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Donnerstag, 27. August 2015

Wendenstöcke - Zambo (6b+, 9 SL, Erstbegehung)

Eine Linie an den Wendenstöcken zu erschliessen, sozusagen am heiligen Gral des alpinen Sportkletterns in der Schweiz, davon hatte ich schon längere Zeit geträumt! Nachdem die Kletterei ebendort aber vor allem mit den Attributen steil, schwierig und lang zu beschreiben ist und viele der zugänglichen Linien bereits eingerichtet sind, musste die Sache eine gewisse Zeit reifen. Doch nach insgesamt 28 gekletterten Linien am Massiv und der Begehung von Tsunami war der Entscheid gefallen. Links vom einfachsten Wenden-Klassiker Spasspartout war Platz für eine weitere Linie von ähnlichem Charakter: zugängliche Schwierigkeit, wenig ernsthaftes Ambiente in schöner Hochgebirgslandschaft und schöne Kletterei in rauem Fels mit hervorragender Reibung wird einem geboten - das müsste den Aufwand wert sein!

Ambiente an den Wendenstöcken, hier am Einstieg von Zambo. Die Steinböcke sind nie weit weg...
Hier wollte ich es also probieren und so zog ich bereits wenige Tage später in Begleitung von Sepp mit schwerem Gepäck zum Vorbau am Reissend Nollen hinauf. Wo es losgehen sollte war bald klar und auch die angetroffenen Schwierigkeiten waren wie erwartet im unteren sechsten Franzosengrad anzusiedeln. So ergab sich schon am ersten Bohrtag ein schöner Fortschritt und 3.5 Seillängen waren bereits eingerichtet. Die nächste Gelegenheit ergab sich am Tag, als ich mit Dani den Batman beging. Die Bohrausrüstung kam mit dem Argument ins Gepäck, dass bei einem Scheitern eine sinnvolle Alternative bereitstünde und man den Weg nicht vergebens gemacht hätte. Da die Begehung erfolgreich war, mussten wir nicht zur Alternative greifen. Doch nachdem noch etwas Zeit und Tageslicht übrig blieb, konnte ich den wesentlichen Teil von L7 einbohren, während Dani seinen Vesper beim Sichern in der Abendsonne genoss.

Obwohl top motiviert für die Fertigstellung der Route, ergab sich mit unserem herbstlichen Kalymnos-Aufenthalt im 2014 keine Gelegenheit mehr für die Fertigstellung der Linie. Ein zu frühes Angreifen im Frühjahr macht an den Wenden meist wenig Sinn, und mit den Sommerferien wurde es schliesslich Ende August 2015, bis der nächste Angriff erfolgen konnte. Ich konnte Kathrin fürs Mitkommen gewinnen. Die Taktik bestand darin, an einem langen Tag die noch ausstehenden Seillängen einzurichten und auch gleich die ganze Route rotpunkt zu klettern. Nachdem die ganz schweren Passagen in Zambo ausbleiben und wir mit Effizienz und Routine unterwegs waren, ging dieser Plan schliesslich auf. Bereits um 15.30 Uhr waren wir beide am Top angelangt und konnten uns ins Routenbuch am Ende von Spasspartout eintragen - natürlich von Freude und Stolz über die gelungene Wenden-Erstbegehung erfüllt.

...selbst dann, wenn man schon hoch oben in der Route ist. Aber sie können's ohne Seil!
Der Zustieg zum Vorbau am Reissend Nollen beginnt wie üblich bei der Wendenalp. Man marschiert mitten durch die Hütten hindurch, um nach einem kurzen, weglosen Stück den bereits vom Parkplatz sichtbaren Pfad zu gewinnen, welcher dem Hang entlang ins Tal hineinführt. Man folgt diesem ca. 25 Minuten lang bis man senkrecht unter den Wänden des Reissend Nollen steht. Hier darf man den Pfad nicht verpassen, der zu den Einstiegen hinaufführt. Dessen Beginn ist unmittelbar vor einer tiefen Bachrinne, welche bis weit in den Sommer hinein mit Schnee gefüllt ist. Meist befindet sich auch ein Steinmann am Beginn des Pfads. Hat man den Beginn gefunden, so folgt man dem Weglein ohne Schwierigkeiten bis unters Biwak hinauf, welches sich am Fuss der Vorbau-Felsen befindet. Die Felsplatten, die von dort bis zum eigentlichen Einstieg hinauf noch warten, sehen von weiten etwas abschreckend aus. Nachdem sie jedoch sehr schöne Terrassen aufweisen, ist eine Begehung dann dennoch völlig problemlos. Diagonal ansteigend erreicht man das breite Band am Wandfuss. Diesem folgt man noch etwas nach links, kommt am markierten Einstieg der Spasspartout vorbei, von wo es noch 15m bis zum Einstieg von Zambo sind. Eine Schlinge und eine Filzstift-Aufschrift markieren den Start, von der Wendenalp sind ca. 60 Minuten für die 550hm Zustieg zu rechnen.

L1, 35m, 5c: Gemütlicher Auftakt in geneigtem Fels mit plattiger Kletterei, ideal zum Aufwärmen. Dort wo es etwas steiler und kniffliger wird, helfen ein paar ideale Löcher über den Aufschwung hinweg.

Gemütliche Kletterei, ideal zum Aufwärmen, in L1 (5c).
L2, 35m, 6a: Nach noch nicht allzu schwerem Auftakt wartet bald Wenden-Kletterei at its best. Wasserrillige Platten mit Löchern und Leisten, eine Querung nach rechts und wieder nach links zurück an einer Sanduhr vorbei zu einem griffigen Finale mit wasserrilligen Strukturen.

Schöner Fels und genussreiche Waserrillen am Ende von L2 (6a).
L3, 35m, 6b: Die Steilzone nach dem Stand wird dank griffigen Leisten ohne allzu grosse Schwierigkeiten überwunden. Im Mittelteil wartet eher steilplattige Kletterei mit stehtechnischen Herausforderungen. Am Ende folgt nach einer weiteren, griffigen Steilzone noch die Crux mit einem kniffligen Aufsteher auf die Platte danach - falls nötig mit 1 p.a. zu entschärfen.

Kathrin gerade in der kniffligen Crux mit einem Mantle auf die Steilplatte am Ende von L3 (6b)
L4, 30m, 6a+: Super Steilplatten-Kletterei an schönen Leisten und ein paar Tropfloch-Griffen im ersten Teil der Länge. Nach ein paar guten Henkeln geht's links hinaus um die Ecke auf ein Band, und über eine kurze Verschneidungsstelle zum nächsten Stand.

Yours truly at work in L4 (6a+). Dank den für mich moderaten Schwierigkeiten war auch das Einbohren im Vorstieg Genuss!
L5, 30m, 6b+: Prima Plattenkletterei in rauhem Fels führt zu einem ersten Wändchen. Da hat es ein paar gute Griffe, kein Problem. Der nächste Überhang ist dann schon kniffliger. Oberhalb warten vorerst nur zwei Sloper und die Füsse über die Dachlippe hochzubringen ist nicht so einfach - notfalls hilft der Griff zum BH. Danach griffig hinauf und schliesslich nach links zum Stand - die ebenfalls sichtbare Kette von Spasspartout rechts oben wäre dann die falsche Adresse.

In einer super Position klettert man die bouldrige Crux von L5 (6b+) am hellgrauen Riffelfels.
L6, 50m, 5a: Nun befindet man sich an der Stelle, wo man beim Zustieg zu den oberen Wänden mit Routen wie Tsunami, Caminando und Millenium vorbeikommt. Da geht man dieses Teilstück seilfrei und bedient sich an einer Stelle einem Fixseil. Ich habe schliesslich entschieden, diesen Abschnitt im schönen Wasserrillen-Fels linkerhand vom Fixseil einzurichten. Davor und danach geht's etwas übers gut begehbare Gras. Achtung, den Nachsteiger-BH nach dem Felsriegel am Ende der Schwierigkeiten vor der Rechtsquerung unbedingt einhängen!

Kurz etwas gut begehbares Gras, aber auch schöner Fels in L6 (5a) - tut der Route keinen Abbruch.
L7, 30m, 6b: Geniale Seillängen an seichten Wasserrillen in Premium-Fels. Von unten sieht's nicht so schwer aus, einmal mittendrin ist's dann doch kniffliger wie gedacht. Allen die es bisher geklettert haben, ging es auf jeden Fall so! Der Stand dann bei einer kleinen Grotte am Fuss des nächsten Aufschwungs.

Ausblick auf den tollen Fels, der in L7 (6b) auf den Kletterer wartet.
L8, 40m, 6b+: Herausragend schöne Steilplatten-Kletterei an vorzüglichem Fels. Die technische Schlüsselstelle folgt nach dem dritten BH: planen, hinstehen und an rau-sloprigen Seitgriffen durchziehen, es geht! Im schlimmsten Fall lässt sich auch diese letzte Crux mit Griff zum Haken entschärfen - aber wer will das schon ;-) Danach in Premium-Fels geradeaus weiter, bis es einen automatisch nach rechts drängt, dort Stand.

Kathrin unterwegs in der sehr schönen L8 (6b+). Hier fotografiert vom Top, der Autor hat dabei L8 & L9 am Stück geklettert. Das ist aber nicht zu empfehlen, 50m-Seile sind zu kurz, im letzten Abschnitt droht Seilzug, die Kommunikation ist wegen dem zurückversetzen Ausstiegsstand abgeschnitten und ein tolles Motiv für schöne Fotos verpasst man auch.
L9, 20m, 5b: Das letzte Teilstück bewältigt man gemeinsam mit Spasspartout in schöner Kletterei über Wasserrillen und einen Aufschwung. Die eigenständige Linie ganz gerade hoch wäre an seichten Wasserrillen zuerst richtig und unhomogen schwer und dann etwas unschön gewesen. Der Ausstiegsstand besteht nur aus einer (dicken) Sanduhr, Bohrhaken gibt's hier nur fürs Wandbuch, zum Sichern sind sie nicht nutzbar.

Auf den letzten Metern, gemeinsam mit Spasspartout, auch hier sehr schöne Kletterei: L9 (5b).
Der Weg zurück zum Einstieg erfolgt durch Abseilen. Vom Top reicht's mit einem 50m-Abseiler gerade zum vorletzten Stand. Nachdem man einen weiteren Stand von Zambo benützt hat, seilt man im unteren Wandteil bequemer über Spasspartout ab. Deren Kettenstände liegen so ideal, dass man diesen Part in drei gestreckten 50m-Manövern bewältigt. Falls nötig, so kommt man auch über Zambo problemlos und in gerader Linie retour zum Einstieg, jedoch ist hier ein Abseilmanöver mehr fällig. Je nach Gegenverkehr kann das aber trotzdem die zu bevorzugende Alternative sein. Während sich Kathrin vom Einstieg umgehend an den Rückmarsch machte, erledigte ich noch die Büroarbeit mit einem Eintrag im Biwakbuch. Somit ist die Route nun bereit und freigegeben für Wiederholer. Ich hoffe, ihr geniesst die Wenden-Atmosphäre und die Kletterei auch so sehr wie ich! Und denkt dran, die Bewertungen stellen einen Vorschlag dar - dieser ist nach bestem Wissen und Gewissen so objektiv wie möglich erfolgt. Wer irgendwo einen anderen Vorschlag hat, ist gerne eingeladen seine Meinung mit dem nötigen Respekt zu teilen.

Facts

Wendenstöcke - Zambo 6b+ (6a obl.) - 9 SL, 305m - M. Dettling et al. 2015
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, evtl. Camalots 0.3-0.5

Genussreiche Wenden-Kletterei in meist sehr gutem, rauem Fels mit wenig ernsthaftem Ambiente. Die technisch fordernde Steilplatten-Kletterei spielt sich homogen in Schwierigkeiten um 6a/6a+ ab. Drei kurze, knifflige Stellen geben der Route zusätzliche Würze, sind jedoch nicht obligatorisch zu klettern. Die Absicherung mit soliden Inox-Bohrhaken ist so gestaltet, dass sämtliche Schlüsselpassagen bestens abgesichert sind. An einfacheren Stellen muss wie im Gebiet üblich auch einmal etwas über die Haken gestiegen werden, es bleibt jedoch alles im grünen Bereich. In punkto Schönheit und Kletterei ist Zambo bei etwas höheren Schwierigkeiten mit der benachbarten Spasspartout vergleichbar. Eine Wenden-Kingline à la Blaue Lagune oder Caminando stellt die Route (wie alle Touren am Vorbau!) natürlich nicht dar - trotzdem ist's im Vergleich zu vielen anderen Gebieten sicherlich ein lohnender Kletterausflug.

Topo

Das komplette Topo steht als PDF-Dokument zum Download zur Verfügung. Falls irgendeine Angabe noch fehlt oder sonst etwas nicht stimmig ist, dann bitte ich um eine Mitteilung.



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4 Kommentare:

  1. Zambo hat inzwischen schon diverse Wiederholungen erfahren. Hier der Link zu einem Bericht von südlich der Alpen wohnhaften Kletterern. Er ist auf italienisch, erwähnenswert sind aber die anmächeligen Bilder und das Topo, welches von meiner Einschätzung unabhängige Bewertungen auflistet:

    https://fraclimb.wordpress.com/2015/09/23/wendenstocke-zambo-berna/

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  2. Hallo Marcel.
    Hatte letzte Woche das Vergnügen mit einer Kollegin die Zambo zu klettern.
    Hier nochmals ein grosses Merci für deinen unermüdlichen Einsatz.
    V.a. die SL ab dem Band fand ich wirklich sehr toll.
    Bewertungen haben für uns grösstenteils gepasst. Für SL3 könnte man evtl auch das + geben. SL8 für kleine evtl auch 6c, da Tritt und Griff sehr hoch.

    SL 5 empfanden wir jedoch als viel schwerer. Wir haben jedenfalls beide auch nach mehreren Versuchen keine frei kletterbare Lösung gefunden. Eher 7b+ als 6b+? :).. was haben wir da nicht gesehen?? Weicht man stark über rechts aus?
    Rest der Route ging gut OS.

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    1. Hallo Adi,

      Freut mich zu hören!

      Ja, die Einschätzungen der drei schwersten Kletterstellen eben in L3, L5 und L8 sind nicht ganz einfach und haben schon zu diversen Diskussionen Anlass gegeben. In L3 hat von denen, mit welchen ich diskutiert habe, noch niemand die für mich einfachste Lösung gefunden (die +/- direkt über den Haken geht, aufs Internet schreiben mag ich sie aber nicht).

      In L5 habe ich auch schon gehört, dass für kleiner Gewachsene die Stelle viel schwerer sei wie für mich. Allerdings bin auch ich zu klein, um vom Balkon an die nächsten, vernünftigen Griffe hochzugreifen. So musste auch ich bouldrig in die Trickkiste greifen. Ich dachte mir, dass dieser Ansatz unabhängig von der Körpergrösse replizierbar sein sollte. Ist aber natürlich immer sehr schwer zu beurteilen. Grossräumig rechts rum soll angeblich möglich und gut gangbar sein - habe das nie gemacht oder in Erwägung gezogen.

      Von L8 habe ich ähnliches Feedback auch schon erhalten - gut möglich also. Für mich ist diese Stelle aber ruckzuck erledigt und wirklich nicht so schwer.

      An alle, welche die Route noch nicht kennen: diese 3 Stellen befinden sich alle unmittelbar bei einem BH und können notfalls auch A0 bewältigt werden.

      Beste Grüsse, Marcel

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    2. Merci für die prompte Antwort.
      Klar, Erstbegehungen bewerten ist unglaublich schwierig.. und zu wissen wie es sich für jemand anders anfühlt ist sowieso unmöglich. Bisher haben die Grade für mich eigentlich immer super gepasst.
      In L5 habe ich es auch mit der bouldrigen Lösung versucht. Richtig cooler und MSL-untypischer Move. Konnte es dann aber leider knapp nicht auflösen. Kann natürlich sein, dass der Sloper bei kühleren Temperaturen besser hält oder ich mich einfach zu blöd angestellt habe.
      Dass du nicht rechts rum ausgewichen bist, hatte ich anhand der BH-Position schon vermutet.

      Wünsche dir noch einen tollen Herbst mit vielen spannenden Touren (von denen ich dann lesen und etwas träumen kann :))
      Liebe Grüsse

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