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Mittwoch, 23. Oktober 2013

Zuestoll - Millenium (7b)

Dieses Jahr war ich schon einige Male am Zuestoll auf Besuch, zuerst in der Solitaire, und zuletzt in der Quiero Thierry. Eigentlich bevorzuge ich die Abwechslung und liebe die Vielfalt der verschiedenen Massive, so dass ich mir gerne etwas Zeit lasse, bevor ich wieder ans selbe Ort zurückkehre. Doch die Möglichkeit, mit der anspruchsvollen Millenium die schwerste und eine der letzten mir unbekannten Routen am Zuestoll zu klettern, war dann doch zu verlockend. Auf ein neues ging es also auf ins Toggenburg.

Blick vom Rüggli in Richtung Palisnideri, der Schnee im Aufstieg war kaum hinderlich.
Obwohl vom ersten Oktoberschnee noch Resten vorhanden waren, zogen wir den kürzeren Zustieg von Norden vor. Es war etwas unklar, wie hinderlich die weissen Flecken noch wären, doch schliesslich liess sich alles auch gut in leichtem Schuhwerk passieren. In gemütlichem Tempo erreichten wir um etwa 10.00 Uhr den Einstiegspfeiler. Bereits waren einige Seilschaften am Werke und weitere waren im Anmarsch. So hielten wir uns nicht lange auf, kletterten den bestens bekannten Vorbaupfeiler, die für den Grad knifflige 6a-Länge der Alten Süd, um dann mit einer weiteren 4c-Traverse in Lotterfels den Start der eigentlichen Millenium zu erreichen.

SL 1, 6b+, 50m: Schöne, aber anspruchsvolle Steilplattenkletterei. Die erste Hälfte ist gut abgesichert, dann folgt eine etwas 'spooky' Passage an einem Dach, welches ziemlich hohl tönt. Die Steine bleiben zum Glück alle an Ort (und die sich guten Mutes in Schusslinie aufhaltende Seilschaft unbehelligt...). Die obere Hälfte der Seillänge weist dann zünftige Abstände auf und die Bolts wollen alle sehr ehrlich angeklettert sein (xx).

Auf geht's. SL 1 (6b+) von Millenium gibt gleich den Tarif durch. Sie ist anspruchsvoll und recht weit gesichert.
SL 2, 6b, 30m: Durchschnittliche Seillänge mit athletischem Start zu einer schönen Tropflochpassage, gefolgt von einem etwas splittrigen Aufschwung und einer 15m-Schrofenpassage zum Stand unter dem markanten Dach. Während der Start tiptop gesichert ist, sind dann auf der einfacheren zweiten Hälfte der Länge keine Sicherungen mehr vorhanden.

Schrofenpassage zum Ende von SL 2 (6b). Zum Glück ist der Fels meist solide hier.
SL 3, 7a, 45m: Absolut geniale, steile Wandkletterei in super Fels. Nach dem recht gutmütigen Dach zu Beginn warten erst griffige Schuppen und Querleisten, bevor dann gegen Ende hin noch anspruchsvolles Tropflochgelände wartet. Die für den Grad nicht überaus harte Crux ist obligatorisch zu meistern, etwa 1-2m links auf gleicher Höhe des Bolts, mit zünftigem Runout danach.

Das Dach zu Beginn von SL 3 (7a) ist cool, lässt sich aber gut überwinden. Die Crux folgt erst viel später in dieser Länge.
SL 4, 6c, 35m: Schöne Seillänge mit einer kurzen Problemzone: der etwas splittrige Wulst vor dem zweiten Bolt ist jetzt nicht das Gelbe vom Ei, zumal der sehr hoch steckende Haken mühsam anzuklettern und einzuhängen ist. Nach dem dritten Bolt dann mal scharf rechts abbiegen, einem Riss folgen (Camalot 1), zuletzt dann noch eine ziemliche Psychostelle mit ein paar gewagten Bewegungen 3m über der letzten Sicherung.

Unterwegs in SL 4 (6c). Wäre da nicht dieser etwas splittrige, unfreundlich geboltete Wulst im Weg...
SL 5, 6c+, 40m: Toller Start mit sehr schöner, nicht allzu schwerer Wandkletterei zum Dacherl hoch. Dieses bietet die Crux, welche sich gewusst wie ziemlich flott überwinden lässt. Nach einer einfacheren, plattigen Zone folgt ein kurzes Intermezzo mit leicht splittrigem Fels. Sicher sinnvoll, dass hier noch ein zusätzlicher Bolt platziert wurde, welcher diese nochmals knifflige Stelle besser absichert.

Suuuper Kletterei zum Start von SL 5 (6c+). Das Dacherl mit der Crux ist bereits in Sicht.
SL 6, 7b/+, 30m: Sehr fordernde Seillänge in gutem, aber nicht besonders kletterfreundlichem Fels. Der Start entlang des Risses klettert sich markant weniger einfach, wie man von unten denken würde. Richtig schwer ist's dann erst danach, eine griff- und trittarme Passage mit wenigen Rauhigkeiten stellt sich in den Weg und will in einer Linksschleife obligatorisch geklettert werden. Zuletzt dann ein Riss (Camalot 0.75-1) und ein Runout zum Stand, unerwartet rechts halten hilft...

Dani punktet SL 6/7 (beide 7b) in einer einzigen 50m-Länge. Saubere Sache, das Verbinden aber mässig empfehlenswert.
SL 7, 7b/+, 20m: Extrem technische Seillänge an gutem, scharfem Fels. Mit an Zauberei grenzenden Moves gewinnt man eine kleine, scharfe Untergriffschuppe. Dann noch zwei-, dreimal kräftig und trittlos an scharfen Kratzern dranbleiben, schliesslich kommt dann die Rettung in Form eines Henkels. Mit ein paar einfacheren Moves über die Garschella-Formation erreicht man die Kante und das Ende der Route.

Die harte und fordernde Route hat etwas Zeit gekostet, so dass wir erst um etwa 15.45 Uhr nach total rund 5.5 Stunden Kletterei oben sind. Den Fussabstieg haben wir ob dem verschneiten Nordrücken verworfen, er wäre gut möglich gewesen. Um zu unserem Material auf dem Einstiegspfeiler zurückzukehren könnte man auch gut über die Tour abseilen. Wir machen uns aber auf den Weg zum Gipfel. Die herbstliche Stimmung geniessend warten wir auf das Damen-Team aus der Alten Süd, und seilen dann mit den 60m-Seilen in 5 Manövern zügig über die Solitaire ab. Einige Besucher hat sie schon empfangen dürfen - leider hat sich der Bleistift aus der Wandbuch-Dose verabschiedet, so dass das Journal wohl nicht ganz à jour ist. Wer eine Begehung der Route plant, der möge doch einen Stift deponieren, herzlichen Dank!

Abseilen über Solitaire, das geht super! Im Vordergrund SL 7 (6b), oben im Steilgelände dann SL 8 (6c).
Facts

Zuestoll - Millenium 7b/+ (7a obl.) - 10 SL, 340m - Maag/Locher/Neeser 1998-2001 - ****; xx-xxx
Material: 10 Express, Camalots 0.5-1 (evtl. 2)

Anspruchsvolle alpine Sportklettertour in meistens sehr gutem, senkrechtem und mit Tropflöchern garniertem Fels. Zwei, drei etwas splittrige Intermezzi und eine 15m-Schrofenpassage mindern den Genuss kaum. Die Absicherung kann als knapp genügend bezeichnet werden. Wirklich heikle und gefährliche Stellen sind wohl rar, dafür sind immer wieder technisch fordernde Stellen zwingend und einiges über dem Haken zu meistern.

Herbststimmung an den Churfirsten, einfach eine geniale Sache!
Wissenswertes

Bis auf die letzten beiden Längen konnte ich alles gut klettern und würde die vorgeschlagene Bewertung unterstützen - ausser in der Startlänge, die man wohl auch als 6c werten könnte. Die beiden Cruxlängen (ein Zwischenstand wurde eingerichtet und wird sinnvollerweise genutzt, ansonsten Seilzug und technisch heikle Kletterei ohne jede Sichtverbindung, abgeschnittene Kommunikation mit dem Nachsteiger, etc.) fand ich hingegen sehr hart. In der ersten der beiden konnte ich nach etlichen Stürzen die auch für den Zweiten voll obligatorisch zu kletternde Passage meistern. Ob dem Bogen, den man an jener Stelle klettern muss, kann leider Seilzug von oben keine Unterstützung leisten, sie hindert nur. In der zweiten Schlüsselpassage fand ich auf die Schnelle keine für mich kletterbare Lösung.

Freeclimbing oder nicht, das ist hier die Frage. In SL 3 (7a) ist es noch gelungen...
Um die obigen Angaben etwas in Relation setzen zu können: am Tag darauf war ich auf der Galerie und konnte dort Routen in den Graden 6c+/7a/7b+/6c/7b+ im (teilweise Alzheimer-)Onsight klettern. Das ging mir doch um Welten einfacher von der Hand, trotz grundsätzlich nicht unähnlicher Art der Tropflochkletterei. Somit würde ich schliessen, dass man den Millenium-Längen jetzt locker auch 7b+ geben kann. Erwähnt sei aber auch, dass der Erstbegeher sogar nur 7a+ propagiert hat, und mein Seilpartner, welcher die Millenium rotpunkt geklettert hat, den Grad von 7b für durchaus passend hält. Man bilde sich sein eigenes Urteil! Noch ein PS: im Wandbuch habe ich seit der ersten Komplettbegehung am 22.7.2001 bis dato nur gerade 9 Wiederholungen gezählt.

Datum der Fertigstellung der Route und (für meinen Geschmack zu tiefer) Bewertungsvorschlag des Erstbegehers.
Mich hat es verblüfft, dass wir in der Millenium an mehreren abgeschlagenen Dübeln und leeren Bohrlöchern vorbeigeklettert sind. Oft an entscheidenden Stellen, wo eine zusätzliche Sicherung jetzt ziemlich angenehm gewesen wäre. Oder dann ist zB auch beim gemäss Topo fünften BH in SL 2, welcher einst in der Schrofenzone noch für etwas zusätzliche Sicherheit gesorgt hat, nur noch der abgebrochene Dübel vorhanden. Waren da Vandalen am Werk? Wohl kaum. Oder hat man irgendwann nach dem Einrichten die Absicherung wieder etwas ausgedünnt und alles nicht 'zwingend nötige' wieder abgeschlagen?!? Wurden in den leeren Bohrlöchern gar etwa 'removable bolts' eingesetzt?!? Das wissen die Götter, wir auf jeden Fall haben uns gewundert.


Nähere Informationen zu den Routen am Zuestoll inklusive einem Topo findet man im Schweiz Extrem Ost. Auch auf megusta.ch, der Seite von Thomas Wälti, gibt es etliche Topos zum Download. Ich habe mir erlaubt, sein Topo zur Millenium noch mit den letzten 2 Seillängen zu ergänzen. Hier kann man es als PDF downloaden

2 Kommentare:

  1. hallo marcel
    wir waren heute auch noch in der millenium. ich fand es auch recht fordernd fände die bewertung mit 7a+ aber ok. 7b villeicht wen man die letzen zusammenhängen würde. die erste fand ich persönlich auch 6c, in der 7a ist einfach der seilzug sehr mühsam, obwohl ich den zweiten haken wieder ausgehängt habe. die vierte fand ich auch recht wild, war da aber grad am nachsteigen. krasse stelle und dann noch rechts raus zum loch. nicht grad offensichtlich.
    5sl fand ich dafür recht easy. ausser dem dach (ein kurzer murks) find ichs relativ easy (6c) oben fanden wir wie gesagt 7a+ als ok. im vergleich zum beispiel mit chico mendez oder patriot find ich millenium nur wenig schwerer, einfach psychisch anspruchsvoller und halt viel anhaltender. wir hatte ein camalot 1 dabei. passt tip top 4 mal gebraucht. gruss fabian guntli

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    1. Hallo Fabian,

      Vielen Dank für Deinen wertvollen Kommentar. Ich bin dankbar für diese Einschätzung und sie hilft sicher, damit man besser beurteilen kann, was einen in der Millenium erwartet. Mit Deiner grossen Erfahrung und der Tatsache, dass Du die Route freigeklettert hast ist Deine Stimme sogar mehr Wert wie meine. Ich versuche meine Schilderung noch etwas zu vertiefen – nicht um Recht zu haben, sondern um mein Empfinden etwas klarer zu übermitteln.

      Fakt ist natürlich, dass man eine Stelle/SL schnell einmal als sehr schwer bis unmöglich empfindet, wenn man sie nicht klettern kann. Andererseits, wenn es auf Anhieb gelingt, so hat man vielleicht den Eindruck, es sei ja gar nicht so eine Sache. Insbesondere bei einer solch technischen, griffarmen Kletterei wie in der Millenium. Trotzdem, wenn ich so überlege, dann fand ich zB die Cruxlänge der Schatila (7c) im Rätikon jetzt sicher nicht schwerer. Oder auch alle Längen der Ben Hur (7c+/8a) an den Wenden. Doch klar, um sicher zu sein, müsste man diese Routen alle mehrfach klettern.

      Nach meiner Einschätzung ist Millenium die anspruchsvollste der modernen Zuestoll-Routen. Im Bereich bis 6c warten doch recht fordernde Stellen deutlich über dem Haken, und auch die Cruxlänge kann man trotz vernünftiger Absicherung nicht einfach an den Bolts hochhampeln, falls man die Schwierigkeit nicht im Griff hat. Eine 7a bei technischer, griffarmer Hinsteh-Kletterei ist obligat. Ob die Millenium auch die schwerste Zuestoll-Route ist, hängt davon ab, ob die Cruxlänge der Quiero Thierry noch schwieriger ist oder nicht… nicht einmal Dani (der beide dieser SL mehrfach gepunktet hat) kann sich diesbezüglich endgültig festlegen – ich, der beide SL zwar hochgestiegen aber nicht durchgestiegen ist, erst recht nicht. Der Unterschied ist, dass man die Crux der Quiero Thierry falls nötig auch mit Hakenhilfe passieren kann.

      Was den Vergleich zur Chico Mendez betrifft, so finde ich die Millenium schon eine andere Schuhnummer. Die Kletterei in der Chico Mendez ist im Durchschnitt mindestens 1 Buchstabengrad leichter, dies bei kleineren Hakenabständen. Klar, die Crux der Chico Mendez ist für 7a alles andere als leicht und nach meinem Empfinden auch schwerer wie die 7a-Stelle in der Millenium. Die Anforderungen (ganz sicher an den Vorsteiger, nach meinem Gefühl auch hinsichtlich Schwierigkeit) der Millenium-Cruxlängen fand ich hingegen nochmals deutlich höher wie die kurze Einzelstelle der Chico Mendez.

      Besten Dank für Deine Einschätzungen Fabian, und alles Gute bei Deinen Abenteuern!

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