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Donnerstag, 4. Oktober 2012

Zweiter Kreuzberg (1970m) - Elysium (7b+)

Schon lange hatte ich das Topo vom Erstbegeher Thomas Wälti in der Schatulle gehütet und immer gehofft, dass sich eine Gelegenheit ergeben würde, diese Route kennenzulernen. Nun kam sie, diese Möglichkeit - für mich auch ein Formtest, denn seit meiner letzten alpinen Sportklettertour waren doch schon ganze 6 Wochen vergangen. Also mal schauen, wie gut die Umstellung von den steilen Sinterrouten auf Kalymnos zu den diffizilen Platten im Alpstein klappt.

An die Südwand des zweiten Kreuzbergs, seines Zeichens als zweithöchste Wand im Alpstein gerühmt, verbinden mich gute Erinnerungen. An Auffahrt im Mai 2004 hatte ich die Südverschneidung, ein im extremen Pause aufgenommenes Werk vom legendären Duo Max Niedermann und Seth Abderhalden erfolgreich begehen können. Dass seither etwas Zeit vergangen ist, merkte ich nur schon daran, dass wir die Zufahrt zum Parkplatz Nasseel P.814 in Rofisbach etwas suchen mussten.

Imposant bauen sich die Kreuzberge 3-1 (v.l.n.r) über der Unteralp auf.
Der Zustieg zur Unteralp P.1393 verlief dann rasch und ohne Probleme. Wir entschieden uns, nicht über die Tour abzuseilen, sondern den nordseitigen Fussabstieg zu nehmen. Dies bedeutete, auf der Unteralp ein Depot einzurichten. Dann konnte es losgehen mit dem letzten Teil des Zustiegs über steile Schrofenhänge. Dass diese steil und insbesondere bei ungünstigen Verhältnissen (Nässe, von Schnee plattgedrücktes oder glattes Spätherbst-Gras) heikel sind, war mir schon noch in Erinnerung. Aber schliesslich hatte ich anno 2004 meine Begleiterin auf ihre erste Alpinklettertour mitgenommen und alles verlief problemlos, also sollte das nicht die grosse Hürde sein. Doch gewisse Dinge blendet man im Laufe der Zeit einfach aus, bzw. deren Schwierigkeiten verblassen in der Erinnerung...


Ein wunderbarer Herbstmorgen mit tollem Tiefblick ins Rheintal: Depot auf der Unteralp
Wir erwischten einmal kurz nicht den einfachsten Weg und fanden uns alsbald im unangenehmen T6-Gelände wieder. Steil, haltlos und vor allem, kaum gestuftes Steilgras. Für einen allfälligen Rückzug stecken ca. alle 50m Bohrhaken, welche auch den einfachsten Aufstieg definieren dürften. Einfach zu finden sind sie allerdings nicht, weshalb man durchaus neben den besten Weg geraten kann. Nach dem ersten Steilriegel quert man auf einem gut gangbaren Wildwechsel etwas nach rechts, um dann bei der markanten Tanne zum Wandfuss hinaufzusteigen. Auch diese 50m lange Passage ist steil, schrofig, mit losen Felsen und ohne Sicherungsmöglichkeiten. Immerhin ist das Gelände hier etwas besser gestuft, so dass es nicht in eine komplette Harakiri-Aktion ausartet. Wir waren nach 7.30 Uhr von Nasseel losgegangen und waren kurz nach 9.30 Uhr startbereit. Also konnte es losgehen:


Das Schrofengelände zum Einstieg hoch ist wirklich extrem steil, die Perspektive täuscht nicht!
SL 1, 25m, 7a: Auf den ersten Blick denkt man hier "viele Haken, schaut nicht so schwer aus", auf den genaueren, zweiten Blick erkennt man, dass es vielleicht doch kniffliger ist als man meint. Und steigt man dann ein, so ist es einfach sauschwer. Schon am zweiten Bolt wird manch einer (wie wir auch) im kleingriffig-technischen Gelände seine Onsight-Ambitionen begraben müssen. Und nach dem dritten Bolt wartet eine verdammt schwere, zwingende Passage in plattiger Kletterei an kaum strukturiertem Fels - da wird einem der Tarif gleich durchgegeben, prost! Der Rest zum Stand hin ist dann einfacher, dafür in mässigem Fels.


Dani startet in SL 1, 7a. Sieht gutmütig aus, ist es aber nicht!
SL 2, 35m, 6c: Die ersten 5m vom Stand weg nach links sind einfach, dafür brüchig und ohne Sicherungsmöglichkeit. Danach folgt eine Passage über 3 BH an Untergriffen und mit schlechten Tritten, für 6c muss man gleich ordentlich Gas geben. Auf jeden Fall mehr, als ich heute draufhabe. Aber wenn man wegen dem Kopf, der sich diese Art der Kletterei nicht mehr gewöhnt ist, so schlecht hinsteht, dann geht es einfach nicht, egal wie viel Kraft man hat. Weiter geht es dann einer Piazschuppe entlang, bevor noch viele anhaltende Meter mit sehr schöner, aber anspruchsvoller, kniffliger Kletterei über Platten mit Seit- und Untergriffschüpplein folgen, die Absicherung auch eher von der Sorte allegro.

SL 3, 25m 6a: Eine etwas einfachere Seillänge, die an einem steilen Riss zwingend selbst abgesichert werden muss. Hat man diesen einmal überwunden, so geht es leichter, dafür in etwas unsicherem Fels, zum Stand hin. An etwas unlogischer Position, sprich abseits der einfachsten und natürlichen Linie steckt am Schluss rechts nochmals ein Bolt. Diesen hatte ich übersehen und mich mit Herzklopfen in einem Wahnsinns-Runout zur Kette gezittert...

Die letzten Meter in SL 3, 6a. Eher ungutes Gelände hier, vor allem, wenn man noch einen BH auslässt...
SL 4, 40m, 6b+: Sehr fotogener Start in einer Linksquerung an steilem Fels, ein Bild von hier hat auch Aufnahme in das Buch Schweiz Alpin von Röbi Bösch gefunden. Allerdings sollte man dabei nicht vergessen, dass ein Sturz vor dem zweiten BH mit Aufschlagen auf die darunter liegende Rampe endet, was bestimmt nicht folgenlos bliebe. Hat man sich einmal auf der Rippe darüber etabliert, ist die Kletterei einfacher, dafür sind die Hakenabstände wiederum weit, und der Fels ist einfach nicht ganz bombenfest - wenn man aufpasst und die richtigen Griffe nimmt, hält schon alles, aber wenn nicht...

Dieser ersten 4 SL hatten uns noch gar nicht in Begeisterung zu versetzen vermocht. Die Route sucht sich zwar die kompakten Passagen mit gutem Fels, unmittelbar daneben wäre es aber einfacher, wenn auch grasig und brüchig. Zudem lässt sich der etwas glatte, knapp strukturierte und sehr trittarme Fels für uns einfach nicht entspannt und mit Genuss beklettern. Subjektiv würde ich diesen Teil mit nur ** bewerten - man darf es aber gerne auf meine Überforderung schieben und trotzdem einsteigen.

Fotogener Start in SL 4, 6b+. 
SL 5, 35m, 6c: Hier aber sieht der Fels nun endlich etwas besser strukturiert aus, das Gelände wird steiler und verspricht eine interessantere Kletterei. Auf dem Topo steht lapidar etwas von einem Runout. Dani geht vor, er klettert 8b+ rotpunkt, als wird es das wohl können. Aber diese SL zeigt wieder einmal, wie relativ Schwierigkeitsgrade beim Klettern sind. Der Runout beinhaltet einen 6m-Abstand zum nächsten BH, und man bewältigt die Crux der SL, wenn man mit den Füssen etwa 2m über dem letzten Bolt steht. Ein Sturz an dieser Stelle wäre jetzt nicht lebensgefährlich, allerdings ist das Gelände dort alles andere als optimal und eine Fussverletzung im Falles des Falles liegt sicher im Bereich des zu Erwartenden. Die Kletterei an dieser Stelle übrigens von eher unsicherer Natur, an Auflegern und auf Reibung. Nach einigen Versuchen, Diskussionen ob Rückzug oder nicht, steigt Dani dann schliesslich doch drüber. Meinerseits kann ich die Stelle im Nachstieg nicht einmal freiklettern - habe auch nicht lange gesucht und geübt, aber trotzdem: die Bewertung von 6c empfinde ich hier als schlechten Witz und den Runout als erzwungen, denn selbst ich hätte zum Beginn der schwersten Moves im Vorstieg einen Bolt setzen können.

Soll und kann es weitergehen? Kontemplation bevor der Runout in SL 5, 6c nochmals angepackt wird.
SL 6, 25m, 6c+: Wohlwollend nehmen wir zur Kenntnis, dass das Gelände hier noch mehr aufsteilt. Die Seillänge entpuppt sich denn auch als weitgehend gutmütig, mit einer kurzen Einzelstelle an einer Unter- und Seitgriffrippe als Crux. Im Gegensatz zur vorangehenden SL kann ich diese Stelle nun auch problemlos klettern. Der Rest bietet gut strukturiertes, griffiges Gelände. Wir finden, es sei die bisher schönste SL.

Endlich mal schwere Züge, wo man nicht nur schleichen muss: SL 6, 6c+
SL 7, 20m, 7a: Hier wird es nun noch steiler und athletischer, der Fels fast ein bisschen versintert. Zu Beginn warten schöne Züge an Löchern und Schuppen, die Crux dann im zweiten Teil mit weiten Moves, erneut an Löchern und Schuppen. Hier haben die Erstbegeher mit den Bohrhaken und dem Schwierigkeitsgrad für einmal nicht gegeizt, so dass ich auch diese sehr schöne SL problemlos flashen kann. Es ist nicht so, dass ich den angegebenen Grad jetzt total unpassend finde, nur steht er meines Erachtens in keinem Vergleich zu denjenigen von SL 1 und SL 5. Oder mit anderen Worten: im Plattenklettern bin ich anscheinend einfach nicht genügend gut!

Der Tiefblick auf die Unteralp und das Rheintal: grandios!
SL 8, 50m, 6a+: Lange und sehr genussvolle SL mit den schwersten Moves auf den ersten 8m. Bezüglich der Schwierigkeit muss man sich hier nicht die einfache Aufwärm-6a+ aus dem heimischen Klettergarten vorstellen, sondern mehr sowas wie die SL 2 oder SL 6 von Chico Mendez am Zuestoll. Nach der Crux folgen noch über 40m schöne und etwas einfachere Kletterei an gutgriffigen Schuppen mit jedoch nur 5 BH - Stürzen sollte man hier nicht!

Von oben sieht alles grasig aus, von unten sieht man nur Fels. Dani folgt in der schönen SL 8, 6a+
SL 9, 15m, 3a: Kurze Querung in grasigem, aber meist solidem Fels in die Rinne vor der Schlüsselseillänge

Easy Querung in SL 9, 3a. Genau hinter dem Akteur führt SL 10, 7b+ durch die steile, kompakte Headwall.
SL 10, 45m, 7b+: Sehr schön sieht sie aus, diese Headwall, vom Stand nach SL 8 hat man den perfekten Blick darauf. Die Kletterei beginnt grossgriffig und athletisch. Nach den ersten Metern wird das Gelände +/- senkrecht, dafür auch die Schüpplein kleiner. Die Kletterei aber echt genial, so geht das über viele Meter dahin. Nach etwa zwei Dritteln der SL folgt eine kräftige Linksquerung, nach welcher man eine gute Schüttelposition erreicht. Bis dahin ist es vielleicht 7a+. Unmittelbar danach folgt dann aber Gelände, wo man zaubern muss: schwer zum Stehen, für die Hände nur noch Aufleger oder kleinste Käntchen, einfach richtig schwer, erst die letzten 7m zum Stand sind dann wieder einfacher. Dani zieht es sauber Onsight, ich habe die Magie des Zauberstabs leider schon vorher verbraucht...

Hier nun die Sicht von unten auf SL 10, 7b+. Die ersten Meter athletisch und grossgriffig, danach gilt es, kleine Schüpplein zu krallen.
SL 11, 25m, 5c+: Ganz und gar nicht banale, steil-griffige Kletterei an Pfeilern, Schuppen und Rissen - prima Sache! An zwei Stellen muss hier auch zwingend mit Friends zusätzlich abgesichert werden, was jedoch gut möglich ist. Urplötzlich holt uns hier auch der Nebel ein, sprich die ganze östlichste Alpsteinkette wird innert Minuten von kompakter Quellbewölkung eingehüllt.

Pfeiler-Ausstieg in SL 11, 5c+, auch Vereinigungspunkt mit der Südverschneidung. Kein Gelände für den reinen Sportkletterer.
SL 12, 30m, 6a+: Zum Abschluss folgt eine weitere steile und sehr schöne, griffige Seillänge. Die Absicherung hier für einmal tadellos, so dass man ohne Sorgen den Stand wenige Meter und dem Gipfel erreicht.

Es ist gut 16.30 Uhr, ganze 7 Stunden hat die Kletterei in Anspruch genommen. Mehr als wir gedacht hatten, allerdings war die Sache auch deutlich schwerer, wie wir angenommen hatten. Die erstklassigen oberen Seillängen hatten uns nun wieder mit dem weniger schönen Beginn versöhnt, so dass wir der Tour insgesamt doch solide *** Sterne vergeben können. Wir tragen uns ins Gipfelbuch ein, 6 Wochen war niemand da, gleich lange wie ich nicht mehr alpin geklettert bin.

Mystische Nebelsuppe am Gipfel, im Bild der erste Teil des Abstiegs über den Westgrat.
Der Abstieg dann ist alpin und eindrücklich, immer noch hüllt uns der dichte Nebel ein. Eigentlich bin ich hier ja schon einmal runter, ich kann mich aber nur noch vage an Details erinnern. Erst klettern man über den luftigen Gipfelgrat nach W und benützt dann einen zuerst steilen Kamin, um in die Scharte zwischen den Kreuzbergen 2 und 3 zu gelangen. Hier könnte man Abseilen, wir klettern ab, es ist eine alpine Dreierstelle, dafür nicht so exponiert. Ab der Scharte folgt dann weiter steiles Gelände, das wir Abklettern, erst im Fels, danach im Gras - die Sache ist aber vernünftig gestuft und genügend solide, wird aber dennoch als T6, II bewertet. Es ist aber kein Vergleich zum Schrofengelände, über welches man den Einstieg der Tour erreicht, denn dieses wäre im Abstieg mit Sicherheit viel unangenehmer. Wer will/muss, kann den Teil ab der Scharte auch abseilend bewältigen. Ab der Roslenalp geht es dann zügig dahin, um 18.15 Uhr beschliessen wir die Tour in Nasseel.

Die Crux im Abstieg ist dieser enge Kamin, der eine steile Dreierstelle bereithält.
Facts

2. Kreuzberg - Elysium 7b+ (7a obl.) - 12 SL, 370m - Th. Wälti & Chr. Angst 2003 - ***, xxx
Material: 14 Express, Camalots 0.3-1, plus evtl. Grösse 2, Keile nicht nötig, 2x50m-Seil

Sehr anspruchsvolle alpine Sportklettertour durch die zweithöchste Wand im Alpstein. Ein steiler Schrofenzustieg, zwingende Plattenmoves und athletisch-anhaltende Kletterei erfordern komplette und kompetente Aspiranten. Die ersten 4 SL der Tour sind noch nicht das Nonplusultra und können im knapp strukturierten Fels als etwas gesucht bezeichnet werden. Die  schönen Seillängen in den oberen zwei Dritteln entschädigen dann dafür. Der Fels ist grundsätzlich solide und von guter Qualität. Einige Schüpplein, bzw. die Griff- und Trittwahl erfordern aber an manchen Stellen, auch wegen den bisher sehr wenigen Begehungen, durchaus Aufmerksamkeit. Die Absicherung ist an den schweren und steilen Stellen gut ausgefallen. Wie im Text erwähnt, warten aber auch fordernde Runouts im plattig-schweren Gelände. Schwierigkeiten <= 6b sollte man im Angesicht von regelmässigen 5-10m Abständen gut beherrschen, zusätzlich abgesichert werden kann nämlich nur selten.

Topo

Das Originaltopo von Thomas Wälti ist sehr genau und uneingeschränkt empfehlenswert!


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