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Freitag, 27. Juli 2012

Hübschhorn (3192m) - NW-Grat

Gegen 20 Jahre muss es her sein, seit ich an der ETH Hönggerberg das Buch "Die 100 schönsten Touren in den Walliser Alpen" von Michel Vaucher als Restposten für 5 CHF erwerben konnte. Das war ganz in meinen Anfangszeiten als Kletterer und Bergsteiger, und jede darin enthaltene Tour stellte für mich einen Traum dar. In diesem Buch enthalten ist auch eine Beschreibung des Hübschhorn NW-Grats, 1913 erstbegangen durch eine Seilschaft um Albert 1er, dem damaligen König von Belgien.

Hübschhorn - die reizende Sicht von unserem Balkon. Der NW-Grat führt gut sichtbar direkt zum Gipfel.
Nun, die Jahre gingen ins Land und meine bescheidene Alpinkarriere machte auch etwas Fortschritte. Dies hatte auch den Effekt, dass der belgische Grat am Hübschhorn total aus meinem Fokus rückte. Losen Kontakt mit dem Berg hatte ich nur noch auf meinen Gleitschirm-Streckenflügen quer durch das Wallis. Da von oben (wie üblich, selbst an den Wendenstöcken ist dies nicht anders...) auch alles ziemlich schuttig-geröllig aussah, rückte das Hübschhorn auf der Projektliste auch nicht unbedingt nach vorne. Das änderte sich aber schlagartig, sobald wir unsere Ferienwohnung in Blatten ob Naters bezogen. Von Küchentisch und Terrasse, aus dem Schlafzimmer und einfach rundherum erscheint der NW-Grat als DIE Kingline des Oberwallis, so dass ein Versuch geradezu provoziert wird.


Sicht vom Simplonpass, der NW-Grat ist die Linie rechts am Horizont. Auch von hier sehr eindrücklich.
Eine Hoch- oder Bergtour hatten wir während unseren Ferien tatsächlich auf dem Programm. Bei der Planung zuhause hatte ich eigentlich mit einer Tour im Saastal oder in Zermatt gerechnet. Doch diese Vorhaben wurden aufgrund der Gegebenheiten rasch zur Makulatur, schliesslich muss man mit Auge und Herz bergsteigen, und das sprach klar für das Hübschhorn. Als erstes ging es darum, herauszufinden, ob denn dieser belgische Grat heutzutage überhaupt noch begangen wird. Das war gar nicht so einfach, eine Internet-Recherche brachte nur 2 knappe Berichte (1, 2) zu Tage. Diese waren kurz und wenig informativ, tönten aber positiv, so beschlossen wir, auf Abenteuer statt Massentourismus an den 4000ern zu setzen, und einfach mal selber nachzusehen.


Felsqualität - top Simpiler Gneis mit etwas Flechtenbewuchs, ein richtiges Vierfrucht-Pijama.
So starteten wir bei Top-Wettervorhersage am Donnerstag um 7.50 Uhr auf dem Simplonpass und folgten auf Wegspuren der regulären Skiroute Richtung Breithorn bis zum grossen, markanten Block. Ab dort ging es nun gerade hinauf, in den grossen Kessel unter der Hübschhorn Nordwand. Auch ohne Wegspuren kann man dort gut aufsteigen. Den ersten Grasvorbau des Grates umgeht man gemeinhin auf der rechten Seite, um dann durch ein wenig ausgeprägtes Couloir den Grat zu gewinnen. Dieses setzt auf einer Höhe von ca. 2550m an, es handelt sich um die offensichtlich einfachste Möglichkeit, die Krete zu erreichen. Nach gerade einer Stunde Aufstieg waren wir dort am Einstieg, und rüsteten uns kletterfertig.


Der Einstieg: hier in Bildmitte über die Felsstufe hoch und weiter geradeaus hoch zum Grat.
Die erste Felsstufe gibt dann gleich den Tarif durch, es muss richtig geklettert werden, doch der Gneis ist schön fest und griffig. Bald wird das Gelände einfacher, bis zum Grat hoch und an die Sonne sind es vom Einstieg rund 80m (insgesamt ca. T5, II). Der Grat bietet vorerst keine Schwierigkeiten, aber sehr schöne Kraxelei in plattigem Gneis, wirklich ein Genuss. Erfahrene Gänger werden hier eventuell noch seilfrei gehen, wir gingen am langen Seil, bis ich jeweils mein komplettes Friend- und Schlingenset ausgeschossen hatte. Das war jeweils nach 3-4 SL der Fall. Nach zwei solchen Sequenzen stand ich vor einem steileren, kompakten Aufschwung, der einige Kletterzüge im dritten oder vierten Grad verlangt. Hier wechselten wir  von den Trekkingschuhen auf die Kletterfinken.


Erster Teil des Grates, super genussreiche Kraxelei mit Top-Panorama. Hinten Bietsch- und Aletschhorn.
Nach diesen wenigen Plattenmoves geht es bald wieder leichter dem Grat entlang, und man kommt schliesslich auf die grosse Terrasse bei P.2785, wo es eventuell nochmals eine diagonale Fluchtmöglichkeit zum Firn am Fuss der Nordwand gäbe. Hier setzt nun ein Bollwerk aus kompakten Platten an, das man erst auf der linken Seite in schöner Risskletterei erobert. Ist man zurück auf dem Grat, geht es wieder einfacher voran, und man erreicht über schönen, soliden Gneis auf 2950m einen flacheren Geröllplatz. Hier steilt sich der Grat nun endgültig auf. Was aus der Ferne noch sehr unnahbar ausgesehen hatte, eröffnet nun aber doch Möglichkeiten.


Sicht von der Terrasse bei P.2785 auf das Plattenbollwerk mit prima solidem Gneis.
Blick von oben beim Klettern des Plattenbollwerks. Ziemlich genau in Bildmitte erkennt man Kathrin.
Der einfachste Weg führt hier links durch - in der Beschreibung steht über "grosse, wenig feste Blöcke". Dieses Attribut hatte mir im Vornhinein durchaus etwas Kopfzerbrechen bereitet und tatsächlich war das dann auch die unangenehmste Stelle der ganzen Tour. Es liegt überall etwas Sand und Dreck herum, die Blöcke sind tatsächlich gross, tönen hohl und sind aufeinander geschichtet. So nach dem Motto "ziehe einen raus, dann stürzt gleich der ganze Berg zusammen". Die Passage ist zwar nur etwa 30m lang, ich würde aber das nächste Mal wohl versuchen, weiter rechts in kompakterem und schwererem Fels zu klettern.


Der Fels ist wirklich meist prima, einige kurze solche Teilstücke gibt es wie bei allen alpinen Touren aber auch.
Am Ende dieser Passage gibt es einen guten und bequemen Stand. Danach geht's erst wieder etwas einfacher dahin, bis einem die Beschreibung für das Überwinden des nächsten Aufschwungs wiederum in die linke Flanke (Ostseite) schicken will, und dafür das Attribut "brüchig" bereithält. Hier mache ich es nun besser und klettere grob der Kante entlang in schwererem, dafür kompakten Fels. Das geht prima, die Schwierigkeiten gehen sicher nicht wesentlich über das hinaus, was man auch sonst antrifft (ca. 4/4+). Man erreicht ein Art Schulter, wo man ein Steilstück rechts umgeht und dann wieder über schöne, kompakte Platten an den Fuss des letzten Aufschwungs gelangt. Diesen überwindet man in steiler, schöner Risskletterei ziemlich direkt.


Weiter oben dann wieder formidable Kletterei. Um diese Jahreszeit übrigens trotz Nordexposition ständig in der Sonne.
Direkt aus dem Steilgelände am letzten Aufschwung zieht man sich über die Kante und schwupps, ist auf einmal das Gipfelkreuz in Griffnähe. Zuerst will aber noch ein schmaler Grat überwunden werden, es folgt eine Abkletterstelle, ein letztes Steilwändchen und zuletzt einfacheres Gelände, wo man gemeinsam gehen kann. Um 13.10 Uhr sind wir am Gipfel, somit haben wir für die 650hm Kletterei gerade etwa 4 Stunden gebraucht. Dabei sind wir fast durchgehend simultan am langen Seil geklettert. Will man alles von Stand zu Stand durchsichern und hat gar seine Probleme mit der Kletterei oder der Orientierung/Routenwahl, so kann man hier sicher fast endlos viel Zeit verbraten und eine wahre Odyssee erleben.


Auf dem letzten Aufschwung taucht unverhofft das Gipfelkreuz auf. Von hier noch über Grate und Wändchen bis zum Top.
Bewusst haben wir den schönsten Tag der Woche, ja wohl gar den bisher schönsten Tag des Sommers, für die Tour ausgewählt und tatsächlich passt das Meteo zu 100%. Kaum ein Wind geht auf dem Gipfel, die Temperatur ist sehr angenehm und der Himmel bis auf einige Kumuli blau und klar. Wir halten Vesper und beobachten die Segelflieger, von denen zahlreiche mit gedrücktem Knüppel heranflitzen, über unseren Köpfen in drei, vier Steilkurven Höhe tanken, und sich wieder von dannen machen. Bis auf 4200m hoch ging es hier, sagt mir der OLC - heute war definitiv auch ein 1a-Tag für die Thermiksportarten.


Kathrin unterwegs auf dem letzten Teilstück in Richtung Gipfel.
Nach einer Stunde Gipfelrast machten wir uns an den Abstieg. Der Gipfelgrat ist noch schön und luftig, über den Rest verliere ich lieber nicht zu viele Worte. Steine, Steine und nochmals Steine, Blöcke, Geröll und zwar blaue Punkte und Steinmänner, aber keine wirklichen Wegspuren. Na ja, man macht, was man machen muss, und irgendwann ist tatsächlich der Fuss des Berges erreicht, wo man endlich auf Wegspuren zum Simplon Kulm zurückwandern kann. Beim Auto dann der Blick auf die Uhr: 15.50 Uhr, keine 2 Stunden vom Gipfel, obwohl es uns ewig vorkam, und nur 8 Stunden sind seit unserem Aufbruch vergangen.


Et Voilà! Also eigentlich ist Kathrin hier schon auf den ersten Metern des Abstiegs...
Wissenswertes

Hübschhorn - NW-Grat - D, 4+ - Albert 1er, A. & B. Supersaxo, 2.6.1913 - 550hm Zustieg, 650hm Kletterei

Etwas abenteuerliche, alpine Kletterei, die komplett selbst abgesichert werden muss. Es steckt kein fixes Material in der Route, zahlreiche Risse bieten aber sehr gute Möglichkeiten zum Legen von Sicherungen. Falls man wie wir vorwiegend simultan klettert, ist ein Set Camalots von 0.3-3 zu empfehlen. Dazu 10-12 Expressschlingen und genügend lange Bandschlingen zum Verlängern der Sicherungen. Klemmkeile hatte ich wohl dabei, jedoch kaum je eingesetzt, obwohl auch dies gut möglich wäre. Empfehlen würde ich ein 50m-Einfachseil, ein längeres ist wohl kaum sinnvoll, mit 40m kommt man bestimmt auch gut durch. Obwohl man auf dem Grat generell recht gut vor Steinschlag geschützt ist, sollte man doch wohl besser nicht ohne Helm unterwegs sein.

Der Abstieg geröllig und nicht gerade ein Hochgenuss. Da erfreut man sich ab diesen Blümchen!
Im Gipfelbuch habe ich im Verlauf der letzten 10 Jahre 30 Begehungen der Route gezählt. Dabei handelt es sich etwa zur Hälfte um lokale Kletterer, der Rest des Publikums ist dann sehr international und wird gemäss den Einträgen von der geschichtsträchtigen Vergangenheit angezogen. Ich würde die Route als wirklich lohnend und schön bezeichnen. Die Kraxelei ist fast durchgehend sehr schön und genussvoll, beim Fels handelt es sich um soliden, plattigen, von Rissen durchzogenen Gneis. Generell folgt man am besten durchgehend der Gratkante und lässt sich möglichst wenig in die Flanken drängen, besonders die linke (d.h. die Ostseite) hat deutlich schlechtere Felsqualität. Direkt auf der Kante ist man am schönsten, sichersten und elegantesten unterwegs.


Schon fast unten. Die Gegend um den Simplonpass ist landschaftlich ein Bijou mit verschiedenen kleinen Seen.
Zum Schluss zitiere ich an dieser Stelle noch die (von mir leicht angepasste) Routenbeschreibung aus Michel Vauchers Buch "Die 100 schönsten Touren in den Walliser Alpen". Ich empfand sie als zutreffend und ausreichend. Vermutlich hält auch der SAC-Führer Simplon / Binntal / Nufenen von Roger Mathieu eine Beschreibung. Ich konnte diesen aber hier im Wallis auf die Schnelle nicht auftreiben...

"Vom Simplon Hospiz führen Wegspuren zum grossen Block am Fuss des Grates bei ca. 2340m. Man begeht den Grat nicht von seinem tiefsten Punkt, weil das erste Stück aus losen Felsen besteht, sondern umgeht ihn auf der rechten Seite. Am Fuss der Hübschhorn Nordwand auf ca. 2550m, bei den unteren Firnfeldern, führt ein grasdurchsetztes Couloir zum Grat. Danach folgt man dem Grat, bis zu P.2794 kann man den Schwierigkeiten komplett in der linken Flanke ausweichen [Anmerkung: dies ist wenig empfehlenswert, besser und schöner direkt auf der Gratkante klettern].

Nochmals die Linie links im Profil. Von hier sehen die Aufschwünge richtig steil aus!
Vom Geröllplatz gewinnt man das Plattenbollwerk durch eine Kaminverschneidung auf der linken Seite und folgt dann der Kante über mehrere Seillängen, bis das Gelände leichter wird. Auf einer Höhe von 2950m wird ein senkrechter Aufschwung links über grosse, wenig feste Blöcke erklettert. Mit Hilfe eines Risses (30m, 4) kommt man nach rechts auf eine Terrasse zurück. Von hier nach rechts über Felsstufen an den Fuss des nächsten Aufschwungs. Das überhängende Gratstück wird links durch eine aus Blöcken bestehende Verschneidung (brüchig) überwunden. So gelangt man auf eine Schulter am Fuss einer überhängenden Wand.

Diese Wand wird durch einen weiten Bogen nach rechts umgangen und überstiegen. Grosse Blöcke führen zum letzten Aufschwung. Dieser wird direkt, bzw. etwas rechtshaltend, erklettert. Kurz vor dem Gipfel befindet sich eine grosse Schulter, die leicht überstiegen werden kann. Über 2 kleine Wändchen erreicht man direkt das Gipfelkreuz.

Abstieg: Man folgt dem Gipfelgrat bis zum Westgipfel P.3187. An der gelben Felswand von P.3055 vorbei über den Westrücken im Geröll in Richtung Simplon Hospiz absteigen, Steinmänner und teilweise blaue Farbmarkierungen".


Bye-bye Hübschhorn, das war echt eine tolle Tour!

Mittwoch, 25. Juli 2012

Parete Nascosta - Il Contrabbandiere (7a)

Auf dem Programm gestanden hatte sie schon anlässlich unserer Ferien vor 2 Jahren, die tief in der Gondoschlucht verborgene Wand. Damals kam es nicht dazu, doch wie so oft bringt Geduld den Erfolg,  auch in diesem Fall. In der Zwischenzeit wurde das Gebiet auch im SAC-Kletterführer Oberwallis publiziert. Dabei wird der Schmugglerweg, Il Contrabbandiere, mit 3 Sternen bewertet. Sprich, es soll sich um einen absoluten Klassiker und eine der schönsten Routen in der Region handeln. So machten wir uns auf den Weg über den Simplonpass, um die 11 SL-Tour zu erkunden und zu geniessen.

Wenn man einmal den richtigen Parkplatz gefunden hat, von Norden kommend muss man definitiv nach der zweiten und nicht wie beschrieben nach der dritten Galerie die Strasse verlassen, beschränkt sich der Zustieg auf 10 fast ebene Minuten auf dem Stockalperweg. Der Einstieg ist sehr einfach zu lokalisieren, ganz rechts, dort wo der Fels bis zum Weg hinunter kommt. Zudem ist der Routenname direkt am Weg und auch nochmals in 5m Höhe angeschrieben. 

Zustieg über die Galerien der Simplonstrasse. Man klettert also auf einer Galerie, sowas haben wir doch immer gerne!
Der erste Eindruck der Wand frisiert einem nicht gerade zwingend die Haare nach hinten. Der untere Teil ist durchaus etwas vom Gemüse durchsetzt und der Fels teils moosig. Schon vom Einstieg aus ist aber sichtbar, dass die Route/n bestmöglichst durch die von der Vegetation freien Streifen gelegt wurde/n. Weiter oben sieht der Dom dann unnahbar und kompakt aus, da wird also etwas auf uns warten. Nachdem wir das Gear bereits beim Auto montiert hatten, waren wir rasch bereit und konnten um 10.15 Uhr einsteigen.

SL 1, 5c: Die ersten Meter noch sehr einfach, wird es nach dem ersten BH rasch mal tricky. Es wartet definitiv der erste Haftreibungs-Test. Rasch merkt man, dass der entsprechende Koeffizient hier nicht ganz so hoch ausfällt, wie da wo ich das letzte Mal im Granit unterwegs war (Chamonix). Ein echt anspruchsvoller Move führt über den Bolt hinweg, auch am zweiten ist es nochmal knifflig, dann übers Gras zum Stand (35m, 2 BH).

Soweit noch easy, der erste Test wartet aber gleich nach dem ersten BH.
SL 2, 6a: Recht weit bis zur ersten Sicherung, noch einigermassen trivial bis zur zweiten und dann hoppala, da wartet wieder mal "Reibung total". Ein schwieriger Aufsteher wartet, danach noch einige Moves, die wieder besser gehen und voilà, Stand (25m, 3 BH).

Reibungskletterei, die phantasievolle Moves erfordert: SL 2, 6a.
SL 3, 6a+: In einer Querung geht es nach links hinaus, nicht lange dauert es, bis wieder anspruchsvoll auf Reibung geklettert werden muss. Inzwischen haben wir es bereits akzeptiert, in dieser Wand gibt es nur wenige gute Griffe und viele runde Strukturen. Wirklich eine einzigartige Sache, sowas habe ich in dieser Art noch nie geklettert. Und logo, man muss sorgfältig und präzise moven (35m, 6 BH).

SL 4, 6a: Spannende und schöne Seillänge, die einen etwas kurvigen Weg durch die Wand nimmt, Halbseiltechnik ist zu empfehlen. Hier ist die Sache nun etwas steiler und es gibt durchaus ein paar Griffe, wo man sich richtig daran festhalten kann (35m, 7 BH).

Gut zu erkennen, dass man grossräumig um das Gemüse herumklettert: SL 4, 6a.
SL 5, 5c: Nach dem Stand geht es links einer Kante entlang, bald danach wird das Gelände einfacher und etwas schrofig durchzogen. Mit einem langen Runout, immer gerade hochsteigend, erreicht man den Stand. Etwas Vorsicht kann hier sicher auch nicht schaden, das Blockwerk sieht doch einigermassen labil aus (25m, 2 BH).

SL 6, 5c: Lange Seillänge, die nach einem einfachen Beginn sehr kompakt und anhaltend ist. Insgesamt auch hier wieder die typische Nascosta-Kletterei, sauber stehen, die Moves gut planen und unverhofft kommt hin und wieder ein unerwarteter, guter Griff daher (50m, 6 BH).

Prima Länge über die kompakten Platten, der Tiefblick schon ansehnlich: SL 6, 5c.
SL 7, 6a+: Schöne und knifflige Moves durch eine kompakte Wandzone auf das nächste Querband hinaus. Dieses wird überstiegen, an 2 weiteren BH vorbei erreicht man den schon von unten gut sichtbaren Stand (35m, 6 BH).

Auch gut, und wieder ein bisschen schwerer: SL 7, 6a+.
SL 8, 6c: So, nun sollte man aufgewärmt sein, denn jetzt geht es mit der richtig schwierigen Kletterei los. Die drei nahe steckenden BH und die steile Wand nach dem Stand lassen eine Crux vermuten. Doch weit gefehlt, hier gibt es einige schöne, positive Leisten und eine Art Wasserlöcher, so geht das Tiptop. Weiter oben klettern man dann eine hängende Verschneidung an, welche es nach links mit einem Mantle zu verlassen gilt. Diese Bouldermoves bilden die spannend-interessante Crux (25m, 7 BH).

Ab jetzt ist man definitiv in der kompakten Headwall! SL 8, 6c.
SL 9, 7a: Erst gilt es, sich auf einem Band etwa 10m nach links zu verschieben, wo die nächste SL startet. Erst geht es noch gutmütig über einen Wulst hinweg und mit kleinem Runout zu einer kompakten, steilen Zone, wo nahe Sicherungsabstände die Crux vermuten lassen. Einige Leisten und ein genau an der richtigen Stelle platziertes Superloch machen die ersten Moves dieses Abschnitts noch gängig. Dann wird es aber zäh: mit technisch kniffligen Moves an Seitgriffen und Reibungstritten schiebt man sich höher, zuletzt wartet dann ein Sloper-Ausstieg à la Fontainebleau, wirklich absolut genial (20m, 6 BH)!

Sloper-Ausstieg à la Fontainebleau: SL 9, 7a.
SL 10, 6a: Schöne Querung nach links, hier ist der Fels nun für lokale Verhältnisse fast schon unverschämt griffig. Nach 20m kommt man zu einem Stand, der eigentlich zur Route "Berghi" gehört. Entweder man macht dort Stand (20m, 4 BH), oder man klettert gleich weiter.

SL 11, 6a: Hier geht es nun leicht nach rechts aufwärts, in steiler, griffiger Kletterei, zum Ausstiegsstand knapp unter der Kante. Etwas verwirrt von den Gegebenheiten, habe ich diese SL gleich an die vorangehende angehängt, was problemlos möglich war (20m, 5 BH).

Das Top ist erreicht, hinten die wilde Gegend der Gondoschlucht.


Um 14.40 Uhr erreichen wir das Top. Als ich den Ausstiegsgriff in den Händen halte, scheint mir das allererste Mal die Sonne ins Gesicht. Mit Einsatz und etwas Glück, d.h. knapp vor dem Abrutschen in der Cruxlänge, gelingt mir die perfekte Onsight-Begehung. Die hatte ich mir fest vorgenommen, und nachdem ich zwei Tage zuvor im Klettergarten Heji gleich um die Ecke eine 7c onsighten konnte, war ich im Kopf davon überzeugt, dass sie gelingen müsse. Dies ist wohl die wesentlichste Voraussetzung für das Gelingen einer Begehung, der feste Glaube daran!

Abseilerei, oben die kompakte Headwall.
Nach einem Vesper an der Sonne geht das Abseilen dann zügig vonstatten, in nur 6x erreicht man den Boden. Allerdings werden 50m-Seile mehrmals bis zum letzten Zentimeter ausgenützt, d.h. für das Überspringen der Stände braucht es das nötige Können und etwas kühles Blut. Oder dann rückt man mit 60m-Seilen an, nötig ist dies aber keinesfalls. Glücklicherweise ging es dieses Mal auch ohne Seilverhänger vonstatten, in diesem kompakten, strukturarmen Gelände ist das aber auch so zu erwarten. So steigen wir um 16.20 Uhr wieder ins Auto und fahren im Kriechgang zurück über den Simplon. Überrascht stellen wir fest, dass im Aletschgebiet gerade ein heftiges Gewitter tobt - da hatten wir Glück mit der Gebietswahl.



Wissenswertes

Parete Nascosta - Il Contrabbandiere 7a (6b obl.) - Pellizon/Vaudo/Manoni 2001 - 11 SL, 325m - ***, xxx
Material: 10 Express, Friends & Keile sind nicht nötig/einsetzbar

Die Absicherung würde ich gemäss Plaisir-Standard als "gut" bezeichnen, bzw. Stufe 3 von 5 gemäss meiner Skala verteilen. Die beiden schweren Längen sind in den Cruxzonen sehr gut gesichert und können technisch geklettert werden. Im leichten Gelände (Stellen bis 5c) sind die Abstände aber nicht gerade kurz und darum sollte der Vorsteiger schon wissen, was er macht: an der einen oder anderen Stelle könnte man auch ungut auf Bänder runterfallen, etc.

Die Angabe von 6b obligatorisch kann ich +/- unterstützen. Ich denke, den Grad 6b sollte man einigermassen solide draufhaben, damit man die Route souverän und mit Genuss klettern kann. Allerdings wird man als 6b-Kletterer in den beiden Schlüsselstellen wohl chancenlos sein. Aber auch wenn die paar wenigen schwereren Meter mit Hakenhilfe geklettert werden, ist die Tour immer noch lohnend.

Erlebnisberichte (auf italienisch) über die Route sind eher gemischt. Den einen hat es gefallen, den anderen offenbar weniger. Ich fand die Route wirklich lohnend, 3 von 5 Schönheitssternen hat sie bestimmt verdient, das Prädikat Weltklasse ist aber ebenso verfehlt. Der Fels ist super solide, die Kletterei vielleicht tatsächlich über alle Seillängen hinweg ziemlich ähnlich und nicht sehr abwechslungsreich, aber immer spannend.Einige gute Griffe tauchen zwar unverhofft auf, vielfach klettert man aber auf runden Strukturen und auf Reibung.

Die Wand liegt selbst im Hochsommer bis um 13 Uhr komplett im Schatten, die oberen, steilen Seillängen sind sogar bis gegen 15 Uhr vor der Sonne geschützt. Mit der häufig vorherrschenden thermischen Brise handelt es sich um ein Ziel für die warmen und wärmsten Tage. Ob man solche Tage wirklich in der Gondoschlucht verbringen will, bleibt jedem selber überlassen. Der Ort ist auf jeden Fall aussergewöhnlich und bestimmt sehenswert.

Verzinkte Dübel + Inox-Plättli + Gneis + saure Umgebung = gar nix gut. Der Bolt steckt in der benachbarten Berghi, wo man sich sputen muss, damit man sie noch sicher klettern kann. In der Contrabbandiere stecken zum Glück dauerhaftere A2-Inoxbolts. Auch nicht das non-plus-ultra (A4-Stahl ist viel besser!), aber sie sind äusserlich noch komplett frei von Rost.

Freitag, 20. Juli 2012

Aiguille du Roc - Tout Va Mal (6c+)

Der Ausflug nach Chamonix zusammen mit Tobias war von langer Hand geplant. Nachdem er wohlbehalten von seiner Expedition in Südamerika zurück war und für einmal sogar Hochdruckwetter angesagt war, stand das Licht für den Trip auf grün. Aus der Nähe betrachtet war es dann leider so, dass eine Kaltfront zwei Tage zuvor Schnee bis auf 2500m hinunter brachte, das Schönwetterfenster gerade mal gut einen Tag lang war und zudem in der Höhe auch noch stürmischer Wind blies. Somit fiel der eine um der andere der Grandes Courses von der Projektliste, so dass wir uns zuletzt gar für eine alpine Sportklettertour entschieden. Ob vielleicht doch mehr gegangen wäre? Möglicherweise, aber hinfällig, jetzt darüber zu sinnieren. Wenn Du jahrzehntelang in die Berge gehen willst, ohne die Bergrettung in Anspruch zu nehmen oder einen Unfall zu erleiden, so musst Du konservativ entscheiden.

Schöner Biwakplatz auf Montenvers, hinten die immer wieder bröckelnde Petit Dru Westwand
Ob dem vielen hin und her war es schliesslich sogar so, dass im Refuge Envers des Aiguilles nicht mal mehr ein Platz für uns frei war. Tant pis, das Biwakmaterial, welches wir für die Grandes Courses mit dabei hatten, sollte sich also als nützlich erweisen. Der Bequemlichkeit halber zogen wir es aber vor, den Abend und die Nacht in Montenvers zu verbringen, und den Weg zur Hütte erst frühmorgens zurückzulegen. Dies machte sich durchaus bezahlt, denn so genossen wir erst Kaffee im Grand Hotel, dann einen wunderbaren Znacht im Freien bei Abendsonne, mit formidablem Blick zur Dru Westwand, und schliesslich eine geruhsame Nacht im Schlafsack.

Auch da sieht man von Montenvers hin... Erinnerungen werden wach. Für den Walkerpfeiler lag noch zu viel Schnee, but we'll be back!
Am nächsten Morgen schrillte der Wecker um 4.00 Uhr, nach einem für die Tageszeit ausgiebigen Frühstück ging es hinunter über die Leitern aufs Mer de Glace, ein Stück nach hinten, und bald wieder hinauf. Kurz nach 7.00 Uhr waren wir nach 2:15 Stunden Marsch da, die früheren Seilschaften brachen eben gerade zu ihren Zielen auf, die langsameren waren noch mit dem Zmorge beschäftigt. Nachdem wir rasch einige Sachen deponiert hatten, strebten wir ebenso dem Fels zu. Die Tourenwahl hatten wir lange ausgiebig diskutieren können und entschieden uns schliesslich für die Tout Va Mal an der Aiguille du Roc. Diese bietet 16 SL 5-Sterne-Granitgenuss, und ein Beschreibungstext wie "Diese Tour ist ganz grosses Granitklettern, besser kann es nicht zelebriert werden. Für uns ist die Tour eine der besten im gesamten Mont-Blanc-Gebiet" (Zitat aus topoguide.de) will einfach überprüft werden.

Keine Tour am Envers des Aiguilles ohne Leiternsteigen
In nur 15 Minuten ab der Hütte ist man am Einstieg. Das Schneefeld war nicht hart gefroren, nicht übermässig steil und auch nicht exponiert, weshalb wir sogar ohne Steigeisen zu Werke gehen konnten. Der Pickel war aber auf jeden Fall sehr nützlich. Während wir erst meinten, die ganze Wand für uns zu haben, entdeckten wir schliesslich eine Seilschaft, die bereits an der ersten Seillänge laborierte, und erst noch genau dort, wo es für uns auch losgehen sollte. Erleichtert nahmen wir zur Kenntnis, dass sie aber die Subtilités Dülferiennes auf dem Programm hatten. Nachdem wir den ca. 1m breiten aber abgrundtiefen (mindestens 20m konnte man runtersehen!) Bergschrund überschritten hatten, konnte es um etwa 8.15 Uhr losgehen.

Da geht's hoch: die SE-Wand der Aiguille du Roc. 600m allerbester Granit, einfach ein Traum!
SL 1, 5c: Kein einfacher Auftakt! Der Kamingrund rechts ist feucht und unangenehm. Die Wand links ist besser, dafür ist da alles ein bisschen vom Gletscher geschliffen rund und die Absicherung ist eher auf der anspruchsvollen Seite (1 BH, 30m).

Einstieg in die Tour über den Bergschrund. Oftmals die Crux, heute trivial, aber nicht ungefährlich. SL 1, 5c.
SL 2, 6a+: Man quert den Kamin und klettert plattig weiter nach rechts, da muss man schon mal gut hinstehen. Am Schluss wartet ein (direkt geklettert) nicht einfacher Aufschwung, wenn man nach rechts hält, geht es deutlich einfacher (4 BH, 30m).

Plattenquerung, die Crux am Aufschwung. SL 2, 6a+.
SL 3, 6a: Diese Länge startet mit weitgehend einfacher Plattenkletterei, wo man zügig Meter macht. Erst zum Schluss an den Stand warten dann einige knifflige & feine Moves auf Reibung und kleinen Käntchen (3 BH, 40m).

Erster Test des Haftreibungskoeffizienten. SL 3, 6a.
SL 4, 6b: Nach einigen einfachen Metern beginnt die anspruchsvolle, steile Kletterei an Rissen in eine Verschneidung hinein. Diese mit einer technisch fordernden Stelle nach links zu verlassen ist die Crux (A0 möglich). Dann plattig zum Stand (5 BH, 40m).

Erster Vorgeschmack auf das was noch kommt: steile, anspruchsvolle Risse. SL 4, 6b.
SL 5, 5b+: Kurze und gemütliche Überführungslänge, dennoch aber schön und fast komplett selbständig abzusichern. Am Schluss zum Stand hin dann ein paar grasig-einfache Meter, die allereinzigen der ganzen Tour allerdings (1 NH, 40m).

Hier nach links rauszukommen ist die Crux von SL 4, 6b.
SL 6, 6a+: Im unteren Teil einfachere Kletterei an Schuppen und über Wandstellen, zuletzt dann eine ziemlich obligatorische Reibungscrux an einer schönen Plattenkante. Falls nötig, so soll die Stelle grossräumig umgehbar sein (4 BH, 50m).

Nächster Test des Haftreibungskoeffizienten in SL 6, 6a+. Notfalls vermutlich rechts (im Aufstiegssinn) umgehbar.
SL 7, 6b: Aussergewöhnliche, fantastische Seillänge entlang einer Quarzader. Die Ader selbst ist anhaltend aber nie ausserordentlich schwierig, die Crux bildet die Reibungsstelle, um überhaupt dahin zu kommen (Reichweitenproblem, A0 möglich, 5 BH, 50m).

Die Quarzader-Länge (SL 7, 6b), hier gleich nach der Crux. Man sieht gut den Weiterweg durch die steile Wand.
Die Sicht von oben auf SL 7, 6b. Einfach traumhaft und genial zu klettern, die Quarzader!
SL 8, 6b+: Anhaltende Superlänge die mit schwerer Wandkletterei an Käntchen und Leisten startet. Dann wird es immer griffiger, aber nie einfach und banal. Obwohl hier relativ viele BH stecken, muss zusätzlich auch noch selber gelegt werden (8 BH, 50m).

SL 8, 6b+. Erwischt: die unkoordinierte Fingerhaltung zeigt, warum ich auch schon Ringband-Problemchen am Ringfinger hatte...
SL 9, 6a+: Eindrückliche und erst etwas einschüchternde Traumlänge mit steiler Ausdauerkletterei an fast komplett selbst abzusichernden Rissen. Alles geht ganz gut auf, immer mal wieder kann man etwas ruhen und gäbig einen Friend legen (3 BH, 45m).

Eindrücklich steiles Gemäuer, ohne Bolts, aber nur 6a+: SL 9
Man muss aber schon zupacken! SL 9, 6a+.
SL 10, 6c+: Kniffelmove aus dem Stand raus, dann etwas einfacher zur Boulder-Crux. Spannweite >2.5m oder ein Hechtsprung sind gefragt! Viele werden sich hier mit 2 p.a. behelfen, dann passt auch die Bewertung von 6b, welche diverse Topos auf unpräzise Weise wiedergeben. Dann folgen weitere Risse/Verschneidungen (7 BH, 40m).

Die 6c+ Stelle, Crux der Route. Diese Position einzunehmen ist nicht einfach, die nächsten Griffe sind rechts an der Schuppe. Go-go-go-Gadget-o-arm...
Nach der Bouldercrux geht's anspruchsvoll weiter. Stand nach SL 10, 6c+.
SL 11, 5c: Unterbewertete Kletterei, erst der Schuppe lang nach links, knifflig um die Kante, dann steil durch die tolle Rissverschneidung. Zudem sind hier alle Sicherungen selbst zu legen, ich habe dies eher wie eine 6a/6a+ empfunden (1 BH, 45m).

Auch die 5c (SL 11) ist nicht geschenkt.
SL 12, 6a: Kurz etwas gemütlicher hoch zur Scharte, wo man in die E-Wand sieht. Dann geht es weiter mit einer erneut anhaltend-anspruchsvollen Rissverschneidung, die bis auf einen wegweisenden BH komplett selbst abgesichert wird (1 BH, 45m).

Daran kann sich wohl niemand satt sehen. Grandes Jorasses Nordwand, unsere Linie ist exakt nachzuvollziehen...
SL 13, 6a: Etwas nach rechts raus und gerade hoch durch die Wand, an Schuppen und Rissen, sehr gute Kletterei. Am Schluss dann die Crux, ein "flared Crack", welcher auf die grosse Terrasse mit bequemem Stand hochführt (2 BH, 45m).

Flared Crack am Ende von SL 13, 6a. Weniger einfach als es hier aussehen mag.
SL 14, 5c: Wiederum eine Traum-Rissverscheidung, gleich von der Terrasse weg ist es schwer, aber da versorgt man perfekt eine ganze Familie Klemmgeräte. Erst die zweite Hälfte der SL ist etwas einfacher, insgesamt aber sicher auch eine 6a/6a+ (1 NH, 40m).

Auftakt in SL 14, 5c. Der Grad, den Anfänger in der Halle schon an Tag 1 klettern. Hier gelten andere Massstäbe.
SL 15, 6a+: Überhängende Ausdauerkletterei an Schuppen und Zangengriffen, wo auch die beste Linie gesucht werden will. Sehr anspruchsvoll und wild, aber mit gutem Auge vernünftig abzusichern. Die Kulmination an Schönheit und Challenge! (2 NH, 35m).

SL 14, 6a+. Überhängend, henklig und clean. Unglaublich sowas!
SL 16, 5b: Kurze und einfache Kletterei als gemütlicher Ausklang zur Scharte im Grat, unmittelbar unter dem von der Hütte aus sehr gut sichtbaren "False Summit" der Aiguille du Roc. Kann vermutlich mit SL 15 verbunden werden (15m).

Tobias kommt zum Top. Das Mer de Glace rund 1200m unter uns.
Kurz nach 16.00 Uhr sind wir am Top, somit hat uns die Kletterei obwohl wir zügig unterwegs waren,  doch fast 8 Stunden in Anspruch genommen. Aber kein Wunder, über 600m Kletterstrecke wollen erst einmal bewältigt sein. Auch wenn etwas fixe Grundabsicherung da ist, so gilt es doch zahllose Klemmgeräte zu platzieren, was insbesondere an den steilen, ausdauernden Rissen im oberen Wandteil ab SL 7 seine Zeit und auch Kraftreserven fordert. Dennoch gelang es mir, die ganze Tour onsight (10 SL im Vorstieg, inkl. der Crux) bzw. flash (die restlichen 6 SL im Nachstieg) zu klettern. In solchem Gelände gehört es für mich einfach dazu, den Schwierigkeiten reichlich gewachsen zu sein, und eine saubere Begehung hinzulegen!

Guten Mutes beim Abseilen, das war noch vor dem ersten Verhänger. Hinten Dent du Géant und Arete Rochefort.
Wie wir oben waren, war wieder einmal ein Zeitpunkt, wo man sich einen Fallschirm auf dem Rücken wünschte, um damit gemütlich und rasch zur Hütte hinabzuschweben. Süsse Träume, wir mussten die etwas beschwerliche Abseilerei auf uns nehmen. Während soweit alles glatt lief, kann hier nun der Routenname "Tour Va Mal" durchaus zum Motto werden. Die vielen griffigen Risse, Schuppen und Zacken warten nur darauf, das Seil zu fressen! Nach gut 1.5 Stunden standen wir am Wandfuss und konnten feststellen "la corde c'est coincé que deux fois...". Zweimal, in SL 5 und in SL 11, mussten wir je etwa 15m hochklettern, um das freie Seilende, welches sich verfangen hatte, zu befreien.

Aiguille du Roc. Die Route geht ziemlich zentral (bzw. leicht rechtsrum) hoch zum Gipfel.
Vor allem der Abseiler in SL 11 ist tatsächlich heikel, da kann man von Glück sprechen, wenn sich das Seil nicht verhängt. Die zweite Seilschaft in der Wand, welche im Laufe des Tages zu unseren Nachfolgern wurde, musste sogar 4 Seilverhänger beim Abseilen vergegenwärtigen, u.a. genau an derselben Stelle in SL 11. Die beiden armen Tröpfe waren, obwohl sie eigentlich kurz nach uns mit dem Abseilen begannen, noch fast 2 Stunden länger damit beschäftigt, wie wir es vom Hüttentisch aus beim Znacht live beobachten konnten... Man plane deshalb für die Abseilerei genügend Reserven an Zeit, Nerven und Kraft ein!

Dafür waren wir nach der Tour reif... Das Bild ist aber vom Vorabend, Biwak auf Montenvers
Facts:

Aiguille du Roc - Tout Va Mal (6c+, 6a+ obl.) - Hopfgartner/Piola 1985 (saniert 2000) - 16 SL, 600m, ED inf. - *****, x(xxx)
Material: 14 Express, Camalots 0.3-3, evtl. weiteres Set Camalots 0.3-1 oder Keile, Schlingen, Steigeisen & Pickel für den Zustieg.

Die Superlative in Literatur und Internet sind gerechtfertigt, es handelt sich um eine absolute Traumtour! Während der untere Wandteil noch als gemütlicher ***/****-Auftakt gelten kann, ist die Tour ab SL 7 anhaltend steil und anstrengend. Die Risse, Verscheidungen und Schuppen sind aber wie zum Klettern gemacht und lassen sich perfekt absichern. Fast egal wo man Bedarf verspürt lässt sich etwas zuverlässiges Legen. Einige kompakte Platten- oder Wandstellen gibt es auch, diese sind sehr gut mit Inox-BH abgesichert.

Wir hatten 1 Set Camalots 0.3-3, 1 Set Camalots 0.3-2, dann zwei Link Cams, ein Set Keile und 16 Exen dabei... ein bisschen weniger reicht auch.
Wissenswertes:
  • Am darauf folgenden Tag kletterten wir noch die Tour "Pasang de retour de l'Everest" an der Tour Verte. Sehr empfehlenswert für einen Halbtag! Ein Bericht darüber wird an dieser Stelle in den nächsten Tagen erscheinen.
  • Dies war nach 2008 mein zweiter Besuch im Envers des Aiguilles. Über die damals begangenen Touren, allesamt Top-Felsklassiker, habe ich an dieser Stelle berichtet. 
  • Die an jener Stelle erwähnten Facts treffen immer noch zu. Das Überwinden des Bergschrunds kann später in der Saison zur Crux der Tour werden. Aktuell, d.h. Mitte Juli 2012, geht das mutmasslich noch bei allen Touren problemlos.
  • Gewisse Dinge ändern sich nie, oder auch nur sehr langsam. Die Hütte wird immer noch von 2 Mädels geführt, wobei "führen" vielleicht nicht das richtige Wort ist, denn die Sache hat gewisse anarchische Züge. Bleibt man z.B. mehrere Nächte, so muss man (immer noch wie damals) jede Nacht seinen Platz wechseln. Das macht natürlich niemand, so dass als Neuankömmling nix anderes übrig bleibt, als sich einfach irgendwo in einem Zimmer einen freien Schlafplatz zu suchen.
  • Die sanitären Anlagen sind immer noch minimal, d.h. 2 WC's und 1 mikrokleines Lavabo. Aber ich will hier nicht klagen, trotz einigen Mängeln hat die Hütte auch ihren Charme, ein mehrtägiger Aufenthalt ist sicher auszuhalten und es war bestimmt nicht mein letzter Besuch!