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Donnerstag, 20. Oktober 2011

Tüfelstalwand – Pissoir du Diable (6b)

An der Tüfelstalwand wurde bereits früher, sprich in den 1970er-Jahren geklettert. Dann geriet sie lange in Vergessenheit, bis 2010/2011 drei tolle, neue Routen entstanden. Da die Wand nahe und recht gut zugänglich bei Andermatt liegt, und zudem prima Aaregranit bietet, waren diese Touren sofort beliebt und wurden oft wiederholt. Da mussten wir natürlich auch einmal probieren gehen...

Nachdem unser Kleiner in der Nacht kaum geschlafen hatte, und wir dementsprechend auch nicht, waren wir erst um 10.00 Uhr im Zürcher Oberland startbereit. Sorgfältige Kalkulation brachte aber die Einsicht, dass es für die Tour noch gut reichen sollte. Um 11.45 Uhr waren wir schliesslich, komplett „geared up“ am Nätschen (ca. 1820m) startbereit. Das Topo der Erstbegeher suggeriert eine Zustiegszeit von nur gerade 20 Minuten, so machten wir uns raschen Schrittes auf den Weg.

Wir gingen dabei bis zum Wegweiser auf Tüfelstalboden (2015m), bogen dann nach links zur Antenne ab, und verfolgten die Pfadspuren, die vom Diavolo-Klettersteig herkommen. Nach 200hm Abstieg passiert man dann die Fahnenstange, um auf Höhe des letzten Drahtseils vom Klettersteig rechts abzubiegen und die Abseilstelle zu erreichen (Trittspuren, schwache rote Markierung, ca. 35-45 Minuten von Nätschen).


Sustenhorn, Salbit und Rorspitzli im Hintergrund, der obere Teil der Tüfelswand ist auch sichtbar.
Dann geht’s runter ins Tüfelstal. Beim ersten Abseiler sollte man den Stand nicht nach 40m, sondern erst nach 50m suchen, uns blieb nur ganz wenig Seil übrig. Bei der zweiten Strecke verklemmt sich das Seil beim Auswerfen hinter einem Klemmblock. Da kriege ich schon ein etwas ungutes Gefühl. Und tatsächlich, als wir beide unten sind und das Seil abziehen, verklemmt sich das freie Ende 20m über uns an genau derselben Stelle...

Mist, jetzt ist guter Rat gefragt. Etwas schütteln am Seil, das überhaupt nichts bringt. Raufklettern und das Seil befreien ist die einzige Option, sonst sitzen wir hier in der Falle. Und schon ist das alpine Abenteuer näher als man denkt. Über feuchten Dreck, etwas Botanik und mit nicht einfachen Moves im Fels (ca. 5b) komme ich in den Kamin unter dem Klemmblock, zum Glück lassen sich dabei einige Friends legen.

Das Erreichen des Klemmblocks selber und das Befreien des Seils ist wegen der überhängenden Natur der Sache im Kamin alles andere als einfach. Nachdem ich mit den letzten 2 Friends teche, geht’s dann grad. Dann flugs eine 120er-Schlinge am Klemmblock versorgt, an welcher ich abseilte. Und ja, diese rote Schlinge an unmöglicher Position ist von mir, und ich bin von unten da raufgeklettert!


Kletterei im Terrain d'Aventure zum Bergen des verklemmten Seils
Somit ist die Sache mit einem Zeitverlust von gut 45 Minuten bereinigt, und wir erreichen ohne weitere Zwischenfälle das Tüfelstal. In diesem muss noch etwa 60-80 Höhenmeter aufgestiegen werden. Das Gelände ist etwas labil mit losem Material, aber doch problemlos. Achtung, im Frühjahr liegt hier wohl noch lange Schnee, dann können gar Steigeisen nötig sein, und Vorsicht auch vor dem unterspülten Bach, in den man einbrechen könnte. Die Route ist dann gross mit roter Farbe beschriftet, so dass sich der Einstieg problemlos lokalisieren lässt.

Um etwa 14.00 Uhr sind wir dann endlich dort, 2:15 Stunden ab Nätschen, doch etwas mehr als die auf dem Topo veranschlagten 20 Minuten. Eben, gute 45 Minuten sind dem Zeitverlust durch den Seilverklemmer zuzuordnen, aber auch dann ist die Nettozeit noch weit über einer Stunde. Allerdings scheint es mir einen alternativen, besseren und sicher schnelleren Abstieg ins Tüfelstal zu geben (siehe Foto unten). Da ist kein Abseilen nötig, sondern man kann absteigen, und dann einige Fixseile benützen, um an den Einstieg zu kommen. So ist man vielleicht in 45 Minuten ab Nätschen dort.


Alternative Zustiegsmöglichkeit ins Inner Tüfelstal, die kein Abseilen erfordert.
Um 14.15 Uhr steige ich schliesslich, noch im Schatten, ein. Im Herbst erreicht die Sonne das Tüfelstal nicht mehr, am Vormittag liegen wohl sogar fast die ersten beiden SL im Schatten, am frühen Nachmittag noch die Hälfte der ersten. Man berücksichtige dies bei der Tourenplanung...

SL 1, 50m, 6a: Einfacher Start, weiter oben dann schöne Risskletterei. Es stecken wohl einige Bolts, aber auch an anspruchsvolleren Passagen müssen Klemmgeräte platziert werden, was aber gut geht. Die Angabe von 36m für diese Seillänge ist definitiv falsch, ich konnte mit 50m-Seilen gerade noch knapp einen Mastwurf am Stand einhängen.

SL 2, 30m, 5c: Zuerst durch ein einfaches Rinnensystem, bevor man dieses verlässt, wartet eine Piaz-Einzelstelle, die etwas anspruchsvoller ist. Zuletzt etwas grasig und einfach zum Stand.

SL 3, 30m, 6b: Kurz nach dem Stand kommt offensichtlich die Crux. Erst an kleinen Seitleisten mit schlechten Tritten über 2 Bolts hinweg, und dann noch ein anspruchsvoller Mantle, wo kleine Leisten ziemlich zugedübelt werden müssen. Ich konnte das onsighten, war aber gefordert – für mein Dafürhalten eher 6c als 6b, doch A0 dürfte hier gut möglich sein, und wahrscheinlich auch nicht selten praktiziert. Nach der Crux dann etwas einfacher über eine Platte, zuletzt an einem runden Riss (nochmals 6a+/6b) zum Stand.


Runder Riss im oberen Teil von SL 3 (6b)
SL 4, 25m, 5c: Vom Stand weg nach links zu einem BH, und dann hart neben dem Grascouloir aufwärts. Man könnte meinen, da steige ich doch einfach das Gras hoch, doch das ist so steil und glatt, dass es im Fels einfacher geht.

SL 5, 30m, 6a: Man folgt erst weiter gerade hoch der Begrenzung der Rinne und quert dann nach links raus über die Platte. Anfangs im einfachen Gelände üppig eingebohrt, wird’s zum Schluss, wo es schwerer ist, dann ein bisschen „allegro“. Dennoch fanden wir diese SL eher überbewertet, 5c täte es im Vergleich zum Rest auch.

SL 6, 30m, 5c: Erst durchs Wachholder-Gebüsch, dann sehr schöne Kletterei an Schuppen und runden Rissen. Die Bolts sind hier eher weit auseinander, und die Moves schwerer als in der vorangehenden SL. Insgesamt deutlich anspruchsvoller wie SL 5, daher würde ich hier 5c+ oder sogar 6a geben.


Tolle Kletterei in SL 5 (6a)
SL 7, 30m, 6a+: Ziemlich kompakte Wand, aber Leisten, Schuppen und Rissen und gute Reibung machen die Begehung zum Genuss. Die Crux kurz vor der Hälfte, feine Leisten an einem Riss zu Untergriff, dann Gegendruck-Passage an etwas runder Schuppe mit schlechten Tritten. Diese Moves sind zwischen den Haken zu klettern und psychisch etwas anspruchsvoll – die Crux dieser Länge, wohl die Vorstiegscrux der Route, und damit würde ich ein 6a+ obl. (statt 6a wie die Erstbegeher) veranschlagen. Zuletzt wieder etwas einfacher, mit etwas unlogisch steckenden Bolts und zwingend zu platzierenden Klemmgeräten, an den Stand.

SL 8, 25m, 6a: Hinauf an das Türmli und an diesem, bzw. dem breiten Riss/Verschneidung entlang hinauf zum Ausstieg mit Wandbuch. Auf einigen Metern gar nicht so einfach, bei aber tadelloser BH-Absicherung.

Um 17.45 Uhr sind wir beide am Ausstieg, kamen also in 3.5 Stunden und somit ziemlich flott durch die Route. Zudem auch beide in einem sauberen Onsight-/Flash-Ascent, lässig! Das Wandbuch zeigt uns, dass wir bereits die 19. Begehung realisiert haben. Die Route wurde am 2.7.2011 befreit, somit ist die Route also in kurzer Zeit sehr populär geworden. Sicher völlig zu Recht, handelt es sich doch um tolle Kletterei, und der lobenden Worte im Wandbuch sind viele!


Während ich noch mit dem Wandbuch und Fotografieren beschäftigt bin, macht sich Kathrin bereits auf den Weg. Abgestiegen wird zu Fuss – sie folgt der deutlichen Trittspur und verpasst die Fixseilreihe, die über eine felsige Zone nach oben führt. Weiter links sind aber auch Trittspuren und bis ich sie einhole, ist sie schon so weit, dass wir da bleiben, wo wir sind. Über einige Felsen mit leichter Kletterei erreichen wir auch so das Ende der Fixseile.


Letzte Meter in SL 7 (6a+)
Von da muss aber noch weiter aufgestiegen werden (markiert mit Steinmännern und roter Farbe), dann eine Querung durch ein Blockfeld mit anschliessendem Fixseil-Abstieg in steilem Gelände. Dann noch eine Hangquerung auf schön rausgepickelter Wegspur, dann endlich erreichen wir bei P.2029 die Strasse, die zum Gütsch hochführt. Auf dieser abwärts, zurück zum Nätschen, um 19.00 Uhr sind wir beim Auto. Also total 1:15 Stunden Abstieg, und erneut das im Topo vorgeschlagene Zeitbudget von 25 Minuten massiv überstrapaziert. Mit Kenntnis des Weges und ohne Verpassen der Fixseile geht’s vielleicht 15 Minuten schneller, aber mehr nicht – man berücksichtige dies bei der Kalkulation des Zeitbudgets!

Facts

Tüfelstalwand – Pissoir du Diable 6b (6a obl.) – Bühlmann/Dolf 2011 – 8 SL, 270m - ***, xxx
Material: 12 Express, 2x50m-Seil, Camalots 0.3-1, evtl. Keile. Camalots 2 und 3 verzichtbar.

Sehr schöne und abwechslungsreiche Granitkletterei mit Rissen, Schuppen, Wand- und Plattenstellen. Die Absicherung mit Inox-Bohrhaken ist gut und durchdacht. Teilweise etwas weitere Abstände in einfacherem Gelände und obligatorisch zu platzierende Klemmgeräte fordern vom Vorsteiger aber ein solides 6b-Niveau. Für den Zu- und Abstieg schadet auch etwas alpine Erfahrung keineswegs.

Gutes Topo und Bericht der Erstbegeher.

Fotogalerie - Klick auf ein Bild startet die Diaschau

  
  

  

  

 
  

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