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Montag, 25. August 2014

Cansla/Traumpfeiler - Traumschiff (7a)

Schon oft waren wir an diesem Stück Fels vorbeigefahren, welches sich unmittelbar am Kreuzungspunkt der Strassen zum Sella- und Grödnerjoch befindet. Keinesfalls achtlos, irgendwie stand es immer auf dem Plan, hier einmal zu klettern. Rein vom Namen her ist die Sache ja äusserst vielversprechend, andererseits fehlt hier etwas die richtige (alpine) MSL-Atmosphäre. Doch zum Abschluss unserer Dolomitenferien, mit bereits leicht müden Muskeln und Geist, waren wir um die kurze Zufahrt und den kurzen Zugang sehr froh. Dennoch bestand ja die Aussicht, hier auf hohem Niveau noch schönen Fels zu geniessen, und so kam es dann auch.

Die SW-Wand der Meisules della Biesces. Der Traumpfeiler ist nur der untere Teil dieser Wand.
Nachdem es in der Nacht erneut etwas Niederschlag gegeben hatte, verzichteten wir auf einen frühen Start und wollten dem Pfeiler die nötige Zeit zum Abtrocknen geben. Das Streiflicht der Sonne fällt so ab etwa 12.00 Uhr ein, somit konnten wir also bequem das Kinder-Morgenprogramm bestreiten und zogen los, als diese in ihren wohlverdienten Mittagsschlaf fielen. Tja, auch für sie waren diese Ferien von zünftigen Efforts geprägt, was sie für ein (inzwischen unübliches) Nickerchen reif machte. Der Zustieg dauert nur rund 10 Minuten, zuletzt geht es noch steil den schrofigen Vorbau hinauf, der aber durch ein Drahtseil entschärft ist. Der Einstieg ist nicht markiert, das Traumschiff aber unter den zahlreichen Routen dank den roten BH zu identifizieren. Zudem verläuft die erste Länge über die auf der Platte aufliegende Schuppe/Pfeiler. Gerade so um die Mittagszeit konnten wir loslegen.

L1, 25m, 6c: Der schon schöne, aber noch nicht allzu schwere Beginn mit einer (in Retrospekt) gutmütigen Reibungsstelle führt zu einer überhängenden Zone. Hier erst athletisch an Löchern und Töffgriffen, danach folgt der knifflige Ausstieg auf die Platte oberhalb.

Die ersten, angenehmen Sonnenstrahlen empfangen wir zum Ende von L1 (6c). Sie bleibt dann bis spätabends.
L2, 25m, 7a: In den ersten zwei Dritteln extrem schöne Lochkletterei, die nicht allzu schwierig ist (ca. 6b). Am Schluss kommt's dann knüppeldick, die Löcher sind nur noch sloprige Dullen, man muss gescheit antreten und einen weiten Move auf einen bereits etwas abgelutschten Sloper machen. Dies empfand ich als die schwerste Einzelstelle der Route. Leider kletterte ich erst in eine Sackgasse, was mir die komplette Onsightbegehung zunichte machte, schade! Nach kurzer Reconaissance liess ich mich zum letzten Ruhepunkt ab und holte mir immerhin noch eine Rotkreis-Begehung.

Die glatt-sloprige und anspruchsvoll-technische Crux am Ende von L2 (7a).
L3, 25m, 6c: Wir wählten die etwas einfachere Original rechts, links davon gäbe es auch eine 7a-Option. Die Kletterei bzw. Schwierigkeiten in dieser Länge sind affengeil und ziemlich anhaltend, da muss echt über längere Zeit sorgfältig überlegt und hingestanden werden! Und obwohl die Route generell bestens eingebohrt ist, muss hier ein recht schwieriger Aufsteher +/- zwingend gemeistert werden. Daher ist's wohl doch 6b+ obligatorisch.

L4, 25m, 6c+: Die ersten zwei Drittel bieten hier etwas einfachere, aber nach wie vor sehr schöne Lochkletterei (ca. 6a+). Dass in einer steileren Zone danach die Crux kommt ist dann offensichtlich - kurze Rechtsquerung, dann 2x Leisten riegeln, recht mühsam den Fuss auf den hohen Tritt bringen und schliesslich nicht runterfallen, bevor man das nächste, gute Loch gefunden hat!

Super Kletterei und schöner Tiefblick, den man in der schweren Stelle am Ende von L4 (6c+) jedoch kaum wahrnimmt.
L5, 25m, 7a: Gleich aus dem Stand raus muss man schon einmal etwas aufpassen und es wird gar nie richtig einfach, bevor dann schon die Crux kommt. Da musste ich zwar auch einmal kurz plattigst antreten und einen etwas riskanten Move machen, der offensichtliche Zielgriff ist aber auch eindeutig gut. Mich dünkte diese Stelle problemlos und ich fand sie fast weniger fordernd wie die vier Längen davor.

L6, 25m, 6c: Nachdem man endlich ein schön bequemes Grasbödeli als Standplatz hatte, scheint die letzte Länge etwas dolomitisch zu sein. Es kommt zuerst eine steile Zone mit gelbem, etwas splittrig aussehendem Fels. Die Kletterei ist vielleicht nicht mehr ganz so gut wie zuvor, entpuppt sich aber immer noch als sehr schön und gutgriffig an Löchern und Leisten - ein prima Genuss.

Das Top der Route ist erreicht, Strasse und Parkplatz sind nah. Allfälliger Töfflärm ist die Kehrseite.
Um 15.30 Uhr nach 3.5 Stunden Kletterzeit haben wir beide das Top erreicht. Um den Langkofel schleichen schon wieder dunkle Wolken, höchste Zeit für die Abseilfahrt! Obwohl man auch mit einem Einfachseil abseilen könnte, haben wir zum Glück das Doppelseil dabei. Die Seile werden eingefädelt, subito ist man 50m weiter unten und wählt den am nächsten liegenden Stand (einer Nachbarroute). Mit zwei weiteren Manövern sind wir wenige Minuten später zurück am Einstieg. Wir packen unsere Sachen und trotten zum Auto zurück, der Himmel lässt tatsächlich noch ein paar wenige Tropfen fallen. Wir bleiben aber im Wesentlichen trocken und konstatieren, dass dies nun ein sehr schöner und genussreicher Abschluss unserer Dolomitenferien 2014 war!

Das Ferienfazit steht sogar auf der Cola-Flasche drauf :-)
Facts

Cansla/Traumpfeiler - Traumschiff 7a (6b+ obl.) - 6 SL, 150m - Demetz/Vinatzer 1986 - ****; xxxxx
Material: 12 Express, 1x60m oder besser, 2x50m-Seile

Geniale, relativ kurze, aber dafür anhaltende MSL-Kletterei auf traumhaftem, löchrigem Fels. In der wenig gegliederten Wand wähnt man sich schon fast beinahe wie an den Wendenstöcken! Für die vollen fünf Sterne reicht es aber nicht ganz, da es der Route an Länge und Ambiente fehlt. Zudem weist der Fels bereits ein paar Kletterspuren auf, was aber nicht als sonderlich störend empfand. Die Absicherung mit vielen BH ist sehr gut ausgefallen. Sie erfordert keine zusätzlichen Mittel und man kann wirklich voll angreifen. Trotzdem, einige Stellen sind unmittelbar über dem Haken zu meistern, so dass ein gewisses Können unabdingbar ist, um das Top zu erreichen.

Topo

Die Route bzw. der ganze Klettergarten wird in zahlreichen Dolomiten-Kletterführern erwähnt. Auch auf dem Netz findet man einiges und selbst vor Ort hat es einen Aushang, an welchem das komplette Topo des Gebiets vorhanden ist. Ich habe es mir trotzdem nicht nehmen lassen, zur Erinnerung meine eigene Version anzufertigen. Es ist auch als PDF verfügbar.


Montag, 18. August 2014

Jegerstöck / Rot Nossen - Rapunzel (6b+)

Nach einer langen 'Durststrecke' von fast 2 Monaten war in der Schweiz endlich wieder einmal ein sonniger und komplett trockener Tag angekündigt. Dieser wollte natürlich für eine tolle Tour genutzt werden. Für mich ergab sich eine Verabredung mit Christoph zum Berg-Triathlon an den Jegerstöck. Dieser sollte aus dem Zustieg, einer steilen Felstour und dem abschliessenden Gleitschirmflug zurück auf den Urnerboden bestehen. Unsere Wahl fiel auf die 14 Seillängen lange Tour Rapunzel, die ursprünglich mit 7+ eingestuft war und heute mit 6b+ bewertet wird. Nach einigen Auftaktlängen über ein paar Aufschwünge hinweg bietet sie eine steil-imposante Linie auf den markanten Felsturm am Rot Nossen. Trotz der optimalen BH-Absicherung handelt es sich um ein ganz tolles und auch sehr eindrückliches Klettererlebnis von beinahe dolomitischem Ausmass.

Unterwegs an die Jegerstöck, die dem Prädikat 'stotzig' auf jeden Fall genügen! Dieses Massiv ist definitiv eine Love or Hate Affair.
Die fast 10km lange Kette der 'Jegerstögg' (wie sie im lokalen Dialekt heisst) hat es nie zu besonders grosser Beliebtheit gebracht. Einige wenige klassische Führen durchziehen sie, die aber wegen der alpinistischen Gesamtanforderung mit komplex-schwierigen Zustiegen und schlechter Absicherung nur sehr selten begangen wurden. Im Zuge der modernen Erschliessung in den 1990er- und 2000er-Jahren herrschte dann grosse Geheimniskrämerei um die Aktivitäten. Die Locals wollten keine auswärtigen Erschliesser in ihrem Revier und verzichteten auf die Weitergabe von Infos über ihre Touren. Die Situation änderte sich mit der erstmaligen Publikation des Gebiets im Führer GLclimbs im Jahr 2009. Ab diesem Zeitpunkt herrschte während 1-2 Sommern etwas mehr Betrieb. Diese Welle ist jedoch bereits wieder verebbt, und auch im neuen Führer Extrem Ost vom Filidor-Verlag bleibt das Gebiet unverständlicherweise aussen vor. Klar, der Zustieg an die Jegerstöck ist immer noch nicht kürzer geworden und in eigentlich jeder der längeren Routen kann man darauf zählen, auch ein paar ruppige Passagen anzutreffen. Dies unterstreicht aber nur das alpine Ambiente dieser Touren und der Erlebniswert wird deswegen auch nicht kleiner. Eines ist sicher, wer sich diesen kleinen Nachteilen stellt, wird über weite Strecken mit grandios-rauhem Hochgebirgskalk, kühnen Linien und grandiosen Tiefblicken ins Klausengebiet belohnt.

Zoom-Ansicht vom Zingelfad auf den steilen Gipfelturm mit den imposanten L7-L13.
Als wir frühmorgens die Klausenstrasse hinauffuhren, schweifte unser Blick natürlich sofort nach rechts auf die Jegerstöck. Der Meteomann hatte am Vortag von Schneefällen bis gegen 2000m hinunter berichtet. Er lag eindeutig richtig, deren Spuren waren klar  vorhanden, zudem waren auch alle Felsen klatschnass. Doch schliesslich ist ja erst Mitte August, und so war ich guten Mutes, dass die noch starke Sonneneinstrahlung den steilen und rauhen Fels rasch abtrocknen würde, was denn auch eintraf. Unsere Tour startete um 8.15 Uhr beim verfallenen Hotel Tell auf dem Urnerboden. Zuvor hatten wir noch mit einiger Mühe mein für dieses Vorhaben nicht optimale Flug-Equipment möglichst komprimiert, so dass es Berg-Rucksack Platz gefunden hatte. Tja, und dann ging es einfach bergauf, erst bescherten uns die durchnässten Wiesen nasse Füsse, dann ging's im Geröll-Geholper die Alpelichäle hinauf. Zum Schluss gilt es dann noch, der wenig ausgeprägten Spur auf dem Zingelfad nach rechts zu folgen. Spannend war natürlich auch die Frage, wie sich denn die aus Erinnerung, Fotos und Karte zusammengereimten Startplätze für den nachmaligen Flug tatsächlich präsentieren würden. Aber da konnten wir beruhigt sein, es taten sich nämlich gleich mehrere Möglichkeiten auf. Das Auffinden des Einstieg war für mich dann eine Formsache, da ich ihn schon bei früheren Besuchen des Gebiets ausgekundschaftet hatte. Er ist mit einer Holzplakette in 5m Höhe markiert und befindet sich gerade ennet des ersten Couloirs, welches sich rechts der Hauptwand am Rot Nossen herunterzieht. Für unseren ziemlich schwer beladenen Aufstieg (850hm) hatten wir gerade 90 Minuten gebraucht. Nachdem wir gevespert und unsere (Flug-)Ausrüstung ziemlich aufwendig vor den möglicherweise zudringlichen Geissen befestigt hatten, stieg ich um 10.15 Uhr ein.

Alles gut vertäut, mit den Geissen ist hier nicht zu spassen!
Hier geht es los, wer genau hinschaut erkennt auch die Holzplakette.
L1, 25m, 5c+: Steiler, griffiger Auftakt an einem Pfeiler, irgendwie in der Morgenkühle gar nicht so einfach. Danach geht's mal rechts um die Ecke, dort ist's zwar einfach, allerdings auch etwas brüchig. Zuletzt kommt man wieder auf den Pfeiler/Grat zurück, dort ist der Stand.

Im oberen Teil von L1 (5c+) ist das Gelände nicht eben kompakt. Passt aber scho...
L2, 45m, 1: Grasiges Verbindungsstück im Gehgelände. Hoch bis zum BH, danach Traverse nach links.

Sicht auf L2 und den Weiterweg am nächsten Aufschwung mit L3 und L4.
L3, 35m, 6a+: Schöne, plattige und bestens abgesicherte Wandkletterei in gutem Fels. Eine Stelle in der Mitte erfordert doch schon etwas Geschick beim Hinstehen und auch etwas Blockierkraft. Der Stand dann gut geschützt linkerhand unter einem Dach.

Schöne Plattenkletterei in L3 (6a+). Hier ist das erste Mal präzises Antreten gefragt.
L4, 40m, 6a: Das Überwinden des erwähnten Dachs an seinem rechten Ende stellt die Crux der Länge dar. Danach folgt noch etwas steile, griffige Wandkletterei, bevor man das nächste Grasband betritt. Es ist gut begehbar, der Stand befindet sich am Fusse des nächsten Aufschwungs.

L5, 43m, 6b+: Nach klausentypischen Klötzlifels sieht dieser steile Aufschwung aus und so kommt es dann auch. Das Gestein ist allerdings viel fester, als es den ersten Anschein macht und ich hatte rein gar keine Probleme mit Griffe/Tritte ausreissen. Die Crux besteht aus einer kurzen, feingriffigen Stelle in der Mitte.

Christoph am Stand vor L5 (6b+). Der Klötzlifels ist hier solide und gut zu klettern, die Länge wirklich ein Genuss.
L6, 20m, 1:  Kurzes Verbindungsstück hinauf zum Sockel des grossen, abschliessenden Turms.

L7, 35m, 6b+: Zuerst einfach auf den Sockel hinauf, dann an der Quelle vorbei, welche aus der Wand entspringt und hinein in die steile Wand. Zuerst will eine knifflige Verschneidung erklettert werden, danach geht's in steiler Wandkletterei weiter. Hier sind die Schwierigkeiten anhaltend und die Sache ist ziemlich ausdauernd, der Fels oben ist einfach perfekt: rauh, griffig und mit Tropflochleisten garniert.

Auf geht's in den Gipfelturm. In L7 (6b+) klettert man erst noch am Sockel, dann eine steile Verschneidung und die Wand daneben.
L8, 28m, 6b: Vom Stand nach links hinaus und dann wie gehabt in steiler Wandkletterei an rauhem, griffigem Fels bei recht anhaltenden Schwierigkeiten weiter. Hier gibt es links und rechts auch die eine oder andere hohl tönende Schuppe, man kann diesen unsicheren Strukturen aber meist problemlos ausweichen.

Tolle Kletterei und viel Freude am Moven in L8 (6b).
L9, 25m, 6b: Zum ersten Haken klettert man einen ziemlichen Bogen untenrum, danach wie zuvor schöne, technisch anspruchsvolle Wandkletterei an rauhem Fels. Es geht hin und her, die richtige Linie will erkannt sein, purer Klettergenuss in atemberaubend luftiger Position!

Christoph folgt in L9 (6b), die Exposition an dieser Stelle ist einfach atemberaubend!
L10, 30m, 6a+: Auf dem Band traversiert man 5m nach links und packt die schöne und einfache Verschneidung an. Auch die Wand danach wartet vorerst mit guten Henkeln auf und ist trivial. Zum Schluss wird die Sache dann aber deutlich griffärmer, in schöner, technischer Wandkletterei meistert man die Crux.

Schönes Lichtspiel in L10 (6a+), hinten grüsst die frisch verschneite Clariden-Nordwand.
L11, 20m, 5c+: Über eine Wandstufe geht es nun ins Turmzimmer hinauf. Der Fels ist erst noch gut, danach ein bisschen klötzlimässig und eher lose. Aber es ist nicht schwer, und daher problemlos. Das Turmzimmer ist dann leider weder schön noch gemütlich, da hatte ich aufgrund vom Namen mehr erwartet!

L12, 25m, 6a+: Das Problem ist eben auch, dass es hier massiv tropft! Schon vom Einstieg hatten wir erkennen können, dass die Zone unter den Abschlussdächern noch feucht bis nass war. Leider scheint hier auch die Sonne nur kurz hin, so dass keine wirkliche Besserung stattgefunden hatte. Also was hilfts? Die Jacke wird angezogen und es geht rein ins Vergnügen. Irgendwie ist's ein bisschen wie beim Eisklettern, auch wenn die Temperaturen ein bisschen höher sind ist's nicht angenehmer. Die Route geht auch wirklich durch den ärgsten Streifen, wo es richtig tropft und auch der Fels ist zu Beginn etwas auf der brüchigen Seite. Die zweite Hälfte dieser Länge ist dann "nur noch feucht", die Crux ist (bei diesen Verhältnissen?!) der Mantle auf das schmale Band, wo sich der Stand befindet.

Wegen diesem Bizzeli Nässe schreibt der so viel? Es war unangenehmer wie es aussieht! Mit der Gore-Tex-Jacke on lead in L12 (6a+).
L13, 30m, 6a+: Auch hier ist die Feuchtigkeit nochmals ein Thema. Die schwersten Meter bis nach dem zweiten Bolt sind komplett schwarz und vom Wasser überronnen. Die Passage mit den beiden Untergriffquerungen an den grossen Dächern ist aber echt originell und wenn man genügend fest presst, auch bei diesen Verhältnissen gut zu klettern. Dann werde ich endlich in einfacheres und trockenes Gelände entlassen, zuletzt geht's noch etwas im Gras hoch zu Stand und Wandbuch. Da holt mich ein richtig vaterländischer Kuhnagel ein, tja, genau wie beim Eisklettern ;-)

Mit eiskalten Händen nochmals zurück an die Sonne! Christoph entsteigt L13 (6a+), der Urnerboden weeeeit unten.
L13 (6a+) führt durch die überhängende Verschneidung mit dem Doppeldach zum abseilenden Kletterer hoch.
L14, 50m, 2: Der Weg zum Gipfel ist weder schwierig noch exponiert und kann sowohl im Auf- wie auch im Abstieg gut seilfrei begangen werden.

So binden wir uns also aus und sind innert Kürze auf dem flachen Karstplateau, welches den Gipfel des Rot Nossen (2502m) markiert. Um 16.15 Uhr schütteln wir uns die Hände und beraten das weitere Vorgehen. Zum Abseilen bin ich irgendwie mässig motiviert, und wenn man direkt zurück ins Tal wollte, dann ist der Fussabstieg via Läckipass zurück ins Alpli ziemlich sicher am schnellsten und auch am bequemsten. Selbst wenn man retour zum Einstieg muss, könnte man zu Fuss noch vergleichbar schnell sein. Wir haben aber keine Schuhe dabei und auch etwas an Ausrüstung in der Route zurückgelassen, also gibt es keine andere Option als abzuseilen. Die Probleme vermute ich darin, dass sich das Seil von den verschiedenen Graskanzeln, auf welchen sich die Stände befinden, unter Umständen nur schwerlich wird abziehen lassen. Und ein paar lose, scharfkantige Steine lungern auch in der Gegend herum und warten nur darauf, den Weg in die Tiefe anzutreten. Mir ist noch bestens in Erinnerung, wie ich bei einer früheren Tour am Gsicht ein noch neuwertiges Seil so zerstört hatte. Meine Befürchtungen sind dann allerdings unbegründet. Die ersten drei steilen Abseiler am Turm gehen zügig vonstatten, und auch weiter unten lässt sich das Seil mit den entsprechenden Massnahmen (Knoten unter die Kante legen) immer abziehen, auch wenn teilweise hoher Kraftaufwand nötig ist. Mit viel Seilpflege und Vorsicht geht schliesslich alles glatt, und wir stehen um 17.15 Uhr zurück beim Einstieg.

Gerade gross Werbung mache ich ja nicht fürs Abseilen über die Tour, schöne Bilder gibt's aber trotzdem!
Hier muss ich nun Christoph auch schon wieder zur Eile antreiben. Meine Lust, die Flugausrüstung geröllholpernd wieder die Alplichäle runterzutragen hält sich sehr in Grenzen. Und weil unsere Starthänge vor etwa 10-15 Minuten das letzte Sonnenlicht gesehen haben und nun wie die gesamte Bergflanke definitiv im Schatten liegen wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis der katabatische Bergwind einsetzt und uns als Rückenwind einen Start verunmöglicht. Schnell raffe ich den Kletterkarsumpel zusammen, und fast im Laufschritt geht's auf dem Zingelfad zwei, drei Minuten nach Osten. Hier, in etwa mittig zwischen Rot Nossen und Zingelfadstock befindet sich der beste Startplatz. Er ist schön grasig und geröllfrei, die Neigung ist optimal, nur zum Abbruch an der Felskante ist's nicht allzu weit. Der Start muss also sitzen, und dementsprechend säuberlich müssen wir trotz der Eile die Schirme vorbereiten. Während sich dies bei meinem schweren Equipment zügig erledigen lässt, braucht Christophs Leichtausrüstung schon deutlich mehr Pflege. Und als wir dann endlich parat sind, kommen prompt die Geissen dahergelatscht, lecken am Schirm und trampen über die Leinen, grrrr! Zum Glück lässt sie Christoph erster Startversuch verschreckt das Weite suchen! Bald darauf ist er dann in der Luft, und ich folge unmittelbar danach. 

Eine schöne und eindrückliche Gegend. Hier der Blick Richtung Osten zu Hausstock und Segnes/Sardona.
An den Jegerstögg, wo der Schatten eingekehrt ist, lässt sich thermisch nichts mehr holen. Also ab auf die andere Talseite, damit habe ich sowieso noch eine Rechnung offen! Bei meinem ersten, längeren Gleitschirm-Streckenflug von Engelberg her hatte ich Vierwaldstättersee und Klausenpass erfolgreich gemeistert, dann aber genau die Querung von den Jegerstöck zum Fisetengrat zu zögerlich und wenig konsequent angegangen, so dass mein Flug prompt in Linthal geendet hatte. Nun konnte ich es besser machen, tatsächlich liess sich am Gegenhang die Höhe halten. So glitt ich noch ein paar Minuten gemütlich über die Tannen und genoss die tollen Ausblicke auf die eben erkletterten Felstürme. Mein Kamerad war indessen bereits im Tal und faltete seinen Schirm, so dass ich ihm eine Weile später folgte. Sanft setzten wir beide auf dem Urnerboden auf. Das war jetzt wirklich ein schöner und natürlich auch bequemer Tourenabschluss gewesen. Wobei man ehrlich sagen muss, dass sich die Sache rein zeitlich bei einer Route am Rot Nossen wohl kaum auszahlt, da muss man schon den Genussfaktor mit einrechnen, damit es sich lohnt! Anders sieht es sicher bei einer Route weiter östlich am Signalstock aus, weil man sich dort die eine Stunde mit horizontaler Kraxelei übers Zingelfad und der mühsamen Querung des Schneetals zumindest beim Rückweg ersparen kann.

Nach der Landung auf dem Urnerboden, beim Start pressierte es leider zu fest, um sich noch dem Fotografieren zu widmen...
Facts

Rot Nossen - Rapunzel 6b+ (6b obl.) - 14 SL, 450m - Frei/Rast 2000 - ****; xxxx
Material: 12 Express, 2x50m-Seile, Keile/Friends nicht nötig und kaum einsetzbar

Imposante, beinahe schon dolomitisch anmutende Felstour, deren Topo hier zu finden ist. Sie führt erst über einige von Grasbändern unterbrochene Aufschwünge, auch dort warten schon einige schöne und lohnende Klettermeter. Das Herzstück der Tour ist dann aber der gut 200m hohe, steile Gipfelturm. Hier führt die Kletterei in atemberaubender Position durch steilen, griffigen und angenehm rauhen Fels. Ein paar wenige Stellen mit minderer Felsqualität gibt es auch, diese sind aber bei entsprechendem Können und Erfahrung problem- und gefahrlos zu meistern. Achtung, die letzten beiden Seillängen unter den grossen Dächern bleiben bei Schneeschmelze oder nach Regenfällen vermutlich länger nass. Die Absicherung mit (fast durchgehend Inox-)BH ist tiptop ausgefallen. Es müssen keine zusätzlichen Sicherungen gelegt werden, und der obligatorische Grad könnte eventuell auch auf nur 6a+ hinunterkorrigiert werden. Auch wenn die Route zum Abseilen eingerichtet ist und dies mit etwas Vorsicht und Erfahrung gut zu meistern ist, so würde ich dennoch empfehlen, den Fussabstieg via Läckipass in Erwägung zu ziehen. Die Wanderung entlang der Krete mit tollen Tiefblicken stufe ich als genussreicher ein wie das Abseilen.

Die Erstbegeher haben sich beim Einrichten grosse Mühe gegeben. Herzlichen Dank für diese tolle Tour!
Kaum zu glauben, dass diese tolle Route nur äusserst selten begangen wird. Das Routenbuch listet nur ein paar Begehungen von persönlichen Bekannten der Erstbegeher am Anfang der Nullerjahre auf. Dann kommt lange nix, bevor es 2011 und 2012 je eine einzige Wiederholung gab. Im 2013 war wieder nix los, und auch heuer notierten wir die erste Begehung. Dabei ist die Kletterei für die relativ niedrigen Anforderungen und die gute Absicherung spannend und imposant wie bei nicht vielen anderen Routen auf diesem Niveau. Aber wahrscheinlich ist die Route den Plaisirkletterern zu schwer und doch zu alpin, den Extremen fehlt das Renommee und der Challenge und für die Klassikerjäger ist die Route zu neu und zu wenig bekannt. Tja was soll's, ein paar zusätzliche Begehungen hätte die Route auf jeden Fall verdient. Ein in mancherlei Hinsicht passende Vergleichstour ist die ebenfalls sehr interessante Forteresse du Vide an der Petite Dent de Morcles.

Donnerstag, 14. August 2014

Lastoni di Formin - Love My Dogs (6c+/7a)

Der Plan für den Tag wäre eigentlich gewesen, eine anforderungsreiche Route von Massimo da Pozzo zu klettern. Dazu sollte es aber schliesslich nicht kommen, denn einerseits war wie immer das Wetter ein Thema. Angekündigt war ein schöner und trockener Tag, doch schon in der ersten Vormittagshälfte stockte wegen der massiven Restfeuchtigkeit die Quellbewölkung rasch auf. Darüber hinaus führten wir auch einige Diskussionen, ob die Anforderungen der eigentlich angedachten Route Zoe (8 SL, 7b) nun genau richtig oder eben doch zu hoch seien. Zusammen mit der Tatsache, dass sich die Zoe in einer kalten Westwand befindet, wo wir mit wenig Hoffnung auf spätere Besonnung hätten klettern müssen, liessen wir es schliesslich bleiben und zogen mit der Love My Dogs den Plan B zu Rate.

Die Gegend am Passo Giau, gesehen von unserem Ausgangspunkt. Links an den Lastoni di Formin in der gut sichtbaren Wand die Routen Spiderman, Zoe, Excusez Moi, Gente di Mare und Super Tegolina. Die Love My Dogs ist auf diesem Bild noch nicht sichtbar, sie befindet sich rechts um die Ecke...
Trotz oder gerade wegen der verschiedenen Kletterführer und Topos waren wir etwas im Zweifel, wie sich denn der beste und schnellste Zustieg vollzieht. Tatsächlich ist dies von Cortina bzw. Pocol kommend etwa 200m vor dem Passo Giau in einer Kehre. Wir gingen jedoch schon etwas weiter unten los und verfolgten ab da direkt den Weg Nr. 436. Das ist auch möglich, jedoch etwas weiter und es sind auch mehr Höhenmeter im Aufstieg zu bewältigen. Über vom Regen gesättigten Grund gelangten wir zur Forcella Giau und ab da die Geröllhänge querend (nicht zu hoch aufsteigen!) zum Einstieg. Total waren wir ziemlich genau 45 Minuten unterwegs. Als wir ankamen, zog sich gerade eine Seilschaft aus Österreich aus der dritten Länge zurück. Wir hatten sie 2 Tage zuvor bereits am Piz Ciavazes getroffen, wo ihnen die Feuchtigkeit einen Rückzieher aus der Roberta 83 beschert hatte. Ich fürchtete schon, dass hier ähnliches der Grund war, doch es waren zu unserem Glück ihre fehlenden Kräfte, die sie abseilen liessen. Somit war die Bahn frei, und um 12.00 Uhr stieg ich ein.

...und zwar an dieser Bastion des Spiz de Mondeval verläuft sie rechts durch den steilsten Wandteil.
L1, 25m, 5b: Einfache und eher unschöne Kletterei in nicht sonderlich kompakten, etwas von Geröll bedecktem Fels. Die Stelle mit dem Doppelbolt ist übrigens kein Stand, sondern der untere und deutlich einfacher erreichbare der beiden steckt im totalen Bruch.

L2, 30m, 6c+: Interessante, leicht überhängende und anhaltende Leistenkletterei in gelbem Fels, der an die Drei Zinnen erinnert. Genauso wie dort kann man sich fragen, ob das wirklich alles fest ist... Naja, vielleicht ist nicht alles bombenfest, aber halten tut es eben doch. Die Absicherung mit BH ist hier fast übertrieben gut ausgefallen, die Crux liegt neben der nötigen Ausdauer und Übersicht in der Rechtsquerung zum Schluss.

In der gelben Leistenwand von L2 (6c+).
L3, 20m, 6c: Kurze und steil-athletische Seillänge an guten Löchern und ein paar Auflegern, mit einem weiten Blockierer in der Mitte. Im ersten Teil fällt mir Bohrstaub auf und siehe da, es wurden hier tatsächlich zwei Griffe gebohrt?! Was soll denn das, 9 Jahre nach der Erstbegehung?!? Dank den Spuren kann ich die Griffe auch problemlos vermeiden, auch ohne diese kommt man mit 6c durch.


Zwei neue, geschlagene Griffe in L3 (6c), welche auch total unnötig sind. Wer macht 9 Jahre nach der Erstbegehung sowas?
L4, 30m, 6a: Eher einfache Seillänge, deren Maximalschwierigkeit nur kurz und etwas gesucht an einem Wändchen im zweiten Drittel anzutreffen ist. Danach steigt man aufs breite Band hoch und trifft dort den Stand an.

Der Weiterweg durch die steile, gelbe Wand, perspektivisch etwas verzerrt, mit L5, L6 und L7.
L5, 30m, 6b: Coole und athletische Kletterei im gelb-orange-roten Fels. Von der Festigkeit her ist dieser ok, mit 6b kommt man allerdings nur durch, wenn man sich an zwei, drei Schuppen bedient, die etwas hohl tönen. Allerdings ist an diesen so viel Chalk sichtbar, dass man sie wohl kaum ausreisst. Für starke Angsthasen, welche lieber die kleinen, festen Leisten benützen eher schwerer wie der angegebene Grad.

Keep Moving am Ende von L5 (6b), die Kletterei meist von der gutgriffig-athletischen Sorte.
L6, 50m, 6a+: Sehr lange, und zu Beginn etwas alpine Seillänge. Während der Rest der Route und insbesondere die schweren Längen beinahe in Kletterhallen-Manier abgesichert sind, muss man hier an der Verschneidung zu Beginn entweder selber einige mittlere bis grosse Friends (Camalot 1-3) legen und noch eine Sanduhr aufspüren, oder es ist ein Runout im Bereich von 15-20m fällig. Natürlich, man kann hier gut mobil sichern, aber ob es im Angesicht der vielen BH und engen Absicherung im Rest der Route nicht auch noch Sinn gemacht hätte, hier zwei weitere zu platzieren?! Wie auch immer, die grosse Verschneidung klettert sich echt lässig und irgendwie auch einfacher wie gedacht. Die Hauptschwierigkeiten kommen erst in den 10m mit leicht überhängender Wandkletterei nach Verschneidungsende.

Das Finish von L6 (6a+) bietet noch steile Wandkletterei, welche für 6a+ ziemlich fordernd ist. Und meine Exen waren längst ausgegangen...
L7, 45m, 6c+/7a: Gleich zu Beginn führt kleingriffige, technische anspruchsvolle Wandkletterei zu einem leicht brüchigen Wulst, wo ein weiter Blockierer an ein unerwartetes Loch die eindeutige Crux darstellt. Danach geht es in etwas einfacherer Kletterei dahin, bis zur Passage unter dem grossen Dach durch, die schauderlich brüchig aussieht. Allerdings hat es dort viele BH und ein paar feste Griffe findet man auch. Zum Schluss noch über den griffigen Wulst hoch zum Stand.

L8 & L9, 50m, 5b: Nun sind es noch zwei einfachere Seillängen in einem breiten Rinnensystem bis zum Ausstieg. Teilweise in Riss- und Wandkletterei, noch einen Wulst überwindend, gelangt man zum Top. Es fielen nun einige harmlose Regentropfen und wir führten die Diskussion, ob die Route wie im Topoguide angepriesen nach L7 für Sportkletterer beendet sei. Der Kompromiss war schliesslich, dass ich noch klettere, Kathrin hingegen nicht. 

Der Blick zum Monte Pelmo und seiner Nordwand. Die Cumuli mal lockerer, mal dichter und bedrohlicher. Auf jeden Fall waren sie nie weit weg. Nach dem extrem regnerischen Dolomitenjahr ist einfach (zu) viel Feuchtigkeit in Boden und Atmosphäre herum.
Somit war auch gesetzt, dass der Weg in die Tiefe durch Abseilen erfolgen würde. Um 15.40 Uhr hatte ich das Top erreicht, und umgehend die Seile gefädelt. Und ich muss sagen, wenn sich niemand sonst in der Route befindet, ist das Abseilen sicher der schnellste und bequemste Weg nach unten. In fünf gestreckten Manövern (Stände 9 - 7 - 6 - 5 - 3) plus Abklettern der letzten 7 Meter im zweiten Grad erreichten wir in nur 20 Minuten mit 2x50m-Seilen maximal effizient wieder den Einstieg. Die Alternativen mit dem Abseilen durch das brüchige Couloir weiter östlich, oder dem landschaftlich schönen Fussabstieg über den Wanderweg noch weiter im Osten brauchen bestimmt einiges mehr an Zeit. Der Schauer war nur von kurzer Dauer gewesen und hatte sich auf einige dicke Tropfen beschränkt. Bei zeitweisem Sonnenschein machten wir uns an den Abstieg über die rutschigen Pfade und traten darauf die Rückfahrt über die Pässe an. Die Love My Dogs war eine nette, unterhaltsame und gut abgesicherte Kletterei gewesen, wo ich ohne je ans Limit zu kommen im perfekten Onsight-Stil durchsteigen konnte. Die angegebenen Bewertungen kann man insgesamt sicher als ortsüblich gutmütig einstufen, es ist einfach kein Vergleich mit dem Massstab, der z.B. an den Wendenstöcken angelegt wird. Die Route liegt auch in einer sehr schönen Gegend, etwas abseits der Strassen und mit schöner Aussicht auf Monte Pelmo und Civetta. Etwas gefehlt hatte mir hingegen Herausforderung und Abenteuer und auch wenn die Kletterei wirklich gut ist, so steht sie doch etwas hinter den absoluten Dolomiten-Perlen zurück.

Facts

Lastoni di Formin - Love My Dogs 7a (6b obl.) - 9 SL, 280m - Dibona/Alexander 2005 - ***; xxxx
Material: 15 Express, 2x50m-Seile, Camalots 1-3 für L6

Schöne Plaisirroute durch die steile Südwand am Spiz de Mondeval über der Forcella Giau. Es warten meist griffiger Dolomit von guter, aber nicht überragender Qualität und athletische Kletterei. Die Absicherung mit zahlreichen BH ist in den schwersten Längen sehr gut ausgefallen (xxxxx), und auch die einfacheren Abschnitte sind bis auf die erste Hälfte von L6 gut ausgerüstet (xxxx). Zu erwähnen ist jedoch, dass in den oberen Längen oft nur 8mm-Dübel stecken, leider insbesondere auch an den Standplätzen. Löblich ist die sonnige Lage (am Einstieg ab etwa 10 Uhr) und das schöne Panorama zur nahen Nordwand des Monte Pelmo und zur Civettagruppe. Ein Fototopo zur Route findet man bei Planetmountain, weil der Einstieg zudem beschriftet ist und viele Bolts stecken, braucht es keine genaueren Informationen für eine Wiederholung der Route.

Dienstag, 12. August 2014

Sella - The Bernards (7b/+)

Schon wieder waren bereits auf den frühen Nachmittag heftige Gewitter angesagt. Und nachdem es am Nachmittag und Abend davor wie aus Kübeln geschüttet hatte, musste die Tourenwahl sorgfältig erfolgen. Die zu erfüllenden Kriterien waren Trockenheit, vernünftige Länge, kurze Anfahrt, freie Sicht nach der Windrichtung SW, gute Abseilmöglichkeiten und interessante, steile Kletterei. Ganz so viel vom an sich sehr grossen Dolomiten-Angebot bleibt unter diesen Voraussetzungen dann auch wieder nicht übrig. So zogen wir also die Jokerkarte "The Bernards", d.h. die neue Tour welche wir bei unserer Begehung der Icterus am ersten Sellaturm gesichtet hatten. Sie ist bisher weder in der gedruckten Literatur noch im Internet dokumentiert und ich hatte kein Topo auftreiben können. Umso spannender würde die Begehung natürlich werden.

Erneut sind wir am ersten Sellaturm unterwegs. Die Route verläuft ganz leicht rechts vom höchsten Punkt in Falllinie.
Auf den Passstrassen und auch am ersten Sellaturm war am heutigen Tag noch deutlich mehr los als sonst. Klaro, es war Sonntag, aufgrund vom Wetterbericht waren auch alle früh aufgestanden und an den alpineren Massiven wie Marmolada, Civetta oder auch den Zinnen war nix zu holen. Für uns gereichte es zum deutlichen Vorteil, eine unbekannte Tour ausgewählt zu haben. Die benachbarten Tissi, Icterus, Schober und Delenda Carthago waren alle besetzt, für uns war die Bahn frei. Um 10.15 Uhr hatten wir alles Gear montiert und ich stieg ein.

L1, 40m, 7b/+: Nach dem schrofigen 10m-Vorbau geht es hinein in die steile Wand. Schon von unten lässt sich anhand der Steilheit und Kompaktheit die Vermutung aufstellen, dass diese Seillänge schwerer wie jene der Icterus gleich nebenan ist. So kommt es dann auch: die ersten 7m ab dem Vorbau gehen noch gut, dann wird es knüppelhart, mit weiten Zügen an schlechten Leisten und fast ohne Tritte, dazu noch sehr unübersichtlich. Nachdem die etwa 5m lange Cruxzone passiert ist, folgt noch sehr schöne, ausdauernde Kletterei im Bereich 6c-7a bis zum  Stand auf dem bequemen Band.

Roccia ottima e lavorata im oberen Teil der zähen und im Onsight sehr anspruchsvollen L1 (7b/+).
L2, 20m, 6b: Sehr schöne Kletterei an der Grenze zwischen dem gelben Gestein links und dem grauen Gestein rechts. Wo klettert es sich einfacher? Ganz klar, im grauen Fels, hier ist schöne Struktur und auch die Reibung ist besser. Direkt geht es hinauf zum Hangelriss, den wir schon vom letzten Mal kennen, und zum gemeinsamen Stand mit der Icterus.

Sehr schöne und nun auch gemütliche Kletterei in L2 (6b). Angenehmer und direkter wie die Icterus-Schleife linksrum.
L3, 35m, 6c: Absolut fantastische Seillänge mit anhaltender Ausdauerkletterei an guten Griffen durch gelbrotes Gestein. Wirklich total unerwartet tauchen immer wieder Löcher und Henkel auf, wo man sich vor grossen Problemen wähnt. Die Schlüsselstelle besteht aus einer feinen Rechtsquerung in der Mitte. Mein Fazit: diese Länge ist echt genial und viel schöner wie das nach links wegziehende Gegenstück der Icterus.

Die absolut geniale Wand von L3 (6c).
L4 & L5, 45m, 5c+: Die Seilschaft aus der Icterus kann ich erfolgreich auf den linken Ausstieg umleiten, somit haben wir freie Bahn. Weil sich der Himmel schon zu überziehen beginnt und ich sicher bin, dass das Seil ausreicht, verlinke ich gleich zwei Längen. Die erste davon ist sehr einfach (5ab), die zweite dann etwas anspruchsvoller und auch etwas weiter gesichert. Die (Icterus-)Seillänge links am Pfeiler auf gleicher Höhe hat mir deutlich besser gefallen, und sie ist auch besser eingebohrt.

L6, 20m, 6a: Schöne, leicht überhängende Wandkletterei an idealen Henkellöchern. Es stecken zwar 4 BH und eine fixe Schlinge in (zu) dünner SU, welche die Kratergefahr aufs Band jedoch nicht vollständig auszuschliessen vermögen. Etwas Reserven im Vergleich zum angeschriebenen Grad dürften also nicht schaden.

Das Top ist erreicht, da Gelände oben nicht mehr ganz so kompakt. Zugezogen hat's, da wird das Jäcklein fällig und bald der Regenschirm...
Um 13.15 Uhr erreichen wir das Top. Wir halten uns nicht lange auf und treten, wie es sich bereits beim letzten Mal bewährt hat, die Abseilfahrt an. Als wir wieder am Einstieg stehen, ist der Himmel bereits ziemlich grau. Ein zweiter Versuch in der schweren Auftaktlänge sollte aber gerade noch drinliegen. Diese entpuppte sich nämlich als klar jenseits meines Onsight-Vermögens, aber "gewusst wie" schien mir ein Durchstieg denkbar. Tatsächlich liess er sich realisieren, auch wenn ich im oberen Ausdauerteil arg zu fighten hatte. Es war eben auch so, dass der Himmel von Minute zu Minute dunkler wurde, und im Rosengarten drüben bereits die ersten Donner zu grollen begannen. Somit blieb zum Schütteln und Verweilen keine Zeit, und von Kathrin kamen beständig Rufe wie "schneller" oder "vorwärts, vorwärts" bei mir an. Item, die Bewertung dieser Länge schätze ich auf 7b oder 7b+, aber natürlich wäre es wie immer interessant, hierzu noch weitere Meinungen zu hören. Als der Standkarabiner eingehängt war, seilte ich mich umgehend wieder ab. Zum Trödeln war nun keine Zeit mehr, rasch die Seile aufnehmen und sich im Laufschritt talwärts aufmachen war die Devise. Noch gut im Trockenen erreichten wir das Sellajoch und unser Auto. Doch schon wenige Minuten später bei der Fahrt ins Grödner Tal prasselte ein sintflutartiger Regen auf die Windschutzscheibe. Das war doch echt wieder perfektes Timing :-)

Facts

Erster Sellaturm - The Bernards 7b/+ (6c+ obl.) - 7 SL, 175m - R. Bernard 2013 - ****; xxxx
Material: 13 Express, 2x50m-Seile. Keile/Friends nicht nötig bzw. einsetzbar.

Tolle und bestens abgesicherte Sportklettertour am steilen, rötlich-gelben Gemäuer des ersten Sellaturms. Gleich die erste Länge fordert einiges und trotz der sehr guten Absicherung will der Schlüsselzug zumindest halbwegs ehrlich geklettert sein. Der Rest ist dann für Kletterer dieses Niveaus eine schöne und perfekt mit BH abgesicherte Genusskletterei. Langeweile droht aber deswegen sicher nicht, von der tollen, anhaltenden und gut griffigen L3 wird bestimmt jeder Begeher begeistert sein! 

Topo

Wie bereits erwähnt, es gibt (noch?) kein offizielles Topo von dieser Route. Auf meinem aktualisierten Icterus-Topo habe ich nun auch noch die Schwierigkeitsgrade der einzelnen Seillängen nachgetragen. Wer übrigens nur eine der beiden Routen klettern will, findet so die schönste und homogenste Kombination: L1 von Icterus, dann L2 und L3 von The Bernards. Vom dritten Stand klettert man dann den linken Ausstieg, wobei man auch L4 und L5 vom linken Ausstieg problemlos zusammenhängen kann. Zuletzt klettert man in L6 dann auch die linke Variante.





Donnerstag, 7. August 2014

Cima Scotoni - Lacedelli/Ghedina (7a oder 6+/A1)

Für das erste, und vermutlich gleich auch das letzte Mal unserer Dolomitenferien war richtig stabiles, gewitterfreies Wetter angekündigt. Da könnte man sich gut auf eine grössere Tour wagen, etwas richtig Abenteuerliches und Klassisches sollte es sein. Wegen den starken Niederschlägen in den Tagen zuvor schienen uns die (Zinnen-)Nordwände nicht wirklich das richtige Ziel zu sein, zudem wäre dafür auch die Temperatur an der unter(st)en Grenze gewesen. Somit war also eine südseitige Alternative gefragt. Die Marmolada vermuteten wir als noch zu nass, die Civetta war uns zu weit weg, somit war die logische Wahl durch die Cima Scotoni und ihre 600m hohe Südwestwand gegeben. Hier hatten einige Scoiattoli aus Cortina im Jahre 1952 einen klassisch-anspruchsvollen Weg gefunden, der zeitgenössisch als schwierigste Dolomiten-Route galt. Ebenso fand diese Route Aufnahme ins Walter Pauses‘ Werk „Im extremen Fels“.

Die SW-Wand der Cima Scotoni mit dem Verlauf der von uns gekletterten Route.
Das mit den Pause-Touren ist ja so eine Sache, die bei uns in der Schweiz vielen wohl gar nicht so richtig bekannt ist. Im oben erwähnten, heute vergriffenen Buch listete der Autor in den 1970er-Jahren hundert Kletterrouten quer durch den ganzen Alpenbogen, von der Dauphiné bis in die Dolomiten und den äussersten Osten auf. Dabei ist ein bisschen alles, vom kombinierten Nordwand-Abenteuer mit dem Crozpfeiler an den Grandes Jorasses, alpin-aussergewöhnlichem wie der Stockhorn-Bietschorn-Überschreitung, Schocker-Rockern wie der Niedermann/Abderhalden am Scheideggwetterhorn, vielen grossen, guten Felstouren wie z.B. dem Salbit Westgrat und der Cassin am Badile bis hin zu einfacheren und auch heute noch sehr beliebten Routen wie z.B. der Niedermann/Sieber an der Grauen Wand. Das Sammeln von sogenannten Pause-Touren ist bei uns kaum populär, ich kennen keinen einzigen Schweizer, der sich dieser Liste verschrieben hat. Anders sieht dies in Deutschland und Österreich aus. Sicherlich ist es auch dort nicht gerade Volkssport, aber es gibt diverse, sehr aktive Kletterer, welche nach den Pausepunkten jagen, unter anderem auch mein Freund Tobias. So kommt es, dass das Begehen von Pause-Route auch für mich einen gewissen Reiz erhalten hat. Und eines ist sicher, wer sich alle Pause-Extrem-Routen in seinem Tourenbuch eintragen kann, der hat sich das Allrounder-Brevet für schweren festen, abenteuerlich brüchigen und hochalpin eisigen Fels mehr als abgeholt!

Im Zustieg, eben auf der schönen flachen Wiese beim Rifugio Scotoni angekommen. Hinten wartet schon das grosse Gemäuer.
Somit sollte es für uns also in die Lacedelli/Ghedina an der Cima Scotoni gehen. Allzu frühes Aufstehen erschien uns im Angesicht des garantiert gewitterfreien Wetters als sinnlos. Zudem vermuteten wir, dass die Sonne in dieser SW-Wand bestimmt nicht vor 10.00 Uhr ihre Aufwartung machen würde (konkret ist es sogar erst um ca. 12.00 Uhr!), und gerne wollte ich die dritte Seillänge, d.h. die 7a-Crux, im frühen Sonnenschein bei optimalen Bedingungen versuchen. Also war um 6.30 Uhr Tagwache und nach kurzer Anfahrt begannen wir um 7.50 Uhr mit dem Zustieg. Dieser verläuft durch die malerische Gegend im Naturpark Fanes, wirklich sehr schön. Der Weg selbst, vom Parkplatz zum Rifugio Scotoni, ist hingegen nicht so speziell. Es ist ein steiler und schottriger Karrweg. Hat man nach ca. 30 Minuten die Hütte erreicht, so geht es einem aufwendig angelegten Steig entlang über eine Steilstufe zum schönen kleinen Bergsee Lagazuoi. Hier steht man nach 20 weiteren Minuten nun endgültig im direkten Angesicht der eindrücklich hohen und steilen Wand. Erst noch über einen Pfad, dann über etwas mühsame Schutthänge geht es in weiteren 20 Minuten zum Wandfuss. Inzwischen war es etwas nach 9.00 Uhr. Die Sonne war noch immer weit hinter dem Berg versteckt, die Atmosphäre war mit Temperaturen von 4-5 Grad richtig frostig. So montierten wir alle Kleiderschichten und schlüpften für einmal mit den Socken in die Kletterfinken. Rein temperaturmässig war uns zwar nicht unbedingt nach Klettern, doch noch 2-3 Stunden auf die Strahlen des wärmenden Gestirns auszuharren war auch keine Option. Zudem galt es ja zuerst auch noch, den klettertechnisch leichten Vorbau zu bezwingen. Wo dieser allerdings angepackt werden musste, blieb unserer eigenen Fantasie überlassen. Irgendwelche Markierungen oder fixes Material sucht man hier komplett vergebens. Somit startete ich also um ca. 9.20 Uhr meiner Nase nach.

Der Blick vom Einstieg nach oben. Überhänge noch und nöcher, unsere Tour schlängelt sich auf dem einfachsten Weg hindurch.
L1, 50m, 4a: Ich hatte hier das übliche „welches ist der einfachste und logischste Weg, den ich als Erstbegeher mit minimalem Aufwand wählen würde“ gespielt. Von einem Band, welches wir noch seilfrei erreichten, quasi dem Vorbau des Vorbaus ging es los. Mit etwas hin und her über Wandstufen, an kleinen Verschneidungen und einigen Traversen auf Bändern ging es in die Höhe. Die Absicherung erwies sich hier als eher schwierig, gerade mal zwei sichere Cams konnte ich auf den 50m legen. Allerdings waren die Schwierigkeiten auch noch gering. Und tatsächlich hatte sich meine Intuition als korrekt erwiesen. Als von Kathrin der Ruf „noch 4m“ kam, erblickte ich die beiden Standhaken, welche mir das Topo versprochen hatte.

Kathrin folgt in L1 (4a), welche sich noch kaum vernünftig absichern lässt. Trotzdem ist man schon 50m über dem Wandfuss.
L2 & L3, 50m, 4b: Nun gilt es, den höchsten Punkt des Vorbaus zu erreichen. Hier bietet es sich ideal an, die beiden Seillängen gemäss dem Bernardi-Topo zusammenzuhängen. Die erste führt in einfachem Gelände über einige Stufen hoch. Das Schlussstück hingegen (L3) steilt sich dann auf, und wird leicht links einer schwach ausgeprägten Kante erklettert. Hier gibt es an einem Riss auch gute und zuverlässige Sicherungsmöglichkeiten. Der Stand befindet sich dann direkt unter der gelben Wand und besteht aus 2 NH, welche gut mit 2 Cams in Löchern verstärkt werden konnten.

Im oberen Teil von unserer zweiten Sequenz, d.h. der eigentlichen L3 wartet schöne Kletterei über eine rissdurchzogene Platte.
L4, 30m, 7a: Leider war die Sonne immer noch weit davon entfernt, ihre Aufwartung zu machen. Doch trotzdem musste ich nun, mit klammen Händen und steifgefrorenen Füssen, in die Crux einsteigen. Die ersten 10m sind noch nicht extrem schwer. Erst geht es entlang einer etwas hohlen Schuppe, hier stecken schon einige NH. Danach muss eine Stelle am markanten, rausstehenden Block zwingend freigeklettert werden (ca. 6a), bevor die eigentliche Schlüsselpassage beginnt. Eigentlich wäre es ja schön gewesen, sich hier eine Onsight-Begehung zu holen. Doch meine Ambitionen waren, insbesondere bei diesen Bedingungen, ganz rasch verflogen. Erstens mal war die Kletterei im etwas glatten, teilweise noch leicht feuchten Fels richtig schwer. Dann führt die einfachste Freikletter-Linie nicht direkt über die Hakenleiter hoch, so dass man zwingend einige der Gurken auslassen muss. Hinzu kam auch noch, dass jemand alle Schlingen aus den Haken geschnitten hatte. Diese lagen nämlich zahlreich auf dem Vorbau herum. Das Problem dabei war, dass bei etlichen der Haken wegen der im Riss bzw. Spalt versenkten Öse gar kein Karabiner direkt eingehängt werden konnte, sondern man vor dem Klippen erst eine Schlinge fädeln musste. Dies alles mit einer Onsight-Begehung zu vereinbaren, erfordert wirklich ein ganz, ganz hohes Niveau und ich muss sagen, dass mir die gleich bewerteten Längen in der Hasse/Brandler an den Drei Zinnen dagegen deutlich einfacher vorkamen.

Kathrin hängt in L4 (7a) an den miesen Haken ("hebet das?) vor der entscheidenden Querung mit zwingender Freikletterstelle ca. 6b/+.
Somit hatte ich mich also gezwungenermassen aufs Technoklettern beschränkt. Doch auch dieses war ziemlich aufregend. Die Haken waren ausschliesslich uralt, verrostet und verbogen. An einer Stelle in der Mitte stecken sie auch ziemlich auseinander, hier kann man definitiv nicht mehr von A0 sprechen. Mit einer Trittschlinge, weit hochstrecken und zwei freien Zügen kam ich gerade durch. Die Crux hingegen kam erst am Ende der Länge. Hier kommt man erst an zwei schlechten Haken vorbei, die hinter einer hohlen Schuppe stecken. Man gelangt zu einem verbundenen Hakenpaar (beide mies) und muss dann nach links traversieren. Hier waren zwingend 3m kühne Freikletterei nötig, welche ich jedenfalls mit dem Grad 6b oder gar 6b+ bewerten würde - oder eben halt eine Siebnerstelle, aber kein Sechser mehr. Wenn man Hammer und Nägel dabei hätte, so könnte man evtl. aus einer Trittleiter vom letzten Hakenpaar einen Haken in einer Rissspur oberhalb schlagen, und so den letzten Zwischenhaken mit einer Seilzugtraverse erreichen, bzw. die Freikletterpassage vermeiden. Nun gut, Hammer und Haken hatte ich im Kofferraum zurückgelassen, mein Klettergurt war auch so schon genügend schwer. Nachdem ich 3x tief durchgeschnauft hatte und all meinen Mut zusammennahm, erreichte ich schliesslich den letzten Zwischenhaken und bald darauf, gut aufgewärmt und voller Adrenalin, den Stand. Dieser bestand aus einem Seilverhau und vier in den Dreck geschlagenen NH. Zum Glück konnte man links hinter einer Schuppe Friends und Keile à discretion versorgen, wenigstens war es also kein Problem, einen sicheren Stand zu schaffen!

Mit ausreichend Zeit und Kreativität kann man die Standplätze meist gut verstärken. Hier der Blick auf L6 (5b).
L5, 30m, 5c: Nun wartet steile und freie Wandkletterei in festem, griffigem und graugelbem Fels von guter Qualität. Das Topo zeigt ein wenig ein hin und her, dies liegt durchaus daran, dass man sich hier die einfachste Linie durch die wenig gegliederte Wand suchen muss. Ab und zu steckt ein NH als Wegweiser, die eine oder andere mobile Sicherung kann auch angebracht werden, mit Sicherungsabständen von 5-7m muss man jedoch rechnen. Der Stand mit einer sehr dünnen Sanduhr und 2 Gurken ist nicht optimal, durch einen Preclip einer weiteren Sanduhr und einem Keil/Friend in der Verschneidung oberhalb kann man aber auch hier 100% Sicherheit erreichen.

L6, 30m, 5b: Entlang einer sehr schönen, anhaltenden aber nicht allzu schwierigen Riss-Verschneidung geht es in die Höhe. Es ist eine richtige Genusslänge und auch die Absicherung (ausschliesslich mobil) ist hier problemlos. Man sollte sich allerdings noch etwas an Keilen und allenfalls kleinen Friends für den Stand aufsparen. Dieser befindet sich an zwei schlechten NH direkt am Ende der Verschneidung. Man kann aber an einem Riss optimal aufbessern.

Die steile Verschneidung von L6 (5b) ist eine richtige Genusslänge und auch perfekt zu sichern.
L7, 45m, 5a: Hier geht es hinauf durch die gelbe, von weitem etwas brüchig scheinende Wand auf das berühmte Kriechband. Das Topo zeigt von der Rampe eine Querung an einen gelben Riss, dumm nur dass es gleich 3 Stück davon hat, welche man alle klettern könnte. Hier konnte ich die zu wählende Linie nicht wirklich mit dem Topo in Einklang bringen, wahrscheinlich spielt es aber auch keine allzu grosse Rolle. Vermutlich hatte ich jedoch nicht die einfachste Passage erwischt, denn schwerer wie 5a war es definitiv! Die mobile Absicherung war jedoch gut möglich und der Fels auch viel weniger brüchig wie befürchtet. Schon erstaunlich, wie dieses splittrig aussehende Müesli-Zeugs hier in den Dolomiten dann doch bombenfest sein kann. Nach einem NH (vornehmlich für den Nachsteiger) entert man dann also das schmale und wenig hohe Band unter dem Überhang, das man nach links aufwärts verfolgen muss. Hier gibt es ganz einfach keine Alternative, als 15m durch den feuchten Lehm zu robben und kriechen! Es ist ein Dreckeln par excellence, die Fangopackung gibt’s gratis dazu. Schwierig ist es hingegen nicht, allerdings kann man auch keine Zwischensicherungen legen. Ein kleiner Tipp noch am Rande: ja, wie man auf diversen Internetseiten lesen kann, muss man einen allfälligen Rucksack wirklich vor sich herschieben. Und es ist besser, wenn man sich das verbleibende Gear auf der linken Seite des Klettergurts montiert! Wenn man die Passage gemeistert hat und wieder aufstehen kann, so legt man 5 weitere Meter auf dem Band zurück und kommt zu einem Stand an 2 mässigen NH. Am selben Riss in welchem diese stecken, kann man jedoch optimal mobil zusätzlich sichern.

Tiefblick vom Stand nach dem Kriechband auf die Wand (L7) davor. Ja, sowas ist hier mit 5a bewertet. 
Das ist das Kriechband. Man sieht leider nicht, wie eng und exponiert das Ganze ist. Kriechen ist wirklich zwingend.
Ich bin sonst nicht so der Selfie-Fan. Für einmal gibt's aber eine Ausnahme. Ohne Kampfspuren geht's hier kaum ab.
Kathrin kaum sichtbar am Kriechen im engen Schlitz.
Es werde Licht... das mühsamste Teilstück ist überwunden.
Geschafft! Die Kleidung allerdings reif für die Waschmaschine.
L8, 80m, Gehgelände: Nun wird das 2-3m breite Band problemlos nach links verfolgt. Man passiert dabei erst einen BH der Route Skotonata Galaktika, und dann einen weiteren der Hyperscotoni. Nach etwa 80m (oder vielleicht auch nur 70-75m…) erreicht man zwei relativ unscheinbare NH, die den Einstieg in den oberen Wandteil markieren. Bei uns war das Auffinden relativ einfach, weil der im Topo verzeichnete Steinmann tatsächlich aufgebaut war.

L9, 30m, 5b: In schöner, steiler und recht kühner Wandkletterei in gutem, griffigem Fels geht es linkshaltend aufwärts. Material steckt nicht allzu vieles, doch wird man den Weg schon finden. Das Ziel ist jedenfalls der Stand, welcher sich an 2 mässigen NH direkt bei einer grossen, angelehnten SU-Schuppe befindet. Zusammen mit dieser und einem Friend in einem Loch ergibt sich dann auch eine zuverlässige Sicherung.

Die spezielle Schuppe, das Stand-Backup nach L8 (5b).
L10, 30m, 5c: In recht komplexer Linie geht es nun grundsätzlich wieder nach rechts. Aus dem Stand hinaus will aber zuerst etwas linkshaltend die steile Wandstufe (1 NH) gemeistert werden. Mit den Händen an einer etwas brüchigen Leiste hält man sich etwa 7m oberhalb vom Stand wieder nach rechts, und steigt dann die helle Verschneidung mit den glatten Seitenwänden hoch. Sobald dies möglich wird, quert man dann an einem Riss horizontal nach rechts hinaus (gerade weiter in der Verschneidung hat es Verhauer-Haken!). Ein fix im Horizontalriss verkeilter Cam weist hier den Weg und bietet an der kühnen Stelle (vermeintliche?!) Sicherheit. Hier muss nämlich echt auch der Nachsteiger parat sein, die Querung ist nicht ganz ohne, zwingend zu klettern und nur mässig gesichert, die Seile hängen nämlich 10m durch. Obwohl es dann irgendwann attraktiv scheint, über die nächste Wandstufe nach oben zu sichtbaren NH zu klettern, weist einem das Bernardi-Topo weiter nach rechts, wo man auf einen Stand an 3 Schlaghaken trifft. Dieser lässt sich kaum aufbessern, weshalb ich an dieser Stelle tatsächlich vorschlagen würde, nach etwa 2/3 des Quergangs direkt nach oben die Wandstufe zu klettern, und L11 gleich anzuhängen. Dies ist mit 50m-Seilen sicher möglich, man erspart sich durch die direktere Linie etwas Quererei und vor allem kann man den nicht so guten Stand nach L10 vermeiden.

Diffizile Querung in L10 (5c). Das heikelste ist hier schon längst gemeistert, das letzte Stück zum Stand ist einfach.
L11, 25m,  5b: Vom erwähnten mässigen Stand nach L10 geht es nun nämlich wieder etwas zurück, d.h. linkshaltend die kühne Wandstufe hoch bis aufs nächste Band, wo man ein NH-Nest mit Schlingenverhau erreicht. Dies ist sicher auch ein möglicher, wenn auch nicht optimaler Standplatz. Besser ist es aber, auf dem weissen Band nach rechts hinaus zu queren. Der Fels ist hier nun nicht von allerbester Qualität und man muss etwas Acht geben, um nicht etwas auszureissen. Nach etwa 10-15m erreicht man eine Schlinge in guter SU, einen NH, und eine weitere, selbst zu fädelnde SU, was natürlich einen optimalen Stand hergibt.

L12, 35m, 5b: Kühne Traverse mit einer anspruchsvollen Wandstufe, welche von der Absicherung her etwas heikel und auch für den Nachsteiger fordernd ist. Zuerst einmal verfolgt man vom Stand das weisse Band weiter nach rechts. Schon hier ist die Kletterei längst nicht mehr so einfach wie gewünscht. Nachdem ich etwa 15m gequert bin, habe ich den Eindruck, dass ich nun die Wandstufe nach oben klettern muss. Die gemäss dem Bernardi-Topo steckenden 4 NH zu Beginn des Aufstiegs kann ich jedenfalls nicht auffinden. Somit klettere ich also äusserst kühn die 10m hohe, steile Wandstufe hoch (keine Sicherungsmöglichkeiten, und eher im Bereich 5c/6a war es auch). Als ich dann oben endlich wieder einen NH klippen kann, wird mir klar, dass ich wohl doch zu früh aufgestiegen bin. Etwas weiter rechts wäre die Wandstufe vermutlich einfacher zu haben gewesen und ein NH hätte in der Mitte etwas Sicherheit geboten. Nun gilt es mit den Händen auf einer etwas brüchigen Leiste in der steilen Wand weiter nach rechts zu queren. Es ist kühn, schwer zu sichern und auch unklar, ob man nun besser 3m tiefer oder höher bleibt. Irgendwann müsste man auch etwas aufwärts zum Stand klettern, der sich unterhalb von einem angelehnten Block befinden soll. Weder war dieser sichtbar, noch war mir der Weiterweg klar. Hingegen entdecke ich etwas unterhalb und rechts von mir einen BH, der (wie ich vermute) zur Route Skotonata Galaktika gehört. Dies interpretierte ich so, als dass ich bereits zu weit gequert war, da der Kontakt mit dieser Route auf dem Topo nicht eingezeichnet ist. Kühn und weit über der letzten Sicherung kletterte ich im Zeugs herum, bis mir schliesslich klar wurde, dass a) der angelehnte Block oberhalb vom Stand inzwischen abgestürzt ist und ich b) die zwei NH sichtete, welche ziemlich direkt, etwa 5-7m oberhalb vom erwähnten BH den Hängestand ausmachen. Dieser ist unbequem und auch ziemlich scary. Nachdem ich etwas im Dreck grüble, kann ich dann immerhin noch eine mässige SU fädeln, so dass ich mich dem Stand anvertraue. Der Nachstieg ist dann auch für Kathrin kühn und fordernd. Sie bezieht dann am einzelnen BH (auch nur 8mm) ein paar Meter unter mir ihren Stand, und übergibt mir das Material in einer Seilschlaufe. Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass es schon bald 17.00 Uhr ist. Die heiklen Quergänge und die Schwierigkeiten, dabei eine auch für die Nachsteigerin adäquate Sicherungssituation zu schaffen, hatten einfach Zeit gefressen. Eines war klar, jetzt galt es etwas auf die Tube zu drücken, damit der Ausstieg noch einigermassen Beizeiten erreicht würde.

Steile Wandkletterei ohne viele Strukturen, es könnte einfach überall durchgehen. Da finde man den Weg! Hier in L13 (5c+).
L13, 15m, 5c+: Nun geht es kühn die steile, löchrige Wand hoch. Der Fels ist prima, die Schwierigkeiten am fehlende Block und an zwei steckenden NH vorbei nicht zu unterschätzen. Das würde ich jetzt durchaus als einen soliden UIAA 6er bezeichnen. Danach ist der Stand bald erreicht, welchen man an der dünnen Schuppe links vernünftig aufbessern kann. Meine Empfehlung ist es, den Hängestand nach L12 gleich auszulassen. Mit Halbseiltechnik und strategisch vernünftigen Verlängerungen ist dies ganz sicher möglich. Man soll sich zum Ende des Quergangs in L12 auch einfach nicht vom BH etwas unterhalb verleiten lassen, sondern klettert besser gleich kühn nach oben.

L14, 20m, 6b: Der Schuppe nach hoch, rechts unter dem Dach durch und die Verschneidung hinauf zu einer Wandstufe. Diese stellt nochmals eine echte Crux dar. Das Bernardi-Topo gibt hier 6 (A0) an, wobei ich stark bezweifle, dass die Stelle freigeklettert einen blossen Sechser darstellt. Es sind zwar nur etwa 3m in kleingriffiger Wandkletterei, diese würde ich aber sicher mit 6b bewerten. Zudem muss der obere Haken auch zwingend frei angeklettert werden, was alleine schon einen Sechserzug zwingend verlangt. Erwähnt sei auch noch, dass dieser NH natürlich schlecht, verbogen und rostig ist. Ein Stand folgt dann direkt nach dieser Stelle rechts auf einem schmalen Absatz. Zwei mässige NH stecken, aufbessern am Riss bei den beiden ist zwar möglich, aber ich denke, dass es günstiger ist, diesen Stand gleich auszulassen.

L15, 25m, 5c+: Nun geht es endgültig Richtung Ausstieg hoch. Wir verlassen die Wandzone zwischen erstem und zweitem Band und es geht in die Ausstiegsverschneidung. Obwohl diese sehr steil ist, klettert sie sich dank dem strukturierten Fels rechts und links recht gutmütig. Und auch die Absicherung ist im Vergleich zur Wandkletterei darunter nun wieder problemlos, ebenso lässt die Linienführung keine Fragezeichen mehr offen. Trotzdem, es gilt die richtige Stelle für die Plattenquerung nach rechts an die Kante zu identifizieren. Das ist jedoch nicht weiter schwierig, denn es stecken zwei mit fixen Schlingen bestückte NH und die Fortsetzung in der Verschneidung sieht ab dort eher ungemütlich aus. Diese Querung ist im Topo nochmals mit UIAA 6 angegeben, sie ist aber freigeklettert dankbar und vor allem viel einfacher wie die Stelle am Ende von L14. Am Stand dann die üblichen drei Rostgurken, welche man aber durch einen ideal liegenden Keil in einem Loch dazwischen optimal verstärkt.

Die eindrücklich steile Verschneidung mit enormem Tiefblick in L15 (5c+). Dafür ist die Linie klar und die Absicherung gut möglich.
Die letzte Sechserstelle in der Querung am Ende von L15 (5c+) ist eben gemeistert. Nun ist der Weg zum Ausstieg frei.
L16, 30m, 5c: Gleich vom Stand weg folgt nochmals eine Stufe mit nicht einfacher und etwas kühner Wandkletterei. Es sind zwar nur etwa 5m, aber gleich oberhalb vom Stand und die Absicherung ist nicht so optimal. Der Rest der Länge dann, in einer liegenden Verschneidung und einem breiten Riss entlang, stellt keine Probleme mehr dar. Zuletzt klettert man rechts um die Ecke herum, der Stand an 2 NH mit idealer Verstärkungsmöglichkeit befindet sich links am Pfeiler.

Aufatmen! Hier, am Ende von L16 (5c) fehlen nur noch zwei einfachere Seillängen bis zum Top. Das Ende ist absehbar.
L17, 30m, 5a: Der Ausstieg scheint nun nahe, doch erst mal muss man 5m nach rechts queren und nochmals einen Wulst raufächzen. Immerhin hat es gute Henkel. Die folgende, plattige Wand überwindet man in einer kleinen Rechtsschleife, bevor man nach links in die grosse Nische mit kleinen Geröllplatz zurückkommt. Der im Topo verzeichnete NH lässt sich tatsächlich auffinden und links geht’s steil aber gutgriffig und einfach aus der Nische hinaus. Der Stand an 2 guten SU ist dann ideal.

Gemäss Topo ist diese Stelle am Ende von L17 ein Vierer, es ist eine überhängende Henkelwand aus der Nische raus.
L18, 30m, 4a: Rechts vom Stand folgt nochmals eine kurze, steile Wandstelle, die aber einen nicht mehr länger aufhalten wird. Die Sache läuft dann in eine Art Couloir/Rinne aus, welche man aber besser über die linke Begrenzungskante erklettert. Schliesslich steht man mehr oder weniger im Geröllfeld, etwa 10m unter dem Ringband befindet sich aber links nochmals eine vernünftige SU, an der man den/die Seilzweite/n nachnehmen kann.

Einfach schneller Fortbewegen als das Geröll abrutscht (Achtung Steinschlag für Nachfolger). Kurz vor dem Ringband in L18. 
Um 18.50 Uhr sind wir beide am Top angelangt. Somit hatten wir vom Einstieg 9.5 Stunden gebraucht. Das ist sicher keine zeitliche Bestleistung. Viel Zeit ging jedoch drauf, um an den Standplätzen für 100% Sicherheit zu sorgen. Mit viel Bastelei war dies jeweils möglich, aber schon klar: wer den Rostgurken vertraut und einfach dort einhängt, spart schon mit unserem Klettertempo locker zwei bis drei Stunden. Zum Glück liessen sich die letzten paar Seillängen dann doch noch flott und einigermassen bequem bewältigen. Just als wir beim Ausstieg sind, passiert eine italienische Seilschaft auf dem Band, sie waren die Via dei Fakiri geklettert. Wir sind uns nicht ganz restlos sicher, welche Schwierigkeiten der Abstieg noch bieten wird. Also halten wir uns nicht lange auf und machen uns an die Verfolgung der beiden Locals, welchen der der Weg ins Tal geläufig ist. Das Ringband lässt sich Richtung Westen aber problemlos begehen. Es sind durchgehend schwache Spuren vorhanden und eine Seilsicherung ist nirgends angezeigt. Trotzdem bewegt man sich natürlich ständig im Absturzgelände und ein Ausrutscher wäre zweifellos fatal. 

Typische Situation auf dem Ringband. Grundsätzlich ohne Schwierigkeiten begehbar, aber trotzdem irgendwie haltlos.
Nochmal eins vom Ringband. Kathrin halt sich fein säuberlich an die Wand.
Nach etwa 10 Wegminuten biegt man dann um die Ecke und gelangt auf die Nordflanke der Cima Scotoni. Diese ist mit einigen Stufen durchsetzt und geröllig. Auch hier gibt es eine Wegspur, und es warten keine Schwierigkeiten. Vorsicht ist höchstens früh oder spät im Jahr angezeigt, wenn da noch Schnee liegt könnte das Terrain durchaus heikel sein und/oder alpine Ausrüstung erfordern. Als letzter spannender Punkt steht uns noch der Abstieg von der Scharte zwischen Cima del Lago und Cima Scotoni zurück zum Lagazuoi-See bevor. Schon beim Aufstieg vom Rifugio hatten Schilder darauf hingewiesen, dass der Weg unpassierbar sei, und tatsächlich steht auch in der Scharte ein Gehverbot. Hmm, wenn wir hier nicht durchkämen, so stünde uns noch eine längere Wanderung hintenrum bevor. Es geht dann aber doch. Die auch hier aufwändig angelegte Steiganlage ist zwar durch ein Gewitter zerstört worden, aber selbst ohne ausführliche alpine Kenntnisse kommt man durch. Als wir um 19.40 Uhr wieder unten beim See sind, kann die Anspannung endlich abfallen. Nach weiteren 40 Minuten und 12.5 Stunden nach unserem Aufbruch schliesst sich der Kreis beim Parkplatz. 

Abstiegsrinne vom Sattel zwischen Cima Scotoni und Cima del Lago. Der Lagazuoi-See ist das nächste Ziel.
Auf der Rückfahrt können wir schon damit beginnen, das Ganze einzuordnen. Wow, das war nun wirklich ein grosses Abenteuer! Wir haben grosse Freude an unserer Leistung und empfinden auch einen gewissen Stolz, diese Tour wenn auch vielleicht nicht in Bestzeit, dann aber doch in sauberer und sicherer Manier durchgeführt zu haben. Normalerweise, bzw. meistens sind wir ja Sportkletterer, entweder im Klettergarten oder dann auf MSL-Touren. War jetzt diese Tour das wahre, reine und pure Klettern, das in den Dolomiten immer noch so stark verfochten wird? Meine Antwort hierzu fällt etwas gemischt aus. In Bezug auf die in der Wand verbrauchten Stunden habe ich viel Zeit mit dem Basteln von adäquaten Sicherungen verbracht, teilweise auch mit der Wegsuche und auch die wegen der nicht immer optimalen Sicherungssituation defensive Kletterweise hat Zeit verbraten. Klar, auch das hat seinen Reiz! Trotzdem, in vernünftig mit BH abgesicherten Touren kann man sich einfach viel mehr auf die Kletterei an sich fokussieren und nur dort erlebe ich den Flow der Kletterbewegungen so richtig. Und dies macht halt mindestens ebensoviel, wenn nicht sogar mehr Spass. Nichtsdestotrotz, dies wird sicher nicht der letzte Klassiker sein, den ich geklettert habe. Dafür war das Gesamterlebnis dann einfach doch viel zu grandios. Wie immer im Leben, die Abwechslung gibt der Sache die richtige Würze!

Facts

Cima Scotoni - SW-Wand 7a oder 6+/A1 (6b/+ obl.) - 18 SL, 585m - Lacedelli/Ghedina/Lorenzi 1952
Material: 16 Express, 2x50m-Seile, Camalots 0.3-3, Keile 3-10, viele Schlingen

Ein grosser Klassiker und eine Meisterleistung der damaligen Zeit durch die eindrückliche SW-Wand der Cima Scotoni. Richtig schwere Freikletterei oder auch nicht zu unterschätzende Hakenzieherei mit würziger zwingender Stelle wartet zwar nur in einer einzigen Seillänge. Doch auch im ganzen Rest gibt es noch viel an kühner Wandkletterei und gleich mehrere, auch für den Seilzweiten fordernde Quergänge. Das berühmte Kriechband ist zwar originell-ausgefallen, aber problemlos. Der Fels ist über weite Strecken von guter Qualität und oft schön griffig. Trotzdem diesem generell positiven Eindruck zur Felsqualität, gehört es in einer solchen Route natürlich zum Grundrepertoire, alle Griffe und Tritte sorgfältig auszuwählen, zu prüfen und adäquat zu belasten. Die Absicherung besteht ausschliesslich aus Normalhaken, welche aus längst vergangenen Zeiten stammen. Mit je einem kompletten Set Friends und Keilen sowie vielen Schlingen, dem geübten Auge und der nötigen Zeit kann man aber an (fast) allen Ständen und meist auch unterwegs für ausreichend Sicherheit sorgen. Das Abgeben einer Schönheits- und Absicherungsbewertung ist bei einem solchen Klassiker schwierig. Rein vom Erlebniswert her würde ich sicher vier, wenn nicht sogar fünf Sterne geben, auch wenn die reine Schönheit der Kletterei wohl eher nur drei davon verdient. Die Absicherung ist wie erwähnt alpin. Mit der nötigen Eigeninitiative kommt man rein gefühlsmässig auf so etwas wie ein (xxx), d.h. es sind keine schweren Kletterstellen weitab einer Sicherung zu meistern.

Stimmungsbild beim Abstieg. Wirklich eine absolut tolle Berglandschaft im Fanes-Naturpark!
Topo

Ein Wort der Warnung: man steige in dieser Route nur mit einem vernünftigen Topo ein! Über weite Strecken herrscht Wandkletterei vor, wo die Linie nicht natürlich vorgegeben ist. Meistens könnte man wohl auch neben der Route bei etwas höheren Schwierigkeiten klettern, nur besteht dann die Gefahr irgendwann endgültig im Nirvana zu landen. Mit in der Tasche hatte ich das Topo von Planetmountain und das Bernardi-Topo aus dem Auswahlführer "Klettern in Cortina", welches auf gulliver.it frei verfügbar ist (siehe unten). Dasjenige von Planetmountain erwies sich (sorry!) als komplett unbrauchbar. Nur alleine damit ausgerüstet, wäre es echt ein schwieriges und kühnes Unterfangen, die Route zu wiederholen. Das Bernardi-Topo gibt meines Erachtens den Routenverlauf exakt wieder. Von den eingezeichneten NH habe ich die meisten aufgefunden, womöglich sind über die Jahre einige davon verloren gegangen. Bezüglich den Schwierigkeitsangaben sind meine abweichenden Bewertungen dem Bericht zu entnehmen. Wichtig: ich würde dringend empfehlen, L2 & L3, L10 & L11 sowie L12 & L13 jeweils zusammenzuhängen. Dies ist nicht nur gut möglich und spart Zeit, man lässt so auch die schlechtesten Standplätze in der Route elegant aus.

Topo der Route von Mauro Bernardi. Credit: gulliver.it.