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Dienstag, 26. Dezember 2017

Ski & Fly Näbelchäppler (2445m)

Eigentlich wollte ich mit den Kindern auf die Ski. Aber diese waren von den Vorbereitungen aufs Weihnachtsfest so absorbiert, dass ich schliesslich doch alleine losziehen musste. In meinem Kopf waren die Tourenberichte vom Vortag noch sehr präsent - unterhalb von 2000m würde man mehrheitlich auf Bruchharsch treffen. Also gab es zwei Möglichkeiten: entweder länger Auto fahren und höher oben starten, oder sich auf einer Tour am Alpennordhang in erster Linie am schönen Wetter erfreuen. Doch schliesslich kam mir der Gedankenblitz zu einer dritten Möglichkeit...

Bei solch fantastischen Bergwetter muss man einfach fast zwingend draussen unterwegs sein!
Ich sagte mir, dass ich ja einfach den Gleitschirm mitnehmen könnte, diesen hinauftrage bis ich auf akzeptable Schneebedingungen stosse und ihn dort deponiere. Oberhalb würde ich dann einfach eine "normale" Skitour machen, während sich der abfahrerisch unlohnende untere Teil dann mit einem Weihnachtsflug überbrücken liesse. Das schien mir doch einmal ein guter Plan. Gefragt war jetzt nur noch das passende Gipfelziel und nach etwas Nachdenken gab's auch hier eine optimale Lösung. Wie es im Titel schon steht, sollte es der Näbelchäppler, sozusagen der westliche Eckpfeiler vom Glärnisch-Massiv im Klöntal werden.

Am Beginn der Tour auf der Strasse ins Rossmatter Tal. So richtig lohnendes Skigelände...
Der untere Teil dieser Skiroute spielt sich auf steilen Waldstrassen ab, welche selbst bei guten Schneeverhältnissen keinen Abfahrtsgenuss bieten. Oberhalb warten hingegen rassige Hänge und ein tolles Gipfelerlebnis, welche die Tour auf jeden Fall lohnen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass ich sie bisher noch nie angegangen hatte. In dieser Region fast ein Unikum, hier gibt es nicht manchen per Ski erreichbaren Gipfel, den ich bisher noch nicht besucht habe. Nunja, und jetzt ist es nochmals einer weniger. Etwas nach Mittag machte ich mich im Klöntal auf dem Weg. Trotz allgemein sehr milder Bergtemperaturen befand ich mich hier voll im Kältesee, das Thermometer zeigt tatsächlich -10 Grad an!

...aber es wird noch schlimmer. Im Wald sind diverse Kegel von Nasschneelawinen zu überwinden.
Schon auf den ersten Metern der Strasse ins Rossmatter Tal war ich heilfroh, den Schirm auf dem Rücken zu tragen. Ein Bagger hatte hier tiefe Furchen hinterlassen, das wäre zum Skifahren sehr mühsam gewesen. Weiter oben warteten dann die obligaten Lawinenkegel, die es zu übersteigen galt. Doch immerhin gewinnt man auf diesem Abschnitt effizient an Höhe. Beim Chlüstalden öffnet sich dann das Tal und gibt grandiose Blicke auf die Nordwand des Bös Fulen frei. Letztes Jahr an Silvester war ich an dieser Stelle noch trockenen Schrittes für eine famose Solo-Jahresabschlusstour gestiegen (Bericht). Nun sollte es ein knappes Jahr später ein weiteres Abenteuer in dieser einsamen Ecke werden.

Im oberen Teil trifft man dann auf herrlich offenes Gelände. Hier bereits ohne Schirm auf dem Rücken.
Bei der Hinter Schlattalp kam ich an die Sonne und so langsam in potenziell startbares Gelände. Der Schnee hier war aber wirklich nicht gut. Wechselhaft zwischen üblem Deckel und unter den Bäumen total pfluttrig und bodenlos. Da trug ich die doch ziemlich schwere Last auf meinem Rücken gerne noch etwas weiter hinauf. Nach der langen Traverse der Chammstägen auf rund 1900m war es dann aber soweit. Hier war der Schnee nun pulvrig und gut drehbar, bis zu diesem Punkt würde es sich lohnend Skifahren lassen. Überdies war es mir mehr als nur recht, den schweren Sack zu deponieren. An meinen durchnässten Fellen hatten sich nun natürlich auch noch zentnerschwere Stollen gebildet.

Just simply wow! Der markante Bergstock ist der Bös Fulen, den ich knapp ein Jahr zuvor besucht habe.
Nun denn, vom Sack und den Stollen befreit fühlte es sich plötzlich an, als könnte ich den Berg hinauffliegen. Bis zum Gipfel ist's aber doch noch ein reichliches Stück, stellen sich nämlich auch noch 2 längere Traversen mit insgesamt etwa 50m Höhenverlust in den Weg. Dann im Zickzack den Gipfelhang hinauf und nach über 3 Stunden Gehzeit war es dann doch noch geschafft. Beim spartanischen Gipfelkreuz konnte ich die tolle Aussicht in die Glarner Berge und aufs immense Nebelmeer über dem Flachland geniessen.

Der Fürberg gleich über dem Gipfelkreuz, der Bächistock rechts am Bildrand. Auch diesen hatte ich vor ein paar Jahren in einer rassigen Skitour zwischen Weihnachten und Neujahr besucht. Irgendwie scheint mich diese Gegend vor allem in der Altjahreswoche zu locken...
Die Abfahrt war dann tatsächlich überzeugend. Der Schnee war zwar etwas zäh und krustig, aber trotzdem gut drehbar und daher durchaus als "Pulver" zu bezeichnen. Jedenfalls machte es richtig Spass und von den beiden Gegenaufstiegen einmal abgesehen war ich im Nu zurück beim Schirmdepot. Ich hielt einige Minuten inne und beobachtete die Bedingungen - ja, es schien sehr gut startbar zu sein. Somit entschied ich auszupacken und machte mich bereit. Schliesslich war alles verzurrt, also Achtung, Fertig, Los!

Rückblick zum Gipfel, das flachere Gelände davor hält noch 2 Gegenaufstiege bereit.
Wenige Sekunden später war ich in der Luft. An der Krete vom Milchplanggenstock konnte ich tatsächlich noch etwas aufsoaren und meinen Startplatz überhöhen - immer ein erhabenes Gefühl. Doch anstatt noch irgendwelche fliegerischen Rekorde zu jagen war das Ziel ja eigentlich ein sicherer und rascher Abstieg ins Tal. Also ergab ich mich der Gravitation und setzte einige Minuten später direkt neben dem Auto auf. Noch immer war es bitterkalt, also einsteigen, heizen und ab nach Hause zur Familie.

Mein Startplatz auf ungefähr 1900m. Optimales Gelände um mit den Ski und dem Schirm in die Luft zu kommen.

Donnerstag, 21. Dezember 2017

Kandersteg - Rattenpissoir (WI5+)

Soweit ich es in Erinnerung habe, hat die Outdoor-Klettersaison auf der Alpennordseite noch nie so früh geendet wie dieses Jahr. Ja, in jüngster Vergangenheit war es geradezu zur Norm geworden, dass man bis Silvester nur wenig bis gar nicht eingeschränkt war und es nur gerade im Januar jeweils eine kurze Phase gab, wo man nicht (oder höchstens unter sehr erschwerten Bedingungen) an den Fels hätte gehen können. Nicht so im November/Dezember 2017, da sind Schnee und Eis Trumpf.

Aktueller Blick auf den rechten Teil der Eisarena im Oeschiwald: v.l. Rattenpissoir, Arbonium und der obere Teil von Pingu.
Soweit wir in Erfahrung bringen konnten, herrschten in Kandersteg bereits gute Bedingungen, also war das Ziel gesetzt. Wir entschieden uns für eine gemütliche Anreise per öV, allzu grossen Andrang befürchteten wir noch nicht, so dass ein extrem früher Aufbruch nicht nötig schien. Allerdings hatten wir die Rechnung ohne die SBB gemacht. Auf offener Strecke blieben wir stecken und trafen schliesslich eine ganze Stunde verspätet an der Destination ein. Nun gut, solange man das Büro und einen interessanten Gesprächspartner mit dabei hat, ist dies ja nicht allzu tragisch. Für unser Projekt, das Rattenpissoir, sollten Zeit und Tageslicht trotzdem ausreichen.

Der Blick nach unten auf die tolle erste Länge vom Rattenpissoir (WI5+).
Vor Ort zeigte sich dann, dass sowohl das Arbonium wie auch Pingu bereits beklettert wurden. Im Rattenpissoir war eine Seilschaft auf den ersten 15m am Topropen. Sie sicherte jedoch zu, das Feld zu räumen, wenn wir aufgeschirrt wären. Die Kletterei entpuppte sich als sehr interessant und die Bedingungen waren gut. Es war genügend Eis vorhanden, stellenweise war es feucht, einen massiven Duschgang musste man jedoch nicht vergegenwärtigen. Die Highlights sind sicherlich die lange, anhaltende erste Länge mit ihrem Finish an ein paar Blütenblättern und die luftige, beinahe säulenartige Passagen in L2. Oberhalb vom Band kann man die Route bei deutlich tieferen Schwierigkeiten für 2 SL fortsetzen. Dieser Abschnitt heisst eigentlich Groll. Hier waren die Bedingungen eher bescheiden. Das Eis war überschneit und oft krustig, es hatte nur wenig davon und gute Placements zum Schrauben mussten zusammengesucht werden.

Seitenblick, nebenan im Arbonium ist eine Seilschaft am Werk.
Zuletzt eine kurze Einschätzung der aktuellen Bedingungen: Rattenpissoir gut, Groll schlecht. Im Arbonium ist der Einstieg nass und röhrig (wurde jedoch geklettert), die folgenden beiden Seillängen sind überschneit und tönen dumpf-hohl, in der letzten Seillänge ist der Bachlauf noch offen (kaum kletterbar). Pingu sieht recht gut, jedoch reichlich feucht aus. White Magic on Rocks dürfte auch machbar sein. Den linken Sektor habe ich nicht gesehen, die Haizähne und Reise ins Reich der Eiszwerge sind machbar, Details zu den Bedingungen weiss ich nicht. De visu sieht's im Sektor Staubbach noch nicht nach üppig Eis aus, angeblich seien Blue Magic und Bück Dich bereits geklettert worden.

Ausblick auf die tolle L2 vom Rattenpissoir.

Facts

Kandersteg - Rattenpissoir/Groll - TD- III WI5+ - 4 SL, 180m - ***
Material: Eisschrauben, 2x50m-Seile sind auch ausreichend.

Interessante Kletterei im Oeschiwald, bei welcher v.a. die ersten beiden Seillängen über die Eisspur neben einer grossen Verschneidung sehr interessant sind. Die Ausstiegslängen über Groll bieten die logische Fortsetzung, sind deutlich einfacher und erlauben bei guten Bedingungen eine Genusskletterei. Wer im oberen Teil noch mehr Hunger auf steiles Eis hat, kann auch beliebig mit anderen Routen kombinieren, weil auf dem Band problemlos in eine andere Route gewechselt werden kann. 

Freitag, 15. Dezember 2017

Rätikon - Miss Partnun (7b+)

Ja, die Miss Partnun trägt ihren Namen zurecht - es ist das schönste Mädel weitherum! Über all die Jahre hatte ich zwar nicht allzuviel, aber dann doch immer Gutes über diese Route gehört. Doch da sie sich nicht an den Kirchlispitzen oder am Schweizereck befindet, sondern ein paar Kilometer weiter östlich an der Gamstobelwand der Sulzfluh steht sie viel weniger im Rampenlicht. Dies jedoch völlig zu Unrecht: sie bietet stets interessante Kletterei in weitestgehend perfektem, silbrigem Rätikonfels mit irre Struktur und Reibung an einem hübschen Pfeiler. Auch in der Zone rund ums Grüscher Älpli wäre es eine der besten Routen!

Blick vom Partnunsee auf die Gamstobelwand, d.h. den Ostausläufer der Sulzfluh, wo sich auch die Miss Partnun befindet.
Nachdem das Wetter etwas gewittrig angesagt war, schien die Miss Partnun mit ihren 7 Seillängen und südöstlicher Exposition ein ideales Ziel. Weil der Einstieg auf einer Höhe von 2400m liegt, beunruhigten uns auch die angesagten Juni-Rekordtemperaturen im Bereich von 35 Grad fürs Flachland nicht. Wie sich zeigen sollte völlig zurecht - für die Kletterei herrschte ein sehr angenehmes Klima, dank kühlendem Westwind und ab und an einer Schatten spendenden Quellwolke fühlte es sich niemals heiss an. Um die Route sicher komplettieren zu können ohne dabei geduscht zu werden, entschieden wir uns für einen frühen Start, d.h. Aufstehen um 4.45 Uhr. Die Tour startete beim P6 bei Äbi unterhalb von Partnun (ca. 1620m, gebührenpflichtiger Parkplatz für 6 CHF/Tag, Münzen bereithalten!). Der Zustieg nimmt je nach Tempo rund 1.5 Stunden in Anspruch, führt aber durch eine schöne und interessante Umgebung. Zuletzt verlässt man dann den Weg zur Sulzfluh, quert weglos eine labile Geröllhalde und bezwingt in leichter Kletterei den Felsriegel unterhalb der Wand. Die Routen an der Gamstobelwand sind nicht angeschrieben. Da alle erst mit einer halben Seillänge über einfache Platten beginnen, steckt auch nicht üppig Hakenmaterial, so dass etwas Spürsinn vonnöten ist. Für Verwirrung kann ebenfalls die Route Velocita Limitata (8a) sorgen, welche in den handelsüblichen Topos derzeit noch nicht eingetragen ist. Für uns war’s aber kein Problem, um 8.40 Uhr ging es schliesslich los mit der Kletterei.

L1, 6a: Die erste Seillänge wurde erst nachträglich hinzugefügt, zuerst stiegen die Erstbegeher dem einfachen Gelände folgend vermutlich rechts herum auf die Terrasse am Ende von L1. Auch wenn’s von unten eher banal und nicht so überzeugend aussieht, so bietet diese Seillänge durchaus interessante Kletterei. Die Cruxmoves in der Mitte sind denn auch gar nicht mal so einfach.

Jetzt geht's looos! In L1 (6a), welche zuerst über einfache Platten führt, die Steilstufe wo sich der Akteur befindet ist bereits kniffliger.
L2, 7a: Nun geht’s los mit dem seriösen Business! Die graue Wand sieht einschüchternd und attraktiv zugleich aus. Über eine noch nicht so schwierige Einstiegsplatte gewinnt man eine seichte Verschneidung, wo man sich spreizend in die Höhe arbeitet und dabei schon ziemlich gut auf die Füsse stehen muss. Man verlässt diese nach rechts hinaus und sieht sich vor der Crux: hier muss ein Aufschwung mit kleinem Dächli (fast) ausschliesslich an Untergriffen bewältigt werden, dabei gilt es der Reibung voll zu vertrauen. Ziemlich zwingend das Ganze, viel fehlt da nicht zu einem 7a obligatorisch! Zuletzt dann wieder etwas einfacher in plattiger Querung nach rechts hinaus zum Stand.

Sieht eigentlich noch ziemlich gemütlich aus. Doch schon die Verschneidung in L2 (7a) erfordert etwas Einsatz, die Stelle an deren Ende ist dann die reichlich obligatorische Crux, wo man parat sein muss.
L3, 6c+: Die kompakte Wand gleich oberhalb vom Standplatz sieht verdammt schwierig aus und lässt einen hohe Schwierigkeiten vermuten. Schliesslich geht’s dann vorerst besser wie befürchtet, weil sich genau an der richtigen Stelle immer wieder ein vernünftig nutzbarer Tritt oder Griff präsentiert. Erst bevor es abflacht wird’s dann feiner und zäh. Die Erstbegeher haben an dieser Stelle grossen Mut bewiesen und die Schwierigkeit bei dieser plattigen Stelle voll obligatorisch gemacht. Immerhin hatten sie nachher gutmütiges Einsehen mit den Wiederholern und platzierten eine Verlängerung, so dass noch vor dem heikelsten Move geklippt werden kann. Zum Zeitpunkt unserer Begehung handelte es sich dabei jedoch um eine ziemlich zerfetzte Bandschlinge... Wir spielten dann die gute Seele und ersetzten sie beim Abseilen mit einer soliden Reepschnur gleicher Länge.

Steilplattenkletterei in sehr kompaktem Fels zu Beginn von L3 (6c+). Zu Beginn sogar aber einfacher wie befürchtet.
L4, 7b+: Erst grau-rau-plattig, dann gelb-kleingriffig-einbitzsplittrig und schliesslich steil-athletisch-henklig präsentiert sich die lange Cruxlänge. Die erste Hälfte weist dabei vergleichbare Schwierigkeiten wie L2 und L3 auf, gut abgesichert. Die Crux dann in einem weiten Quermove nach links auf schlechten Tritten, nicht sonderlich schön oder elegant. Dort wo man blind hinzielt, sind im leicht splittrigen Gelände scheinbar schon einige Leistchen ausgebrochen. Onsight ist das anspruchsvoll und auch ein bisschen Glückssache - mir hat schliesslich relativ wenig gefehlt, leider griff ich blind nicht ganz ans richtige Ort, d.h. nicht dorthin, wo das beste Käntchen den Fingern etwas Widerstand bietet. Nach einem guten Ruhepunkt folgt dann noch der steile und luftige Abschluss - wiederum im 7a-Bereich, nur nicht abschütteln lassen. Am Stand fehlte dann beim einen Bolt das Plättli und erforderte etwas Improvisation... (Hinweis: das Malheur ist inzwischen behoben, danke Tobi!)

Blick auf die Cruxlänge (L4, 7b+). Der erste Teil geht ok, die Crux ist es, aus der gezeigten Position nach links zu moven.
L5, 6a: Eine einfache und gemütliche Länge um etwas zu verschnaufen. Damit es nicht langweilig wird, haben die Erstbegeher dafür etwas mit den Bolts gespart, es stecken nämlich nur 2 Stück. Mehr braucht’s jedoch bei der zugänglichen und gut kontrollierbaren Kletterei jedoch auch nicht. Trotzdem ist es sehr dienlich, hier noch einen Camalot 0.3 dabei zu haben, um diesen unmittelbar vor dem zweiten Haken legen zu können. Das haben die Erstbegeher bestimmt auch so gemacht, deshalb steckt dieser so hoch. Man kann darauf verzichten, dann klettert man den 6a-Move allerdings mehr oder weniger unprotected, bzw. gute 8m über der letzten Sicherung.

Etwas einfachere aber sehr schöne Kletterei in L5 (6a).
L6, 7b: Nun gilt’s nochmals richtig ernst. Gleich über dem Stand will eine wiederum seichte Verschneidung gewonnen werden. Erneut gibt’s nicht allzu viele Griffe und absolut entscheidend ist es, den Füssen zu vertrauen. Der Abschluss dieses ersten Teils wird durch eine überhängende Zone markiert. Hier gilt’s kräftig von Unter-/Seitgriffen auf die Sloper darob zu moven und der Sache mantelnd in die folgende Platte zu entkommen. Dort eigentlich gut gesichert, allerdings brauchen die etwas heiklen Klipps aus Gegendruck-Positionen Reserven. Oben ist das Gelände mit supergriffigen Tropflöchern dann zwar sofort einfacher (~6b), dafür wartet in gepumptem Zustand ein etwas affiger Runout zum Stand hinauf. Bei einem Sturz wäre man schnurstracks wieder zurück am Stand bei seinem Sicherungspartner. Hinweis: es lässt sich an dieser Stelle noch eine unscheinbare Sanduhr fädeln. Die Frage ist allerdings, ob man hier im gepumpten Zustand noch rumfummeln mag oder lieber gleich durchzieht…

Superschöner Fels am Ende von L6 (7b), die finale, BH-freie Passage zum Stand hinauf hat's aber in sich...
L7, 6c: Auch die letzte Seillänge ist nochmals superschön! Erst geht's in technischer Kletterei eine Art Groove hinauf. Bei dessen Ende dann nochmals athletischer zu coolen Wasserrillen und erst auf den letzten Metern einfacher zum Stand mit Wandbuch, wenige Meter unter dem Top des Pfeilers.

Nochmals eine supercoole Länge an schönen Wasserrillen zum Abschluss: L6, 6c.
Freudig und stolz erreichen wir um 14.00 Uhr nach 5:20 Stunden Kletterei also den Ausstieg. Die Route trägt ihren Namen unseres Erachtens absolut zurecht, auch für uns ist es die schönste Route, welche wir bisher im Raum Partnun klettern konnten. Und selbst wenn man den Rayon auf's ganze Rätikon ausdehnt, gebührt ihr ganz sicher ein Spitzenplatz. So erstaunt es denn nicht, dass in den Jahren nach der Erstbegehung für eine Route in diesem Schwierigkeitsgrad ein richtiger Ansturm stattgefunden hat - da sieht man wieder einmal deutlich, wie viel Mund-zu-Mund-Propaganda ausmacht. Gewiss nicht viele Kletterer aus der regionalen Szene mit dem nötigen Niveau haben sich damals eine Begehung entgehen lassen. In den letzten Jahren war dann die Begehungsfrequenz eher tiefer geworden. 

Die Landschaft im Rätikon und speziell jene um den Partnunsee ist einfach malerisch!
Trotz der sehr hohen Qualität hat die Miss Partnun (wohl wegen ihrer etwas abseitigen Lage) nie dieselbe Popularität wie beispielsweise eine Intifada erreicht, obwohl dies aufgrund der Kletterei ganz klar gerechtfertigt wäre. Zufrieden machen wir uns ans Abseilen, was zügig vonstatten geht. Wir inspizieren dabei die parallel verlaufende Velocita Limitata (8a) - hmm, naja, irgendwie dünkt uns der Verlauf nicht restlos logisch und die Art, wie die Route "geputzt" wurde scheint auch etwas suspekt. Attraktiver erscheint da schon das Sennentuntschi (8 SL, 7b) wenig links der Miss Partnun... oder eben die Routen beim Gamstritt, welche wir im Abstieg nochmals ausführlich begutachten. Es sollte nur wenige Tage dauern, bis ich hier für die Baluga (5 SL, 7a) sowie die Plaisir-Familien-Erstbegehung Sunshine Reggae (3 SL, 5b) wieder in die Gegend kommen sollte.

Facts

Sulzfluh/Gamstobelwand - Miss Partnun 7b+ (6c+ obl.) - 7 SL, 240m - Luginbühl/Stäger/Dürr - ****;xxx
Material: 2x50m-Seil, 12 Express, Camalot 0.3

Sehr schöne Rätikon-Kletterei, welche fast durchgehend in perfektem Fels verläuft. Sie lohnt den Abstecher nach Partnun und den nicht ganz so kurzen Zustieg auf jeden Fall. Wie bereits erwähnt wäre die Miss Partnun auch in der Zone ums Grüscher Älpli eine herausragende Route. Die Absicherung mit grösstenteils rostfreiem Material ist gut, wenn auch im Bereich bis 7a oft reichlich zwingend. Nur die beiden (kurzen) Passagen, welche diesen Grad sprengen können A0 entschärft werden. In der 6a-Länge ist es hilfreich, wenn man einen Camalot 0.3 dazulegen kann. Der Bolt steckt zwar nur unwesentlich höher als das Placement, allerdings führt man dazwischen noch den Cruxmove aus. In den restlichen Seillängen haben wir keine mobilen Sicherungen gelegt. Ein Topo und weitere Infos findet man im Panico-Topo Rätikon Süd oder im Extrem Ost von Filidor.

Montag, 11. Dezember 2017

Urnerboden - Heulende Hunde (M7+)

Wenn's draussen stürmt und schneit, dann ist das Mixedgebiet im Urnerboden meist eine gute Wahl, um sich noch etwas im Eis zu betätigen. Hier ist man vor Lawinen sicher, dem Wind nicht ganz so exponiert und stellenweise durch grosse Dächer auch vor der Witterung geschützt. Und falls es dann doch zu garstig werden sollte, so sind Parkplatz und Gaststube nur gerade 5 Minuten vom Einstieg entfernt. So wollten wir uns zum Saisonbeginn wieder einmal die Klassiker des Gebiets geben, um uns ans kalte Metier und die Frontzacken zu gewöhnen.

3d-Kletterei mit schwieriger Orientierung in der Neutour Heulende Hunde (M7+).
Wobei, nebst den Klassikern hat's auch wieder eine neue Route gegeben. Daniel Benz hat mit Heulende Hunde (M7+) eine neue Route erstbegangen, welche den Anfängerschinder Land der Eiskönigin (WI3-) zum Stand der Verschneidung (WI5-) verlängert. Der Ausweg am Dach der grossen Höhle bietet spektakuläre Mixedkletterei, in 3d-Manier gilt es sich hier seinen Weg zu suchen und die Orientierung nicht zu verlieren. Die Route ist mit BH gut abgesichert und bietet solide, wenn auch weit auseinander liegende Hooks und athletische Kletterei. Sicher eine ideale Route für den Saisonbeginn, d.h. auch bei wenig Eis bereits machbar. Wie es aussieht, wenn die Kaskade der Verschneidung so richtig fett gewachsen ist, wird sich dann zeigen.

Das ist der scharlachrote König - nein, nicht der Kletterer heisst so, obwohl's rein von den Kleidern her ja fast ideal passen würde. Der heisst nämlich Lukas Hinterberger, der scharlachrote König ist jedoch ein Mixedklassiker (M7+) als Fortsetzung vom Klassiker Volxlauf (M6). Die Bedingungen an dieser Ecke waren ideal.
Darüber hinaus waren die Verhältnisse bereits ganz ordentlich. Die reinen Eisrouten waren teils noch etwas mager, röhrig und nicht ideal abzusichern (z.B. Eiserner Vorhang, Gully, Verschneidung). Viele der Mixedklassiker (z.B. Volxlauf, Scharlachroter König, Milchstrasse,  Pinocchio) zeigten jedoch bereits prima Bedingungen. Wobei dies möglicherweise bereits wieder Geschichte ist. Während sich der Föhn während unserem Besuch noch zurückhielt, so schlug er am Tag darauf mit voller Wucht zu. Hoffen wir, dass bald wieder kälteres Wetter kommt! 

Temperaturverlauf während dem Föhneinbruch. Quelle: wetter-daten.ch