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Dienstag, 12. August 2014

Sella - The Bernards (7b/+)

Schon wieder waren bereits auf den frühen Nachmittag heftige Gewitter angesagt. Und nachdem es am Nachmittag und Abend davor wie aus Kübeln geschüttet hatte, musste die Tourenwahl sorgfältig erfolgen. Die zu erfüllenden Kriterien waren Trockenheit, vernünftige Länge, kurze Anfahrt, freie Sicht nach der Windrichtung SW, gute Abseilmöglichkeiten und interessante, steile Kletterei. Ganz so viel vom an sich sehr grossen Dolomiten-Angebot bleibt unter diesen Voraussetzungen dann auch wieder nicht übrig. So zogen wir also die Jokerkarte "The Bernards", d.h. die neue Tour welche wir bei unserer Begehung der Icterus am ersten Sellaturm gesichtet hatten. Sie ist bisher weder in der gedruckten Literatur noch im Internet dokumentiert und ich hatte kein Topo auftreiben können. Umso spannender würde die Begehung natürlich werden.

Erneut sind wir am ersten Sellaturm unterwegs. Die Route verläuft ganz leicht rechts vom höchsten Punkt in Falllinie.
Auf den Passstrassen und auch am ersten Sellaturm war am heutigen Tag noch deutlich mehr los als sonst. Klaro, es war Sonntag, aufgrund vom Wetterbericht waren auch alle früh aufgestanden und an den alpineren Massiven wie Marmolada, Civetta oder auch den Zinnen war nix zu holen. Für uns gereichte es zum deutlichen Vorteil, eine unbekannte Tour ausgewählt zu haben. Die benachbarten Tissi, Icterus, Schober und Delenda Carthago waren alle besetzt, für uns war die Bahn frei. Um 10.15 Uhr hatten wir alles Gear montiert und ich stieg ein.

L1, 40m, 7b/+: Nach dem schrofigen 10m-Vorbau geht es hinein in die steile Wand. Schon von unten lässt sich anhand der Steilheit und Kompaktheit die Vermutung aufstellen, dass diese Seillänge schwerer wie jene der Icterus gleich nebenan ist. So kommt es dann auch: die ersten 7m ab dem Vorbau gehen noch gut, dann wird es knüppelhart, mit weiten Zügen an schlechten Leisten und fast ohne Tritte, dazu noch sehr unübersichtlich. Nachdem die etwa 5m lange Cruxzone passiert ist, folgt noch sehr schöne, ausdauernde Kletterei im Bereich 6c-7a bis zum  Stand auf dem bequemen Band.

Roccia ottima e lavorata im oberen Teil der zähen und im Onsight sehr anspruchsvollen L1 (7b/+).
L2, 20m, 6b: Sehr schöne Kletterei an der Grenze zwischen dem gelben Gestein links und dem grauen Gestein rechts. Wo klettert es sich einfacher? Ganz klar, im grauen Fels, hier ist schöne Struktur und auch die Reibung ist besser. Direkt geht es hinauf zum Hangelriss, den wir schon vom letzten Mal kennen, und zum gemeinsamen Stand mit der Icterus.

Sehr schöne und nun auch gemütliche Kletterei in L2 (6b). Angenehmer und direkter wie die Icterus-Schleife linksrum.
L3, 35m, 6c: Absolut fantastische Seillänge mit anhaltender Ausdauerkletterei an guten Griffen durch gelbrotes Gestein. Wirklich total unerwartet tauchen immer wieder Löcher und Henkel auf, wo man sich vor grossen Problemen wähnt. Die Schlüsselstelle besteht aus einer feinen Rechtsquerung in der Mitte. Mein Fazit: diese Länge ist echt genial und viel schöner wie das nach links wegziehende Gegenstück der Icterus.

Die absolut geniale Wand von L3 (6c).
L4 & L5, 45m, 5c+: Die Seilschaft aus der Icterus kann ich erfolgreich auf den linken Ausstieg umleiten, somit haben wir freie Bahn. Weil sich der Himmel schon zu überziehen beginnt und ich sicher bin, dass das Seil ausreicht, verlinke ich gleich zwei Längen. Die erste davon ist sehr einfach (5ab), die zweite dann etwas anspruchsvoller und auch etwas weiter gesichert. Die (Icterus-)Seillänge links am Pfeiler auf gleicher Höhe hat mir deutlich besser gefallen, und sie ist auch besser eingebohrt.

L6, 20m, 6a: Schöne, leicht überhängende Wandkletterei an idealen Henkellöchern. Es stecken zwar 4 BH und eine fixe Schlinge in (zu) dünner SU, welche die Kratergefahr aufs Band jedoch nicht vollständig auszuschliessen vermögen. Etwas Reserven im Vergleich zum angeschriebenen Grad dürften also nicht schaden.

Das Top ist erreicht, da Gelände oben nicht mehr ganz so kompakt. Zugezogen hat's, da wird das Jäcklein fällig und bald der Regenschirm...
Um 13.15 Uhr erreichen wir das Top. Wir halten uns nicht lange auf und treten, wie es sich bereits beim letzten Mal bewährt hat, die Abseilfahrt an. Als wir wieder am Einstieg stehen, ist der Himmel bereits ziemlich grau. Ein zweiter Versuch in der schweren Auftaktlänge sollte aber gerade noch drinliegen. Diese entpuppte sich nämlich als klar jenseits meines Onsight-Vermögens, aber "gewusst wie" schien mir ein Durchstieg denkbar. Tatsächlich liess er sich realisieren, auch wenn ich im oberen Ausdauerteil arg zu fighten hatte. Es war eben auch so, dass der Himmel von Minute zu Minute dunkler wurde, und im Rosengarten drüben bereits die ersten Donner zu grollen begannen. Somit blieb zum Schütteln und Verweilen keine Zeit, und von Kathrin kamen beständig Rufe wie "schneller" oder "vorwärts, vorwärts" bei mir an. Item, die Bewertung dieser Länge schätze ich auf 7b oder 7b+, aber natürlich wäre es wie immer interessant, hierzu noch weitere Meinungen zu hören. Als der Standkarabiner eingehängt war, seilte ich mich umgehend wieder ab. Zum Trödeln war nun keine Zeit mehr, rasch die Seile aufnehmen und sich im Laufschritt talwärts aufmachen war die Devise. Noch gut im Trockenen erreichten wir das Sellajoch und unser Auto. Doch schon wenige Minuten später bei der Fahrt ins Grödner Tal prasselte ein sintflutartiger Regen auf die Windschutzscheibe. Das war doch echt wieder perfektes Timing :-)

Facts

Erster Sellaturm - The Bernards 7b/+ (6c+ obl.) - 7 SL, 175m - R. Bernard 2013 - ****; xxxx
Material: 13 Express, 2x50m-Seile. Keile/Friends nicht nötig bzw. einsetzbar.

Tolle und bestens abgesicherte Sportklettertour am steilen, rötlich-gelben Gemäuer des ersten Sellaturms. Gleich die erste Länge fordert einiges und trotz der sehr guten Absicherung will der Schlüsselzug zumindest halbwegs ehrlich geklettert sein. Der Rest ist dann für Kletterer dieses Niveaus eine schöne und perfekt mit BH abgesicherte Genusskletterei. Langeweile droht aber deswegen sicher nicht, von der tollen, anhaltenden und gut griffigen L3 wird bestimmt jeder Begeher begeistert sein! 

Topo

Wie bereits erwähnt, es gibt (noch?) kein offizielles Topo von dieser Route. Auf meinem aktualisierten Icterus-Topo habe ich nun auch noch die Schwierigkeitsgrade der einzelnen Seillängen nachgetragen. Wer übrigens nur eine der beiden Routen klettern will, findet so die schönste und homogenste Kombination: L1 von Icterus, dann L2 und L3 von The Bernards. Vom dritten Stand klettert man dann den linken Ausstieg, wobei man auch L4 und L5 vom linken Ausstieg problemlos zusammenhängen kann. Zuletzt klettert man in L6 dann auch die linke Variante.





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