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Samstag, 25. Juli 2015

Nissedal / Haegefjell - Feuervogel (6a+)

Die Region Telemark ist ein Gebiet im Süden von Norwegen, das durch viele Gewässer und Wälder sowie dünne Besiedlung charakterisiert wird. Felsen gibt es auch allenthalben, auffallend für uns Kletterer sind natürlich vor allem die eindrücklichen Dome und zahlreiche Plattensektoren. Ein bisschen erinnert mich das Gebiet an die Sierra Nevada, bzw. Tuolomne Meadows im Yosemite National Park. Es kommt zwar in punkto Schönheit und Einzigartigkeit nicht zu 100% ans grosse Vorbild heran, dennoch ist ein Besuch hier sehr lohnend.

Nachdem wir von Sandefjord angefahren waren (siehe vorheriger Beitrag), stationierten wir uns auf dem Nysser Hyttegrend Camping. Aufgrund seiner Lage im Zentrum der Klettersektoren ist er die erste Adresse für uns Climber. Er liegt mittig am Westufer vom ca. 40km langen und ca. 3km breiten Nisser-See, der zwar durchaus zum Baden einlädt, aber mit seinen aktuell 17 Grad eine gewisse Abgebrühtheit verlangt. Aber wir waren ja nicht zum Badeplausch gekommen, sondern wollten in erster Linie an den Fels. Die schönste, höchste und bekannteste Struktur hier in Nissedal ist der Haegefjell. Das ist ein 500m hoher Felsdom, der etwas im Hinterland in einer sehr schönen Landschaft liegt. Bilder sagen aber mehr als viele Worte, daher lassen wir doch hier den visuellen Eindruck sprechen.

Der Haegefjell mit seiner rund 3km breiten und 500m hohen Südwand. Ein super Kletterziel!
Also entschieden wir uns, gleich am ersten Tag dort einen Versuch zu geben. Ob das rückblickend die ideale Entscheidung war, darf man durchaus in Frage stellen, denn das Wetter war selbst für nordische Verhältnisse eher auf der unsicheren Seite. Die grossen Wege sind aber meist über 500 Klettermeter lang und nicht überall ist ein Rückzug einfach möglich. Daher wählten wir eine Tour, wo man gut Abseilen kann und die auch nicht zu den allerlängsten am Berg gehört. Unter diesen Kriterien erschien die Feuervogel (6a+) in der glatten Plattenzone links aussen die beste Wahl. Nachdem ihre Schönheit im lokalen Führer mit zwei von maximal drei Sternen (d.h. "exzellente Route") bewertet wird, sollte es sich auch um eine sehr lohnende Unternehmung handeln.

Durch diesen Plattenschuss führt die Route hoch. Sie verläuft wenig links der Bildmitte, ungefähr ob den Stein, der am Seeufer liegt.
Die Anfahrt erfolgt auf einer 13km langen Schotterstrasse vom Ort Fjone. Nach ein paar Kilometern ist eine Maut von 70 Kronen (ca. 8 Euro) fällig, die man selber in einen Umschlag stecken und in einen Kasten einwerfen muss. Daher also entsprechendes Kleingeld bereithalten. Die Piste führt recht nahe an den Haegefjell heran, an deren Ende beim Parkplatz darf man auch halbwild gegen eine kleine Gebühr zelten. Ausser einem WC und ein, zwei Tischen gibt's hier dafür keine Infrastruktur. Wir machten uns auf den Weg zur auserwählten Route. Dieser führt zuerst noch der nun für den Autoverkehr gesperrten Piste entlang. Wir spähten immer nach dem Pfad, der uns von dieser zur Kletterroute führen würde. Doch den gab es nicht. Weglos hauten wir uns schliesslich durchs Buschwerk und gelangten zu den Einstiegen. Das völlige Fehlen eines Pfades deutete schon darauf hin: hier wird nur höchst selten geklettert!

Eine nächste Schwierigkeit stellt dann das Auffinden des Einstiegs dar. Aufschriften am Fels gibt es keine, die Führen sind alle äusserst spärlich bis gar nicht mit fixem Material ausgerüstet und folgen zum grossen Teil auch nicht eindeutig identifizierbaren Strukturen, sondern sind eher von plattiger Natur. Dann kommt auch noch hinzu, dass der Telemark-Führer von Götz Wiechmann eher nur rudimentäre Handskizzen von beschränktem Detailgrad und Genauigkeit aufweist. Nach einer Weile waren wir jedoch fündig geworden, d.h. ich war mir ziemlich sicher, dass die beiden auf 15m und 30m Höhe zu erspähenden Bohrhaken wohl zum Feuervogel gehören würden. Also rüsteten wir uns aus. Die Sonne drückte immer wieder durch die Wolken und es war auch nicht allzu kalt, doch da ein zügiger Wind ging, montierten wir in weiser Voraussicht dennoch eine lange Unterhose. Diese Entscheidung sollte sich noch gut bezahlt machen - notabene an einem Tag, wo in der fernen Schweiz wiederum Rekordtemperaturen von gegen 40 Grad gemessen wurden. Wenige Minuten nach 12.00 Uhr ging es schliesslich los.

Ein gänzlich unspektakuläres Bild, aber hier geht's los. Mag vielleicht einem weiteren Bewerber beim Lokalisieren des Einstiegs helfen. Wer das Bild in voller Auflösung anschaut, vermag den ersten Bohrhaken zu erkennen. Viel Spass bei der Suche, vor Ort ist's in Realität auch nicht wirklich einfacher!
L1, 45m, 6a: Der erste Test wartet bereits auf dem Weg zum ersten Bohrhaken. Wer hier der Reibung nicht voll vertraut, kommt nicht hoch. Stürzen, aus 8-10m Höhe auf das blockige Gelände am Einstieg, wäre sicherlich eher ungeschmeidig. Auch nachher geht es verpflichtend und mit recht anhaltenden Schwierigkeiten weiter. Zwischen den 3 BH (auf 45m!!!) kann man nichts Vernünftiges legen. Wer hier durchkommt, wird wohl auch den Rest der Route packen.

Tolle Gegend, anspruchsvolle Kletterei und weite Abstände in L1 (6a). Das Bild vermittelt es hoffentlich einigermassen.
L2, 48m, 6a+: Nun steigern sich die nominellen Schwierigkeiten sogar noch. Es handelt sich aber eher um eine kurze und mit 2 BH auch gut abgesicherte Stelle auf Reibung mit kleinen Leisten für die Finger gleich nach dem Stand. Der Rest der Länge beinhaltet dann einfachere Meter einer Schuppe entlang. Stecken tut nix mehr, selber legen geht auch nicht allzu gut.

L3, 47m, 5c+: Vom Stand weg eine Wandstufe (Crux, 2 BH), danach ein paar Schuppen und Zacken entlang. Hier kann man für einmal selber gut 2-3 Sicherungen platzieren. Danach noch einfachere Plattenkletterei bei weiten Hakenabständen.

Kathrin in L3 (5c+). Während Mitteleuropa unter 40 Grad Hitze ächzt, klettern wir hier in der Hardshell...
L4, 50m, 5a: Hier dienen die zwei Haken höchstens noch der Orientierung und der Vermeidung vom allerschlimmsten. Der Fels hier sehr schön, quarzig und strukturiert. Wo man hingegen bei 25m Hakenabstand ganz genau durchklettern soll, bleibt der Phantasie von jedem Begeher überlassen. Klar kommt man überall hoch, im Grad 5a jedoch nur, wenn man den recht verschlungenen, einfachsten Pfad findet. Wer falsch geht, klettert dann halt 15m über der letzten Sicherung plötzlich eine 6a auf Reibung.

L5, 50m, 6a+: Die Wandstufe zu Beginn stellt die Crux dar, Wandkletterei auf Reibung für die Füsse, mit Quarz-Minileisten für die Finger. Mit 2 BH gut abgesichert und für eine freie Begehung auch nicht prohibitiv schwer. Der Rest der Seillänge dann wie gehabt: spärlichste Absicherung auf 5b-Platten, man suche den Weg!

Kathrin schleicht über die 5b-Runouts im oberen Teil von L5 (6a+), hinten der klare Bergsee, den wir auf dem An- und Abmarsch umrundet haben. Ich würde für Zu- und Abstieg eher den Weg von hier aus gesehen rechts um den See empfehlen, obwohl der Führer den Weg von links her vorschlägt. Wegspuren sind auf beiden Seiten keine erkennbar.
L6, 45m, 5b: Zuerst links an der Grasinsel vorbei, dann gerade hinauf. Nach etwa 25m kommt die erste und einzige Zwischensicherung dieser Länge, dazulegen kann man nix. Aber inzwischen ist man sich das ja gewöhnt...

L7, 45m, 5a: Nun warten weitere 45 Klettermeter zum Routenende. Am schwersten ist's gleich zu Beginn, danach lässt's etwas nach. Die im Topo versprochenen 3er-Platten kommen aber definitiv nicht, dafür keine einzige Zwischensicherung (zum Legen gibt's auch nix). Gerade die letzten Meter sind nochmals eher glatt und verlaufen zwischen zwei Nässe-/Dreck-/Schlammstreifen, hier bloss keinen Fehler machen.

Die letzte 50m-Länge (5a) ohne jede Zwischensicherung ist gemeistert und das Top erreicht!
Etwas vor 15.15 Uhr und damit nach gut 3:00 Stunden Kletterei hatten wir das Routenende erreicht. Von einem Ausstieg nach oben trennt einen noch ein überhängender Riegel. Kletterbar wäre er wohl, aber da keine Absicherung vorhanden ist, muss man zwingend den Weg in die Tiefe antreten. Das Abseilen über die glatten Platten verläuft problemlos, so dass wir schon eine halbe Stunde später die 7 Manöver erledigt haben und zurück am Einstieg sind. Da der Zustieg (nach Empfehlung des Führers) ja sowieso weglos und auch etwas mühsam war, probieren wir es im Abstieg rechts (d.h. westwärts) um den kleinen See herum. Das funktioniert tatsächlich etwas besser. Bald sind wir zurück auf der Piste und laufen retour zum Parkplatz.

Verzinkte Anker und Inox-Laschen im Granit = am falschen Ort gespart. Leider präsentiert sich ein grosser Teil der Zwischenhaken in dieser Route, ja in ganz Nissedal bzw. ebenso in Setesdal in diesem Zustand. Die grosse Sünde der 90er-Jahre... aktuell ist das gerade noch zu verantworten, doch in Zukunft müssen diese Routen gewartet werden, damit sie noch sicher begangen werden können. Wer erledigt diese Herkulesarbeit, die viel Geld und Aufwand kostet, aber keinen Ruhm und Ehre einbringt?
Bleibt noch, das Fazit zu ziehen. Die Plattenkletterei war lässig gewesen, der Fels ist hier sauber, praktisch ohne Flechten und Gebrösmel. Über recht weite Strecken klettert man an schönen Quarzstrukturen, das ist wirklich prima. Naturgegeben bietet die Route nicht besonders viel Abwechslung, aber das ist im Angesicht dieses riesigen Plattenschusses schon von Weitem so erkennbar. Die zwei von drei Sterne im lokalen Führer sind sicher eher grosszügig bemessen, die Zwei-Sterne-Tour Sunset Boulevard die wir später kletterten, fand ich jedenfalls deutlich spektakulärer und besser.

An den Standplätzen steckt zum Glück immer mindestens einer (meist sogar zwei) gute Inox-Haken. Offenbar kam hier nach der Erstbegehung nochmals jemand mit der Borhmaschine vorbei. Die Fixe-Inox-Plättli mit dem neuen Bächli-Logo (Bergsportladen in der Schweiz) gab es nämlich zu Zeiten der Erstbegehung im 1992 ganz sicher noch nicht. Die waren ca. 2009 aktuell, in der Hanimoon hatte ich auch dieses Fabrikat verwendet.
Am meisten zu denken gibt mir hingegen die Absicherung. Im Führer reicht die Skala von A (Klettergarten) bis D (Harakiri) und die Feuervogel ist mit A+ bewertet, damit sollte es eine der am besten abgesicherten Routen am Haegefjell sein. Auf den jeweils rund 50m langen Seillängen stecken 3/2/4/2/4/1/0 Zwischenhaken, Möglichkeiten zum Dazulegen gibt es so gut wie keine. Unter guter Absicherung verstehe ich definitiv etwas anderes! Natürlich, ich bin hochgekommen und passiert ist auch nichts. Ehrlich gesagt musste ich mich auch kein einziges Mal fürchten. Wenn ich an den Wendenstöcken oder schon nur bei anspruchsvoller Sportkletterei in überhängendem Gelände über der letzten Sicherung vor einer fordernden Stelle stehe, so flattert mir das Herz viel, viel mehr. Doch letzteres ist eine beinahe zu 100% ungefährliche Herausforderung, einfache Plattenkletterei gleich Dutzende Meter über der letzten Sicherung hingegen... naja, hier besteht dann eben so gut wie keine Marge mehr. Zu berücksichtigen ist auch noch, dass es an dieser Wand im Hinterland keinen Handy-Empfang gibt, und man kaum auf eine (schnelle) Bergung zählen kann.

Facts

Haegefjell - Feuervogel 6a+ (6a+ obl.) - 7 SL, 335m - Wiechmann/Fischer 1992 - ***, x-xx
Material: 2x50m-Seile, 6 Express, Camalots 0.3-0.75, Keile kaum einsetzbar

Plattenkletterei über schönen, sauberen Fels mit vielen, quarzigen Strukturen. Die Route bietet nicht allzu viel Abwechslung und offeriert über weiteste Strecken Schwierigkeiten im Bereich 5b/5c. Schwerer als das sind nur ein paar kurze Passagen, die dann auch vernünftig mit Bohrhaken abgesichert sind. Im einfacheren Gelände muss man jedoch sehr weite Abstände vergegenwärtigen, hier sind definitiv lebensgefährliche Stürze möglich, falls man einmal ausrutschen sollte. Möglichkeiten zum Selberlegen gibt es nur ganz wenige, ein kleines Friendset ist trotzdem ratsam.

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