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Sonntag, 12. Februar 2012

Seeztal - Rüfibach - Il Cavaliere (WI5) und La Contessa (WI3)

Nun, wenn man wie wir einmal den höchsten Wasserfall der Schweiz geklettert hat, so ist eine Steigerung in Sachen Renommee kaum mehr möglich. Wenn man seine Eiskletterkarriere nicht gleich beenden will, so bleibt nichts anders übrig, wie sich wieder etwas kleineren Zielen zuzuwenden. Das haben wir getan, und mit dem reizvollen "Cavaliere" am Rüfibach im Seeztal ist uns eine sehr lohnender 160m-Fall gelungen, der eine Erstbegehung (Nachtrag: oder auch nicht, siehe unten) sein dürfte. Mit dem Kompakteisschild der "Contessa" konnten wir unmittelbar danach weitere 100 Genussmeter nachlegen.

Tja, der Februar 2012 ist fast unschlagbar: durchgehend sehr tiefe Temperaturen und meist hochneblige Bewölkung. So bildet sich auch an der sehr sonnigen Südflanke des Seeztals massig Eis. Dani, als Local, beobachtet seine Schäfchen ganz genau. Und als sich Gelegenheit bietet, ein weiteres in den Stall zu holen, kann ich mich freimachen, und bin mit von der Partie. Etwas von Projekt "Todesfall" erzählt er, der sehe so schwierig aus, undsoweiter.

Das Projekt 'Todesfall', oder eben, 'Il Cavaliere' (WI5)
Nach unmenschlich frühem Aufstehen brechen wir noch im Dunkeln von der Strasse auf. Als wir unter dem Fall stehen, bricht die Dämmerung herein. Der Fall zeigt eine überzeugende Eleganz und hat eigentlich gar nichts morbides an sich. Sondern er sieht wie eine sehr lohnende Kletterei aus. Am Schutz der überhängenden Felswand rüsten wir uns aus, es kann losgehen. Die 1. SL (WI4, 50m) startet moderat und steilt sich gegen das Ende hin auf. Einige erste Blumenkohle und Balkone wollen da überwunden werden. 

Ich beziehe Stand, Dani folgt nach und zieht weiter in die 2. SL (WI5, 50m). Mein Standplatz ist ehrlich gesagt total ätzend, die Spritzwassergischt vom Wasserlauf links überzieht mich innert Kürze mit einer massiven Eisschicht - Ambiente total! Die Länge an sich klettert sich erst auch ganz genussreich und wird erst gegen Ende hin richtig steil: lotrecht geht es über mehrere Meter dahin und am Schluss über einige Balkone hinweg gar überhängend. Die Hooks und Pickelschläge sitzen aber bei uns beiden sauber, und wie schon am Seerenbach gelingt auch hier beiden die Onsight-/Flashbegehung.

Eisbalkone in der Cruxlänge (WI5)
Die 3. SL (WI3+, 60m) macht optisch einen gutmütigen Eindruck. Wegen dem harten, etwas spröden Eis ist der Beginn aber gar nicht so einfach. Nach 20m flacht das Gelände ab, im dünnen, unterspülten Eierschaleneis geht es aufwärts - mit etwas Vorsicht aber problemlos. Am Schluss warten dann nochmals einige steilere Stufen, und dann ist der Fall geschafft. Und das wohl in einer Erstbegehung, schreibt uns doch Thomas Wälti sogleich per SMS: "Der heisst Rüfibach und ist meines Wissens noch nie geklettert worden*. Bravo, der war auch schon lange auf meiner Wunschliste!".

* Am 25.2.2012 schreib mit F. Guntli die folgende Nachricht: "...nun zu fall cavaliere muss ich dir sagen dass dieser eisfall vor etwa 11 jahren durch stefi wälti und m. schmed (?) schon einmal geklettert wurde. auf eine namensgebung wurde verzichtet. darum kommt als name für die tour wohl nüchtern nur rüfibachfall in frage.".

Wir äugen etwas umher auf der Suche nach dem besten Abstieg. Der Aufstieg zum Wanderweg, den wir in Erwägung gezogen hatten, sieht uns durch das Dickicht zu mühsam aus, und wir bevorzugen ein Abseilen über die Rampe, die rechts vom Fall herunterzieht. So kommen wir nämlich auch noch am schönen Kompakteisschild vorbei, wobei Dani meint: "so wie ich Dich kenne, willst Du den anderen Fall sicher auch noch klettern".

Unterwegs in der steilsten und schwersten Stelle der 'Contessa' (WI3)
Danke gleichfalls, kann ich da nur antworten, und so machen wir uns bald darauf am Einstieg wieder bereit. Die erste Seillänge (WI3, 60m) startet im geneigten 65 Grad Gelände. Das Eis ist hier nicht sehr dick, zum Schrauben reicht es mit etwas beobachten aber gut. Nach 40m wird es dann noch etwas steiler, doch der 75-80 grädige Aufschwung lässt sich sehr genussreich beklettern. Dani ist rasch bei mir, und geht die 2. SL (WI3-, 40m) an. Nach dem ersten Steilstück flacht sie bald ab und endet an einem Baum, von welchem wir abseilen. Unten dann flugs eine Sanduhr gebohrt und zack, da waren wir schon wieder unten. Ob wir da wohl auch die ersten waren? Ich würde vermuten, ja.

Wie auch immer, wir packen zusammen und machen uns auf den Heimweg, zeitlich reicht es noch für alle Schandtaten, oder in meinem Fall, für einen halben Arbeitstag. 2 Fälle mal 1/2 Arbeitstag = 1 tolle Sache, kann ich da nur sagen. 

Facts:

Seeztal - Rüfibach - "Il Cavaliere" (III, WI5, 160m) - Dani Benz & Marcel Dettling 2012*
Seeztal - Rüfibach - "La Contessa" (III, WI3, 100m) - Dani Benz & Marcel Dettling 2012*

* Beide Fälle wurden womöglich schon früher begangen

Der "Cavaliere" bietet sehr lohnende, anhaltende und sportliche Kletterei und lohnt einen Abstecher ganz bestimmt, zumal auch der Zustieg kurz und bequem ist. Danach kann man als Dessert ideal noch die genüssliche Kompakteisplatte der "La Contessa" anhängen, welche für weniger stark kletternde durchaus ein lohnendes, eigenständiges Ziel darstellt. Wie bei allen sonnenexponierten Fällen gilt auch hier: Vorsicht bei Tauwetter und Sonnenschein!

Nachtrag: 

Nach Angaben von F. Guntli vom 25.2.2012 wurde der Cavaliere vermutlich bereits vor 11 Jahren durch Stefi Wälti und Marcel Schmed begangen. Die Namensgebung steht natürlich den Erstbegehern zu. Weil vom Duo Wälti/Schmed keine Namensvorschläge überliefert sind, mag der Fall am besten wohl als Rüfibachfall bezeichnet werden. Ich bitte alle Leser, dies so zu berücksichtigen. Meinen Bericht und alle weiteren Angaben lasse ich im Sinne von Vollständigkeit und Transparenz dennoch hier im Original stehen.

Topo:


das Topo in voller Auflösung steht hier bereit: klick!









Fotogalerie: (Klick startet Diashow. Pics vorwiegend by Dani Benz, vielen Dank für die Action Shots!)

Start in die 1. SL vom 'Cavaliere'

Blick auf die 2. SL des 'Cavaliere', dieser Teil ist ca. WI4.

Nachstieg in der 2. SL des 'Cavaliere'

Dito, nun folgt die Cruxzone.

Anstrengendes Pickeln...

...der Eismann in Aktion.

Letzter Überhang vor dem Stand.

Blick auf die 3. SL des 'Cavaliere' (WI3+).

Aus der anderen Richtung.

Ausstieg aus dem steilen Teil in einer Art Gully...

...zum Schluss dann nochmals steileres Eis.

Schön zielen und zuschlagen...

...die Mimik sieht immer genau gleich aus!

Spritzwassergischt + tiefe Temperaturen = Eiskruste.

Believe it or not: es macht wirklich Spass!

Abseilen durch die Botanik, rechts vom Fall.

Hier geht's weiter: Kompakteisplatte der 'Contessa'.

Mit diesem Bild von der Seite lässt sich die Steilheit der 'Contessa' besser einschätzen.

Yours truly attackiert die 1. SL (WI3).

Schönes Kompakteis, ca. 65-70 Grad steil am Anfang.

Die steilsten Meter rund 80 Grad, alles im Griff!

Blick auf die 2. SL der 'Contessa' (WI3-).

Nun bereits auf den letzten, einfacheren Metern im Nachstieg.

Zwischenhalt auf der Autobahn, unsere beiden Fälle in Bildmitte.

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