Seiten

Montag, 4. August 2014

Tofana - Il vecchio leone e la giovane fifona (7a)

Das alpine Sportklettern an der Tofana trägt die Handschrift von Massimo Da Pozzo. Er ist der Erstbegeher der meisten Routen vor Ort, und pflegt seine Touren zwar mit Bohrhaken abzusichern, setzt diese jedoch nur sparsam ein. Dementsprechend viel kann man darüber lesen, seine Routen sind je nach Quelle begeisternd, einschüchternd oder brandgefährlich. Bisher hatte ich selber noch keine einschlägigen Erfahrungen mit den Routen von Mox gemacht. Doch einerseits wollte ich mich dieser Herausforderung stellen um mir selber einen Eindruck machen zu können, andererseits kommt man an diesen imposanten Führen rein aus Qualitätsgründen nicht vorbei.

Die Südwand der Tofana di Rozes mit ihren massiven Wänden und Pfeilern. Ein ideales Klettergelände!
Im Vorfeld hatte ich lange überlegt, ob wir zum Angewöhnen eine der drei zahmeren Tofana-Routen wie Aspettando la Vetta, Vecchio Leone oder Spigolo Sam machen sollten. Oder ob es wohl besser wäre, gleich eines der mit 7b bewerteten Testpieces à la Goodbye 1999, Compagni di Merenda, usw. zu versuchen. Schliesslich machten Wetter und Verhältnisse für uns die Rechnung. Zwar war ein trockener und teilweise sonniger Tag angesagt, in der Nacht zuvor hatte es aber noch geregnet. Vom Ausgangspunkt, dem Rifugio Dibona, präsentierte sich die Lage denn auch nicht einwandfrei. Letzte Nebel schlichen am Berg herum und beim Abgleich zwischen Berg und Topo zeigte sich, dass wohl nur gerade die Vecchio Leone einwandfrei trocken war. Los ging's, in einer halben Stunde Marsch auf einer bequemen Bergstrasse erreichten wir den Einstieg, wo gerade der Seilzweite eines schwedischen Vorgänger-Teams den Boden verliess. Um 11.50 Uhr waren wir kletterfertig und stiegen, etwa 30m links der Aufschrift "Castelletto" ein.

Verlauf der von uns gekletterten Route am ersten Tofanapfeiler.
L1, 50m, 6c: Der erste BH steckt nicht gerade in Reichweite, die ersten 7-8m sind zwingend im Grad 6a+ zu meistern. Danach über die rauhe Platte zum gut abgesicherten (2 BH) und markanten Cruxdach, das an Henkeln überwunden wird. Man hält sich kurz etwas rechts (schlechter NH) und dann der Nase nach hinauf. Zum Stand sind es noch gute 30m, mit scharfen Augen findet man hoffentlich noch 1 BH und 1 NH. Die Kletterei da ist zwar einfach (ca. 5b) und der Fels durchaus solide, aber auch etwas grasig und nicht optimal abzusichern. Sicheres Klettern ist Pflicht, ein Sturz in diesem oberen Teil wäre sehr gefährlich.

Imposante Kletterei in L1 (6c). Als wir am Einstieg ankommen, überwindet der Nachsteiger des schwedischen Teams gerade das Cruxdach.
L2, 30m, 5c: Nach rechts geht's 10m zum gut sichtbaren BH hoch, und in gerader Linie weiter. Just vor der schwierigsten Stelle folgt ein weiterer BH, bevor man mit einem weiteren 10m-Abstand an den nächsten Stand klettert. Auch hier, solider Fels, stellenweise noch etwas grasig. Zusätzlich absichern ist schwierig, hier aber auch nicht unbedingt nötig.

Einfachere Kletterei in L2 (5c). Der Fels ist solide und griffig, aber irgendwie mit den Grasbüscheln noch nicht restlos überzeugend.
L3, 50m, 6b: Tja, eine volle Seillänge im Grad 6b und es stecken nur gerade 4 Bolts, sagt das Topo. Und dementsprechend weit sehen die Abstände dann auch aus. Die Kletterei ist steil-geil, optimal griffig und für den Grad 6b sehr dankbar. Allerdings, stürzen sollte man hier auch lieber nicht. Die letzten 20m zum Stand (ca. 5bc) sind dann in weniger schönem Gelände wieder etwas durchzogen und müssen komplett selber abgesichert werden, was jedoch nicht optimal möglich ist. 

L4, 40m, 7a: Wer vom bequem auf einem Band gelegenen Stand nach oben blickt, könnte graue Haare bekommen. Der erste BH steckt in etwa 12m Höhe und die Kletterei sieht gar nicht einfach aus. Aber naja mal gucken: die Moves (ca. 6a) gehen dann doch gut, und man bringt sogar vernünftig zwei, drei Sicherungen unter. Auch bis zum dritten BH ist es noch nicht wirklich schwer, dann steilt es aber auf und in anhaltender Ausdauerkletterei an Leisten muss man dranbleiben. Auch hier ist Luft zwischen den Bolts, aber wer der Schwierigkeit gewachsen ist, kann von guter Absicherung sprechen. Die Haken sind solide und optimal platziert. Und ja, hier ist es für 7a dankbar - an den Wendenstöcken kommen mir ein paar harte 6b-Seillängen in den Sinn, die ich schwerer fand. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen...

Sicht auf L4 (7a) von unten. Steiles, gelbes Gemäuer wartet hier auf den Kletterer.
Und so sieht L4 (7a) von oben aus. Nix gelb, alles grau. Wie immer im Leben ist auch das eine Frage der Perspektive.
L5, 35m, 6a: Schöne Kletterei an steilem, griffigem Fels, für einmal gar nicht so easy für den Grad. Auch hier stecken die Haken nicht gerade in Plaisir-Abständen, allzu weit sind sie aber für einmal nicht auseinander. Nach dem dritten und letzten BH hält man dann scharf 10m nach rechts zum Stand. Hierzu muss man sagen, dass auch der Nachsteiger die Crux nach dem letzten BH sauber sollte freiklettern können. Bei einem Fail gibt's sonst einen massiven Pendler, eine verlässliche mobile Sicherung lässt sich nämlich nicht anbringen.

Über den Wäldern der Passi Falzarego und Giau, die heikle Nachsteiger-Crux in L5 (6a) gemeistert.
L6, 30m, 6c: Eine attraktive, rotgelbe Wand wartet auf uns und wie gewohnt steckt der erste BH hoch. Gut, ein paar Meter gibt's billig am Pfeilerlein links wo man Keil und Cam legen kann, aber zuletzt muss der Bohri ehrlich, nicht ganz einfach und mit Potential für einen unangenehmen Sturz angeklettert werden. Weiter dann in anhaltender, ausdauernder Kletterei an meist guten Griffen in gerader Linie aufwärts zum Stand auf der Pfeilerkante. Hier wurden offenbar die einst steckenden Stand-BH von Traditionalisten wieder entfernt, da dort auch die klassische Pfeilerroute von Alvera/Pompanin durchführt. Pssst, aktuell sind aber wieder 2 Stück vorhanden, aber bitte ja nicht dem Flexer weitersagen... die Möglichkeiten für einen "natürlichen" Stand schienen mir jedenfalls sehr bescheiden und unsicher.

Blick auf L7 (6b). Erst der Kante nach, vor dem Spitz mit Dach dann rechts hinaus in den grauen Fels klettern.
L7, 40m, 6b: In kühner Linie geht's erst entlang der Kante aufwärts zu einem BH. Nach diesem verlässt man sie jedoch und hält sich in recht steilem Gelände diagonal rechts hoch zu zwei weiteren BH. Danach wirkt das Gelände etwas beliebig und Sicherungen sind wieder mal keine sichtbar. Man klettere aber in schöner, griffiger Wandkletterei einfach geradeaus weiter, irgendwann kommt dann nochmals ein BH, bevor man über eine letzte Steilstufe den Stand direkt auf der Pfeilerkante kurz vor dem breiten Band erreicht.

Zum Schluss in L7 (6b) ist's noch richtig luftig, sowohl bis zum Einstieg runter als auch zwischen den Sicherungspunkten.
Hier endet die Route, wer wollte könnte in 4-5 weiteren, einfachen Seillängen (max. 4b) über die klassische Alvera/Pompanin den Pfeilergipfel erreichen. Darauf haben wir keine Lust, auch weil der nordseitige Abstieg über den alten Kriegssteig offenbar durch einen Bergsturz verschüttet wurde, die Situation dort unklar ist und möglicherweise ein grösserer Umweg nötig ist. Zudem zeigt auch die Uhr schon 16.20 Uhr. In fünf langen und einem kurzen Manöver gelangen wir zügig wieder an den Einstieg. Wir schnüren die Schuhe und wählen für den Abstieg die Schuttreisse mehr oder weniger direkt unter der Route. Ganz so fein wie gewünscht ist die Körnung leider nicht, trotzdem sparen wir uns hier noch ein paar Minuten beim Abstieg. Nun folgt nur noch die Gurkerei retour über die Pässe. Da bleibt ausreichend Zeit, um das Fazit zu ziehen. Es war eine wirklich schöne Route, zur höchsten Güteklasse fehlt aber doch ein bisschen etwas. Bezüglich der Absicherung ist es schon so, dass die BH eher sparsam verwendet wurden. Konkret steckt im einfachen Gelände (<6a) wenig bis nix, dort wären Stürze meistens gefährlich und zusätzlich Absichern geht nicht nach Belieben. An den schweren Kletterstellen wurde dann aber schon regelmässig gebohrt, die BH stecken fair und zuverlässig. Zusammen mit der einwandfreien Onsight-Begehung und den als gutmütig empfundenen Bewertungen kommen wir zum Fazit, dass das Brevet für die Mox-Touren bestanden ist und ein Versuch in einer mit 7b bewerteten Route von ihm zumindest nicht aussichtslos sein sollte.

Tolle Stimmung und Aussicht zu Croda da Lago und Lastoni di Formin. Auch dort gibt's tolle Klettereien.
Facts

Tofana - Il vecchio leone e la giovane fifona 7a (6b+ obl.) - 7 SL, 275m - Da Pozzo/Alexander 2006 - ***; x(x)-xxx
Material: 14 Express, 2x50m-Seile, Keile 4-9, Camalots 0.3-3, Schlingen zum Verlängern

Schöne, etwas alpine Bohrhakentour am formschönen und sonnigen ersten Tofanapfeiler. Die ersten beiden und auch die obere Hälfte der dritten Seillänge sind noch etwas durchzogen. Der Fels ist zwar von guter Qualität und schön rauh, teilweise aber auch etwas grasig und einfach nicht so richtig eindrücklich. Oben raus wartet dann steile Kletterei in griffigem, meist festem und gutem Dolomit, die Linie gewinnt dann auch an Exposition. Wie erwähnt ist fällt die Absicherung in den einfacheren Passagen teils mangelhaft aus. Auch mit Griff in die Sicherungs-Trickkiste ist das doch eher nur xx und ein Sturz wäre oft ungünstig. Die schweren Kletterstellen sind einigermassen solide auf Niveau xxx gebohrt. Zu erwähnen ist auch noch, dass wir die Bewertungen als dankbar empfunden haben. Das Topo zur Route findet man bei Planetmountain.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich über Ergänzungen zu diesem Blog via Kommentarfeld!
Kontakt: mdettling74@gmail.com.