft hatte eben schon den Gipfel erreicht, sonst war niemand zugegen, umso besser für uns! Um 13.10 Uhr stiegen wir ein, die Sonne hatte vor kurzem die Wand erreicht - an heissen Tagen begeht man die Tour also vorzugsweise am Vormittag, für uns herrschten jedoch auch an der Sonne angenehme Bedingungen.

L1, 6a: Schöne Seillänge mit griffiger Kletterei, wobei im oberen Teil mit ein paar athletischen Zügen über eine Kante hinweg nach rechts geklettert werden muss. Einige mit der Bohrmaschine modellierte und mit Sika ausgekleidete Griffe erleichtern dies. Sie können aber problemlos vermieden werden, nach meinem Empfinden ändert der Schwierigkeitsgrad dabei kaum. Wer voll am Limit ist, empfindet dies vielleicht anders?!? Doch auch dann: ist es wirklich sinnvoll, Routen auf diese Art zu präparieren?

Schöne Kletterei mit ein paar unnötigen, modellierten Griffen in L1 (6a).
L2, 5c: Durch den Gemüsegarten geht's zur nächsten Wandstufe. Von weitem sieht diese niedlich aus, aus der Nähe ist's dann gar nicht mal so popelig. Die Stelle ist zwar gut abgesichert, aber aufgrund vom Gelände ist hier doch ein heikler Bodensturz gar nicht so unwahrscheinlich. Tja, die Nerven von einem Vater, der seinen Kleinen vorsteigen lässt. Er meistert es aber souverän. Im Zweifel besser am Fuss der Wand einen improvisierten Stand machen. 

L3, 6a: Sehr schöne Kletterei mit der Ailefroide-typischen Mischung von Platte/Wand einer Art Rampe entlang aufwärts. Zum Schluss einige feine Moves an einer runden Plattenkante mit grossen Slopern, das fand ich sehr elegant. Hier wurde die Absicherung verbessert (Haken versetzt/ergänzt), so dass man perfekt gesichert steigen kann.

Nach meinem Empfinden die schönste, schwierigste und beste Kletterstelle der Route, das Finish von L3 (6a).
L4, 4b: Die erste Wasserfallquerung. Quergang nach links, dann eher zum Bach hinab. Wer seinen Aufenthalt im Spritzbereich minimieren will, nimmt wohl gerne die Seilstücke links und rechts zur Hand. Puristen können auch freiklettern, wobei das Gestein natürlich schon etwas glitschig ist. Ich bin die Stelle barfuss geklettert, die Finken bleiben sonst garantiert nicht trocken.

Er hat die Wasserfallquerung in L4 (4b) geschafft, den folgenden Plattenbuckel von L5 (5c+) kann man gut im Profil sehen.
L5, 5c+: An eher kleinen Griffen gleich aus dem Stand raus ein bisschen kräftig über die Stufe, danach plattige Kletterei. Um den angegeben Grad zu klettern, muss man an entscheidender Stelle eine kurze, aber entschiedene Rechtsquerung einleiten. Wer den Gummi testen will, kann auch gerade hinauf (dann schwieriger wie 5c+).

Die Cascade, die dem ganzen Sektor und der Route den Namen gibt.
L6, 5a: An dieser Stelle könnte man das nächste (zum Zeitpunkt unserer Begehung ausgetrocknete) Bachbett schon queren. Vor allem auch sind links davon Haken sichtbar, obwohl es laut meinen Topos dort (noch) keine Route gibt. Das wäre aber der falsche Weg: es geht geradeaus über die einfache, geneigte Zone und durch die schöne, steilere Wand. Hier ist die Absicherung für einen Kindervorstieg eher grenzwertig (Abstände etwas grösser und die Bolts stecken unangenehm hoch).

L7, 4b: Nun folgt die zweite Bach(schlucht)querung. Einfach den Bohrhaken entlang nach links und etwas absteigend in die Schlucht. Die Haken stecken hier sehr eng und auch freundlich für schwächere Nachsteiger. Jenseits dann im Gehgelände hinüber zum letzten Aufschwung. Stand entweder im flachen Gelände schon davor oder (besser) direkt an dessen Fuss, da sonst zu Beginn der schwierigen Kletterei auch wieder die Gefahr von einem Bodensturz droht. 

Sieht mehr ein bisschen nach T6-Wandern aus... der Fels ist aber gut und solide (L7, 4b).
L8, 6a: Am letzten Felskopf gab's zur Zeit unserer Begehung 2 Linien. Welche davon wirklich die Cascade Blues ist, konnte ich nicht entschlüsseln. Nach den Topos wäre es die Linie ganz rechts, allerdings steckte dort quasi taufrisches Hakenmaterial und mir schien es, als wäre das eine neue Route oder Variante. Somit überliess ich meinen Sohn die Entscheidung, er entschied sich für die (wohl etwas schwierigere) linke Variante. Nochmals sehr schöne Steilplattenkletterei, prima Abschluss!

Top erreicht! Der Auftakt in L8 (6a) ist nochmals fein, am Ende geht's dann griffiger zuher.
Am Top gibt's nicht viel neues zu holen und zu sehen, zudem wartet auf uns noch ein langer Heimweg. So verweilen wir nicht lange und fädeln die Seile nach ca. 2:45h Kletterei gleich in den Abseilring. Ja, extrem schnell waren wir heute nicht gewesen, eine ziemlich gute Zeit ist's trotzdem -  Kindervorstieg braucht jedoch immer etwas Geduld, ist ja auch genau richtig so. Direkt runter (im Aufstiegssinn links vom Bach und der Route) geht's 45m runter, man muss eher etwas nach NW halten! Das Seilabziehen klappt und so machen wir uns gleich auf die nächste, nun 50m lange Etappe. Von dort kann man zu Fuss entlang von einem Pfad (T5) abkraxeln, dann noch den Bach überqueren und man ist zurück am Einstieg. Bald sind wir zurück an der Strasse, wo wir nach Ailefroide schlendern, um zum Ferienabschluss noch ein kühles Getränk und ein Glacé zu geniessen. Dann machen wir uns auf den Weg, es dauert nicht lange, bis alle friedlich schlafen und sich von den Anstrengungen erholen, während Daddy am Steuer die Arbeit erledigt.

Facts

Ailefroide - Cascade Blues 6a (5b obl) - 8 SL, 240m - J.M. & S. Cambon 1992 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express

Hübsche, abwechslungsreiche Plaisirtour, auf welcher kompakte Platten im 5c/6a-Bereich durch ein paar einfachere Abschnitte verbunden werden. Diese haben nicht unbedingt und überall Premium-Qualität, sind aber problemlos machbar. Sehr originell ist die unumgängliche Querung des Wasserfalls (2x, wohl meist 1x ausgetrocknet). Die Absicherung mit BH ist sehr gut ausgefallen (Plaisir gut+), vor nicht allzu langer Zeit wurden noch einige Runouts entschärft, andere Haken versetzt und die Stände mit rostfreiem Material teilsaniert. Original steck(t)en wie bei JMC üblich nur verzinkte Haken, welche aber meist noch akzeptablen Zustand aufweisen.

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