Seiten

Dienstag, 5. November 2013

The Supertramp History

Bei der Supertramp am Bockmattli handelt es sich um ein Monument des alpinen Sportkletterns. Sie wurde im Jahr 1980 durch Martin Scheel und Gregor Benisowitsch erstbegangen. Durch die für die damalige Zeit hohen Schwierigkeiten von 6c+, die kühne Absicherung und den psychischen Anspruch wurde die Route rasch über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Ich selber konnte die Route vor gut 2 Jahren im Herbst 2011 wiederholen (Bericht). Ein super Erlebnis, eine sehr eindrückliche Tour und mit der wieder in den Originalzustand versetzten Absicherung auch heute kein Geschenk.

Mit Ergänzung vom 1.1.2014

Warum ich diese Begehung nochmals aufgreife: erst letzte Woche habe ich im Tages-Anzeiger (nicht online verfügbar) in einem Artikel gelesen, dass der legendäre Wolfgang Güllich ein paar Jahre nach der Erstbegehung der erste Wiederholer dieses Testpieces gewesen sei. Auch auf diversen Webpages findet man dieselbe Information. Die ersten Seiten im Wandbuch lesen sich sowieso als das "who is who" im alpinen Klettern der 1980er-Jahre: erst zwei Jahre lang keine Wiederholung, dann bekannte Namen wie Wolfgang Güllich, Beat Kammerlander, Stefan Glowacz undsoweiter. Doch ob das wirklich stimmt? Erst habe ich von einem Seilpartner die folgende Information erhalten:

This is the true story of the first repeat of Supertramp in the summer 1980 by two non-famous French guys, Jean Claude Gilles and Bernard Otter. They did not redpoint the route, but made a complete ascent. On their way down they met a person who they talked with and who expressed big surprise that they could complete what is today known as Supertramp.

Im Reich der glatten Platten: auf dem Querband in der Route Supertramp (6c+)
Somit könnte also möglicherweise eine kleine Korrektur in der Alpinhistorie nötig sein. Im Wandbuch schriftlich als erste Wiederholung verbürgt ist jedoch tatsächlich die Begehung am 10. August 1982 von Wolfgang Güllich und Thomas Düll. Stil: Rotpunkt mit Ausnahme des Pendelquergangs. Gerade die freie Begehung dieses Pendelquergangs ist ein weiteres Mysterium der Supertramp. "Offiziell" wird diese David Lama im Sommer 2016 zugeschrieben, mit einem Schwierigkeitsgrad von 7b+. Gerüchten zufolge (siehe Kommentare unten) wurde diese Passage jedoch bereits in den 1980er-Jahren durch Ursi Düggelin und möglicherweise noch durch weitere Personen freigeklettert.

Nachtrag vom 1.1.2014: mein Artikel hat hier und da für einige Diskussionen gesorgt. Offenbar sind verschiedene Erinnerungen an die damaligen Geschehnisse vorhanden, und von etlicher Seite wurde die hier proklamierte erste Wiederholung angezweifelt. Folgende Zeilen hat der mir persönlich bekannte Bernard Otter zugestellt: Pour ton information Marcel, je te donne quelques précisions sur les circonstances de cette répétition. Quand avec mon ami Jean Claude nous sommes allés au Bockmattli c'était pour faire Free Trip qui se situe juste à droite de Supertramp. Mais n'ayant pas de topo bien précis nous nous sommes engagés par erreur dans Supertramp. Nous nous sommes assez vite rendu compte de notre erreur mais l'escaladé était certes exigeante mais plaisante si bien que nous avons continué et terminé l'ascension conscients d'avoir réalisé une voie exceptionnelle. Si nous avions eu conscience de l'aura de cette première probablement que nous aurions hésite. Nous ne savions pas que c'était impossible alors nous l'avons fait!! Lors de la descente un grimpeur nous attendait sur le sentier pour nous faire part de son étonnement d'avoir eu connaissance de cette nouvelle voie. Nous lui avons expliqué la chose et nous ne savions pas qui il était. Je ne me rappelle pas s'il nous avait dit qui il était. Peut être ce n'était pas Martin Scheel que nous ne connaissions pas.

Kurze Übersetzung: Bernard und Jean Claude reisten ans Bockmattli, um den Freetrip zu klettern. Ohne genaues Topo verstiegen sie sich irrtümlicherweise in die Supertramp. Es war ihnen bald klar, dass sie in einer falschen Route unterwegs waren, aber nachdem ihnen die Kletterei gefiel, stiegen sie weiter. Bernard meint, dass sie bestimmt umgekehrt wären, wenn sie schon damals vom Nimbus der Supertramp gewusst hätten. Beim Abstieg trafen sie dann auf einen Kletterer, der ihnen seine Verwunderung über die Begehung der Supertramp ausdrückte und auch fragte, woher sie denn von dieser ganz neuen Route gewusst hätten. Bei wem es sich bei dieser Person gehandelt hat, kann Bernard nicht sagen.

7 Kommentare:

  1. Also, bei zwei unbekannten Franzosen die nach so vielen Jahren plötzlich, aus dem Nichts, mit so einer Geschichte auftauchen, kommen mir schon gewaltige Zweifel. Damals war die ganze Kletterscené in Europa noch recht übersichtlich, bei den damaligen Stars kannte jeder Jeden. Leute die den Grad über mehrere Längen damals schon klettern konnten war ganz selten. Zudem war das Mitteilungsbedürfnis der Stars schon damals ziemlich ausgeprägt. Neuigkeiten gingen schnell rum.
    Und jetzt kommt nach so vielen Jahren aus dem Nichts so eine Geschichte. Da würde ich sagen:Entstehungsort war das Sommerloch oder schon vorher der 1.April. Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit: Ich denke eher dass sich da Jemand ziemlich wichtig machen will.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ob die Geschichte stimmt oder nicht, das wissen wohl nur die Beteiligten. Ich hatte schon vor einiger Zeit einmal davon gehört. Nachdem ich einen der beiden Begeher vom 1980 auf einer Klettertour persönlich getroffen habe und mir die seine Schilderungen glaubhaft erschienen, entschied ich mich diesen Bericht zu publizieren. Immerhin steht er mit seinem realen, korrekten Namen für die Aussage ein.

      Löschen
  2. Ursi Dueggelin und Alma Fruttig machten die erste Damenbegehung. Da Ursi das mit dem Pendeln nicht so ganz im Griff hatte, hat sie den Teil geklettert.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Sehr interessant! Das würde dann sogar heissen, dass diese Stelle onsight gelungen ist?!? Sonst hätte es ja doch einen Pendler gegeben. Es wäre natürlich sehr spannend, mehr darüber zu erfahren. Insbesondere, wo genau langgeklettert wurde (horizontal auf Höhe der Haken rüber schien mir auf den ersten Blick nicht die einfachste Möglichkeit...) und was die geschätzte Schwierigkeit der Passage anbetrifft. Irgendwie schade, dass alle Topos nach wie vor nur den Pendelquergang zeigen, und keine Info zu dieser freien Begehung enthalten.

      Löschen
  3. Nachtrag vom 1.1.2014: einige Originalzeilen auf französisch hinzugefügt.

    AntwortenLöschen
  4. Sag mal, gibt es eigentlich das Routenbuch der Supertramp noch? Da steht doch alles drin. Ich erinnere mich jedenfalls, dass wir beim Eintrag unserer On-Sight-Begehung - natürlich mit Pendelquergang (ich meine es wäre die 15. Begehung gewesen) recht stolz waren, angesichts der ersten Begeher mit Rang und Namen. Die erste mutmaßliche freie Begehung des Pendelquergangs durch eine Frau war mir auch schon lange bekannt. Auch aus dem Routenbuch? Ich weiß es nicht mehr...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Gute Frage! Das Original-Wandbuch war anscheinend am Verfaulen (siehe hier), und war bei unserer Begehung definitiv nicht mehr vor Ort. Keine Ahnung, ob es noch greifbar ist. Die andere Frage ist natürlich, ob denn darin auch alle relevanten Geschehnisse adäquat enthalten gewesen wären, bzw. war das Wandbuch am Tag nach der Erstbegehung bereits montiert?! Eine etwas lustige Story ist ja auch, dass die Dose mit der Aufschrift "Super Tramp, unterer Wandteil, 1980" heute in der Amarcorde im Rätikon hängt...

      Löschen

Ich freue mich über Ergänzungen zu diesem Blog via Kommentarfeld!
Kontakt: mdettling74@gmail.com.