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Donnerstag, 21. März 2019

Chli Bielenhorn - Psychides (7a+)

Die Route Psychides in der Südwand am Chli Bielenhorn beim Furkapass ist eine Kreation der Remy-Brüder aus dem Jahre 1985. Im Jahr 2012 wurde sie mit neuem Material ausgerüstet, wobei einige Passagen mit zusätzlichen Bolts entschärft wurden. Seither erfreut sie sich wieder einer grösseren Beliebtheit, obwohl sie etwas im Schatten der benachbarten Sacremotion steht. Im Vergleich zu ihrer durchaus attraktiven Schwester ist sie nämlich spürbar anspruchsvoller, dafür aber hat mir die Kletterei in der Psychides noch besser gefallen.

Routenverlauf der Psychides (7a++) am Chli Bielenhorn, die orangen Punkte markieren die effiziente 2x60m-Abseilpiste
Kurz vor den Sommerferien 2018 ist uns eine alpine MSL vergönnt. Wir entscheiden uns für eine granitige Kletterei, unsere Diskussionen drehen sich erst um die Teufelstalwand. Ob dem sehr schönen und warmen Wetter fürchten wir jedoch etwas die dortige Hitze und entscheiden uns schliesslich für den Furkapass. Es ist ja nicht allzu oft der Fall, dass man im rauen Klima dort oben genussreich in legerer Kleidung klettern kann. Diese Gelegenheit wollen wir uns nicht entgehen lassen! Der Zustieg vom Sidelenbach (P.2280) zum Wandfuss ist uns wohlbekannt. Er umfasst rund 400 Höhenmeter und kostete uns 40 Minuten. Der Einstieg befindet sich direkt mittig unter der zentralen Südwand und ist mit "PSY" markiert - fixes Material ist hingegen auf den ersten 25m nur spärlich vorhanden. Um ca. 9:15 Uhr geht's los.

Super Ambiente kurz vor dem Einstieg - da kommt die Vorfreude aufs Klettern mehr als nur auf!
L1, 45m, 7a++: Nach einem noch relativ gemütlichen, aber doch nicht zu unterschätzenden Auftakt zum hohen ersten Bolt befindet man sich bald in einem breiten Riss. Dieser muss selbst abgesichert werden, dazu gilt es sich mit allen Regeln der Kunst festzuklemmen und in die Höhe zu schieben (rampf!). Die nächste Etappe startet nach dem Dachwinkel, wo der Riss nach rechts abbiegt. Ein kräftiger, psychisch anspruchsvoller Piaz muss durchgezogen werden. Er leitet nach dem nächsten Knick im Riss gleich über in die sehr harte Crux. Steil und trittlos müssen hier auf Gegendruck alle Kräfte mobilisiert werden, immerhin steckt wieder fixes Material in Form von BH. Mein Versuch auf Durchstieg scheitert ziemlich chancenlos... nach meinem Empfinden ist diese Passage mehr als 7a+, sie erfordert einen total unerschrockenen Piazhengst (oder -stute, natürlich ;-)). Schliesslich wird man dann in weniger steiles Gelände entlassen, wo es wieder besser dahingeht - mit einem nochmals längeren Sicherungsabstand zum Stand hinauf allerdings, damit's ein wenig aufregend bleibt.

Klare Linien in der anspruchsvollen L1, wieder einmal ein typischer Fall für den berühmt-berüchtigten Grad von 7a++.
Rückblick auf den Schlussabschnitt von L1 (7a++). Zuletzt ist die Kletterei einfacher, dafür ziemlich runoutig-aufregend.
L2, 40m, 6b: Kurzer Boulder rechtsrum, dann einfacher über eine Art Rampe hinauf. Die Crux folgt nach der Hälfte der Seillänge in Form einer heiklen Plattenstelle. Leider ist diese ungünstig abgesichert - wer's nicht drauf hat, knallt hier unweigerlich aus mehreren Metern Höhe auf das darunter liegende Band, da kann die Sicherungsperson noch so aufmerksam sein (expo!). Tief durchschnaufen, positiv bleiben und entschlossen durchziehen, anders geht's nicht. Als kleine Ermutigung vielleicht noch: es kommen dann schon ein paar Grifflein, wenn man den Auftakt gezogen hat und cool bleibt, wird man einen gefährlichen Sturz wohl vermeiden können. Zuletzt geht's wieder einfacher dahin - hier wurde im Zuge der Sanierung auch ein unnötiger Bolt angebracht, der unten besser investiert gewesen wäre...

Eine Sanierung wie aus dem Bilderbuch... verzinkter Einschlaganker mit Alteisen-Recycling-Lasche. Da es diesen Bohrhaken wegen vorhandenen, mobilen Möglichkeiten aber sowieso nicht zwingend braucht, kann man es an dieser Stelle für einmal verschmerzen...
Jonas folgt in der Crux von L2 (6b), einer ungünstig abgesicherten expo-Plattenstelle.
L3, 35m, 6a: Vom Stand links um die Ecke und athletisch in dieser hinauf. In der Folge muss man dann deutlich nach rechts halten - teilweise selbst abzusichernde, schöne Risskletterei wartet.

L4, 30m, 6c: Eine tolle Seillänge! Vom Stand nach rechts hinaus, den abstehenden Zacken bitte sorgsam behandeln. In feiner, technischer Wandkletterei an stumpfen Rissspuren will die optimale Lösung ausgetüftelt werden - dranbleiben, es geht schon! Die Absicherung hier tiptop mit Bohrhaken. Hat man diese Passage gemeistert, führt ein Riss einfacher nach links hinauf. Von einer Art Podest geht's dann zuletzt wieder kühn nach rechts hinauf. Die immer dünner werdende Rissspur muss selbst mit kleinen Cams oder Keilen abgesichert werden, von deren Ende warten recht kühne Wandkletter-Moves hinauf zum Stand - pretty committing!

Diese schöne Doppelbild-Sequenz zeigt das kühne Finish von L4 (6c)...

...von einem auslaufenden, dünnen Riss müssen kleine Crimper gekrallt und heftig auf der Platte angetreten werden, um dann mit einem entschlossenen Move auf bessere Griffe zu ziehen und in den Stand zu manteln. Der letzte BH befindet sich 10m unterhalb, zur Absicherung muss man hier zwingend auf kleine Cams oder Keile im Fingerriss vertrauen, die sich auch schon unter den Füssen befinden.
L5, 15m, 5c: Schöner und gemütlicher, aber dennoch nicht völlig banaler Quergang nach links zum gemeinsamen Stand mit der Perrenoud.

Jonas in L5 (5c). In Blickrichtung des Kletterers führt die Route "Die 3 blinden Mäuse" weiter, die Psychides hält nach links.
L6, 45m, 7a: Eine fantastische Seillänge, welche nach einem Auftakt in der leicht nach rechts ziehenden Verschneidung drei markante Passagen bereithält. Zuerst folgt ein Plattenboulder nach links, der ging mir mit etwas Dynamik tiptop auf. Danach folgt ein anhaltendes Stück in technischer Wandkletterei mit abgefahrenen Moves, das ging mir ziemlich am Limit auf, echt genial! Und zuletzt steht man dann noch vor einer etwas kühnen Piazschuppe, wo man zuerst selber legen muss und schliesslich nur der beherzte Schritt nach vorn zum Erfolg führt. Erst die letzten Meter sind dann gemütlich.

Da hat er gut lachen, an dieser Stelle sind die schwierigen, aber genial schönen Meter von L6 (7a) in der Tasche.
L7, 35m, 6b: Wenn man an dieser Stelle seinen Vorsteiger sichert, so turnt der auf den ersten Metern athletisch-gutgriffig herum und verschwindet dann aus dem Blickfeld. Man nimmt jedoch durchaus wahr, dass er sich zunächst direkt oberhalb befindet. Dort wartet eine plattige Linksquerung mit längerem Hakenabstand, wo ein Sturz unterhalb der Dachzone in der Gegend vom Stand enden würde, was eher weniger ratsam scheint. Die Kletterei ist an dieser Stelle jedoch nicht sonderlich schwierig. Weiter geht's mit einer athletischen Verschneidung, zuletzt dann einfacher zum Stand.

L8, 50m, 6a+: Nach einer ersten Wandstufe warten hier nochmals sehr schöne Riss- bzw. Piazmeter, die teilweise mobil abzusichern sind -  absolut toll! Mit der Zeit wird's dann ein wenig einfacher, bis man über eine Art Rampe den finalen Stand der Psychides auf einem Pfeilerkopf erreicht. Von dort könnte man Abseilen. Günstiger ist es jedoch, noch 15m weiter zum Ausstieg von Sacremotion und Perrenoud zu klettern (links-rechts-links), weil von dort eine sehr gute und effiziente Abseilpiste beginnt. Den Gipfel des Chli Bielenhorn hat man aber auch dort nicht erreicht. 

Der Akteur erreicht gerade den Pfeilerkopf, wo sich das offizielle Ende der Psychides befindet. 
Um rund 13.30 Uhr und damit nach 4:15h sehr vergnüglicher Kletterei sind wir beide am Top. Wie bereits im Blog über die Sacremotion beschrieben, lohnt es sich hier für einmal absolut, die 60m-Halbseile mitzunehmen. In 4 praktisch pfeifengeraden und ausgereizten Strecken mit teilweise routenunabhängigen Ständen erreicht man nämlich sehr zügig wieder den Einstieg, während mit 50m-Halbseilen 7 etwas umständliche Manöver fällig sind. So dauert es dann nur 20 Minuten, bis wir retour am Wandfuss sind. Wir nehmen einen verspäteten Zmittag ein und während Bedingungen und Tageslicht noch das Klettern einer weiteren Route zulassen würden, so ist dies aufgrund unserer Verpflichtungen daheim leider nicht möglich. So wandern wir durch die schöne Berggegend retour an die Passstrasse und cruisen beglückt durch das schöne Erlebnis nach Hause.

Das Klima am Furkapass ist rau, aber wenn's schön ist, ist's schön! Im Blick die Schwemmebene vom Sidelenbach.

Facts

Chli Bielenhorn - Psychides 7a++ (6b obl.) - 8 SL, 300m - C. & Y. Remy 1985/2012 - ****;xxx
Material: für Abseilen 2x60m-Seile ideal, 12-14 Express, Camalots 0.2-2, Keilset

Top Granitkletterei durch die Südwand am Chli Bielenhorn, welche sowohl in Punkto Schönheit und Anspruch sogar noch oberhalb der vielgerühmten Sacremotion einzuordnen ist. Die Schwierigkeiten befinden sich ziemlich homogen im Bereich 6bc mit einem etwas schwierigeren Abschnitt in L6 und der herben Piazstelle in L1. Für jene sollte man in diesem Stil geübt, psychisch parat und darüber hinaus auch gut aufgewärmt sein, ansonsten (und womöglich auch dann) passt der offizielle Grad von 7a+ hier ganz sicher nicht. Mit Verwendung der dort steckenden Bohrhaken und etwas Trickserei an mobilen Sicherungen geht diese Stelle auch technisch. Ein kleiner Wermutstropfen zwar, aber für den tollen Rest der Route ist das in Kauf zu nehmen. Seit der nicht überall restlos geglückten, aber insgesamt doch begrüssenswerten Sanierung 2012 ist die Route v.a. an den Schlüsselstellen gut abgesichert. Diverse einfachere Teilstücke (bis ca. 6b) sind mobil abzusichern, andere erfordern aber auch beherztes Steigen über der letzten Sicherung. Mitnehmen sollte man auf jeden Fall Cams von 0.2-2 (0.3-1 evtl. doppelt), ein Keilset kann man ebenfalls gut einsetzen. Wie im Haupttext bereits erwähnt, ist das Abseilen mit 2x50m möglich, mit 2x60m jedoch viel angenehmer/schneller.

Topo

Ein Topo und weitere Informationen findet man z.B. im Extrem Ost, oder auch im SAC-Führer Urner Alpen 2. Die hier abgebildete Topo-Skizze von Paolo & Sonja ist exzellent und gibt den Routenverlauf exakt wieder, nur die Schwierigkeitsangaben stimmen nicht überall mit jenen im Extrem Ost überein. Ich habe zusätzlich noch die Position der Abseilstände eingefügt.

Topo von paolo-sonja.net. Route 1 = Sacremotion, Route 2 = Psychides

Freitag, 8. März 2019

Bye bye Devi

Sicher weit über 100x hatten wir in den vergangenen 5 Jahren das Vergnügen. Bisher war ich noch an keinem Meeting gut genug, doch heute war ich für einmal besser :-) Ob ich es in Zukunft noch einmal mit dir aufnehmen möchte, weiss ich noch nicht so genau. Irgendwie ist es ja trotz der vielen Setbacks zu einem interessanten Spiel geworden... Über die Anzahl meiner Versuche in dieser Route weiss ich ehrlich gesagt nicht einmal genau Bescheid. Irgendwann habe ich nicht mehr weitergezählt, mehr als 100 müssen es jedoch ganz sicher gewesen sein. Wobei ich diese 8a im Waldsektor ob der Galerie nie verzweifelt belagert habe und endlos vergeblich angerannt bin. Aber sie befindet sich im für mich am schnellst erreichbaren Outdoor-Gebiet und stellt im Winter eine der besten Alternativen dar. Und so habe ich sie eben immer wieder als Trainings-Route und als Messlatte benutzt, gerade weil sie für eine lange Zeit gar nicht durchstiegsreif war. 


Vor 2 Wochen war ich nach ein paar Monaten Abwesenheit wieder einmal in der sehr viel Kraftausdauer fordernden Route. Je nach Sequenz und Zählweise sind es 15-20 harte Moves, die ohne Schüttler oder gute Tritte absolviert sein wollen, wobei die Klimax ganz am Ende folgt. Meine letzte Erinnerung datierte auf den Herbst 2018, wo ich aufgrund der Gegebenheiten nicht in ansprechender Form gewesen war. Damals fielen mir schon die einzelnen Moves schwer, ein Durchstieg fühlte sich weit weg an. Doch nun, schon bei meinem ersten Go nach der Winterpause überraschte ich mich, mit welcher (ok, relativen) Leichtigkeit ich die Moves ausführen konnte. So hatte sich das bisher noch gar nie angefühlt... ich hatte die Lunte gerochen. Trotzdem galt es noch, die spezifische Kraftausdauer für den Durchstieg zu erlangen. Einige Male - jeweils knapper und knapper - scheiterte ich noch am letzten richtig harten Move in den vertikalen Schlitz am Abschlussbauch. Eigentlich war ich sicher, dass mit diesem in der Hand der Durchstieg gelänge. Als die Finger dann endlich einmal stecken blieben, wurde es im Anschluss aber doch noch ziemlich spannend...

Mit dem Ziel vor Augen gingen die finalen Moves im "Flucht nach vorne"-Modus gerade auf, aber mit Reserve nullkommanull. Aber echt cool, dieses Projekt mit einem absoluten Limit-Durchstieg beenden zu können und nicht mit dem Gedanken "war ja gar nicht so schwierig, was habe ich da bloss 5 Jahre lang gemacht?!?" :-) Befriedigend und inspirierend ist der Durchstieg für mich vor allem, weil ich die einzelnen Sequenzen zwar schon lange drauf hatte, mir die Route lange Zeit aber doch zu schwierig für den Rotpunkt war. Mir fehlte einfach die nötige Power, um die Moves zügig, effizient und ohne Firlefanz durchziehen zu können - kein Wunder, dass man dann irgendwo rausfault. Und in Sachen Power hat sich etwas getan, wie das Exempel schön demonstriert! Rein vom Grad her wäre 8a jetzt kein extrem exklusives Erlebnis mehr für mich, sind da bisher doch gut 30 Stück und auch noch 10 schwierigere Routen zusammengekommen. Aber wie man so schön sagt, der Challenge liegt immer darin, die Route zu klettern, und nicht einen Schwierigkeitsgrad. Von einem bin ich aber überzeugt: die Devi war die bisher härteste 8a, die ich durchsteigen konnte.


Tipp: zur Beta kann (und will) ich gar nichts sagen. Es ist sowieso höchst individuell, welche der vielen mässig bis schlechten Tritte man benutzt und selbst die gewählte Griffsequenz variiert zwischen verschiedenen Kletterern recht stark. Hingegen: bei Temperaturen >15 Grad bin ich nie eingestiegen und wenn's (luft)feucht war, fiel es mir jeweils auch schwieriger. Das ist umso akuter hier, als dass die Devi ein ziemlicher Fleischwolf ist. Mir hat's am ersten Glied des rechten Zeigfingers reproduzierbar ein Loch reingerissen. Somit waren Versuche nur in homöopathischen Dosen sinnvoll. Zuletzt mein Dank an Frido für's hilfreiche Messinstrument, es wird gerne benutzt! Und erst recht an meine Familie und insbesondere meinen Dad, die hier bei unzähligen Sessions mit dabei waren.

Dienstag, 5. März 2019

Claro: a^n + b^n = c^n, lösbar oder nicht?

Im Schnee wäre es ganz sicher auch toll gewesen, doch an den Felsen von Claro den Frühling zu geniessen schien auch eine gute Devise. So war's dann auch, die Bedingungen waren exzellent und nachdem auch die erst noch bockigen Projekte gelangen, war's endgültig ein genialer Ausflug. Das ist nämlich schon ein wenig das harte Los beim Sportklettern: während bei einem Schneetag der Erfolg bei vernünftiger Planung quasi garantiert ist, so kann man bei einem Kletterprojekt (welches diesen Namen wirklich verdient) auch mit leeren Händen heimgehen. Oder um es mit den Worten von Martin Fourcade auszudrücken: "Sport de merde...mais c’est pour ça qu’on l’aime tant!"

Tolle Bedingungen und viel Volk in Claro. Kletterer in Machintosh (7a) und Te la do io l'arca (7b).
Drei Wochen zuvor war ich schon einmal vor Ort. Damals gelang mir schliesslich der Durchstieg der Direktvariante vom 'Poetic Face' (8a), eine allgemein als "soft" bekannte Route. Diese Einschätzung kann ich ehrlich gesagt überhaupt nicht teilen. Klar, die Route ist kurz und bietet keine Geheimnisse. Wer dem Grad überlegen ist, wird hier vermutlich zügig zum Erfolg kommen. Trotzdem, schon die Bouldermoves vom Boden weg fielen mir richtig schwer. Am meisten Mühe bereitete mir jedoch die Stelle vom dritten zum vierten Bolt. Die Standard-Beta ist mit meiner Grösse einfach nicht durchführbar. Nur mit einer kreativen Lösung ging's hart am Limit - nur musste das dann auch noch nach dem Einstiegsboulder gelingen. Nur nach einigem Effort und mit etwas Glück konnte ich es schliesslich zusammenhängen. Den nachfolgenden Quarzwürfel einmal in der Hand war's dann für mich einfacher, der berühmt-berüchtigte Mantle und der glatte Plattenausstieg lagen mir da deutlich besser.

Frühlingsgefühle... da vermisst man den Schnee gleich nicht mehr.
Noch an diesem Tag schnupperte ich dann auch noch ein wenig in 'L'ultimo teorema di Fermat' (8a+). Als Mathematiker ja eigentlich eine ziemlich logische Wahl. Doch dass beim Klettern nicht alles logisch zu sein braucht, zeigte sich hier wieder einmal bestens. Auf's erste Versuchen hin schien mir die 'Fermat' trotz höherem Schwierigkeitsgrad einiges zugänglicher zu sein als das eben durchstiegene 'Poetic Face'. So brannte ich natürlich darauf, hier möglichst bald eine echte Chance zu kriegen, die dann eben mit dem Weekend-Trip kam. Bei meinem ersten Go war ich erstaunt, wie viel schwieriger mir die Route im Vorstieg als im Toprope fiel und erst musste natürlich auch die Beta einwandfrei sitzen. Mit dem nächsten Go war dann plötzlich die Hoffnung und die Erkenntnis da, dass es wirklich geht. Damit kam auch der Erfolgsdruck und so misslang der nächste Versuch prompt wegen zu fahrig-nervös-unpräziser Kletterei kurz vor dem Rettungsgriff. Eine gütliche Pause später waren es dann die Bedingungen, die mich ausbremsten: an der Nachmittagssonne war es einfach zu schmierig-warm geworden. Somit musste der letzte Versuch kurz vor dem Eindunkeln die Erlösung bringen. Da passten zwar die Bedingungen wieder, nur fehlte mir schliesslich das letzte Quäntchen Kraft. So wird dann simples Sportklettern eben doch zum Mind Game...

Im Winterhalbjahr stellt einem der Zugang oft vor Probleme. Bei diesem Besuch war die Strasse hinauf nach Censo zwar zu 99% schneefrei, aber ein paar Abschnitte in nordexponierten Buchten waren dermassen spiegelglatt vereist, dass an ein Durchkommen mit dem Automobil nicht zu denken war. Aktuell (Anfang März 2019) ist jedoch alles aper und problemlos passierbar. Im Tessin hat's keinen Schnee weit und breit, man könnte wohl schon fast trockenen Fusses bis auf den Pizzo di Claro steigen.
Doch neuer Tag, neues Glück: am Sonntag früh lief's dann nach dem Aufwärmen so wie es sein sollte. Die Bedingungen schön grippy, der Power den Anforderungen genügend und so war plötzlich alles im Fluss. Zumindest bis zu jenem Rastpunkt, wo die Schwierigkeiten beinahe vorbei sind. Ab dort wartet nur noch ein fusstechnisch heikler Dynamo. Man muss sehr plattig und mit höchster Schleudergefahr antreten, doch im Kontrollmodus und ohne richtig Schub aus den Beinen geht der lange Zug nicht. Doch ich konnte meine Nerven im Zaum halten, den Griff schnappen und hinauf zum Umlenker sprinten - genial! Somit war also für n=7 eine Lösung zum Fermat'schen Problem gefunden. Gut auch, dass Klettern nicht Mathematik ist - dort dauerte es nämlich ~350 Jahre um festzustellen, dass das Problem definitiv nicht lösbar ist. Sozusagen als Beigemüse gelangen mir noch die Rechtsvariante der 'Riderstone' (7b+) und die superheikle Platte der 'Zigofolies' (7a+) im Onsight - wenn's läuft, dann läuft's. An der letzteren Begehung freue ich mich auch mega, für mich persönlich war das nämlich deutlich anspruchsvoller und mehr am Limit wie die 7b+. Zuletzt ein Avis aux Amateurs: eine neue Route hat's in Claro auch noch gegeben. Mit dem Namen 'Pachiderma' (7b) führt sie am Cubo zwischen 'Il Questionario' und 'Il Grande Passo' in die Höhe. Ein Platten-Intro um 6c herum führt zum abschliessenden bouldrigen Wulst mit Ausstiegsmantle.

Neben den Mind Games ein weiterer Faktor beim Sportklettern. Da kannst du noch so wollen, so geht's einfach nicht mehr.