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Donnerstag, 31. August 2017

Titlis Südwand - Gelbe Sau (6c)

An der Titlis Südwand wollte ich schon seit langer Zeit einmal klettern, denn schliesslich sehen alle Routen vielversprechend und attraktiv aus. Das grösste Hindernis besteht in der abgelegenen Lage und dem dadurch weiten Zustieg. Diese Wahrnehmung wird durch den Umstand verstärkt, dass man eigentlich denselben Ausgangspunkt wie für die Wendenstöcke benutzt. Und diese locken natürlich mit kürzerem Zustieg und noch bekannteren Routen. Doch nachdem das Set der mir noch unbekannten, aber gleichzeitig machbaren Wendenrouten aber mehr und mehr schrumpft, wollten wir für einmal den Trip zum Titlis machen. Ursprünglich wollten wir dabei die Route Cirrus (12 SL, 7a) angehen, daraus geworden ist aber schliesslich die für ihren Anspruch und die harten Bewertungen berüchtigte Gelbe Sau (12 SL, 6c).

Blick auf die Titlis Südwand mit dem Verlauf der Gelben Sau sowie dem Einstieg von Cirrus.
Für den Zustieg kommen eigentlich gleich 4 Varianten in Frage: 1) wäre der Zustieg von Engelberg Herrenrüti (P.1152) via das Grassenbiwak (P.2650), was bis zum Einstieg mit total 1550hm Aufstieg zu Buche schlägt, dazu kommen auf dem Rückweg nochmals gute 100hm Gegenanstieg. Der Vorteil von diesem Weg ist seine relative Unkompliziertheit, ebenfalls ist er (bis zum Biwak) markiert. 2) wäre der Anstieg von Chli Sustli (P.1907) an der Sustenpassstrasse via Stössensattel (P.2782). Das macht brutto rund 900hm Aufstieg, allerdings kommen auf dem Rückweg nochmals 300hm Gegenaufstieg dazu, darüber hinaus war uns der aktuelle Zustand von diesem hochalpinen Übergang nicht bekannt. Variante 3) ist, mit der Bahn auf den Klein Titlis zu fahren und via den nicht mehr unterhaltenen Klettersteig durch die Titlis Südwand abzusteigen, was bloss rund eine Stunde dauern soll. Negativpunkte sind hier die ziemlich teure Bahn, die Unklarheit, wie gut auffindbar, wie problemlos und wie schnell der Abstieg ist, der späte Betriebsbeginn um 8.30 Uhr sowie der lange Rückweg zum Auto via Grassenbiwak. Somit schien uns Variante 4), nämlich ein Start auf der Wendenalp (P.1606), die beste Alternative. Damit wird die Tour nämlich auch zu dem, was sie unzweifelhaft ist, nämlich einem weiteren Wenden-Abenteuer. Nun denn, im Groben war der Entscheid für einen Start auf der Wendenalp gefallen, im Detail war allerdings noch weitere Routenplanung nötig. Einen offiziellen oder gar markierten Weg zum Einstieg bzw. dem Grassenbiwak gibt es nämlich nicht und es ist jedem Einzelnen überlassen, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen. Wir schwankten etwas zwischen der Variante mitten im Tal, über die glatt aussehenden Gletscherschliffplatten hinweg zum Wendengletscher. Oder dann, dem Weg zum Reissend Nollen bis unters Biwak, und von dort die Hänge querend zum Fuss der Titlis Südwand. Letztere Variante ist (sehr rudimentär und nicht korrekt eingezeichnet) auf der Webseite vom Grassenbiwak beschrieben, so dass wir ihr schliesslich im Aufstieg den Vorzug gaben. Hinweis: dieser Weg ist möglich, aber m.E. nicht ideal. Besser und schneller für Auf- und Abstieg ist tatsächlich die Variante mitten im Tal und über die Gletscherschliffplatten, welche wir später für den Abstieg wählten.

Unser Aufstieg (orange) zur Titlis Südwand. Dieser benützt den Zustieg zum Reissend Nollen bis unter das Biwak, dann die Hänge querend und schliesslich oberhalb der markanten, gelben und bereits von der Wendenalp sichtbaren Felsen zum Fuss der Titlis Südwand. Besser für Auf- und Abstieg ist jedoch der Weg mitten im Tal (rot), den wir später im Abstieg gewählt haben. Obwohl auch weglos, ist das Terrain gut begehbar. Die Gletscherschliffplatten erfordern zwar etwas Kletterei, bieten aber keine grossen Schwierigkeiten.
Somit brachen wir also guten Mutes und mit vollem Energietank um etwa 7.15 Uhr vom üblichen Wenden-Parkplatz auf. Zügigen Schrittes ging's auf bestens bekanntem Pfad bis unters Biwak am Vorbau des Reissend Nollen (bis hier ca. 0:45h). Hier hiess es nun, einen neuen Weg zu beschreiten. Bei Wyssi Balm quert man auf ca. 2050m die Firnfelder unter dem Reissend Nollen, um dann immer etwas ansteigend über Geröllhänge weiter hinaufzusteigen bis zu Schwarzi Naad (ca. 2270m). Hier endet die untere Abseilstelle, welche man auf der beliebten Titlis-(Ski-)Rundtour zu bewältigen hat. Man etabliert sich nun oberhalb der bereits von der Wendenalp sichtbaren, markanten gelben Felsen. Bzw., es ist am besten, wenn man sich so hoch wie möglich, d.h. auf einem Band am Fuss der schwarzen Hauptwand hält. Das Band an sich ist recht gut begehbar (ca. T5), jedoch schuttig, "läbig" und exponiert. Schliesslich erreicht man auf etwa 2400m die westlichen Ausläufer der Titlis Südwand und schliesslich den Einstieg der interessant aussehenden Route Freitag (20 SL, 6c+). Bis dahin brauchten wir rund 1:45h.

Time for a Break. Von Sens hatte ich ein paar Energieriegel erhalten. Nichts besonders? Doch, denn diese benützen Insekten (Cricket Flour) als Proteinquelle. Das ist eine gute Sache, weil man diese viel nachhaltiger und ressourcenschonender produzieren kann als Proteine anderer tierischer Herkunft. Geschmacklich merkt man rein gar nichts davon, dass Insekten die Grundlage bilden. Mir haben die Riegel sehr gut geschmeckt. Sie sind etwas trocken und unspektakulär, was mir viel mehr zusagt als die klebrige Süsse und der künstliche Geschmack von Konkurrenzprodukten. Wer will, findet nähere Infos auf der Website, dort lässt sich zur Zeit auch ein Sample Pack mit 4 Riegeln für 2.49 CHF bestellen - ich kann einen Versuch wärmstens empfehlen!
Wir spielten mit dem Gedanken, bereits hier einzusteigen, entschieden uns dann aber doch, dem ursprünglichen Ziel im Hauptsektor der Titlis Südwand zuzustreben. Dabei versuchten wir zuerst, dem Wandfuss weiter zu folgen. Es folgte unerquickliches Auf und Ab in losen Geröll, bis wir uns irgendwann bewusst wurden, dass wir trotz allem 150hm über mühsames Geröll vernichten mussten, um auf den Wendengletscher abzusteigen. Unglaublich übrigens, was in dieser Zone an Müll und Bauschutt herumliegt, welcher vom Klein Titlis achtlos hinuntergeworfen wurde. Hinzu kommen dann noch die ganzen Munitionsreste, welche die Armee jahrzehntelang auf den Wendengletscher geballert, aber nie eingesammelt hat. Der Gletscher präsentierte sich aper, flach und völlig problemlos, so dass wir nach etwa 2:30h im Becken unterhalb der Wand standen. Nun galt es noch, den Einstieg aufzufinden, was sich jedoch als gar nicht so einfach entpuppte. Wir hatten zwar mehrere Wandfotos und Topos zur Verfügung. Die Schwierigkeit bestand jedoch darin, dass diese teils widersprüchliche Infos bereithielten und vor Jahren, d.h. bei deutlich höherem Gletscherstand aufgenommen wurden. So war es dann gar nicht einfach, die entsprechenden Features einander zuzuordnen. Hinzu kam, dass durch den enormen Gletscherrückgang im letzten Jahrzehnt die ersten Haken jeweils auf 20-30m Höhe "off the deck" stecken und von unten kaum erkennbar sind.

Auf dem Wendengletscher liegt eine unglaubliche Menge an Müll herum. Einerseits vom Titlis heruntergeworfene Ware, andererseits hat die Armee jahrzehntelang dort raufgeballert, aber nie aufgeräumt. Diese Granate dürfte sogar noch scharf und gefährlich sein. Wurde an die Blindgängermeldezentrale weitergeleitet, ohne Antwort bisher.
Nach einigen Irrungen und Wirrungen konnten wir die ersten Haken von Cirrus und der Gelben Sau aber ohne grössere Zweifel identifizieren. Bei der Cirrus präsentierte sich die Lage so, dass einerseits die gähnende Randkluft zu breit für eine Überquerung war. Noch dazu wäre das Anklettern des ersten, auf ~25m Höhe steckenden BH nicht realistisch gewesen. Es wartet dort plattige Kletterei in vom Gletscher glatt geschliffenem Fels. De visu ist das nicht unter 6b zu haben und die Möglichkeiten für mobile Absicherung scheinen schlecht bis gar nicht vorhanden. Hier brauchten wir also gar nicht erst zu probieren. Bei der Gelben Sau sah die Lage vorteilhafter aus. Die Randkluft war auch hier offen, aber mit einem grossen Spreizschritt gerade noch zu überwinden. Vor allem wartete aber hinauf zum ersten Haken ein Riss mit relativ moderaten Schwierigkeiten (ca. 5b), wo auch die Möglichkeit zur mobilen Absicherung gegeben schien. Somit starteten wir um ca. 10.30 Uhr schliesslich in die Gelbe Sau, mit der Option weiter oben allenfalls in die Cirrus zu wechseln.

Eine etwas andere Perspektive auf die Titlis Südwand. Wenden-Climbing at its best!
L1, 30m, 5b: Am schwierigsten sind gleich die ersten Meter im gelben Fels nach dem Spreizschritt über die Randkluft bis zum Beginn des markanten Risses. Immerhin liess sich auch da ein zuverlässiger Cam legen, der Riss an sich führt dann problemlos zum Stand. Blickt man vom derzeitigen Einstieg nach unten, so scheint sich die Lage bei noch tieferem Gletscherstand zuzuspitzen - der Fels unterhalb sieht steil bzw. überhängend und wenig strukturiert aus...

Auftakt in den markanten, gelben Felsen. Das schwierigste ist bereits überwunden, nachher geht's dem Riss links entlang.

Der Blick von oben auf L1 (5b). Die Randkluft breit und bodenlos gähnend tief!
L2, 40m, 5c+: Steile Kletterei in griffigem Fels, der ähnlich wie jener am Vorbau des Reissend Nollen ist. Klettert sich viel besser, wie es auf den ersten Blick aussieht. Am Anfang überraschend eng eingebohrt, gegen oben hin weitere Abstände und ein schwer sichtbare SU-Schlinge.

Steile Kletterei in L2 (5c+). Vor 30 Jahren reichte der Gletscher noch bis hier hinauf (rund 60m höher als heute!).
L3, 50m, 5c+: Nach rechts und dann die steilplattige Wand hinauf, die Kletterei entpuppt sich als überraschend knifflig, weil alles ein bisschen abschüssig ist. Man kommt wieder nach links auf eine flachere Zone zurück und wo geht's weiter? Gerade hinauf übers Dach hinweg (BH nicht sichtbar).

Da haben wir wieder einmal die Luis-Trenker-Pose! Auftakt zur überraschend kniffligen L3 (5c+).
L4, 50m, 5c: Grösstenteils einfache Kletterei, am Schluss sogar Gehgelände. In der Mitte wartet hingegen ein kurzer, überhängender Wulst, wo 2-3 kräftige Züge notwendig sind. Hier könnte man nun wohl in brüchig-schuttigem Gelände nach links hinauf zur Cirrus wechseln. Nach reiflicher Überlegung verwarfen wir indessen diese Möglichkeit und wollten die bereits lieb gewordene Gelbe Sau bis zum Ende klettern - mir ist einfach am liebsten, MSL-Routen von ihrem ersten bis zu ihrem letzten Meter zu beklettern.

Am Wulst von L4 (5c), oben wartet die riesige Plattenwand im typischen Wenden-Style.
L5, 30m, 2a: Einfaches Überführungsstück an den oberen und wesentlichen Wandteil. Da sieht man gleich, was es geschlagen hat! Kompakte Steilplattenkletterei à la Rätikon - Erinnerungen an die grandiose, aber auch anspruchsvolle Achtibahn im Rätikon, ein Werk derselben Erstbegeher kommen (völlig zurecht) sofort auf.

L6, 40m, 6c: Nach ein paar gemässigten Metern geht's los. Mit feinem Antreten und guter Linienwahl kommt man über die ersten 2 BH an der Hauptwand noch gut hinweg. Dann ein Runout zum alten Kronenbohrhaken, der zudem noch verflixt schwierig zu klippen ist. Die Crux dann griffarm direkt über den Haken hinweg nach links. Danach wird's wieder ein bisschen leichter (~6b), aber es muss noch 2x weit über die Haken gestiegen werden bis zum Stand.

Super Plattenkletterei in L6 (6c). Die Haken stecken weiter auseinander, wie es auf dem Foto den Anschein machen mag. Zudem ist's in allen Seillängen so, dass diese nach dem Stand noch relativ eng stecken, gegen oben werden die Abstände dann immer weiter (absolut sinnvoll so, natürlich).

Rückblick auf L6 (6c), anspruchsvoll bis zum Schluss.
L7, 45m, 6a+: Auf dem Topo steht, dass in dieser Länge ein Friend 4 unverzichtbar sei. Solch grosse Cams hatten wir jedoch nicht dabei, da für die eigentlich geplante Cirrus nicht notwendig und freiwillig trägt man diese Teile auch nicht 3 Stunden herum. Das machte schon etwas Bauchweh... vom Stand weg geht's erst relativ leicht und top gesichert hinauf. Die Klimax dann gegen das Ende hin. Bohrhaken, schon etwas feinere Linksquerung und über einen Wulst hinauf zu einem Riss. Der ist tatsächlich breit, ganz an seinem unteren Ende liegt aber der Camalot 2 (der grösste, den wir dabei haben) zuverlässig. Der Move über den Wulst (ca. 4m über dem letzten BH) ist die Crux, ohne mobile Sicherung ginge das nicht. Die letzten Meter (nochmals mobile Sicherung und BH) dann wieder zugänglicher zum Stand.

Jonas steht mit den Füssen gerade an jener Stelle, wo in L7 (6a+) zwingend ein Cam in den Riss gelegt werden muss.
L8, 40m, 6b: Der Beginn bietet heftige Reibungskletterei an der Haftgrenze - 6b ist da die unterste Grenze der halbwegs nachvollziehbaren Bewertungsspanne. Hier aber tiptop eingebohrt. Nach links hinauf wird dann die Kletterei etwas einfacher, dafür auch die Abstände grösser. Der vorletzte Klipp ist ziemlich ätzend, der BH steckt unangenehm hoch.

Das Finish von L8 (6b) an grandiosen Wasserrillen bei perfekter Felsqualität.
L9, 45m, 6a: Endlich wieder einmal eine Länge, wo man sich etwas entspannen kann! Über weite Strecken sogar eher noch einfacher wie 6a, jedoch sehr schöne Kletterei. Im ersten Teil gut abgesichert, im zweiten Teil wie eigentlich immer weite Abstände. Die Crux an einem kleinen Wulst mit darauf folgendem Runout, welcher gut mit Cams in den tief eingeschnittenen Wasserrillen entschärft werden kann.

Tief eingeschnittene Wasserrillen am Ende von L9 (6a). Bis hierhin wurde die Route bereits 1988 in unglaublich kühner Manier erstbegangen. Es steckten damals auf den unteren Seillängen noch weniger als die Hälfte der heutigen Bolts. Und die Route klettert sich selbst im nachgerüsteten Zustand Anno 2017 immer noch kühn.
L10, 45m, 6c: Die ersten Meter ganz auf den Pfeilerkopf hinauf gibt's noch geschenkt. Dann ein schwieriger Schritt an die Hauptwand, wohl auch noch ziemlich grössenabhängig. Schliesslich folgt Premier Cru Wandkletterei an Chickenheads, total genial. Die Crux eine Wandstelle in der Mitte mit kräftigem Blockierer. Leider ist danach der Weiterweg schwer ersichtlich (BH aus der Kletterstellung nicht sichtbar, man könnte bei ähnlich scheinenden Schwierigkeiten so ziemlich in jede Richtung weiter). 5-7m klettert man im oberen Teil im anhaltenden 6b-Gelände zwischen den Bolts - aber es geht. In meinem Hinterkopf aber stets der Gedanke, was passiert, wenn ein solcher fucking Chickenhead abbricht. Dementsprechend katzenartig leicht versuche ich zu moven - sturzfrei zum Glück!

Er lässt es hier wie Plaisirkletterei aussehen, aber L10 (6c) an Chickenheads ist eine harte Nuss!
L11, 45m, 6b+: Ein Killerviech von einer Seillänge - anhaltend schwierig und anspruchsvoll, steile Wandkletterei vorwiegend an Chickenheads und den schwarzen, kohleartigen Einschlüssen, welche man von der Reissend Nollen Hauptwand kennt. In der Mitte eine kurze Sequenz mal leicht brüchig, sonst aber top Fels. Tja, und 8 BH auf 45m sind halt nicht die Menge. Insbesondere die letzten 4 sind alle heikel und sehr zwingend anzuklettern. Oft geht's bis kurz vor dem Klipp gerade noch so. Dann steht man mit pochendem Herz 3m über der letzten Sicherung und der Bolt grinst 50cm höher und zwei heikle Züge weiter hinab. Da hatte ich echt den Eindruck, dass ich im Vorstieg alle BH einen halben Meter tiefer gesetzt hätte. Doch irgendwie kämpfe ich mich durch - nach meinem Empfinden die insgesamt anspruchsvollste und vermutlich auch schwierigste Länge. Aber vielleicht war ich auch schon etwas müde.

Richtig taffe, aber geniale Kletterei an Chickenheads in L11 (6b+).
L12, 25m, 6a: Die letzte Länge ist auch nicht zu unterschätzen und bietet nochmals ähnliche Kletterei wie die beiden zuvor. Allerdings ist der Fels hier etwas mehr strukturiert und nicht ganz so steil, dass man mit einer harten 6a durchkommt. Der Stand dann gemeinsam mit der Cirrus eher links zu suchen (nicht auf den äusserst brüchigen Pfeilerkopf aussteigen!).

Am Top gibt's nicht viel zu sehen oder zu fotografieren - also muss ein Selfie herhalten. 
Wie eigentlich immer bei den Wendenrouten endet das Vergnügen abrupt auf einem vagen Pfeilergipfel beim Übergang von erstklassigem Topfels zu einem Gschirrlade. Die Uhr war bereits auf 16.45 Uhr vorgerückt, somit hatte uns die anspruchsvolle Kletterei doch 6:15 Stunden beschäftigt. Da noch ein langer Rückweg auf uns wartete, wollten wir uns nicht weiter aufhalten und fädelten die Seile umgehend in den Abseilring. Ausser der kurzen L5 kann kein Stand übersprungen werden, so dass 10 Manöver nötig sind und wir etwa 50 Minuten für den Weg in die Tiefe brauchen. Meist geht's ob der steilen und ungestuften Wand rassig mit Seil abziehen, nur die einfachere, etwas geröllige Zone von L4/L5 braucht etwas Aufmerksamkeit. Es folgte der Biss ins Sandwich, bevor wir uns bald auf den Heimweg machen. Dieses Mal wählen wir den Weg durch die Talmitte, wobei die Gletscherschliffplatten von oben kommend ziemlich unübersichtlich sind. Wir erwischen die Passage aber tiptop. Bereits nach einer guten Stunde sind wir am Ende der Strasse bei P.1593 und denken uns, wären wir doch auch von hier aufgestiegen. Es wartet noch eine Viertelstunde auf der Strasse, bevor wir talwärts rollen und wieder einmal unserer Wenden-Stammkneipe einen Besuch abstatten und auf ein weiteres, fantastisches Abenteuer anstossen können.

Der Wendengletscher ist absolut harmlos. Er war problemlos ohne Steigeisen und Pickel sowie in Halbschuhen zu begehen. Dies dürfte im Hochsommer wohl immer der Fall sein. Wir hatten in Unkenntnis der Begebenheiten Steigeisen, Pickel und schwere Schuhe dabei. Das nächste Mal werde ich jedoch darauf verzichten.
Facts

Titlis Südwand - Gelbe Sau 6c (6c obl.) - 12 SL, 480m - Winkler/Schoch/Stalder 1988-2006 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, Camalots 0.3-2 plus allenfalls 3, Keile nicht nötig

Sehr schöne Route mit Wendencharakter, welche den eher weiten Zustieg mit toller Kletterei und prima Ambiente auf jeden Fall lohnt. Die ersten 3 Seillängen bieten moderat schwierige Kletterei ähnlich wie am Vorbau des Reissend Nollen. Nach einem etwas gerölligen Intermezzo folgen 4 super Seillängen auf Platten mit seichten Wasserrillen. Zum Abschluss gibt's dann noch 3 steile Seillängen an fantastischen Chickenheads bis zum Top. Die Absicherung darf man als gut bezeichnen, auch wenn einem nichts geschenkt wird. Die Abstände nach dem Stand sind meist kurz gehalten, während sie gegen oben in der Seillänge immer weiter und zwingender werden. Die rostfreien Bolts sind jedoch solide und sinnvoll platziert, wenn sie auch teilweise hoch stecken und sehr ehrlich anzuklettern sind. Insgesamt würde ich die Bewertung xxx an der untersten Grenze vergeben, mit Zusatz psychisch anspruchsvoll, zwingend aber kaum gefährlich. Da und dort kann/muss noch ein Klemmgerät platziert werden, L7 wäre ohne einen Camalot der Grösse 2 (oder mehr) heikel. Die Bewertungen sind global gesehen sicherlich hart, jedoch im Wendenkontext jetzt auch nicht unrealistisch und "over the moon" - an den Wenden ist es einfach Standard, dass 6c bereits vollen Einsatz erfordert und auch 6a+ ist nie geschenkt. Im Vergleich zu 'moderner' bewerteten Routen kommt man der Sache aber wohl näher, wenn man überall noch einen Letter Grade (z.B. 6a -> 6b) hinzufügt. Der Zustieg über den Gletscher darf als harmlos bezeichnet werden und braucht normalerweise keine alpine Ausrüstung - hingegen kann die Randkluft problematisch sein. Ein Problem stellt insbesondere auch der Beginn der Route dar. Der erste Haken steckt derzeit auf rund 25m Höhe, die Strecke dorthin ist mobil gut absicherbar. Dies könnte sich in den nächsten Jahren zuspitzen, d.h. nach weiterem Abschmelzen warten unterhalb vermutlich schwierigere und nicht mobil absicherbare Klettermeter. Ich habe den Erstbegeher Kurt Winkler auf diese Problematik angesprochen. Er schrieb mir, dass er "es nicht nur erlaubt, dass hier Bolts platziert werden, sondern es sogar ausdrücklich begrüsst, wenn dies getan wird". Nochmals im Klartext: es darf also jedermann die Route durch Setzen von BH "nach unten verlängern" - bitte hinterlasst doch hier oder sonst an einschlägiger Stelle einen Kommentar, wenn dies erledigt wurde, damit man über den genauen Zustand im Klaren ist. Das Originaltopo gibt's hier auf filidor.ch, nähere Infos gibt's im Kletterführer Zentralschweizer Voralpen Südwest (z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich) oder im Engelberg Outdoor Guide. Viel Spass!

Montag, 28. August 2017

Ticket to Rockstars

Spannend am Klettern ist ja gerade, dass es eine ungezählte Vielfalt an Spielformen gibt. Eine davon ist das Wettkampfklettern, in dieser Hinsicht war ich bisher gar nicht aktiv. Für einmal gab's eine Ausnahme. So kam es, dass ich am einen Tag eine abenteuerliche Wenden-Route mit 3 Stunden Zustieg anging, am nächsten Tag beim selben Boulder-Wettkampf wie die amtierende Weltmeisterin teilnahm und am dritten Tag wieder in einen 22-SL-Bigwall einstieg. Abwechslung macht das Leben süss! Zu meinem Glück kam ich ein bisschen wie die Jungfrau zum Kinde. Während einer Boulder-Session mit der Familie fielen den Kindern die mit "Ticket to Bratwurst" bezeichneten Vorqualifikations-Boulder auf. Sie interpretierten dies so, als dass es für jeden gekletterten Boulder eine gratis Bratwurst gäbe und bestürmten mich deshalb mit "Papa, den musst du unbedingt machen". Schliesslich hatten wir alle diese Qualifikationsboulder identifiziert und bis auf 2 Stück auch durchgestiegen, womit das Ticket für den eigentlichen Qualifikationswettkampf gesichert war. So wollte ich mich dann nicht lumpen lassen und reiste mit der ganzen Familie für das "Ticket to Rockstars" an. Es war ein super Event, der mir grossen Spass bereitet hat - deshalb ist auch ein Blogbeitrag darüber vollständig angebracht.

Ticket to Adidas Rockstars. Foto: Kletterzentrum Gaswerk AG auf facebook.com
Beim Adidas Rockstars handelt es sich um einen dezentralen, niederschwelligen Event. In zahlreichen Boulderhallen in 20 verschiedenen Ländern finden Qualifikations-Wettkämpfe statt. Die jeweils beste Frau und der beste Mann von jedem Quali-Event dürfen dann Mitte September am Final in Stuttgart teilnehmen. Ein bisschen verwundert stand ich dann allerdings schon an der Registration, war doch offensichtlich ein wesentlicher Teil der nationalen Elite anwesend, so dass ich als alpiner Klettergrufti ein wenig auf verlorenem Posten schien und mich irgendwie als kleine Maus fühlte. Vorerst einmal wurden wir jedoch grosszügig mit Goodies beschenkt, dann herzlich persönlich begrüsst und nach etwas Wartezeit wegen einem heftigen Regenschauer hiess es dann einfach, das Beste zu geben. Wie bereits erwähnt, die Wettkampfatmosphäre beim Klettern war mir völlig fremd - ich fand es jedoch total motivierend und inspirierend.

Die Wand nach Ablauf der Zeit und der Rangverkündigung genauso leer wie die Speicher der Athleten. Vorher war's teils ein richtiger Rummel (viele Leute und die Boulder auf engem Raum), so dass man sich seinen Platz regelrecht erkämpfen musste. Welch ein Kontrast zur alpinen Kletterei, wo man ganze Hektaren an Kletterfläche für sich alleine hat!
Insgesamt standen 47 verschiedene Boulder zur Verfügung. Bei jedem gab es einen Zonengriff, der 1 Punkt ergab. Für das Erreichen vom Top wurden 2 Punkte vergeben und gelang der Durchstieg im Flash, so war dies 3 Punkte wert. Als alter Onsight-Fuchs schien es mir die beste Taktik, erst ganz sorgfältig mit den Kräften zu haushalten und soweit möglich die in Reichweite liegenden Boulder im Flash abzuklappern. Dank Zurückhaltung und scharfem Beobachten konnte ich tatsächlich die ersten ca. 15 Versuche erfolgreich gestalten, so gelangte ich in einen richtigen Flow und fühlte mich inmitten all dieser starken Jungs und Mädels auch nicht mehr ganz so verloren. Am Schluss wurde dann auf einmal die Zeit knapp, so dass ich in einem wahren Schlussspurt noch möglichst bei allen verbliebenen Bouldern soweit möglich die Punkte ergattern musste - hätte ich ein wenig früher um die nahe Deadline gewusst, so hätte ich noch den einen oder anderen Zusatzpunkt buchen können. Schliesslich resultierte ein 14. Rang, erstaunlich weit vorne für mein Empfinden! Ich hatte a priori eher damit gerechnet, die Rangliste vom hinteren Ende her anzuführen. Schade übrigens, dass definitiv nicht alle Teilnehmer ihre Scorecard abgegeben haben und in der Rangliste geführt werden - für mich ist das Sportsgeist und Ehrensache, selbst wenn's nicht für die vorder(st)en Plätze reicht.

Im Rahmenprogramm gab's u.a. noch diese Handkraft-Challenge. Da sieht man, wo die Fingerkraft zuhause ist ;-) Nur der Moritz, der ist kein Dettling, somit konnte sich der Autor dieser Zeilen (wie erwartet) bei der Fingerkraft-Messung keine Lorbeeren abholen.
Zum Schluss noch eine Anekdote, welche fürs Klettern und diesen Blog über den Wettkampf hinaus von Interesse ist. Mir gelang es tatsächlich, einen Boulder zu flashen, wo namhafte Prominenz daran gescheitert ist. Dabei geht's mir absolut nicht ums Prahlen, sondern eher darum, wie subjektiv und morpho (d.h. von den körperlichen Gegebenheiten abhängig) die Schwierigkeit von manchen Kletterstellen ist. Dabei war es noch nicht einmal ein Boulder, wo man auf den ersten Blick besonders von Körpergrösse und Reichweite zu profitieren schien. Dies muss man sich einfach immer vor Augen führen, sei es, wenn man Wettkämpfe klettert, im Freundeskreis bouldert, harte Routen punktet, Erstbegehungen bewertet oder über Kletterrouten schreibt! Zuletzt bleibt es mir, den Organisatoren und allen Beteiligten für diesen Event herzlich zu danken - merci vielmals für den Einsatz, die vielen Geschenke (bei der Abschlussverlosung gab's noch einen tollen Rucksack dazu!) und das lässige Rahmenprogramm für die ganze Familie.


Offizielle Rangliste der abgegebenen Scorecards. Quelle: Kletterzentrum Gaswerk AG auf facebook.com.

Montag, 21. August 2017

Ailefroide - Écrins Total (5c+)

Ja was, macht der jetzt etwa nur noch Plaisirrouten? So sieht's aus... Der zweite Teil unserer Sommerferien führte uns ins Haut Val Durance. Hier scheint bekanntlich fast immer die Sonne und es gibt eine unglaubliche Auswahl von Klettereien. Von alpinen Touren zu höchstklassigen MSL-Perlen über lässige Plaisirtouren bis zu einer sehr grossen Auswahl an Klettergärten in allen Gesteinsarten, Expositionen und Schwierigkeiten. Während wir uns familienbedingt vorwiegend dem Sportklettern widmeten, reichte es auch noch für eine Plaisirroute in Ailefroide.

So passierten wir auf der Anfahrt wieder einmal die Tete d'Aval und meine wehmütigen Blicke wanderten hinauf. Zu gerne wäre ich endlich einmal in die Ranxerox (18 SL, 7a) eingestiegen, welche dem Vernehmen nach zu den 100 besten MSL-Touren der Alpen gehört. Aus beinahe jeder Position im Haut Val Durance kann man die stolze Linie erkennen, aber es sollte auch dieses Mal noch nicht sein. Doch die Gelegenheit wird kommen, so viel ist sicher. Sind hingegen MSL-Routen im Plaisirbereich angesagt, so ist Ailefroide die Destination der Wahl. Erwähnt sei allerdings, dass unter dem 6a-Bereich nur eher wenig zu holen ist. Ein weiteres Hindernis stellte während unserem Aufenthalt die doch relativ sonnige Exposition der Wände dar - auf den schwarzen Granitplatten war es im Hochsommer bei direkter Einstrahlung schlicht und einfach viel zu heiss zum genüsslichen Klettern.

Der kürzeste (nicht unbedingt schnellste) Zustieg führt über den Bach, die Tyrolienne auf dem Foto knapp erkennbar.
Daher wollte ich mit meiner Tochter nach einem gemütlichen Bade-Vormittag in den Sektor Poire, wo die logische Wahl eine der beliebtesten Touren des ganzen Tals überhaupt war, nämlich die Écrins Total (5c+). Der Rest der Familie wollte sich indessen dem Bouldern widmen, wofür es in Ailefroide auch sehr gute Möglichkeiten gibt. Die Route ist nach ESE exponiert, d.h. am Vormittag sonnig, am frühen Nachmittag gibt's noch etwas Streiflicht und Mitte Nachmittag kommt dann (endlich!) der Schatten. Als Zustieg wählten wir nicht den üblichen Weg im Aufstiegssinn links vom Bach - hier müsste man vom Hauptplatz in Ailefroide etwa 1km und rund 20 Minuten ins Tal hineinwandern. Sondern wir fuhren automobil rechts des Bachs auf der Strasse nach Pré, um dann via Tyrolienne zum Einstieg zu gelangen. Zeitlich bringt das sicherlich herzlich wenig, die Ersparnis an Fussmarsch ist auch kaum der Rede wert - rein vom Erlebnis her war es aber (gerade für die Kinder) schon toll, am Seil den reissenden (und zu Fuss absolut unpassierbaren) Bergbach zu überqueren.

Und so sieht's aus, wenn man dran hängt. Ein tolles Erlebnis, das für Abwechslung sorgt!
Erwähnt sei an dieser Stelle auch noch, dass sich der Sektor allgemein und insbesondere deren zugänglichste Linie der Écrins Total einer sehr hohen Beliebtheit erfreut. In den Sommerferien wird man hier kaum auf freie Bahn treffen - es sei denn, man trete bereits frühmorgens oder erst spätabends an. Noch dazu tummelt sich hier erwartungsgemäss nicht unbedingt die geballte alpinistische Kompetenz und es sind doch allerhand unkonventionelle und ineffiziente Manöver zu betrachten. So kam es dann auch, dass ich mit meiner Tochter tatsächlich schon im kurzen Zustieg eine irre langsame Seilschaft überholen und distanzieren konnte, auf der Route passierten wir 2 weitere Seilschaften, welche sich (auf einer Plaisirroute, wo's keinen Hakenabstand >4m gibt!) ins Nirvana verkoffert hatten und beim Abseilen gab's auf der einem Ameisenhaufen gleichenden Poire ein ähnliches Bild. 

Blick ins Tal von Ailefroide. Eine schöne, alpine Gegend, im Sommer jedoch sehr stark frequentiert.
Um die Situation zu entschärfen, wurden mit Absicht 4 Abseilpisten eingerichtet, doch natürlich wird zu 99% nur jene benutzt, welcher unmittelbar neben der Route verläuft. So konnten wir auf dem Heimweg über eine der anderen Pisten mit freier Bahn gleich nochmals mehrere Partien einpacken und hätten wir uns für die übliche Variante hinten angestellt, ich glaube wir wären heute noch am Berg. Aber ich will das alles gar nicht werten. Es ist einfach ein Fakt, dass es in diesem Sektor sehr viele Leute hat und ich mir Andrang, Staus und Wartezeiten auf MSL-Touren nicht gewohnt bin. Erwähnt sei auch noch, dass in der Ecrins Total die Standplätze nicht verbunden sind (mit Absicht, damit die Leute diese nicht zum Abseilen nutzen können) und teils nur Laschen mit Platz für 1 Karabiner aufweisen. Dies sorgt bei dem grossen Andrang mit mehreren Partien an demselben Standplatz oft auch für heikle (Wechsel-)Manöver.

L1, 5b, 30m: Ziemlich flacher, plattiger Auftakt ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Am Schluss eine Linksquerung und griffig auf einen Aufschwung hinauf, dies ist die Crux.

Unterwegs im plattigen, ersten Teil von L1 (5b). Zustiegspfand und Tyrolienne (links oben) sind auch sichtbar.
L2, 4b, 30m: Ein plattiger Auftakt, für den Grad gar nicht mal so einfach, danach eher etwas rechts halten. Bevor man nach rechts in die Schlucht hält, gibt's einen Standplatz (besser diesen nutzen). Oder alternativ die 15m-Querung in die Schlucht gleich noch zurücklegen und sich am unbequem hoch an der Schluchtwand gelegenen Stand einrichten.

Die Querung in die Schlucht am Ende von L2 (4b) mit Ausblick ins Tal. An den Wänden hinten wird auch geklettert.
L3, 5c+, 20m: Die ersten Meter steil, griffig und ein bisschen schräg geschichtet aus der Schlucht hinauf. Dann folgt ein Quergang nach rechts mit einer ziemlich schwierigen, stark grössenabhängigen Reibungsstelle. Die Passage ist jedoch so gut abgesichert, dass sie für unsichere Vor- und Nachsteiger absolut problemlos ist.

L4, 5c, 30m: Sehr schöne Seillänge mit steiler, griffiger und homogener Wandkletterei in schon beinahe luftiger Position. Neben der letzten Seillänge die beste der ganzen Route.

Der Blick hinunter auf die sehr schöne L4 (5c).
L5, 5a, 20m: Knapp links der runden Plattenkante geht's an einem Riss rampenartig hinauf. Wirkt ein bisschen gesucht, auf der Kante drauf wäre es wohl einfacher?!?

Der Ausstieg aus L5 (5a).
L6, 4c, 30m: Geneigte Reibungskletterei, zu Beginn ohne Schwierigkeiten, dafür mit einem kurzen, ausgewaschenen Teilstücke, das ein bisschen an eine Badewanne erinnert (Mini-Kopie der Septumania). Am Schluss dann noch ein paar anspruchsvollere Moves nach links hinaus zum Stand unter dem letzten Aufschwung.

L7, 5b+, 40m: Mit ein paar gutgriffigen Moves ist der Aufschwung etwas linksherum rasch gemeistert. Es folgt sehr schöne Kletterei an rissigen Strukturen entlang der runden Plattenkante bis zum "Gipfel". 

Jupii, die ganze Route souverän geschafft. Kurz vor dem Ende von L7 (5b+).
Wir waren um 15.00 Uhr in die Route eingestiegen und waren (mit ein wenig Wartezeit) um 17.00 Uhr am Top. Alles war glatt und problemlos verlaufen, die Schwierigkeiten sind bestimmt nicht höher wie angegeben und selbst meine Tochter konnte alles easy klettern. Zum Abseilen wählten wir wie bereits erwähnt eine der freien, westlichen Pisten und waren nach 4 Manövern und einer knappen halben Stunde wieder am Boden, von wo es via Tyrolienne retour zur Strasse ging. Natürlich musste dann der Rest der Familie die Tyrolienne auch noch ausprobieren und so verbrachten wir eine weitere Stunde damit, ausgiebig den Bach zu überqueren. Nun sind wir parat für Patagonien oder wo auch immer, jedenfalls wird uns keine Passage eines reissenden Bergbachs mehr vor Probleme stellen ;-).

Der grösste Eispickel der Welt - vor der Mairie in Argentière, unmittelbar neben dem Carrefour.
Facts

Ailefroide - Écrins Total 5c+ (5a obl.) - 7 SL, 200m - Elichabe/Codans/Vincens 1997 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, mobiles Sicherungsmaterial nicht nötig & kaum einsetzbar

Bestens mit verzinkten Bohrhaken (Stand Sommer 2017: guter Zustand) abgesicherte Plaisirroute, welche einen interessanten Mix an Platten und steileren, meist sehr griffigen Passagen bereithält. Also eine der einfachsten Routen dieser Länge im Tal erfreut sie sich sehr grosser Beliebtheit, so dass man während der Hauptsaison und zu normalen Tageszeiten kaum je alleine sein wird. Einen Beschrieb zur Route findet man auf C2C, dort werden auch 3 Kletterführer aufgelistet, wo man ein Topo finden kann. Während diese hierzulande eher schwierig erhältlich sind, so kann man sie im Shop am Hauptplatz in Ailefroide erwerben (während der Saison täglich durchgehend geöffnet). Weiter sind in den Topguide-Führern viele Touren um Ailefroide beschrieben und während die Écrins Total fehlt, so ist die Nachbartour Bonne Poire beschrieben - da die Einstiege zudem angeschrieben sind, findet man sich damit problemlos zurecht.

Donnerstag, 17. August 2017

Äscher - Jahreszeiten (6c+)

Andere Leute gehen auf einen Sonntagsspaziergang. Wir auch. Nachdem ich mir einen Finger bei der Gartenarbeit heftig verstaucht hatte, schien ernsthaftes Sportklettern keine gute Option zu sein. Ein Besuch von granitplattigen Plaisir-MSL schien aufgrund vom frisch gefallenen Neuschnee und dem absehbaren Verkehrschaos zum Ende der Schulferien keine gute Wahl. Also wollten wir wieder einmal dem Äscher einen Besuch abstatten und den Spaziergang Richtung Schäfler, zum Gasthaus Äscher und durch die Wildkirchli-Höhle zurück noch mit einer kurzen MSL-Route aufwerten. Unsere Wahl fiel dabei auf die 4-SL-Route Jahreszeiten (6c+) an der Gelben Wand. Von der Ebenalp wäre man auf direktem Weg in einer guten Viertelstunde vor Ort.

L1, 40m, 6a+: Sehr interessante Seillänge, im oberen Teil auch bereits senkrecht und nach meinem Empfinden eher hart bewertet. In vielen anderen Gebieten gibt's für die kräftige Abschlusssequenz sicherlich bereits eine 6b+ attestiert.

Die zähen Schlusszüge von L1 (6a+) haben es in sich.
L2, 20m, 6b: In einem grosszügigen Linskbogen nähert man sich der Crux, welche in einer Querung über ein kompaktes Wandstück nach rechts besteht. Die Schwierigkeiten dieser Stelle dürfen aufgrund der grossen Griff-/Trittabstände ziemlich grössenabhängig sein. Meine Kinder könnten das jedenfalls unmöglich im Grad 6b klettern. Danach entlang von einer schönen Schuppe zu unbequemem Hängestand.

Kathrin in der Crux von L2 (6b), der Rechtsquerung. Den Henkel bereits geschnappt...
L3, 15m, 6c+: In der Kürze liegt die Würze, das ist echt eine super Seillänge mit 3 kniffligen Boulderproblemen. Dazwischen liegen nicht etwa Ruhepunkte, sondern einfach ein passabler Griff, an welchem man wieder etwas Übersicht gewinnen kann. Nach viel Tüftelei konnte ich die kleinen, scharfen Leisten, grossen Sloper und Unter-/Seitgriffe richtig in eine Sequenz einbauen, so dass mir der Onsight-Durchstieg gelang.

Super Kletterei in ästhetisch koloriertem Gestein in L3 (6c+).
L4, 15m, 6a: Kurze, steile und athletische Abschlusslänge, welche für den Grad auch nicht wirklich geschenkt ist. Der Stand dann wenige Meter unter dem oberen (ab hier brüchigen) Ende der Wand in äusserst luftiger Position.

Auch die letzte Seillänge (L4, 6a) lässt nicht lugg. Das Seil vom Ausstieg zum Einstieg frei hängend!
Als Kathrin bei mir ist, lasse ich sie am 80m-Seil umgehend zum Einstieg ab. Das geht sich gerade aus und verläuft komplett freihängend, sprich die Route ist durchgehend überhängend. Ich hatte sie als sehr lohnend empfunden, trotz ihrer Kürze kriegt man ein volles und sehr anregendes Programm geboten. Falls noch Lust auf mehr Fels vorhanden ist, könnte man in den benachbarten Touren auch gleich wieder einsteigen. Für uns war dies zwar keine Option, aber für ein anderes Mal behalte ich diese lässige Wand sicherlich im Kopf. Zuletzt stellt sich noch die Frage, warum 4 Seillängen am Stück, wenn man auch bequem vom Boden aus 4 Sportkletterrouten hätte ziehen können - ja, weil 1x4 für mich beim Klettern eben mehr ergibt als 4x1 ;-)

Facts

Äscher - Jahreszeiten 6c+ (6b obl.) - 4 SL, 90m - Renzo Ghisla 1997 - ****;xxxxx
Material: 1x80m oder 2x40m-Seil, 12 Express

Steile und sehr interessante, kurze MSL-Route mit abwechslungsreicher, luftiger Kletterei in schönem, blau-gelbem Gestein. Die Absicherung ist durchgehend klettergartenmässig ausgefallen und erlaubt vollen Angriff am Limit. Auf der Webseite der Ebenalp-Bahn findet man nebst dem Fahrplan der Bahn auch Infos zu den Klettereien und teilweise Topos. Ansonsten gibt's die beste Übersicht zum Gebiet im SAC-Kletterführer Alpstein von Werner Küng (z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich). Ausschnitte des Gebiets sind auch in den Fildor-Führern Extrem Ost und Plaisir Ost enthalten.

Samstag, 12. August 2017

Une visite à Ceüse...

Ja, das "beste Sportklettergebiet der Welt" in Ceüse hatte ich in meinem bisherigen Kletterleben stets links liegen lassen. Gar nicht so erstaunlich eigentlich, denn früher, in noch kinderlosen Zeiten schien mir der Besuch eines Klettergartens, wo man nur bei gutem Bergwetter hin kann, wenig attraktiv - bei solchen Bedingungen ging man mindestens auf MSL oder unternahm alpine Touren. Dann, mit kleinen Kindern war vor allem der Zustieg von 500hm ein Handicap. Doch nun, während unserer Ferien im Haut Val Durance, schien mir ein Tagestrip dahin lohnenswert... Wobei, die letztere Aussage ist klares Understatement! Ich war von der Kletterei absolut begeistert und kann all die Superlative teilen, die man allenthalben hört. Ich würde mich jetzt zur Aussage hinreissen lassen, der Fels sei "fast so gut wie an den Wendenstöcken" - kein Bruch, kein Grünzeug, sondern einfach kompakte Wand mit tollen Farben und genau der richtigen Menge an Struktur. Die Kletterei an den oft sloprigen Löchern, wo man von oben die Tritte nicht mehr sieht, hat mich im Charakter tatsächlich sehr an die Wendenstöcke erinnert. Auch in Bezug auf die Absicherung ist's ähnlich fordernd - unten stecken die Bolts wohl eng, aber obenraus muss der nächste Sicherungspunkt oft ehrlich angeklettert werden und es gilt, im plattigen Gelände kühlen Kopf zu bewahren. 

Aufbruch zu neuen Ufern. Der fantastische Felsriegel markiert den Horizont.
Die 4 Routen, welche ich im Sektor "Un pont sur l'infini" onsighten konnte, boten alle mehr oder weniger senkrechte Wandkletterei mit hohem fusstechnischem Anspruch. Das war mir durchaus recht so, schliesslich waren Bizeps und Unterarme von den Klettertagen zuvor schon reichlich angezählt. Und tatsächlich verspüre ich nun im Nachhinein einen Muskelkater in den Waden - das hatte ich schon lange nicht mehr und in Ceüse auch nicht wirklich damit gerechnet. Erwähnt sei aber auch, dass es in Ceüse ein bisschen von allem gibt - stark überhängendes Jug Pulling ebenso wie heikle Platten. Da ich 4 populäre 7a's ausgewählt hatte, war ich auch nicht weiter erstaunt darüber, dass die entscheidenden Löcher und Tritte bereits ordentlich poliert waren. Nun gut, mich stört das üblicherweise nicht weiter und das Gestein ist nach wie vor sehr schön zu beklettern. Aber es ist ein Fakt, dass bereits reichliche Gebrauchsspuren sichtbar sind. Die als hart verschrienen Bewertungen konnte ich nicht wirklich nachvollziehen, mir schien das absolut in der Norm zu sein - aber vielleicht hatte ich einfach die gängigen Routen ausgewählt.

Die Aussicht in die fantastisch schöne Gegend ist top!
Zuletzt noch zum Zustieg: sucht man auf dem Netz, so findet man Angaben zwischen 30 und 90 Minuten, bzw. Einschätzungen von "gemütliches Aufwärmen" bis "nach 2x wollte ich hier nicht mehr hochlaufen". Nun, es sind rund 500hm zu bewältigen, es handelt sich um einen angenehmen, relativ flachen Pfad der über weite Strecken zumindest im Halbschatten der Bäume verläuft. Je höher man kommt, desto schöner werden die Ausblicke über die Gegend, welche überhaupt ein Bijou ist. Ein Häuschen in Sigoyer, hmm, vielleicht wäre das mal was?!? Anyway, mit den Kindern brauchten wir gerade eine Stunde bis unter die Biographie - wo wir auf dem Rückweg gerade noch einen Versuch einer der derzeit besten Frauen am Fels beobachten konnten. Wow, so flüssig, dynamisch und effizient sollte man klettern können - auch wenn's ihr nicht ganz gereicht hat, so war's doch eine sehr eindrückliche Show, die einem deutlich vor Augen führte, dass die eigenen Bewegungsmuster am Fels doch eher denen von einem Elefanten im Porzellanladen gleichen. Bevor ich noch kurz die gekletterten Routen charakterisiere, sei noch erwähnt, dass der Einstiegsbereich in den Sektoren, die ich gesehen habe (Biographie, Demi Lune, Un pont sur l'infini) praktisch eben und damit sehr kindertauglich ist. Wenn sie also hochlaufen mögen oder man sie tragen mag, ist's ein geeignetes Familiengebiet.

Die Biographie (9a+) im Profil.
Gelati Dolomiti (7a): Sehr abwechslungsreich und höchst empfehlenswert. Bouldrig-überhängender Einstieg mit einem Längenzug. Dann erst griffiges, einfacheres Gelände, gefolgt von technischen Tropflochplatten und zum Abschluss eine kleine Verschneidung, welche nochmals knifflig ist. Gut abgesichert.

La Galère (7a): Fusstechnische Gleichgewichtskletterei mit psychischem Anspruch. Der Einstieg gleich kräftig an seichten 2-Finger-Löchern, gefolgt von ein paar besseren Griffen. Im Mittelteil eine Zauberstelle nach links hinauf. Oben raus muss man gut hinstehen und die übel sloprigen Löcher bedienen, dies bei 2x weiten Abständen (8 BH auf 25m).

Reine des Pommes (7a): Sehr homogene technische Wandkletterei. Hier fällt es schwer, eine eindeutige Crux zu identifizieren. Die Route ist nie verzweifelt schwer, aber auf ihren 30m auch nie wirklich einfach. Immer wieder tauch ein taugliches Loch oder eine Rissspur auf, mit welcher man sich in die Höhe schieben kann. Gut abgesichert (12 BH auf 30m).

Vas-y Tonton (7a): Technische Wandkletterei, bei welcher der Beginn noch etwas einfacher ist. Danach ähnlich im Charakter wie die Routen nebenan - sloprige und manchmal auch etwas bessere Löcher, gute Bewegungsplanung nötig. Ebenfalls recht gut eingebohrt, doch auch hier ist der eine oder andere nichttriviale Move noch nötig, wenn der letzte Bolt bereits unter den Füssen ist. 

Montag, 7. August 2017

Rothorn / Rote Fluh - Marque Jaune (7a+)

Die Tropflochklettereien an der Roten Fluh im Färmeltal sind legendär und hochgelobt. Doch weil das Gebiet nicht eben in meinem Vorgarten liegt, hatte ich es in meiner langen Kletterkarriere noch nie bis dorthin geschafft. Nun, mit einem Kletterpartner aus dem Berner Oberland unterwegs, wollte ich diesen weissen Fleck auf meiner Kletterlandkarte endgültig tilgen. Zudem hatte es in der Höhe mitten im Sommer geschneit, heftige Gewitter hatten viele andere Wände im Land mit drückendem Wasser verunstaltet. Nicht so an der Roten Fluh, hier trafen wir auf ideale Bedingungen. 

Wandansicht, Zustieg und Routenverlauf.
Ist man einmal durch das endlos lange Simmental gekurvt und hat das Färmeltal gefunden, so gestaltet sich die Suche nach einem geeigneten Parkplatz gar nicht so trivial. In der Literatur ist der Platz bei Büel P.1407 angegeben, wo wir aber die Bauern beim Heuen behindert hätten. Etwas weiter talaufwärts, nachdem man den Bach überquert hat bei einem kleinen Waldstück auf ca. 1450m wird man dann aber fündig. Der Zustieg sieht auf den ersten Blick abschreckend steil aus, allerdings löst sich das am Ende alles tiptop auf - es ist wie schon andere vor mir geschrieben haben, tatsächlich einen Tick harmloser als beispielsweise der Wenden-Zustieg an den Pfaffenhuet. Der richtige Weg ist zu Beginn gar nicht so einfach zu finden - entweder wirft man einen Blick auf die Landeskarte (Link mit Fadenkreuz beim Parkplatz) oder man vertraut einfach seiner Intuition. 

Jedenfalls gilt es, den Pfad durch das Waldstück rechts vom Bluttligraben zu erreichen. So geht's steil und zügig hinauf zu den Alphütten. Nun verliert sich der Pfad vorerst wieder, nur um später links der markanten Geröllhalde wieder deutlich aufzutauchen. Ein präziser, verbaler Beschrieb ist jedoch nicht wirklich nötig. Wenn man einfach dort durchgeht, wo der kürzeste, logische und am einfachsten scheinende Weg zum Einstieg verläuft, dann ist man richtig. Wir waren um 7.50 Uhr losgelaufen, den Einstieg von Le Salamandre (7a), wo die einzige andere Seilschaft des Tages gerade gestartet war, hatten wir nach einer knappen Stunde erreicht. Pfadspuren führen von dort in wenigen Minuten, nun etwas exponierter und Aufmerksamkeit erheischend, in wenigen Minuten zum Einstieg der Marque Jaune. Dieser ist nicht näher bezeichnet und etwas unscheinbar einige Meter rechts neben einer kleinen Nische auf ca. 2080m. Zwei Bohrhakenlinien gehen hier gemeinsam los über die graue Platte hinauf - die rechte der beiden ist dann die richtige. Um 9.15 Uhr starteten wir mit der Kletterei.

L1, 25m, 6b: Schöne Plattenkletterei in bisweilen noch etwas glattem Fels, von der legendären Schärfe ist da noch nichts zu spüren. Eigentlich ist's gut abgesichert und mega schwierig auch nirgends, trotzdem ist schon etwas Einsatz und Aufmerksamkeit gefordert. Von den mit 6b bewerteten Seillängen fand ich diese jedenfalls deutlich die schwierigste, im Vergleich zum Rest der Route wäre der Grad 6b+ meines Erachtens angebracht.

Plattige Kletterei in L1 (6b), da wird man gleich einmal aufgeweckt!
L2, 35m, 6b+: Zuerst ein paar Meter nach rechts übers Gras, dann etwas plattig hinauf zu einem Wulst, der etwas unschönes, aber gut ausgeputztes Gestein aufweist. Griffig und leicht überhängend, aber sehr gut abgesichert geht es in die Höhe, dies an Seit- oder zumindest diagonalen Griffen und manchmal etwas schlipfrigen Tritten.

Ädu unterwegs im etwas brüchigen, aber gut ausgeputzten Wulst von L2 (6b+).
L3, 30m, 6c: Eine super Seillänge in die steile, orange Wand hinauf. Der Beginn entpuppt sich dabei als erstaunlich zahm (~6a+) in einer wenig ausgeprägten Verschneidung. Die Klimax kommt dann am Ende, wo man etwas nach links queren und einen Steilwulst überqueren muss. Ich interpretiere diese Stelle erst völlig falsch, probiere unmögliche Beta und gelange irgendwann mit heftig gepumpten Armen zur Einsicht, dass ich alles auf eine ganz andere, letzte Karte setzen muss. Nach einigen gewagten Moves am Limit und kurz vor dem Abkippen kann ich meine Griffel schliesslich ein ein extrascharfes Tropfloch krallen, uff! In Retrospekt war dies für mich die schwierigste Kletterstelle der ganzen Route. Wobei, wie erwähnt, ich habe es (zuerst) mehrmals komplett falsch angepackt und so meine Kraft unnötig verpulvert.

Das hat beinahe die Qualität von einem Gemälde! Yours truly mit falscher Beta am Fighten in L3 (6c).
L4, 25m, 6b+: Superschöne Kletterei an eigentlich durchgehend griffigen Tropflöchern, ein Traum! Etwas schwieriger ist nur eine ganz kurze Stelle, wo ein etwas entschlossener Move nötig ist. Jedoch kommen dann gleich wieder prima Tropflöcher, so dass ich diese Länge als deutlich einfacher wie L3 und auch einfacher als L1 einstufen würde.

Typischer Wandanblick von unten in L4 (6b+). Wenn man es nicht wüsste, man würde nicht glauben, dass hier eine solche, nur relativ moderat schwierige Route durch die steile und abweisend aussehende Wand führt. Dem Erschliesserteam Piola/Anker kann man nur ein Kränzchen widmen!
L5, 35m, 7a+: In dieser Seillänge klettert man ein grosses, spiegelverkehrtes S. Nach dem Stand also nach links und dann grossgriffig aufwärts, dieser Abschnitt ist noch ohne grössere Schwierigkeiten zu klettern (~6a+). Es folgt dann eine lange Traverse leicht diagonal nach rechts hinauf, in einem Gesteinsband wo der Fels ziemlich glatt und sloprig ausgefallen ist. An Seitgriffen und einigen kleinen Leisten gilt es, sich technisch und gut geplant nach rechts zu moven. Mir geht das erstaunlich gäbig von der Hand, nach 2x etwas zaubern lässt sich auf einem guten Tritt schon wieder durchschnaufen und ich kann die wiederum einfacheren, griffigen Ausstiegsmeter (~6a+) anpacken. Bei Nichtbeherrschen lässt sich die schwierigste Sequenz sicher auch mit Griff zum Haken bewältigen.

Super Tiefblick auf die kurz mal etwas glatte Quergangs-Crux der Route in L5 (7a+).
L6, 25m, 6c+: Ein fotogener Quergang über eine glatt aussehende Wand, welche aber mit ein paar idealen, scharfen kleinen Leisten bestückt ist, führt nach links aufwärts. Hier wartet erst ein Bauch, wo der glatte Fels unterhalb kaum Tritte hergibt. Die Tropflochstrukturen oberhalb sind aber gut, mit etwas Entschlossenheit ist man da rasch drüber. Nach einem Rastpunkt wartet dann eine weitere, feine Wandstelle. Man muss dabei gut an feinen Tropflochstrukturen antreten und aus den unzähligen, aber allesamt nicht ganz idealen Griffmöglichkeiten eine geeignete auswählen. 

Mit der Fernsicht passt's in dieser Route auch. Eine sehr schöne Gegend mit wunderbaren Aussichten, hier zu Beginn von L6 (6c+). Erwähnt sei aber auch, dass es im Färmeltal einen Schiessplatz gibt. Prompt wurde den ganzen Tag über geballert. Komplett unnötig, ja - aber wer würde sich an einem solchen Klettertag über sowas nerven?!? Ich jedenfalls sicher nicht.
L7, 35m, 6b: Quel Plaisir! Absolut geniale Tropflochkletterei, die bei sehr guter Absicherung etwas nach rechts hinaufführt. Ein Hochgenuss, schwierige Stellen habe ich dabei keine wahrgenommen. Aber so geht's, wenn man einmal richtig im Flow ist!

Wieder einmal Luis Trenker wie er leibt und lebt! Dieses Foto zeigt wohl sehr gut auf, dass man in solch steilen Wänden mit unglaublich viel Genuss klettern kann. L7 (6b) bietet diesen aber auch in ganzer Fülle!
L8, 30m, 6c: Eine athletische Superlänge, welche in geschickter Linienführung durch die Dächerzone hinaufführt. Beim Start ist die kurze Linksschleife (welche die Bolts suggerieren) tatsächlich deutlich einfacher. Dann unterquert man ein erstes Dach, steigt darüber hinauf und sieht sich dem grössten Runout der ganzen Route ausgesetzt (problemlos, einfache Kletterei im 5c-Bereich). Nun aber steil, ausdauernd und griffig nach rechts hinaus - wer alle seine Körner bereits verschossen hat, dem kann diese Länge noch auf die Pelle rücken! Die Position übrigens unglaublich luftig hier und die immer wieder in der Schichtfuge auftauchenden Henkel - einfach genial!

Die steile und sehr griffige L8 (6c) ist nochmals ein richtiges Highlight an Linienführung und Kletterei!
L9, 15m, 6b: Kurz und mehr oder weniger problemlos. Ein athletischer Move über ein Dächli hinauf erfordert kurz das Zupacken, zumal oberhalb ein zwar durchaus tauglicher Griff, aber halt kein Henkel kommt. Bald ist das nächste Band erreicht, wo man sich bequem ausruhen kann, oder dann gleich die Ausstiegslänge anhängt.

L10, 20m, 6b: Diese Seillänge hat nicht ganz die Qualität der vorangehenden, zudem ist sie auch gesucht in den schweren Fels gelegt worden. Rechts könnte man im schrofigen Gelände den Gipfel einfach erreichen, aber wer will das schon?!? Daher macht die Routenführung eben doch allen Sinn. Der Auftakt kurz recht athletisch (Vorsicht vor einem Sturz aufs Band, v.a. beim Verbinden der Seillängen), es hat aber super Henkelgriffe à Discretion. Danach beständig einfacher werden hinauf zum Stand, welcher sich wenige Meter unterhalb vom Rothorn-Mittelgipfel (P.2350) befindet.

Gipfelfeelings! Yours truly bereits ganz oben am Ende von L10 (6b).
Um 13.50 Uhr hatten wir nach gut 4.5 Stunden äusserst genussvoller Kletterei das Top erreicht. Mir war dabei eine komplette Onsight/Flash-Begehung gelungen und war dabei in einen richtig genialen Kletterflow gelangt. Genau das macht die Faszination von solchen MSL-Touren aus! Nachdem für den Nachmittag einige Gewitter angesagt waren und sich der Himmel in Richtung SW tatsächlich schon reichlich verdunkelte, hielten wir uns nicht lange auf, sondern traten den Weg in die Tiefe an, das Sandwich war ja sowieso auch am Einstieg geblieben. Während auf dem Internet teils deutlich vom Abseilen über die Marque Jaune abgeraten wird, so wollten wir doch diesen auch im Kletterführer angegebenen Abstieg wählen. Und das macht absolut jeden Sinn, ja gar grössten Spass - ein Wechsel zur Abseilpiste der Peter Pan ist sicherlich sehr umständlich, gefährlicher und viel zeitaufwändiger.

Die Abseilerei ist extrem steil, gleichzeitig aber auch sehr bequem und macht richtig Spass!
Es wartet erst ein kurzer Abseiler (am besten an einem Seil) aufs Band hinunter, danach folgen dann 4 ausgereizte Strecken in der durchgehend leicht überhängenden Wand. Die Seile baumeln unter einem ins Leere, aber mit etwas Pendeln sind die Standplätze problemlos erreichbar, zumal sie immer schön direkt in der Falllinie liegen. Das Einhängen von Zwischensicherungen (wie in den Topos teils angegeben) empfand ich als unnötig - dies ist ja immer eine umständliche Sache und auch nicht ganz frei von Umständen und Gefahren. Es heisst einfach richtig Abstossen und die Freiheit des Pendelschwungs geniessen! Da absolut keine Seilpflege betrieben werden muss, ist man im Nu am Einstieg zurück, wir haben nicht einmal eine halbe Stunde dafür gebraucht. So können wir uns dem Sandwich widmen und laufen dann ins Tal - 1.5 Stunden nach dem Aufbruch vom Top sind wir bereits zurück am Auto. Auf der langen Heimfahrt bleibt gut Zeit um die Gedanken zu ordnen. Das Fazit unzweifelhaft: das war ein absolut genialer Klettertag!

Oida leck, das war jetzt ein echt genialer Klettertag!
Facts

Rote Fluh - Marque Jaune 7a+ (6b obl.) - 10 SL, 275m - Piola/Anker 1994 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 13 Express, Keile/Friends nicht nötig

Die Route ist so gut wie ihr Ruf. Steile, athletische Kletterei, luftige Linie, über weite Strecken super Tropflochfels und sehr gute Absicherung. Da ist der Seilschaft Piola/Anker wirklich ein absolutes Highlight gelungen. Hingehen und Klettern, kann man da nur anraten. Ausser einem Set an Expressen braucht man dabei keine weiteren Gerätschaften mitzubringen, da diese sowieso auch kaum einzusetzen wären. Das Topo zur Route findet man im Extrem West (z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich). Alternativ ist die Route auch im Topoguide Band II enthalten, wobei die dort angegebenen Bewertungen (z.B. 9-/9 für die Cruxlänge) mir durchgehend zu hoch erscheinen. Im Original passt's meines Erachtens ziemlich gut in den Durchschnitt von (Schweizer) Alpinbewertungen.