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Dienstag, 12. Mai 2020

Klein Mythen - Dure à Cuire (Erstbegehung, 7 SL, 7b)

Die Sockelwand der Türme Peter & Paul in der SW-Flanke des Klein Mythen ist ein MSL-Gebiet mit wunderbarer Aussicht, sonniger Lage und langer Saison. Nachdem ich die benachbarten Routen Paul SW-Kante und Dreamliner (Blog folgt...) hatte klettern können, reizte mich der kompakte Panzer im zentralen Wandteil mit seinem Abschlussdach für den Versuch einer Neutour. In den Jahren 2018/2019 konnte ich diese herausfordernde Linie einbohren. Nachdem mir im Mai 2020 nun eine durchgehende RP-Begehung glückte, ist es Zeit für Bericht & Topo. Herausgekommen ist eine tolle MSL-Sportkletterei mit viel Abwechslung - von plattigen Abschnitten über monumentale, senkrechte Wandkletterei bis hin zu überhängend-kraftraubenden Passagen. Wer ist schneller durchgekocht: du oder die Route?

Monumentale, anhaltend senkrechte Wandkletterei in der Monster-Pitch (L3, 7a+).
Als Ausgangspunkt dient am besten Rätigs (P.955), wohin man automobil gelangt und ein paar wenige Parkplätze vorhanden sind. Man erreicht diesen Punkt ab Schwyz via Dorfbach- und Loostrasse nach Obdorf, die anderen Flurstrassen, die dort Richtung Berg führen sind mit einem Fahrverbot belegt. Vom Parkplatz sind es noch 350hm und eine gute halbe Stunde zum Einstieg. Man geht zuerst zur Lichtung von Güntrigs (P.1121) und folgt ab dort dem Wanderweg Richtung Haggenegg bis dieser zu einer Forststrasse wird. Eine mit roten Punkten markiertere Wegspur führt nun rechterhand über weitere 140hm durch den Tannenwald hinauf und zuletzt horizontal über die Geröllhalde zum tiefsten Punkt der Wand. Von dort geht man noch ca. 15m nach rechts hinauf zum angeschriebenen Einstieg.

Die Route befindet sich in fantastischer Lage. Ab Mittag scheint die Sonne und bleibt dann, bis sie untergeht.
L1, 35m, 6b+: Zuerst geht's einfach über eine Art Vorbau hinauf und dann hinein in die steile Wand. Hier muss man subito parat sein, denn es folgt gleich eine schwierige und gar nicht so einfach zu entziffernde Stelle. Dranbleiben lautet danach das Motto, bevor ein No-Hander eine Verschnaufpause vor dem zweiten Teil erlaubt. Auch dort nochmals knifflige Wandkletterei mit richtig zu interpretierender Linie. Rein von der Felsqualität und der Kletterei her handelt es sich sicherlich um die am wenigsten überzeugende Seillänge - sie hält aber durchaus ein paar coole Moves bereit. Für diejenigen, welche den Dreamliner kennen: vergleichbares Programm wie dort zu Beginn.

L1 (6b+) ist sicherlich noch nicht die perfekte Seillänge, bietet aber auch schon schöne und interessante Moves!
L2, 25m, 6b: Hier ändert sich der Charakter im Vergleich zur ersten Seillänge markant. Man ist nämlich der Steilzone entkommen und bewegt sich nun in plattigem Gelände. Der Auftakt ist noch einigermassen moderat schwierig, nachher warten dann ein paar echt funky Moves an und zu unerwartet auftauchenden, wirklich originellen Griffen. 

Lässige, kompakte Plattenkletterei in L2 (6b). Oben geht's in L3 (7a+) in +/- direkter Linie vom Seilverlauf mit einer Monster-Seillänge durch die steile Wand hinauf. In der folgenden L4 (7a) wird das grosse Abschlussdach dann direkt in der Verlängerung des Seil mittig überwunden.
L3, 30m, 7a+: Ein wahres Monster von einer Seillänge, unglaublich gut! Es wartet anhaltende, permanent senkrechte, technische Wandkletterei. Sowohl im Voraus- wie auch im Rückblick könnte man Zweifel erhalten, ob sich dieser Abschnitt denn auch wirklich klettern lässt. Der Fels ist sehr geschlossen, hat eher glatte Oberfläche und auch nur knapp Struktur. Bei näherem Hinsehen gibt's aber doch immer wieder ein paar überraschende Crimps und Sloper oder es geht auf Gegendruck voran, einfach genial. Wenig erstaunlicherweise kommen hier der Fussarbeit und auch der mentalen Komponente eine wichtige Bedeutung zu. Die Länge ist zwar tiptop abgesichert, doch ums Steigen zwischen den Haken kommt man mancherorts nicht herum. Ein paar animierte Eindrücke vom Ende dieser Länge gibt es unten, für einen nicht-bewegten Shot konsultiere man das Titelbild.



L4, 20m, 7a: Hier beschreibt die Route kurz einen Linksbogen, womit sie dem besten, strukturierten Fels folgt. Nach ein paar schönen Leisten folgt bald ein Bauch mit kniffligem Sloper-Ausstieg. Etwas einfacher erreicht man den Ansatz des grossen Dachs. Erst ein paar Moves verschneidungsähnlich, dann an Henkeln athletisch-überhängend den Pfeiler hinauf. Die Klimax dieser Länge folgt unzweifelhaft am Ende bei der Überwindung des abschliessenden Dachs und dem Mantle auf das abschüssig strukturierte Stück Fels darob. Eine total geniale Sequenz in äusserst luftiger Position, wo man mit einem Sturz befürchten könnte, in den Orbit katapultiert zu werden (gut abgesichert, top Sturzgelände, aber halt einfach sehr luftig und etwas mental!).

Luftige Kletterei, die mehrere Meter überhängend ist, wartet in L4 (7a). Man studiere den Schatten des hängenden Seils.
L5, 45m, 6b+: In fotogener Position klettert man die steile Wand hinauf in Richtung der luftigen Kante, ein Riss und ein paar durchaus als Henkel zu bezeichnende Griffe helfen dabei. Danach verläuft die Route in der Wand unmittelbar links der Kante. Das Gelände legt sich etwas zurück und ist unscheinbar, doch es warten durchaus noch ein paar knifflige Kletterstellen an Seitgriffen und mit den Füssen auf Reibung. Schliesslich wird man in einfaches Gelände entlassen, hier mündet von links die Paul SW-Kante und von rechts der Dreamliner ein. Über ein paar Aufschwünge zum BH-Stand, alternativ (bequemer) noch wenige Meter weiter zum Naturstand an einer Wurzel. Wenn man am Ende die zahlreichen BH der Paul SW-Kante im einfachen Gelände klippen möchte, so sind total 12 Express erforderlich, wobei die letzten 4 Stück an den gratartigen Aufschwüngen verlängert werden sollten.

Die letzten Meter an der Kante in L5 (6b+), es folgen noch ein paar gratartige Aufschwünge zum Stand. 
L6, 25m, Gehgelände: Am Wandbuch vorbei geht's zum Fuss des ersten Felsturm, dem Paul. Diesen unschwierig links (nördlich) passieren zum Einstieg der Abschlusslänge, welche sich direkt an der NW-Kante vom hinteren Felsturm, dem Peter abspielt.

L7, 30m, 7b: Ja, und diese Abschlusslänge hat es in sich! Von unten ist die Sache schwierig einzuschätzen - doch es ist auf jeden Fall deutlich steiler, wie es den ersten Anschein macht (mehrere Meter überhängend!). Beim Klettern könnte man auch erst den Eindruck haben, dass alles abschüssig geschichtet ist. Doch es hat durchaus ein paar positive Griffe, man muss sie bloss erkennen. Mit athletisch-weiten Moves an diesen Strukturen erreicht man eine Art Terrasse auf halber Höhe, welche zu einer Verschnaufpause genutzt werden kann. Der nun folgende Abschnitt direkt an der Kante ist taff, knifflig und athletisch zugleich. Man muss einfach zusehen, dass der Saft bis an die etwas besseren Griffe reicht, die dann schon irgendeinmal folgen. Nun heisst's, sich an diesen bloss nicht mehr abschütteln zu lassen, bevor die letzten 3-4m grasig-einfach direkt zum Gipfel führen. Hier kann man am Stand gut nachsichern oder (mit 60m-Seil!) auch gleich ablassen und den Nachsteiger vom Boden im Toprope sichern.

Happy First Ascentionist on Top!
Für alle diejenigen, welche durch dieses Programm noch nicht weichgekocht wurden, empfiehlt sich als Zugabe natürlich noch die SW-Kante am vorderen Felsturm, dem Paul. Mit genügend Exen (ca. 15 Stück, einige der zahlreichen Bolts im einfacheren 6a-Gelände kann man auch auslassen und der Zwischenstand kann übersprungen werden) gelangt man hier in 1 SL (ca. 30m, 7a+) bis zum Gipfel. Umlenken ist da jedoch nicht möglich, d.h. man muss vom Top nachsichern und seilt danach nordseitig ab, was einen jedoch direkt zum Einstieg von L7 der Dure à Cuire am Fusse vom Peter bringt. Somit wäre es nicht ganz unlogisch, dieses Gustostücklein in der Form von einem Extragaren sogar vor L7 noch zu klettern. Allerdings braucht diese erwähnte L7 dann schon noch ein wenig Saft in den Armen, man schätze sich also realistisch ein!

Hier kann man noch eine Runde Extragaren, das ist der vordere Felsturm, der Paul mit seiner 7a+ an der rechten Kante.
Für den Abstieg erreicht man wie oben beschrieben wieder den Fuss der Türme. Von hier kann man nordwärts zu Fuss absteigen. Das Gelände ist erst steil und etwas steinschlägig, jedoch ohne allzu grosse Schwierigekeiten begehbar (ca. T5), Schuhe sind aber zwingend erforderlich. Man gelangt so auf die Geröllhalde und nach insgesamt 15-20 Minuten wieder zum Einstieg. Alternativ die wenigen Meter seilfrei zurück zum BH-Stand nach L5 absteigen, von wo man in 3 Abseilmanövern zügig wieder zum Einstieg kommt. Am bequemsten ist es, zuerst 35m zu einem Dreamliner-Stand abzuseilen (vor Ort markiert). Mit dem zweiten Abseiler erreicht man den Stand nach L2, von wo es mit 2x50m gerade knapp zurück auf Terra Firma reicht (Vorsicht, allenfalls Zwischenstand benützen!). Man kann alternativ auch zum Stand nach L4 der Dure à Cuire zurückseilen - das lohnt sich wegen dem folgenden, sehr luftigen Abseiler, ist aber insgesamt umständlicher. 

Golden Hour am Fuss der Türme Peter & Paul. Ein wunderschöner Platz hier oben!

Facts

Klein Mythen - Dure à Cuire 7b (6c obl.) - 7 SL, 210m - M. Dettling et al. 2018/2019
Material: Mindestens 1x60m oder 2x50m-Seile,  12-14 Express, keine mobilen Sicherungen nötig

MSL-Sportklettertour mit viel Abwechslung von Platten über senkrechte Wandkletterei bis hin zu athletischen Passagen. Jede Seillänge hat ihren eigenen Charakter und birgt manche tolle Kletterstelle. Die Route ist durchgehend mit rostfreien BH und Kettenständen abgesichert, womit ausser Exen kaum zusätzliches Material nötig ist. Mobile Sicherungen kann man in diesem kompakten Fels sowieso kaum anbringen. Die Absicherung ist solide und ohne waghalsige Runouts (Niveau xxxx), trotzdem muss aufgrund der teilweise anhaltenden Schwierigkeiten zwingend auch über dem Haken geklettert werden. Mir persönlich gefällt die Route super, ich werde sie bestimmt immer wieder einmal als MSL-Trainingstour begehen. Aufgrund der zentralen Lage und dem kurzen Zustieg bietet sie sich ideal als "Feierabend"-Ziel an. Ab Mittag bis Ultimo gibt's Sonne satt, die Sonnenuntergänge mit Blick auf den Talkessel von Schwyz, die Rigi und die Innerschweizer Seen sind erst recht genial. An heissen Tagen oder solchen mit unsicherem Wetter befindet man sich bis mittags am kühlenden Schatten und kann somit so möglicherweise noch eine Tour reissen, bevor das Gewitter kommt oder die Hitze erbarmungslos zuschlägt.

Topo

Hier gibt's das Topo mit allen nötigen Informationen als PDF zum Download. Wie immer, die Bewertungen sind nicht mit Präzision gemessen sondern eine subjektive Einschätzung der Schwierigkeiten, die auf meinem breiten Erfahrungsschatz von Sport- und MSL-Klettereien beruht. Falls du diese Einschätzung bestätigen oder korrigieren möchtest, so ist dein Feedback herzlich willkommen.

Das Topo zur Route, hier als Bilddatei. Für volle Auflösung besser das PDF verwenden!

2 Kommentare:

  1. Salut Marcel, vielen Dank für die sehr spannende und abwechslungsreiche Route! Wir sind heute hochgeklettert und es hat uns viel Spass bereitet. Was für mich persönlich sehr herausfordernd war, waren einige Klipp-Positionen. Für mich als kleinere Person waren die Bolts teils immer ein paar cm zu weit weg, so dass ich oft kurz vor dem Absturz war 😅. Aber war ein gutes Mentaltraining. Im Wandbuch hast du noch andere Schwierigkeitsgrade für die einzelnen Seillängen eingetragen. Welche sind deiner Meinung nach passender? Wir könnten uns durchaus vorstellen, dass die 7a+ auch gegen 7b gehen könnte. Auf jeden Fall ein cooles Erlebnis, auch die 7b am Turm war genial! Liebe Grüsse Melissa

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    1. Hoi Melissa, vielen Dank für das Feedback! Jaja, die hoch gesetzten Bolts, das höre ich natürlich nicht zum ersten Mal - sorry! Sicher keine Absicht um jemanden zu benachteiligen, meist bleibt in der "Hitze des Gefechts" auch gar nicht so viel Zeit zum Überlegen... Zu den Bewertungen: ich habe mir seither angewöhnt, keine Bewertungen mehr in Wandbücher zu schreiben ;-) Auf jeden Fall war die Version vom Wandbuch meine damalige, erste Emotion zur Schwierigkeit. Später dann habe ich mich von den tieferen Einstufungen (wie hier im Blog/Topo wiedergegeben) überzeugen lassen. Welche der beiden Versionen korrekter ist?!? Das ist eine gute Frage, die ich aber leider auch nicht wirklich beantworten kann... Die Rückmeldungen, die ich bisher erhalten habe, tendieren aber schon alle in die Richtung, dass die Bewertungen vom Blog/Topo eher tough sind. Lg, Marcel

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