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Mittwoch, 24. Juni 2015

Wendenstöcke - Tsunami (7b+)

Allzu viele, für mich machbare und noch nicht gekletterte 5-Sterne-Touren gibt es inzwischen nicht mehr an den Wendenstöcken. Tsunami, eine Kreation vom Trio Ruhstaller, Rathmayr und Fullin an der Hauptwand des Reissend Nollen, ist eine solche. Sie führt unmittelbar links der bekannteren und zugänglicheren Caminando in die Höhe. Ihr haftet der Ruf von sehr kletterfreundlichem Fels und anspruchsvoller Absicherung an. Dem wollten wir auf den Grund gehen und tatsächlich, nach rund 30 gekletterten Touren am Massiv der Wendenstöcke gehört Tsunami für mich zusammen mit der Blauen Lagune und Ben Hur zu den drei besten Routen vor Ort. Mit dem Bericht hat es nun etwas gedauert, aber gut Ding will Weile haben...

Die Arena am Reissend Nollen mit der Linie von Tsunami. Links davon auch Cleopatra, Batman & Painkiller, rechts Caminando & Millenium.
Weil diverse Kaltfronten im September bereits eine Ladung Schnee bis auf Höhe des Einstiegs deponiert hatte, mussten wir unsere Tsunami-Pläne jedoch noch eine Weile in der Schublade halten. Eine Schönwetterwoche nachdem wir uns in der Transocean an Fels und Absicherung gewöhnt hatten, standen die Signale dann auf grün. In gewohnter Manier fuhren wir frühmorgens auf die Wendenalp und zogen hinauf gegen den Reissend Nollen. Das Biwak unter dem Vorbau war rasch erreicht, im exponierten Schrofen- und leichten Klettergelände mit Stellen bis zum dritten Grad ging es dann hinauf zum Einstieg. Dieser ist (inzwischen schwach lesbar) annotiert und befindet sich am rechten Rand der Grotte bei der grossen Kaskade. Die Kaskade war noch trocken, doch während wir uns für die Kletterei vorbereiteten, stürzte wie bei einem Hahn der angestellt wird von der einen auf die nächste Sekunde ein Wasserfall in die Tiefe. Solange es aber windstill bleibt, lässt sich die Tsunami trotzdem gut klettern. Also konnte es um 9.30 Uhr losgehen.

Auf dem Weg zum Einstieg. Das Gelände ist recht gut gangbar, auf dem Foto sieht's doch schon reichlich fordernd aus...
L1, 6a: Kurze Auftaktlänge an tief eingeschnittenen Wasserrillen, ohne fixe Absicherung.

Start in L1 (6a), der Einstieg (mit hier sichtbarer Aufschrift!) noch nah, der Ausstieg noch fern.
L2, 6b: Schöne Kletterei an Wasserrillen und über glatte Platten. Mit 4 BH auf volle 50m jetzt nicht gerade üppig abgesichert. Da die Kletterei meist gemässigt schwer ist und sich die Bolts vor den kurzen Plattenbouldern befinden, geht's aber trotzdem ganz ordentlich. Stürzen wäre aber vielerorts ungesund.

Die wasserrilligen Platten von L2 (6b) sind auch noch fast als Zustieg zum wesentlichen Teil oberhalb zu werten...
L3, 6c+: Nun geht's richtig los, bis zum Ausstieg ist das Gelände nun vorwiegend senkrecht und überhängend. Der Auftakt in diese Länge spielt sich in perfekt modelliertem, griffigem Fels ab, so dass sich die Schwierigkeit trotz der Steilheit nur etwa bei 6b bewegt. Allerdings ist der Start in diese Länge ungenügend abgesichert. Beim Anklettern des dritten BH in gegen 20m Höhe scheint immer noch ein Grounder aufs Standplatzband möglich. Die Crux dann danach, gut gesichert in einer kurzen Rechtsquerung (tief halten hilft), danach griffig-steil bei wieder weiten, aber gefahrlosen Abständen zum Stand hinauf.

Runoutige und nicht ungefährliche 6b-Kletterei zum Auftakt von L3 (6c+).
L4, 6c: Sehr schöne, homogene und gut abgesicherte Länge mit einem Auftakt, der in griffiger Wandkletterei in eine Verschneidung hineinführt. Diese wird bald wieder nach links über den Wulst hinaus verlassen, um mit einem Quergang eine Zone mit toller Tropflochkletterei zu erreichen.

Sehr schöner Start in L4 (6c), diese zieht in die Verschneidung beim Kopf des Kletterers und dann links hinaus.
Stilstudie in L4 (6c), Griffgrösse und die typische Felsstruktur sind sehr gut ersichtlich.
L5, 7b+: Es geht gleich volle Pulle los mit steiler, crimpy Wandkletterei. Die Haken sind zwar nicht allzu weit auseinander, die Schwierigkeiten (7a/+) aber voll obligatorisch und weil man direkt über dem Stand rumturnt, ist's dennoch leicht unangenehm. Nach einem 6b-Runout wartet dann der finale Wulst mit ein paar gut gesicherten, bouldrigen Zügen an Slopern. Für die Angabe von 7b+ läuft der uns erstaunlich einfach rein.

Die Black Wall von L5 (7b+). Erst crimpy & fordernd gerade hinauf, 6b-Runout nach rechts und Slopercrux am Wulst.
Die Schlüsselsequenz der Route besteht darin, sich aus dem Überhang kommend auf dieser Platte zu etablieren.
L6, 7b: Ein plattige Zone um 6c rum führt ziemlich unerwartet zur Crux. Es handelt sich um einen kurzen Boulder, ein zwingender Dynamo von einer Untergriffschuppe an Leisten/Henkel oberhalb. Insgesamt eher etwas unschön, der Fels dort unangenehm glatt und auch nicht ganz fest. Weiter geht's dann in phänomenaler, luftiger, runoutiger und leicht überhängender Querschlitz-Kletterei um 7a rum.

Blick auf L6 (7b). Die 6c-Plattenzone im Vordergrund, das kleine Dächli die Crux, der Akteur im 7a-Querschlitz-Bereich darob.
Eine weitere Stilstudie aus L6 (7b). Die Wand ist hier deutlich steiler, dafür die Griffe auch etwas grösser.
L7, 7a: Coole, aber sehr inhomogen abgesicherte Seillänge. Der schöne Start mit gut abgesicherter Steilplattenkletterei, ähnlich wie wenn ich das selber eingebohrt hätte. Plötzlich kommt die Länge aber dann ganz anders daher, bei heikler 6b-Plattenkletterei warten weite Abstände mit auch noch reichlich unklarer Kletterlinie. Die 7a-Crux ist dann ein ziemlich problemloses One-Move-Wonder, zudem stecken hier auch 2 BH sehr nahe zusammen.

Krasse Runouts im Mittelteil von L7 (7a). Die Kletterei zwar dort "nur" um 6b rum, aber 20m-Flüge sind hier möglich.
L8, 6c+: Meines Erachtens die schönste Länge der ganzen Route. Athletische Kletterei in prächtigem, strukturiertem Fels mit homogenen Schwierigkeiten bei guter Absicherung. Der Ausstieg dann ziemlich sloprig und sehr ausgesetzt, das macht richtig Laune.

Unterwegs in L8 (6c+), das "gelbe Dach" am oberen Bildrand wird am linken Ausläufer passiert.
Die Felsqualität hier einfach göttlich. Fest, kompakt, strukturiert, rauh und griffig. Traumhaft!
L9, 6b: Ziemlich kurze Überführungslänge an den nächsten Wulst. Nicht schlecht, aber auch nichts besonderes. Die Kletterei ist nicht so schwer, dafür sind die Abstände weit, es stecken nur zwei BH.

Yours truly on duty. Hinten das schöne Massiv der Fünffingerstöcke.
L10, 7b: Stark überhängender Wulst mit athletischer Kletterei an meist positiven Leisten und Löchern, die bisweilen etwas staubig sind. Ziemlich schwer zu lesen, einerseits im Kleinen um die besten Griffe zu wählen, andererseits auch im Grossen: der Ausstieg nach dem letzten BH im Steilen erfolgt nach rechts und nicht nach links. Das Topo ist hier leider unpräzise, von unten ist kein weiteres fixes Material sichtbar und beide Wege sind möglich. Wer falsch pokert und links steigt, kommt nicht umhin irgendwann einfach abzuspringen. Die Absicherung ist hier jedoch fast sportklettermässig gut.

Kurz vor dem Abgang... die etwas unübersichtliche, steile Wandzone von L10 (7b) beendete leider die Onsight-Ambitionen.
Spätestens hier muss auch der Nachsteiger parat sein. A0 ist unmöglich, Seilzug geben dito und es müssen auch im Nachstieg längere Strecken zwingend durchgeklettert werden, sofern man nicht bei einem Sturz im Leeren baumeln will. Im Falle des Falles wäre ein Selbstaufstieg am Seil unumgänglich.
L11, 6c: Nun wähnt man sich schon beinahe am Top. Doch auch diese Länge fordert nochmals, bereits der Weg zum ersten Bolt ist weit und auch nicht ganz so einfach, wie es erst den Anschein macht. Dann geht's mit athletischer Kletterei an guten Griffen weiter - nicht so schwer, aber wenn nicht mehr so viel Reststrom in den Armen ist und mit zwingenden Stellen zwischen den gut gesetzten Bolts ist's trotzdem nicht trivial.

Die athletisch-gutgriffige Steilkletterei von L11 (6c) fordert ein letztes Mal alles von den Unterarmen.

Dies erst recht an deren sloprigem Ausstieg, zudem pfeift's grandios in die Tiefe hier.
L12, 6b: Nochmals recht schöne Kletterei, jedoch nicht mehr von Premium-Qualität. Die Haken scheinen auf den ersten Blick recht distanziert und vom Stand sieht's nicht einfach aus, es löst sich dann aber trotzdem ganz gut auf. Im zweiten Teil lassen die Schwierigkeiten nach, und das Problem besteht vor allem darin, im nicht mehr so kompakten Gelände den Stand aufzufinden - der befindet sich weiter rechts, wie das Topo suggeriert und man erst denkt.

Auf den letzten Metern von L12 (6b), das Gelände hier nicht mehr ganz so kompakt wie zuvor.
Ok, es war nun gut 17.00 Uhr und hier ist die Route fertig - oder auch nicht. Bis auf den Pfeilergipfel folgt nämlich noch eine Länge im Grad 4c. Sie ist im Topo zwar nur halbfett eingezeichnet, oben sind keine Haken und kein Abseilsymbol eingetragen und wirklich schön sieht das Gelände auch nicht aus. Trotzdem, Alpinistenehre, man klettert doch bis der Berg (oder zumindest der Pfeiler) fertig ist und irgendwie müssen ja auch die Erstbegeher wieder runtergekommen sein, also wird es auch eine Abseilmöglichkeit geben. So schnappe ich mir bei Ankunft am Stand die Cams und steige gleich weiter. Erst ist's noch ganz ok, weiter oben wird es dann zunehmend brüchiger und zuletzt sind es so abwärtsgeschichtete Schindeln, die total lose sind. Fixe Sicherungen hat es keine, doch mit etwas Vorsicht und sorgfältiger Auswahl der solideren Tritte ging's im Aufstieg grad so. Irgendwann stand ich dann oben auf dem Pfeilergipfel im Schnee, eine Stand- oder Abseilmöglichkeit war nicht ersichtlich. Also räumte ich überall dort, wo ich diese vermutete, mal mit blossen Händen den eiskalten Schnee zur Seite, aber nada, nix da.

Blick auf das letzte, nicht eingerichtete Teilstück, das im linken Bilddrittel erklettert wird. Ich würde ausdrücklich davon abraten!!!
Das war schon eine dumme Situation: das Abklettern durch den Bruch schien mir nicht realistisch und viel zu gefährlich. Somit blieben nur noch zwei Alternativen, nämlich a) der Helikopter, oder b) der Aufstieg durchs alpine Gelände hintenrum, um den Ausstieg von Caminando und Millenium zu erreichen. Weil die Uhr zudem auch schon auf  17.30 Uhr vorgerückt war und gar nicht mehr so viel Zeit vor dem Eindunkeln übrig blieb, war eine rasche Entscheidung gefragt. Da die Kommunikation mit dem Partner über eine Distanz von 40m nicht die einfachste war und sowieso gemeinsames Handeln angesagt war, holte ich Dani per Totmannsicherung von der kalten Nordseite nach. Wir entschieden schliesslich, den Aufstieg zum Caminando-Top versuchen zu wollen - ich war zuvor schon 2x dort oben angelangt und war mir sicher, dass er von hintenrum zugänglich sein müsste. Mit den Kletterfinken ging's dann also kletternd durch das verschneite, nordwestseitige Mixed-Gelände, zum Glück liess sich hier und da ein Cam platzieren. Nach rund 70m Kletterstrecke und zwei weiteren Seillängen war es dann aber geschafft, wir waren beim Steinmann auf dem Caminando-Pfeiler angelangt und der Weg ins Tal war frei.

Ungünstig war nur, dass wir vor der letzten 6b-Länge unseren Haulbag hatten hängen lassen, wir rechneten ja damit, ihn wenige Minuten später beim Abseilen wieder mitnehmen zu können. Das sollte aber im Moment unsere geringste Sorge sein, nun galt es erst einmal noch vor Einbruch der Dunkelheit vom Berg zu kommen, dennn die Stirnlampen waren natürlich im Haulbag geblieben. Dies übrigens eine Emotion, die ich an selber Stelle nach der Begehung der Millenium wegen einem Seilverhänger beim Abseilen schon einmal sehr ähnlich erlebt hatte. Dieses Mal klappte die Abseilerei aber reibungslos, noch ohne Stirnlampe konnten wir auch am Vorbau über die Spasspartout abseilen und das letzte Tageslicht für den Rückweg in Richtung Wendenalp nutzen, wo wir schliesslich glücklich und wohlbehalten eintrafen. Tja, von dieser Aktion gibt es leider kein einziges Bild, wir waren von unserem Tun so absorbiert, dass wir keine Sekunde mehr ans Fotografieren gedacht hatten. Im Nachhinein habe ich vom Tsunami-Erschliesser Reto Ruhstaller dann erfahren, dass auf dem Pfeilergipfel tatsächlich kein Stand vorhanden ist. Dort würde man ja auch nicht raufklettern, das lohne sich überhaupt nicht - von den Erstbegehern hatte auch nur eine Person ein paar Erkundungsmeter gemacht, und war dann wieder abgeklettert. Er meinte auch, mit dem den Seillängen zum Caminando-Ausstieg hätten wir sicherlich eine Erstbegehung gemacht ;-)

Die Wendenalp, Anfangs- und Endpunkt jeder Route am Massiv.
Die Geschichte wäre auch nicht vollständig, wenn nicht noch die Bergung des zurückgelassenen Haulbags erwähnt wurde. Schliesslich waren nach genauerem Nachdenken nicht bloss etwas Speis und Trank darin, sondern auch noch Gore-Tex-Jacken, ein Keilset, Kletterfinken und weitere Wertgegenstände. So "musste" dann halt ein paar Tage darauf auch noch die Caminando geklettert werden, um mit einem genügend langen Seil und leicht heikler Querkletterei die Materialbergung durchzuführen. Aber das ist dann eigentlich schon die nächste Geschichte... danke Dani!

Facts

Reissend Nollen - Tsunami 7b+ (7a obl.) - 12 SL, 450m - Ruhstaller/Rathmayr/Fullin 1996 - *****;xx
Material: 2x50m-Seile, wobei 2x60m zum Abseilen sehr praktisch sind. 12 Express, Camalots 0.3-2

Geniale, alpine Sportklettertour durch die eindrückliche Arena am Reissend Nollen. Der Fels ist bis auf wenige Stellen einfach perfekt, super strukturiert und kletterfreundlich. Geboten wird zumeist Wandkletterei, in der Neigung zwischen steilplattig und athletisch-überhängend variierend. An der Tsunami gibt es nun wirklich fast gar nix zu mäkeln, hier kann man die 5 Sterne mit Sicherheit vergeben. Ganz leichten Abzug gibt's für den nicht ganz perfekten Schluss und die Tatsache, dass wir es hier nicht auch noch mit einem Superklassiker von gewaltigem Nimbus zu tun haben. Für die Absicherung gibt es hingegen nur xx: teils ist sie gut, meistens ok, doch es gibt auch ein paar Stellen, die nicht ganz ungefährlich sind. Wobei diese Passagen dann jeweils nicht megaschwer sind, mehr als ~6b muss man nie weit weg (>2m) vom Haken klettern, bis zu diesem Grad dann allerdings auch mal 5m über dem Haken bei ungünstigem Sturzgelände. Mit Keilen und Friends lässt sich übrigens nur wenig bis fast gar nix anstellen, trotzdem sollte ein Satz Cams nicht fehlen. Ein Topo zur Route findet man im Kletterführer Extrem West aus dem Filidor-Verlag.

Dienstag, 16. Juni 2015

Moor - Moorphium (7b)

Während meiner ganzen Kletterkarriere hatte ich bisher stets einen Bogen um den Moor gemacht. Und ich muss sagen, das war definitiv ein Fehler! Auch dieses Mal hatten wir lange gerungen, wohin es denn nun gehen sollte. Hohe Temperaturen, Sonnenschein, aber auch starker Föhnwind und von Westen anrückende Gewitter erforderten eine sorgfältige Gebietswahl. Nach einer längeren Diskussion einigten wir uns schliesslich aufs Moorphium und hatten die perfekte Wahl getroffen: bessere Bedingungen wären kaum anzutreffen gewesen, und die Route ist überaus lässig.

Der Moor im Alpstein in seiner ganzen Pracht, mit der eingezeichneten Linie der alpinen Sportklettertour Moorphium.
Unsere Tour startete um 7.40 Uhr in Wildhaus. Durchs Flürentobel ging es aufwärts, danach weiter Richtung Wildhuser Schafboden. Jonas erzählte mir ausführlich von all seinen Touren im Hochgebirge, ich lief hinterher und dachte mir läck, seiner Kondition hat das nicht geschadet. In zügigem Schritt hatten wir die 1000hm Zustieg nach 1:25 Stunden erledigt. In der Literatur sind für den letzten Anstieg zum Wandfuss 3 Varianten beschrieben. Keine davon weist jedoch echte Wegspuren auf, und so bleibt es der Phantasie des Kletterers überlassen, wo er denn die steilen Grashänge hochsteigen will. Wir entschieden uns, so lange wie möglich auf dem Bergweg zum Jöchli zu bleiben und zweigten erst bei der Verflachung auf 1880m nach rechts ab. Das dünkte mich in Auf- und Abstieg ideal, sicherlich eine empfehlenswerte Variante mit Schwierigkeiten im Bereich T4+. Nach einem Vesper am Einstieg konnte es schliesslich gegen 9.30 Uhr losgehen mit der Kletterei.

Im Zustiegsgelände. Der letzte Abschnitt hinauf zum Wandfuss ist recht steil und weglos, jedoch gut zu passieren.
L1, 35m, 6c: Der erste Haken steckt nicht gerade bodennah, doch zu Beginn ist die Kletterei einfach. Das ändert sich, je näher man dem grossen Dach kommt. Eine Plattenstelle erfordert es, die Bewegungen sauber zu planen und durchzuführen. Das ca. 1m ausladende Dach ist dann sehr athletisch, dank ein paar Henkeln oberhalb und Trittmöglichkeiten an der Dachkante jedoch erstaunlich einfach zu haben. Danach geht's noch über einige Meter einer kleinen Verschneidung entlang weiter, hier will noch obligatorisch ein Cam versenkt werden.

Auftakt in L1 (6c) über eine schöne Platte und danach ein athletisches Dach,, das hier gar nicht sichtbar ist.
L2, 25m, 6c+: Kurz nach links hochsteigen, dann spielt am ersten Wulst auch schon die Musik. Es ist sehr athletisch dort und leider wartet oberhalb nicht sogleich ein idealer Henkel. Im Wandbuch wird von Griffausbrüchen berichtet und Schwierigkeiten von 7a oder 7a+ werden erwähnt. Sicherlich wartet hier die zweitschwerste Einzelstelle der Route, gewusst wie lässt sie sich allerdings durchaus gut freiklettern. Der Rest der Länge ist dann einfach ein Fest: prima Tropflochkletterei bei eher luftigen Abständen mit zwingenden Kletterstellen dazwischen. An zwei Stellen lässt sich noch ein Cam versorgen, trotzdem ist der eine oder andere Haken nichttrivial anzuklettern. Eine etwas schwerere Einzelstelle wartet dann noch am letzten Bolt vorbei.

Super Kletterei in angenehm rauhem Fels mit zwingenden Moves bei Bohrhaken mit gesunden Abständen: L2 (6c+)
L3, 40m, 6c+: Kaum zu glauben, aber es wird noch besser. Diese Länge alleine verdient auf jeden Fall volle fünf Sterne. Anhaltend steil und knifflig geht es in perfektem, rauhem Fels in die Höhe. Zwischen dem zweiten und dritten Bolt wartet die Vorstiegscrux der Route. Wenn man einmal mit den Füssen auf Hakenhöhe steht, muss in einem Runout unangenehm trittlos mit einem Untergriff angelaufen werden. Aber nur dranbleiben, die Griffe werden nachher schon wieder besser und der nächste Bolt, der erst noch in weiter Ferne erscheint, lässt sich schliesslich gut anklettern und klippen. Nach dieser Stelle hat man die Route dann im Sack, die Absicherung ist oben raus nicht mehr so verpflichtend.

Fantastische Kletterei in L3 (6c+), diese Länge wäre auch an den Wenden herausragend.
L4, 25m, 7b: Die klettertechnische Crux der Route muss man leider eher als kleinen Schönheitsfehler werten. Eine kurze, knifflige und leicht überhängende Wandstelle an etwas splittrig anmutendem Fels will gemeistert werden. Dank einem ideal steckenden BH kommt man hier jedoch auch mit 6b 1pa durch. Ich gab mir 2-3 Versuche an dieser Stelle, schliesslich fehlten mir nur 10-15cm um mich an die rettende Leiste hochdrücken zu können. Mit noch etwas mehr tüfteln schien mir das machbar, den Beweis blieb ich allerdings schuldig. Woher die Bewertung von 7b kommt, ist mir nicht ganz klar. Im Wandbuch schreiben die Erstbegeher eindeutig 9- (d.h. 7b+), und auch die RP- oder Onsight-Wiederholer haben sich alle in dieser Richtung geäussert.

Ist zwar nicht die Crux, aber die Querung zum Stand hin am Ende von L4 (7b) ist zum Schluss auch nochmals knifflig. 
L5, 35m, 6c: Nochmals eine wirklich sehr schöne Länge in prima Fels. Gleich schon der Start aus dem Stand raus fordert, dann heisst es über die erste Wandstelle dranbleiben. Der Rest der Länge ist dann etwas einfacher und entlang von meist griffigen Rissen und Schuppen definitiv der Rubrik Genuss zuzuschreiben. Im Vergleich zu den beiden fordernden 6c+ von L2 & L3 ist hier sowohl die Bewertung irgendwie gutmütiger ausgefallen, wie auch die Absicherung deutlich enger gehalten.

Man sieht's sehr gut, die Kletterei in L5 (6c) ist nun deutlich entspannter wie unten.
L6, 45m, 6b: Ab hier ist nun der Schwung der Route definitiv gebrochen, auch wenn noch ein paar schöne Kletterstellen folgen. Doch zuerst gilt es einmal eine einfache Zone über ein Band hinweg zu klettern, dann warten ein paar unschwierige Aufschwünge, bevor dann zuletzt noch eine Wandstelle mit der Crux zum Stand hin folgt. Zwei Bohrhaken sichern die Stelle gut ab, die 6b-Bewertung empfanden wir als von der eher gutmütigen Sorte.

Blick auf die oberste Partie der Moor-Südwand mit den letzten beiden Seillängen vom Moorphium.
L7, 20m, 6c+: Bereits vom Stand nach L5 kann man vermuten, dass auch diese letzte Länge nicht mehr die anhaltenden Schwierigkeiten vom ersten Routenteil bieten wird. So kommt es dann auch. Die Schwierigkeit beschränkt sich hier auf den gut abgesicherten Boulder über den Bauch gleich nach dem Stand. Womöglich ist diese Stelle etwas grossenabhängig, aber das kam mir im Vergleich zu L2 und L3 jetzt doch gar banal vor. Zuletzt erreicht man dann in schöner Kletterei im Niveau um 6a+ das Top.

Inzwischen war die Uhr auf 14.00 Uhr vorgerückt, rund 4:30 Stunden hatte uns die Kletterei also beschäftigt, wobei es heute keinen Grund gab, besonders eilig zu sein. Am Top mochten wir aber dennoch nicht lange verweilen. Der prognostizierte Föhnwind war bisher höchstens in der Form von einem lauen Lüftchen zu spüren gewesen, doch hier an der Krete pfiff er nun doch etwas um die Ohren, so dass es trotz Tal-Temperaturen nahe der 30-Grad-Marke gar nicht mehr sonderlich warm schien. Überhaupt hatten wir die Kletterei bei sehr angenehmen Bedingungen geniessen können und wir waren froh, nicht ein schattigeres oder dem Wind mehr exponiertes Ziel gewählt zu haben. 

Im Auf-/Abstieg durchs Flürentobel lässt sich noch sehr gut ein Blick auf meine letztjährige Kreation XL an der Schafbergwand werfen.
Die Abseilerei ging dann problemlos vonstatten. Die Querung vom Top nach rechts zum Abseilen kann man sich wirklich sparen, der nächste Abseilstand ist auch vom eigentlichen Routenende gut zu erreichen. Achtung, auf den Bändersystemen am Anfang von L6 liegt einiges an losem Material herum. Dank geschickter Lage der Standplätze hält sich die Eigengefährdung im kleinen Rahmen, doch sollten sich andere Seilschaften in der Wand befinden, so ist hingegen grosse Vorsicht nötig, damit man keine Brocken in die Tiefe schickt. Wobei, mit durchschnittlich ca. 3 Begehungen pro Jahr ist die Route nicht als überfrequentiert zu bezeichnen. Im steilen Gelände unterhalb geht's dann abseilend zügig dem Einstieg entgegen. Dort verspern wir nochmals und treten dann den Weg nach Wildhaus an, wo wir noch vor 16.00 Uhr eintreffen und mit einem kühlen Getränk anstossen können.

Back in Town, der Moor grüsst bereits wieder in der Ferne am Horizont.
Facts

Moor - Moorphium 7b (6c obl.) - 7 SL, 225m - D. & L. Dürr, Chr. Looser 1998/99 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-1, Keile nicht nötig

Sehr schöne, steile Wandkletterei in zumeist sehr gutem, rauhem Fels mit vielen Tropflöchern und griffigen Schuppen. Die Route startet fulminant und vor allem L2 & L3 sind allererste Sahne. Die kurze, griffarme und leicht splittrige 7b-Stelle in L4 ist dann eher etwas ein Schönheitsfehler. Und auch wenn oberhalb immer noch schöne Klettermeter folgen, so ist die Route dort oben einfach nicht mehr ganz so eindrücklich wie zu Beginn. Die Absicherung mit durchdacht platzierten Inox-Bolts kann man als gut bezeichnen. In L1-L3 sind die Abstände jedoch eher gross und die Kletterei zwingend (d.h. unteres Ende von xxx). Es fühlt sich so an, als ob die Erstbegeher nicht dort geboltet haben, wo man jetzt gerne die nächste Sicherung hätte, sondern jeweils weitergestiegen sind, bis ein Bolt wirklich unverzichtbar war. Trotzdem, die Absicherung ist fair und gefährliche Stürze sind kaum zu befürchten. Etwas paradoxerweise sind die oberen, eher einfacheren und weniger anhaltenden Seillängen dann üppiger eingebohrt. Allzu viel kann und muss man nicht dazulegen, ein Set von kleinen und mittleren Friends ist völlig ausreichend. Ein gutes Topo der Route kann man hier downloaden, das Moorphium ist Route Nr. 8. Weitere Details findet man im SAC-Kletterführer Alpstein.

Sonntag, 14. Juni 2015

Bohren am Bockmattli...

Unsere Route Echo der Zeit in der Westwand vom Kleinen Turm am Bockmattli scheint die Tour der Stunde zu sein. Viele positive Rückmeldungen erhielt ich von den zahlreichen Begehungen in der letzten Zeit, und auch gestern packten wiederum 4 Seilschaften die Route an. Das macht natürlich Freude und gab umso grössere Motivation, unser nächstes Projekt in dieser Wand endlich zur Realisierung zu bringen. Erst hatte ich mit Erich jedoch noch einige Diskussionen zu führen, ob wir nun Klettern oder Bohren gehen. Da musste dann wieder einmal der Spruch der Gebrüder Remy aus der Schatulle geholt werden: "Routen wiederholen kannst Du auch später noch, diese Route einbohren aber vielleicht schon nicht mehr".


So kam es, dass wir uns schliesslich unter beinahe herbstlich anmutendem Gewölke als erste in der Gross Chälen befanden und unsere Blicke auf die geplante Linie werfen konnten. Meine Idee war es, links vom Echo der Zeit einen direkten Einstieg zu erschliessen, der weiter oben ins coole Element of Slime führt. Die ersten drei Seillängen, die wir gestern einbohren konnten, erfüllten die in sie gesteckten Erwartungen voll und ganz. Es wird eine tolle Tour von ca. 7 Seillängen entstehen, die in gerader Linie vom Einstieg bis zum Gipfel führt, dabei homogene Kletterei von athletischer Prägung durchgehend im Bereich von 6c bietet und mit solider Absicherung auftrumpft.

L1, 30m, ca. 6c/+, bietet beste Bockmattlikletterei.
Heute spüre ich nun wohl etwas die Anstrengungen der anspruchsvollen Bohrarbeit in diesem oftmals überhängenden Gelände. Gleichzeitig freue ich mich aber darauf, auch noch die restlichen Meter einzurichten und dann natürlich auch auf den Komplettdurchstieg mit leichtem Gepäck. Achtung, die Erschliessung der Linie ist noch nicht abgeschlossen, bitte respektiert das und steigt gar nicht erst ein. Zu gegebener Zeit wird an dieser Stelle sicherlich informiert und auch ein komplettes Topo geliefert. Die Bedingungen im Bockmattli sind derzeit übrigens perfekt. Fast ein wenig erstaunlich für diese Jahreszeit sind alle Routen trocken und bestens zu beklettern.

Montag, 8. Juni 2015

Schlossberg - Jingo (6c)

Der Schlossberg, ganz hinten im Engelberger Tal bereits auf Urner Kantonsgebiet gelegen, bietet ein gutes Dutzend an modernen, alpinen Sportklettertouren. Die meisten von ihnen wurden in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre durch die Gebrüder Remy erschlossen. Grosse Berühmtheit und Beliebheit erlangten die Routen nie. Irgendwie liegt der Berg etwas abseits, zudem scheint der Zustieg gemäss den Angaben in der Literatur für eine Tagestour zu weit und die WSW-Exposition auf über 2000m schränkt die Anzahl an möglichen Klettertagen weiter ein. Obwohl ich schon seit jeher einmal gerne dorthin wollte, habe ich es nun auch erst nach über 20 Jahren das erste Mal geschafft.

Ein fantastischer Tag bricht an im Engelberger Tal. Sicht auf die Spannort-Gruppe.
Tja, eine MSL-Route hätte ich dieses Jahr schon länger gerne einmal geklettert. Doch der regnerische Mai und zahlreiche Verhinderungsgründe machten diese Wünsche bisher zur Makulatur. Auch für dieses Weekend war die Lage lange unsicher, doch schliesslich einigten wir uns auf einen 2-Tages-Trip mit Familie und Zeltübernachtung in Engelberg. Somit beginnt die Geschichte von dieser Tour bereits am Samstag im beliebten und familientauglichen Klettergarten Schlänggen. Um das Material für Versuche in Zollo del Lächel (7c+) zu installieren, musste ich den Strammen Bolzen (7c) hoch. Sinnvollerweise klettert man dann möglichst kraftsparend von Haken zu Haken... doch weil ich mich gerade fit fühlte und erst oben ans Limit kam, stieg gleich sauber durch. Fürs Selbstvertrauen war das super, für die Ticklist eher weniger: für den Zollo blieb danach nämlich nicht mehr genügend Kraft übrig. Aber man klettert ja nicht nur für die Liste, sondern auch für den Spass an der Freude. Und die war schon gross, der Stramme Bolzen war anno 2008 meine allererste 7c gewesen und diese nun ruckzuck im Alzheimer-Onsight raufturnen zu können war den Effort schon wert. Macht ja durchaus Freude, einen Fortschritt zu erkennen, erst recht in meinem Alter... ;-)

Grashangsteigen gehört zum Alpinklettern auch mit dazu.
Nachdem die Gewitter in der Nacht auf Sonntag nicht allzu heftig waren und daher die Nacht im Zelt geruhsam ausfiel, starteten Mr. Basti und ich nach einem Familienzmorge an der Sonne um 8.30 Uhr mit freiem Ausgang bis um 16.00 Uhr. Wohin des Weges? Ursprünglich hatte der Wetterbericht ein wechselhaftes Menü angekündigt, mit Gewittern die schon früh am Tag auftreten würden. Doch jetzt war ein kristallklarer Tag angebrochen, mit stahlblauem Himmel und idealen Bedingungen. Da wollten wir uns nicht lumpen lassen, und eine Route am Schlossberg probieren. Mit dem Auto ging es, eine Taxe von 5 CHF bezahlend, bei der Talstation der Fürenalpbahn für einmal noch weiter, bis zum wegen Fahrverbot obligatorischen Parkplatz unterhalb vom Leitistein (ca. 1200m). Rasch wurden die Rucksäcke geschultert und die Schuhe geschnürt - auf die Plätze, fertig, los!

Die Westwände am Hinter Schloss / Schlossberg (3133m) im Engelberger Tal. Auch eine coole Skitour, übrigens!
Zügig marschierten wir auf der Fahrstrasse ins Tal hinein zum Stäfeli (1393m). Für dieses Teilstück würde ein Mountain Bike (v.a. in der Abfahrt) einen weiteren Zeitgewinn bringen, diese hatten wir allerdings aus logistischen Gründen nicht mitnehmen können. Auf 1500m verlässt man die fahrbare Piste und steigt auf dem Hüttenweg gegen die Spannorthütte hinauf. Die Literatur schlägt zum Zustieg an die Schlossberg-Wände den Weg via die Hütte vor. Uns schien es hingegen direkter und zeitsparender, den Hüttenweg vor der zweiten Runse auf 1770m zu verlassen und direkt die Grashänge zum Einstieg hinaufzusteigen. Das Gelände ist weglos, lässt sich aber gut begehen (ca. T4+) und stellt eine Abkürzung dar. Bereits nach 1:20h sportlichem Gehen hatte ich die 900hm bis zum Einstieg gemeistert. So waren wir dann um 10.15 Uhr kletterbereit - noch immer tief im Schatten, die Sonne erreicht den Einstieg dieser nach WSW ausgerichteten Wandpartie selbst im Juni erst um 12.30 Uhr. Es war aber windstill und die Temperaturen sehr angenehm, somit kein Problem. Ich kann mir aber schon gut vorstellen, dass man hier bei ungünstigen Bedingungen doch auch ziemlich schlottern kann. 

Basti unterwegs in den Grashängen vom direkten Zustieg zur Wand. 
Uns blieben folglich noch 5:45 Stunden für 7-8 Seillängen Kletterei, Abseilen und Abstieg. Somit fokussierten wir uns auf die etwas einfachere Jingo (6c) und liessen die ebenfalls ins Auge gefasste Espio (7a) links liegen. Sowieso, sich zum Saisonauftakt ein gutes Gefühl zu holen und die erste MSL-Route sauber, zügig und souverän onsight durchzusteigen ist auch wichtig. MSL-Klettern ist nämlich zu einem wesentlichen Teil auch Kopfsache, das darf man nicht unterschätzen. Und auch wenn beide Routen im Vergleich zu unserem Sportkletterniveau "einfach" sind, so gelten bei plattiger Hinsteh-Kletterei, tricky Balance-Moves oder Gegendruck-Risskletterei deutlich über der letzten Sicherung einfach andere Massstäbe als bei der ideal gesicherten, Schlänggen-Kletterei an allesamt markierten Griffen und Tritten. So genug philosophiert, hier folgt eine Beschreibung der einzelnen Seillängen.

Vista vom Einstieg (oder so...). Schöne Blicke auf den Chli Spannort und den Titlis sind garantiert.
L1, 35m, 6a+: Kurzer Auftakt in Wandkletterei, dann über ein grasiges Band zum wesentlichen Teil. Das ist ein steiler und markanter Doppelriss, welcher in athletischer Kletterei bezwungen wird. Hier stecken auf den ersten ca. 8m bei ungünstigstem Sturzgelände keine BH. Man kann aber gut Friends platzieren, nur einfach vertrauen muss man ihnen...

Yours truly in der Crux der recht anspruchsvollen L1, 6a+.
L2, 20m, 6b: Steile Kletterei dem nun weiter auseinander liegenden Doppelriss entlang. Hier wurden im Zuge der Sanierung 2008 drei zusätzliche BH hinzugefügt, wofür man durchaus dankbar ist. Sonderlich gut war diese Stelle nämlich nicht absicherbar, dünkt es mich. Die Crux dann oben, wo man den Riss nach links auf die Platte hinaus verlässt.

Steile Risskletterei mit plattiger Crux am Ende in L2, 6b.
L3, 20m, 6c: Steilplatten-Kletterei, die auch einige griffige Schuppen und Gegendruck-Passagen aufweist. Klettert sich elegant und schön. Die Crux ist ein feingriffiges One-Move-Wonder direkt am BH an die nächste Henkelschuppe. Fand ich eher problemlos für die angegebene 6c.

Da habe ich ihn gerade im Crux-Move der ganzen Route erwischt: L3, 6c.
L4, 35m, 6a+: Wiederum ein steiler Auftakt mit athletischer Risskletterei. Auch hier wurden zusätzliche BH angebracht, den einen oder anderen Cam sollte man trotzdem platzieren. Danach wird es ein bisschen einfacher, bleibt aber anhaltend, zudem will auch der Weg ein bisschen gesucht werden. Zuletzt markant nach links zum Stand.

Athletische Risskletterei, schwerer und steiler wie es hier aussieht, zu Beginn von L4, 6a+.
L5, 35m, 6a+: Wie gehabt ein Auftakt in athletischer Risskletterei, wo man ebenfalls wieder froh um die Zusatz-BH ist, denn gut selber absicherbar war das bestimmt nicht. Nach ungefähr 10m lässt's dann etwas nach, weiter oben wartet dann noch eine knifflige Stelle in einem v-förmigen Kamin, welche vor der Sanierung und dem jetzt steckenden BH bestimmt sehr heikel war - bei einem Sturz wäre man erst 5m aufs Bödeli (dort BH) runtergeknallt, um dann ins steilere Gelände zu purzeln...

Basti folgt in der erwähnten, noch recht kniffligen v-förmigen Kaminverschneidung von L5, 6a+.
L6, 35m, 5b: Auftakt an sehr schönen Wasserrillen, dann über ein paar geneigte Meter zum schönen Doppelriss. Spreizen mit den Füssen, Jammen mit den Händen, echt genial und super Fels. Die Schwierigkeiten dünkten mich jetzt deutlich höher wie 5b, im Vergleich zum Rest könnte man hier jetzt durchaus auch 6a geben. Ist alles andere als banal.

Sicht auf die letzten beiden Seillängen. Hier Basti in L6, 5b, die ich jedoch eher mit 6a/+ bewerten würde.
L7, 35m, 6a: Auch wenn links ein BH der 6c-Länge von Espio lockt, geht es direkt die Verschneidung hinauf, obwohl keine fixen Sicherungen im Blickfeld sind. Es kommen dann aber doch noch 3 BH. Die Kletterei echt hammermässig, der Fels ist super, schön strukturiert und so turnt man in der steilen Verschneidung mit grossem Genuss empor. Kaum zu glauben, dass diese irre steile Linie so einfach zu haben ist.

Geniale Turnerei in der Abschlussverschneidung. L7, 6a.
Oben angekommen, quert man noch 10m nach rechts hinaus zum Stand und Wandbuch. Alternativ kann bestimmt auch der Stand der Nachbarroute Rittergold benutzt werden, der sich beim Ausstieg quasi vor der Nase befindet. Um 13.30 Uhr sind wir nach 3:15 Stunden vergnüglicher Kletterei oben und können im Wandbuch blättern. Seit der Sanierung im Jahr 2008 und damit 7 Jahren sind erst gerade 9 Seilschaften vorbeigekommen, wobei es sich dabei einige Male auch noch um den Hüttenwirt mit jeweils einem Gast gehandelt hat. In den 15 Jahren zwischen Erstbegehung und Sanierung gab es bestimmt eine noch tiefere Begehungsfrequenz. Obwohl uns weder das Wetter noch unser Zeitbudget zur äussersten Eile antreiben, brechen wir doch bald wieder auf. In 5 Manövern erreicht man abseilend wieder den Einstieg, wobei nach dem ersten Abseiler ein routenunabhängiger Abseilstand zu nutzen ist (gut aufzufinden, schon im Aufstieg gut sichbar). 


Zu dumm nur, dass wir weiter unten den Vorsprung auf unseren Zeitplan wegen einem unachtsamen Seilverhänger preisgeben. Bald einmal sehen wir ein, dass Schwingen und Zerren nichts nützen wird, und nur das Schnüren der Kletterfinken weiterhilft. Ich habe dann die Wahl, die Jingo-Cruxlänge erneut zu klettern, oder mit der links davon gelegenen Espio-Länge (6c) noch ein paar neue Meter kennen zu lernen. Ich entscheide mich dann für das letztere. Achtung: entgegen der Angaben in den neusten Kletterführern wurde die Route Espio (7a) definitiv nicht saniert! Hier kann man sich auf der gesamten Route nach wie vor an der Remy-Originalabsicherung testen, oder vielleicht auch ärgern. So stecken z.B. in der 6c der Espio bei anhaltenderen Schwierigkeiten dann halt nur 3 statt 5 BH wie in der Jingo nebenan, wobei der eine auch noch ungünstig mitten in der Crux steckt und die 6c deshalb auf jeden Fall zwingend ist. Aber naja, mit 2x tief durchschnaufen war dieser kleine Test für die Psyche auch gemeistert, bald darauf das Seil befreit und wir zurück am Wandfuss. 

Aufgrund von einem Seilverhänger gibt's noch Extrameter in L3, 6c der Nachbarroute Espio.
Nachdem nun 15.00 Uhr bereits vorbei war, musste nun doch noch ein Eilmarsch ins Tal erfolgen, um unser Zeitlimit einzuhalten. Im Abstieg gingen wir an der Hütte vorbei. Das macht sicherlich Sinn, die weglosen Grashänge abzusteigen braucht bestimmt mehr Zeit. Nach etwas Geröllsurf und einem kurzen Grüezi in der Hütte ging es dann joggend den Hüttenweg runter und vom Stäfeli talauswärts. Auf der kurzen Autofahrt konnten wir gerade unsere Schweisstropfen abtrocknen, um dann rechtzeitig bei unseren Familien einzutreffen. Der Plan war perfekt aufgegangen, die Tour super und die Kletterei sogar besser wie im Vorfeld erwartet. Was will man noch mehr - logo, vielleicht eines der härteren Testpieces an diesen Wänden angehen - das dann jedoch an einem anderen Tag. Ich war bestimmt nicht das letzte Mal hier!

Geröllsurf in Richtung Spannorthütte und dann im Laufschritt retour zu den Familien...
Facts

Schlossberg - Jingo 6c (6a+ obl.) - 7 SL, 220m - C. & Y. Remy 1993 - ***;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-1, evtl. Keile 4-9.

Schöne, abwechslungsreiche Kletterei an Rissen, Verschneidungen und ein paar Plattenstellen. Die Felsqualität ist durchgehend gut, nur auf den Bändern liegen hier und da ein paar lose Steine rum. So lange aber niemand sonst klettert oder abseilt, stört das nicht weiter. Konkurrenz muss man jedoch kaum befürchten, da sich im Schnitt nicht viel mehr wie 1-2 Seilschaften pro Jahr in diese Route verirren. Seit der Sanierung im Jahr 2008 kann man die Route als gut abgesichert bezeichnen. Sämtliche Schlüsselstellen sind gebohrt und es warten keine harten Stellen oberhalb der letzten Sicherung. Trotzdem sind punktuell noch mobile Sicherungen zu platzieren. Hierfür empfand ich ein Set von kleinen und mittleren Cams als ausreichend. Klemmkeile wären zwar einsetzbar, haben wir jedoch nicht als nötig empfunden. Als obligatorischer Grad dürfte 6a+ in etwa passen, man bedenke aber, dass es sich dabei um steile Risskletterei nach alpiner Kalibration handelt, und nicht um eine soft bewertete Klettergarten- oder Hallenroute an Henkeln. Generell empfand ich die Seillängen bis und mit 6a+ als eher fordernder wie erwartet, v.a. die 6c der Crux ist dann hingegen eher ein Einzelzug und gutmütig obendrein. Planungshilfe: die Sonne erreicht den Einstieg nicht vor 12.30 Uhr.

Mittwoch, 3. Juni 2015

Grigri, HMS oder Tuber?

Eine fast religiöse Frage... die meisten Kletterer haben das Sichern mit einem dieser Geräte gelernt und bleiben danach dabei. Oft wird die Wahl auch noch vehement vertreten, obwohl sie gar nicht immer bewusst erfolgt ist. Anyway, in Sicherheitskreisen findet seit einiger Zeit eine Diskussion statt, welche Sicherungsgeräte nicht mehr empfohlen, bzw. ja in Kletterhallen sogar verboten werden sollen. Erhellend ist dazu die folgende Analogie, wörtlich übernommen aus Bergundsteigen 3/13:

Huch! Bild: Augsburger Allgemeine.
Nehmen wir an, es gäbe auf dem Markt Autos mit drei unterschiedlichen Bremssystemen. Die Systeme heissen HMS-Bremse, GRI-Bremse und TU-Bremse. Worin unterscheiden sie sich? Die HMS-Bremse bremst, sobald der Fahrer das Bremspedal drückt. Wie beim echten Auto. Die GRI-Bremse hat sogar eine Spezialkamera, die Bremsanforderungen ziemlich sicher erkennt und den Bremsvorgang automatisch einleitet. Wenn ein Reh auf die Strasse springt, bremst die GRI-Bremse in der Regel sogar dann, wenn man gar nicht auf das Bremspedal drückt. Und dann gibt es noch die TU-Bremse. Sie ist speziell. Wenn man geradeaus fährt, bremst sie prima. Und sie ist kinderleicht zu erlernen und zu bedienen. Deswegen fahren alle gerne TU-Autos. Aber in Abhängigkeit vom Lenkwinkeleinschlag bremst sie immer schlechter. Ab einem bestimmten Lenkwinkeleinschlag kann der Fahrer das Bremspedal drücken so stark er will. Sie bremst einfach nicht mehr. Sie sind Fahrschüler in einem TU-Auto und fragen ihren Fahrlehrer, was sie machen sollen, wenn in einer Rechtskurve ein Reh vor das Auto springt. Er antwortet ihnen: "Ganz schnell erst wieder geradeaus fahren und dann bremsen". Erst bremsen und dann geradeaus fahren ist nicht so gut. Da wird das Bremspedal heiss und man verbrennt sich den Fuss. "Aber", fährt der Fahrlehrer fort, "machen sie sich nicht zu viele Gedanken. Die meiste Zeit fahren sie ja eh geradeaus."

Petzl Grigri 2. Bild: Petzl/bouldercity-shop.de
Der komplette Artikel ist sehr lesenswert und kann hier abgerufen werden. Meine Meinung dazu ist sehr klar: ich bin mir der Problematik bewusst, sichere seit 20 Jahren mit einem Grigri und schwöre darauf. Mein persönlicher Entscheid ist es auch, mich beim Sportklettern nicht mit einem Tuber sichern zu lassen. Mir taugt das mit dem ganzen Hintergrundwissen einfach nicht, und ich kann so nicht mehr befreit klettern. Mit dem Doppelseil kommt entweder der HMS zum Zug, was jedoch bei Halbseiltechnik nicht so richtig befriedigend funktioniert. Die beste Wahl ist dann meines Erachtens das Megajul. Verfügt man nicht über ganz dünne und glitschige Seile, so ist nach meinem Empfinden und einigen Feldtests auch hier eine automatische Bremswirkung praktisch garantiert.

Edelrid Mega Jul. Bild: Edelrid.
Natürlich kann man hier nun endlos Diskussionen führen. Zwei Argumente sollten dabei aber aussen vor bleiben. Erstens: ja, den Grigri kann man so fehlbedienen, dass die Bremswirkung aufgehoben wird. Begeht man aber diesen gravierenden und absolut vermeidbaren Fehler nicht, so bremst er zuverlässig automatisch. Sowieso, das Seil bleibt bei korrekter Bedienung (Stichwort Gaswerkmethode) stets in der Bremshand und ein aufmerksamer Sicherer, der im Falle des Seilausgebens zwei, drei Schritte zur Wand hin macht, braucht den Klemmnocken kaum je zu blockieren. Zweitens: natürlich lässt es sich, wenn man den Körper entsprechend einsetzt, auch mit dem Grigri perfekt dynamisch sichern. Die Person möchte ich erst sehen, welche bei einem überraschenden, weiten Sturz noch kontrolliert Seil durch den Tuber durchrutschen lässt. Für solche Techniken sehe ich ehrlich gesagt überhaupt keinen Bedarf.

Fazit: ich will aus dem Ganzen keine Religion machen - but make your informed personal choice!