Schon seit langer Zeit ausstehend ist der dritte Teil von meinem Bericht zu den Kalymnos-Kletterferien im 2012. Die liegen inzwischen wirklich bereits weit zurück. So weit, dass die nächste Auflage bereits näher ist, als die letzte zurück liegt. Daher will ich an dieser Stelle gar keinen lange Geschichte mehr daraus machen. Doch ob dem grau-trist-nassen Frühling 2013 liegt es nahe, etwas von griechischer Sonne, warmem Fels und steilen Routen zu träumen. Und zu meinem lange erträumten Onsight der Route Priapos (7c) wollte ich immer schon einmal etwas schreiben...
Tag 10: Iliada
Der Iliada ist ein interessanter Sektor zwischen Odyssey und Spartacus. Er ist ziemlich sonnig gelegen, die Sonne erscheint bereits kurz nach der Mittagszeit. Für uns sollte dies keine Rolle spielen, da wir heute nur einen halben Tag am Fels verbringen wollten. Die Finger streckten wir uns mit Onsight-Begehungen von folgenden Routen:
Nestoras (7a, ***, os): Schon eine schöne Route, aber mit etwas gesuchter Linie. Es drängt einem immer etwas nach rechts in die benachbarte Ektor (6c), wo die Kletterei einfacher ist. Die Schlüsselstelle ist zudem auch nicht gerade optimal abgesichert.
Zorba le Gros (7b, ****, os): Absolut geniale Tour. Sieht von unten so schwierig aus, doch der Einstieg über den steilen, athletischen Sinter löst sich dann doch erstaunlich gut auf. Nachdem der folgende No-Hand-Rest gut ausgenutzt wurde, packt man die Abschlusswand mit nochmals strengen Zügen an Seit- und Untergriffen an.
Ektor (6c, ***, os): Ebenfalls eine sehr schöne Route, doch wiederum etwas unlogisch. Wenn man sich bei dieser Hakenreihe, genau wie beim linken Nachbarn Nestoras, eher etwas nach rechts hält, so klettert man einfacher.
Paris (6c+, ***, rp): Diese Route hatte ich anno 2008 bereits geklettert (als sie noch 7a war, noch früher wurde sie gar noch als 7b gehandelt). Sie bietet schöne, abwechslungsreiche Kletterei. Die leichteste Linie führt grosszügig um die lieblos gesetzten Haken herum.
Evi in Axium (6c+) an der Ghost Kitchen |
Tag 11: Ghost Kitchen
Die bei Skalia gelegene Ghost Kitchen ist zurecht einer der beliebtesten Sektoren auf der Insel. Neben einigen leichteren Touren an löchrigem, wasserzerfressenem Fels sticht vor allem der Hauptsektor mit fantastischen Sinterorgeln hervor. Zwar hatte ich hier bereits schon die schönsten Touren >7a geklettert, doch seit 2008 waren auch einige Neutouren hinzugekommen. So ging es mit der ganzen Truppe an den Fels, auch unsere Tochter war für ein weiteres Mal mit von der Partie.
Joy in the Garden (6a+, ****, rp): Wirklich eine fantastische Route. Ideal zum Aufwärmen, oder natürlich auch als Projekt. Die Bewertung ist gutmütig, die Absicherung mit vielen Bohrhaken optimal.
Remember Wadi Rum (6c, ***, os): Hier kriegt man die volle Dosis an Sinter für nur den Grad 6c. So ziemlich die einfachste Route an der Hauptwand. Da muss man sich schon ein bisschen mehr anstrengen, dank zahlreicher Ruhepositionen hält sich der Kraftverlust aber in Grenzen.
Ghost Rider (7b+/7c, ****, rp): Geniale Route, Einstieg über den Totenhansel und danach in direkter Linie weiter. Die runden Sinter und kleinen Leisten danach sind trickreich und ziemlich technisch, so dass ich hier erst im dritten Versuch rotpunkt passieren konnte. Der Ausstieg über den steilen Wulst fordert dann die Athletik, wenn man aber einmal weiss wie es geht, dann geht es schon. Am Fels übrigens als 7c angeschrieben, gemäss Neutourenliste aber nur noch als 7b+ gehandelt...
Tahar ta Guele (7a, **, os): Da langsam die Sonne kam, verzogen wir uns von der Hauptwand in den rechten Wandteil, der bis nach 16 Uhr noch optimale Bedingungen bietet. Die hier beschriebene Route wurde aufwendig geputzt und bietet technische Kletterei an Leisten und Schlitzen. Irgendwie ähnlich wie auf der Galerie, mir hat es gefallen. Ob meiner Vorstellung liessen sich aber alle anderen aus unserer Gruppe abschrecken.
Serena (6b+, ***, fl): Zuerst eine einfache Platte, der steile Teil ist recht kurz, bietet aber wirklich interessante, athletische Kletterei an Auflegern. Braucht durchaus etwas Ausdauer, und ist erst fertig, wenn der Umlenker geklippt ist.
Yours Truly startet in Remember Wadi Rum (6c) an der Ghost Kitchen. |
Tag 12: Iannis
Nachdem wir am Vortag einen langen und anstrengenden Klettertag gehabt hatten, wollten wir es heute ruhiger angehen und nur einen halben Tag am Fels bleiben. So verzichteten wir im Gegensatz zu unseren Kollegen auf den Ausflug nach Telendos und besuchten einmal den direkt oberhalb von Armeos gelegenen Sektor Iannis. Das war rückblickend nicht die optimale Entscheidung, aber nachher ist man immer schlauer...
Kalyne (6b, ***, os): Schöne, lange und interessante Kletterei. Ideale Aufwärmroute, da sie immer wieder gute Ruhepositionen bietet.
Adolf (6c+, ***, os): Athletische Kletterei mit einigen kniffligen Stellen in dunkelbraunem Fels. Soll oft ziemlich schmierig sein, bei uns war das hingegen problemlos.
Tufa King Pumped (7b+, ***): An sich eine interessante Route mit schönen Bewegungen. Die Absicherung ist teilweise etwas psychisch, vor allem auch in der Crux mit einem unangenehmen Aufrichter. Bis dahin kam ich beim ersten Versuch. Beim zweiten fühlte sich der Fels bereits richtig schmierig an, dass ich bereits kurz vor der Crux klein beigeben musste. Und im dritten war es so dermassen seifig, dass bereits am zweiten Haken Schluss war. Das ungünstige Mikroklima in diesem Sektor ist berüchtigt - bei schmierigen Verhältnissen hier anzutreten macht rein gar keinen Sinn.
Sens Unique (7a, ***, os): Nach einer Abfuhr im Tufa King kann man hier bestimmt wieder sein Ego polieren. Die schöne, eher technische und kaum kräftige Kletterei ist sehr gutmütig bewertet und verläuft in rauhem Fels. An den Wendenstöcken hätten die Erstbegeher (Y. & C. Remy) eine solche Seillänge wohl allerhöchstens mit 6a+ bewertet (und das ist kein Witz, sondern Tatsache).
Kathrin in DNA (7a) an der Grande Grotta. |
Für die letzten beiden Tage waren wir mit Evi zu dritt am Klettern. Also sollte es ein nahe gelegener, nicht zu komplizierter Sektor mit einer guten Routenauswahl sein, an dem man lange klettern kann. Also nochmals in den Odyssey, das ist halt einfach einer der besten Felsen auf Kalymnos.
Satyros (6c+, ***, os): Gute Route, mit mehreren kniffligen und auch einigen athletischen Stellen gar nicht so einfach. Diente auch dazu, die Exen in die benachbarte Route hängen zu lassen, wo ich einen Onsight-Versuch starten wollte.
Bubu Pensaci Tu (7b+, **, os): Selten begangen, da im Kletterführer mit (zu) wenig Sternen und einem etwas unfreundlichen Kommentar ausgestattet. Die Kletterei ist aber nicht schlecht und an der Absicherung gibt es nicht viel zu meckern. Ok, etwas gesucht sind die Schwierigkeiten teilweise schon.
Inti Rayimi (7b+, ****, os): Diese Route war für die Ferien ganz hoch in meiner Wunschliste gestanden. Allerdings ist sie beliebt und oft besetzt, und ich wollte sie nur im Vollbesitz meiner Kräfte angehen, mit guten Chancen für einen Onsight-Durchstieg. Da war jetzt der richtige Zeitpunkt, denn die Bubu hatte nicht zu viel Kraft gekostet. Wie bei der benachbarten Sirene (7c) ist die Kletterei bis weit hinauf nicht sonderlich schwer, d.h. 6bc-Gelände mit einer kurzen 7a-Stelle bis zum Ruhepunkt einige Meter unter dem Ausstieg. Die steile Abschlusswand hat es dann aber in sich: erst eine bouldrig-kräftige Stelle, dann noch Resistance bis zur Umlenkung. Soo viele Reserven hatte ich nicht, aber es reichte komfortabel.
Polifemo (7c, ***): Tja, dann könnte man ja versuchen, nochmals eins Onsight draufzulegen. Was in dieser eher kurzen und kräftigen Tour aber misslang. Erst gilt es einen steilen Sinter mit athletisch-weiten Zügen zu meistern, zuletzt geht es dann kleingriffig über den Abschlusswulst hinweg.
Aufbruch in die grenzgeniale Priapos (7c) in der Grande Grotta. Notabene 10:25 Uhr. |
Die etwas glatte Cruxzone der Priapos (7c) eben gemeistert. Aber die Reise ist noch weit... |
Tag 14: Grande Grotta
Den letzten Tag hatten wir uns für die Ausdauerrouten in der Grande Grotta aufgehoben. Ob das wohl eine gute Idee war? Für mich stellte sich diese Frage umso mehr, irgendetwas war meinem Magen am Vortag nicht so gut bekommen. Nach einer schlechten Nacht liess ich das Frühstück ausfallen und vorerst noch etwas halbmotiviert schleppte ich mich zur Grotte hoch. Erst einmal liess ich den beiden Girls den Vortritt, welche die DNA (7a) mit Bravour meisterten. Dann war ich an der Reihe: einer meiner grossen Wünsche für diese Kalymnos-Ferien war die surreale Route Priapos (7c) gewesen. Mit 40m Kletterlänge führt diese in 45 Grad überhängendem Gelände durch den von unzähligen Sinterbobbeln verzierten Grottenhimmel empor. Vom Stand geht es dann 30m runter, und man befindet sich auch 30m vom Einstieg weg, ein 70m Seil reicht gerade aus.
Da man ja aber nur ein einziges Mal onsight klettern kann, stellte sich die Frage, ob das jetzt sein sollte. Immerhin war die Route frei und nachdem ich inzwischen einen ganzen Liter Cola gezwitschert hatte, fühlte ich mich auch schon bereits wieder etwas besser. Ob den motivierenden Worten meiner beiden Begleiterinnen band ich mich ein, und los ging's. Unter maximaler Ausnützung aller verfügbaren Ruhepositionen kämpfte ich mich sorgfältig taktierend nach oben. Die eigentliche Schlüsselstelle, wo es ein paar kräftige Züge am Stück zu meistern gibt, folgt etwas vor der Routenhälfte. Diese konnte ich entschlossen meistern. Danach gibt es wieder ausreichend Gelegenheit, um Laktat abzubauen. Doch mit der Zeit fordern auch diese Ruhepositionen ihren Tribut: es handelt sich um Knie-, Schulter- oder Rückenklemmer, was bedeutet, das doch immer Kraft und Körperspannung erforderlich ist.
Der Kletterer ist am Grottenhimmel sichtbar. Nicht mehr weit zur Umlenkung, 12:00 Uhr. |
Meine totale Begehungszeit für die Route war irgendwas zwischen 1.5 und 2 Stunden. Es war und fühlte sich an, wie ein intensives Full Body Workout im Fitnesscenter, und ich schwitzte auch wie ein Bär. So wurde das durchaus eine Konditionsfrage: ich merkte gegen oben, wie mir langsam aber sicher einfach der (Ganzkörper-)Saft ausging, auch das Cola-Zuckerflash war dann halt einmal abgefeuert. Das ist im Priapos insbesondere darum ungünstig, weil gerade zum Stand hin nochmals eine kräftige Zone folgt, wo man über einige Meter hinweg keinen Ruhepunkt findet und entschlossen durchziehen muss. Zudem ist auch die richtige Sequenz nicht ganz so einfach zu erkennen wie sonstwo. Natürlich wäre es äusserst bitter, nach all den Anstrengungen an dieser Stelle noch zu scheitern - das passierte aber nicht. Glücklich und erschöpft klippte ich den Umlenker nach einer der besten und eindrücklichsten Sportkletter-Begehungen meiner Karriere.
Weil man die Route nicht im Ablassen abbauen kann, war dann zum Schluss noch ein Toprope-Durchgang nötig. Nochmals Durchsteigen konnte ich nicht, schon zu Beginn der Crux war der erste Block fällig. Als alle Exen gerettet waren, war es dann das für Kalymnos 2012. Ich glaube, noch nie zuvor wäre ich nach einem Klettertag mit einer einzigen gekletterten Seillänge so richtig zufrieden gewesen. Heute aber schon, denn das war nun wirklich nicht mehr zu toppen!
Empfohlene Ausrüstung für Priapos:
- robustes oder altes T-Shirt!!!
- robuste oder alte Hose, die über die Knie reicht (oder Kneepad)
- Tape auf dem Handrücken für Faustklemmer-Rests wäre durchaus nützlich
- auf lange Zeit genügend bequeme Kletterfinken, Fusstechnik ist hier unwichtig
- ein Energy-Drink für unterwegs könnte helfen, man hat schon mal die Hände frei
- geduldige SicherungspartnerIn (vielen Dank Evi und Kathrin, das war Gold wert!)
- 20 Exen, mindestens 70m-Seil
Typischer Rückenklemmer in Priapos (7c). Mit der Zeit übrigens doch auch anstrengend. |
Priapos ohne T-Shirt = dumme Idee. Ohne Blutzoll ging's nicht, war es aber wert. Die Chalkstriemen sind auch cool... |