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Mittwoch, 28. Oktober 2015

Kalymnos 2015 - Teil 2

Bereits in einem ersten Teil hatte ich von unseren traditionellen Herbst-Kletterferien der Ausgabe 2015 auf Kalymnos berichtet. Hier geht es mit dem zweiten Teil weiter. Wie gewohnt werden einige Sektoren vorgestellt und die gekletterten Routen charakterisiert, zum Schluss wird ein Fazit gezogen.

North Cape

Die Wände am North Cape sind schon von Masouri aus gut sichtbar, und auch vom Sektor Odyssey wandern die Blicke immer wieder dort rüber. Trotzdem wird hier nur relativ wenig geklettert, was wohl vor allem an der sonnigen Lage liegt. Das ergibt in der Hauptsaison halt nur einen kurzen Klettertag, was die Sache weniger attraktiv macht. Weil beim Aufstehen der Himmel jedoch für einmal bewölkt war, wählten wir diesen uns noch beinahe unbekannten Fels. Man traue jedoch nie den griechischen Wolken, natürlich ging es nicht lange, bis diese sich verzogen und der Sonne Platz gemacht hatten. So suchten wir bald die letzten Schattenflecken in der oberen Grotte und verzogen uns schliesslich in die Gelateria, bzw. später ans Meer.

Tochter und Sohn machten zusammen wohl gute 50 Toprope-"Versuche" in der Nirvana (7c). Aber es ging nicht um den Punkt in der 7c, sonderen um den coolen und hier absolut ungefährlichen King-Swing beim Rausfallen auf den ersten Metern. Aber es ist für die Älteren auch kein schlechter Platz um einfach ein bisschen zu sein und zu beobachten.
Der Auftakt erfolgte gleich mit der Partiro (7a+, ***). Steiler Beginn mit strengen Zügen an scharfen Crimpern. Das Gelände flacht dann graduell ab, im oberen Teil ist die Kletterei genüsslich an scharfen Chickenheads. Von ähnlichem Charakter ist auch die benachbarte Orca (7b+, ***). Sofern man die kleinen Crimper gut halten kann, liegt die Schärfe des Gestein gerade noch im Rahmen von dem, was man als "nicht unangenehm" bezeichnen wird. Nun ging es in der oberen Grotte weiter. Nirvana (7c, ****) bietet überaus steile, sehr athletische Tufa-Kletterei an fast durchgehend optimalen Henkeln. Doch gerade die 3 letzten Griffe zu Umlenker hin sind leider etwas kleiner ausgefallen... so wurde aus dem angepeilten Onsight leider nichts. Mit frischen Kräften und etwas Glück hätte es reichen können, im Flash womöglich auch, so wurde es dann halt eine Begehung im Second Go, aber auch eine etwas vertane Chance. Zum Abschluss kletterten wird dann auf dem Rückweg noch die lässige, steile Henkelei von Sposi (6c, ***), die sich neben der unteren Grotte mit der 8c+-Route Inshallah befindet.

Arginonta

Die Felsen von Arginonta erfreuen sich einer sehr grossen Beliebtheit. Warum dem so ist, ist mir nicht restlos klar. Natürlich sprechen der relativ kurze Zustieg und die tollen, gut abgesicherten und homogenen Routen im 6ab-Bereich für sich, doch anderswo auf der Insel gibt's die auch. In den oberen Graden ist das Angebot etwas schmaler, aber die eine oder andere sehr lohnende Kletterei im siebten Franzosengrad gibt es auch. Unser Plan war, dass sich Kathrin eine Begehung von unserer Kreation Xaveri (7b) krallt, während ich mich gleich nebenan in der Pandora (7c+ bis 8a+) versuchen würde. Doch "man plans, god laughs" - es wurde wieder einmal nichts daraus, da wir uns an diesem Tag nicht auf der Höhe der Aufgabe befanden.

Kurze Klettersteig-Einlage beim Zustieg zum Sektor Arginonta. Die Tochter kam danach (absolut selbständig, ehrlich!) auf die ausgesprochen gute Idee, die Passage komplett ohne die Eisenbügel zu Klettern. Nachdem es gelungen war, konnte der Sohnemann diese Schmach natürlich nicht auf sich sitzen lassen und musste auch noch die freie Passage meistern. So dauert es mit den Kindern halt meist etwas, bis man am Fels angelangt und kletterbereit ist...
...dementsprechend betreiben wir dann später Schattenjagd, um nochmals eine Route ohne sengende Sonne zu klettern.
Zum Aufwärmen wählte ich die Lysistrati (7a+, ***) am rechten Rand der oberen Grotte. Steile, gutgriffige Sinter zuerst, eine knifflige Stelle die Übersicht erfordert um ins weniger steile Gelände zu kommen und eine Abschlusswand, die höchstens sehr entkräftete Aspiranten noch abzuwerfen vermag. Dann also in die Pandora (7c+, **). Im Neutourenblatt wurde diese noch mit 8a+ bewertet, im 2015er-Führer noch mit 7c+ und anscheinend war sogar 7c als Bewertungsvorschlag im Gespräch. Das wirft bei mir allerdings schon einige Fragezeichen auf! Nach einem relativ kurzen, aber schon streng-athletischen Einstiegsbereich wartet die kleingriffige Crux praktisch ohne Füsse im Steilgelände. Hier war ich chancenlos, die 3-4 Cruxmoves auch schon nur einzeln durchzuführen. Das passiert mir im 7c-Bereich doch eher selten (bzw. auf Kalymnos gar nicht) und die nun abgedruckte Bewertung scheint mir im lokalen Kontext unpassend. Klar, es ist auch nicht mein wirklich bevorzugtes Gelände, aber ich würde da sicherlich mindestens eine 8a vergeben. Das Alternativprogramm bestand aus der Remy-Route Motörhead (7b, ***), welche in einer etwas anderen Neigung daherkommt, wie ihr Counterpart am Eldorado. Bouldriger Start mit ein paar zähen Zügen, die Blockier- und Fingerkraft erfordern, oben raus dann etwas einfachere Kletterei, erst an Löchern, dann an einem grossen Tufa. Vorsicht auf die mässig soliden Schuppen am Ende von diesem Sinter! Den allerletzten Schatten nützten wir noch für eine Begehung von Sex in the City (7a, ***). Die ersten 10m bieten leicht überhängende Wandkletterei an scharfem Crimps, danach folgt Schaulaufen im 6a-Gelände.

The Beach

Ein Ausflug auf die Nordseite der Insel in die Gegend von Palionisos durfte nicht fehlen. Wegen dem befürchteten Grossandrang und der Tatsache, dass ich dort nicht mehr allzu viele Routen offen hatte, verzichteten wir auf den Secret Garden, den Topsektor dieser Gegend und gaben stattdessen dem Beach den Vorzug, auch da wir diesen noch nie besucht hatten. Er liegt zwar erst am Nachmittag im Schatten, doch dachte ich mir, dass man hier, unmittelbar am Meer, auch in der Vormittagssonne gut würde klettern können. Nun ja, klettern konnte man schon, es war aber (fürs schwere Klettern zu) warm. Nachmittags herrschten dann hingegen gute Bedingungen und die Wartezeit kann hier sehr gut mit einem Bad in der malerisch gelegenen Bucht verbunden werden. Obwohl es am Beach nicht allzu viele Routen gibt, so sind es doch in jedem Grad von 5b-7c in idealer Abstufung ein paar Projekte, so dass man hier sicherlich einen ausgefüllten Klettertag verbringen kann. Der Zustieg braucht übrigens rund 20 Minuten und ist ähnlich lang wie zum Secret Garden, der Einstiegsbereich durchaus sehr kinderfreundlich, zumindest solange diese alt genug sind, damit sie sich vom im hinteren Teil des Sektors steil abfallenden Gelände zum Wasser hin fernhalten.

Zustieg an den Beach-Sektor durchs Heidegelände, auf dem Heimweg geht's dann 200hm bergauf.
Hier ist er... um die relativ unscheinbare, aber doch fast 30m hohe Wand links am Ufer geht es.
Die Blaue Lagune gibt's nicht nur an den Wendenstöcken, sondern auch hier auf Kalymnos!
Gestartet wurde an diesem Tag mit der Where Are my Bolts? (6b+, **). Sollte man vielleicht eher Where Are my Holds? taufen, denn eine Passage fand ich jetzt für diesen Grad doch ordentlich griffarm. Der Rest dieser eher kurzen Route ist hingegen deutlich einfacher. Die Toproute in diesem Sektor ist die Elizabeth (7b, ***). Der knifflige Boulderstart löst sich am besten mit einem Heel Hook auf, es folgt schöne Kletterei an Tufas und Löchern. Nach einer einfacheren Platte und einem No-Hand-Rest wartet die finale, überhängende Wand, wo athletische Züge an guten und weniger guten Griffen gefragt sind. Die benachbarte Apollo's Miracle (7b+, **) fängt ganz tief in der Grotte bei einem Geissen-Gerippe an. Die Schwierigkeit dieser stark überhängenden Kletterei in Bodennähe hängt stark davon ab, ob man die Füsse auf dem der Wand vorgelagerten Block platziert oder nicht. Wenn's denn wirklich ohne gedacht sein sollte, so ist's nicht nur für eine kalymnische 7b+ ordentlich hart. Hat man diesen steilen Teil gemeistert, folgt einfache Kletterei im 6a-Bereich, bis die Abschlusswand auch nochmals ein paar harte Züge verlangt. Ziemlich inhomogene Route also. Weiter ging es mit One Year (6c+, ***), einer schönen Route, wo die Hauptschwierigkeit an einem Steilwulst gegen das Ende hin folgt - athletische Züge an scharfem Fels. Nachdem das Family Business (5b, ***) erledigt war - die Tochter stieg in ihrer unbekümmert-kindlichen "wo ist denn hier das Problem"-Manier frei nach :-o - folgte zum Abschluss noch der dauerbesetzte Material Man (7a+, ***). Eigentlich eine gemütliche 6b-Kletterei bis zum letzten Wulst, dort waren alle die anderen Kletterer immer und immer wieder gescheitert, und tatsächlich muss man sich dort noch gescheit festhalten - weite Züge an nicht mehr so guten Leisten warten.

Palace

An unserem letzten Tag war es beim Zmorge wieder bewölkt, dieses Mal hätte man fast schon sagen können stark. Da unser Flug erst spät am Abend ging, blieb uns noch der volle Tag zur Verfügung. Wir entschieden uns nochmals für einen wenig besuchten und uns unbekannten Sektor, welcher zudem auch mit einem kurzen Zustieg aufwarten sollte. Dies war der oberhalb von Skalia gelegene Palace, genauer der Subsektor mit dem Namen Baby House. Während es auf der Anfahrt doch tatsächlich sogar ein paar wenige Tropfen gab, war die Bewölkung aber wie gehabt nicht sonderlich langlebig. Bald kam die Sonne hervor und heizte wieder ordentlich ein. Da hatten wir auch ein wenig Glück, dass die Führerangabe mit Sonne ab 11.30 Uhr hier nicht wirklich stimmig ist. Meine letzte Route, die Zocchi, konnte ich auch um 14.30 Uhr noch im Schatten abschliessen. Der Sektor Baby House bietet durchaus einige nette Klettereien, grossen Andrang gibt's hier nicht und das terrassierte Gelände mit ein paar Höhlen am Wandfuss bietet wirklich perfekte Spielmöglichkeiten für die Kinder. Dafür aber sucht man die ganz grossen Tufa-Linien hier vergeblich. Trotzdem hatten wir uns auch klettermässig gut unterhalten.

Ein bewölkter Himmel auf Kalymnos, für mich eine Szenerie mit absolutem Seltenheitswert. Das gab es in den rund 60 Tagen, die ich bisher auf der Insel verbracht habe, noch keine handvoll Mal. Das Meer dafür spiegelglatt, das ist dann auch entsprechend selten. Bei klarem Himmel geht meist der typische NW-Wind und bewegt das Wasser. Die Kinder konnten die perfekten Verhältnisse im Salzwasser sogar noch nutzen, um eine neue persönliche Bestleistung im Freischwimmen aufzustellen.
Den Auftakt machte ich mit der Remy-Route Ifaistos (7a, ***). Sie bietet Tropflochkletterei mit stellenweise auch etwas grösseren Hakenabständen, es wirkte auf mich fast etwas alpin, sagen wir mal wie in der Lancelot an den Wenden (obwohl dort die Abstände noch viel grösser sind, und auch ein härterer Bewertungsmassstab angewandt wurde). Als nächstes war die Totta (7a+, ***) dran, eine sehr schöne Route mit einer kniffligen finalen Crux, wo man ein paar Sloper bedienen muss. Die Erstbegehung erfolgte durch den bekannten Höhenbergsteiger Simone Moro zusammen mit dem legendären Manolo Zanolla, das ist doch auch mal was! Leider setzen diese beiden nur verzinkte Spits, für Kalymnos ziemlich untaugliches Material, welches aber in diesem tropflochigen Gestein erstaunlicherweise noch recht gut im Schuss ist. Meine Versuche in der Martina (7b+, **) waren leider von keinem Erfolg gekrönt. Der grösste Teil der Route ist gut machbar, eine zentrale Passage ist sehr steil und trittarm. Die Finger steckt man dort in ein paar enge Schlitze und verklemmt sie, de fakto also Rissklettern. Fingerlocks an schlechten Tritten, sowas mag ich gar nicht, ziemlich sicher ist das noch eine rechte Portion schmerzhafter, wenn man 80kg statt nur 50 oder 60kg wiegt. Zudem floss aus ein paar über die Woche erworbenen Schrammen an den Händen sogleich das Blut, auf diese Weise war hier definitiv kein Punkt zu holen. Als letzte Kalymnos-Route im 2015 kletterte ich dann die Zocchi (7b, ***). Erst noch gemässigt an schönen Leisten, zieht's dann zum Stand hin arg an und es will an rattenscharfen, kleinen Tropflochleisten geriegelt werden, sowas liebe ich hingegen. Mich hat diese Route sehr an die kürzlich begangene Jednicka an den Wendenstöcken erinnert - nur dass man hier mit 3x kräftig moven bereits beim Umlenker angelangt war.

Fazit

Damit war der Kletterpart unseres Aufenthalts abgeschlossen. Es reichte noch für ein gemütliches, letztes Glacé, die tägliche Töff-Runde, ein angenehmes Bad im Meer, bevor es dann auf die Fähre ging. Mit dieser hatten wir bisher immer gute Erfahrungen gemacht, doch nun tauchte sie einfach nicht auf. Statt um 18.30 Uhr fuhr sie schliesslich erst um 19.15 Uhr, somit im Prinzip noch früh genug, um ob dem auf 20.55 Uhr geplanten Rückflug nicht in Panik zu geraten. Die frühere Fähre um 17.00 Uhr zu wählen hätte übrigens in diesem Fall auch nichts gebracht, weil diese offenbar komplett ausgefallen war. Nun denn, von Mastichari ging's sofort per Taxi zum Flughafen. Es war zwar erst 19.50 Uhr, als wir da waren, doch wir wurden schon erwartet! Rasch eingecheckt, das Gepäck aufs Band und rein in den Flieger. Um 20.10 Uhr waren wir bereits in der Luft, 45 Minuten früher als geplant! Der leer angekommene (letzter Charter-Rückflug der Saison) und weniger als halb gefüllte Flieger sowie die Tatsache, dass alle angemeldeten Passagiere an Bord waren, machte es möglich. Ferien- und familientechnisch war die Reise ein grosser Erfolg und ein grosses Vergnügen gewesen und ich wage es jetzt schon zu behaupten, dass dies nicht unser letzter Besuch war. Man merkt es ganz gut daran, wenn kaum daheim von "nächstes Jahr in Kalymnos mache ich dann, dies, jenes, das..." gesprochen wird. Rein klettertechnisch blieben für mich die ganz grossen Erfolge aus, auch wenn sich immer noch ein ansehnliches Set von gepunkteten Routen ergab:

1x 7c, 3x 7b+, 7x 7b, 8x 7a+, 4x 7a und 5x <7a

Die Gründe, warum die Ausbeute auch schon besser war sind dreifaltig. Einerseits habe ich die Lowest Hanging Fruits nach 6 Besuchen trotz der grossen Auswahl auf Kalymnos bereits mehr oder weniger gepflückt. Somit muss man entweder darauf hoffen, dass neue Früchte nachwachsen, oder dann eben entsprechend wachsen, damit man auch die höher hängenden erwischt - was natürlich in meinem Alter nicht mehr so schnell vonstatten geht. Zweitens habe ich bewusst aufs Arbeiten an Projekten verzichtet und bin bevorzugt in Routen eingestiegen, wo ich einen raschen Erfolg feiern konnte. Das entsprach unserer Planung mehr, und vor allem gibt es diesem Möglichkeit um im 7ab-Bereich greedy zu onsighten in der näheren Umgebung von meinem Zuhause nicht mehr - dort kann (bzw. muss) ich eh an schwerern Projekten arbeiten. Sowieso versuche ich für mich schwere Projekte lieber an Felsen, wo ich oft vorbeikomme. Das mindert den Druck, endlich zum Erfolg zu kommen ganz massiv, und macht das Rotpunkt-Projektieren viel angenehmer als in einwöchigen Ferien. Der dritte Grund liegt natürlich daran, dass wir als Familie unterwegs und mit den Kindern am Fels waren. Das beeinflusste Gebietswahl und Taktik, es blieb weniger Zeit als in früheren Jahren zum Klettern, zwischendurch wollten inzwischen auch die Kinder Hand anlegen und auch der Fokus aufs Routen punkten war weniger ausgeprägt als sonst (auch wenn auf diesem Kletterblog natürlich vor allem darüber berichtet wird, ist ja nicht ein Familienblog). Das vorrangige Ziel beim Projekt Kalymnos 2015 war es, dass am Schluss alle zufrieden und happy sind - das gelang vollends und dies wiegt auch eine gepunktete 7c mehr oder weniger mehr als auf.

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Kalymnos 2015 - Teil 1

Schon beinahe traditionell gab es auch dieses Jahr wieder einen Klettertrip auf die Insel. Zu berichten gibt es nichts sonderlich Spektakuläres, aber es war einfach schön. Während in der Schweiz Sauwetter mit in tiefe Lagen absinkender Schneefallgrenze herrschte, genossen wir das sommerliche Wetter mit Temperaturen um angenehme 25 Grad, schönem Wetter und noch badetauglichem Meer. Das erste Mal waren wir für uns alleine mit den Kindern vor Ort, was natürlich einige Konzessionen erforderte. So gab es täglich das Standardprogramm mit Frühstück, einem halben Tag Klettern, Glacé essen auf dem Heimweg, einem Töff-Ausfährtli-Erkundungstrip mit meinem Sohn, Baden in Pool und Meer mit der Tochter, zwei Sandburgen bauen inklusive einer Verbindung dazwischen, einem feinen griechischen Nachtessen und dann war schon wieder Nachtruhe angesagt. Folgende Sektoren und Routen wurden dabei beklettert.

Kalydna

Das Amphitheater mit der rund 60m hohen Wand direkt über der Gelateria in Masouri. Hier waren wir bisher nur an unserem allerersten Klettertag je in Kalymnos vorbeigekommen. Also war es wieder einmal Zeit für einen Besuch, gab es doch hier noch etliche Pendenzen im siebten Franzosengrad. Ein weiterer Vorteil: hier konnte sogar mit den Kindern der Zustieg ab der Unterkunft zu Fuss erfolgen, und es war noch kein fahrbarer Untersatz nötig.

Impressionen von meinem allerersten Klettertag im Kalydna auf  Kalymnos. Ist schon ein paar Jahre her...
Los ging es mit der Theodora (6c+, ***), einer schönen, technischen und eher plattigen Kletterei, die mit engen Sicherungsabständen aufwartet. Dann stieg ich in die Aurora (7b, ***) ein. Nach langem und eher einfachem Zustieg wartet lässige Sinterkletterei mit für den lokalen Standard weiten Abständen, ja fast schon Runouts. Strenge Crux 45m ab Boden mit viel Seilzug zum Umlenker hin. Eigentlich wollte ich noch die 8a-Verlängerung auschecken, doch einerseits war ich schon am ersten Umlenker platt, andererseits schien es mir zu wenig attraktiv, noch mehrere Male diese Seilzug-Monsterlänge für den Punkt in der 8a klettern zu müssen. Somit stieg ich als nächstes in Kaly Nikhla mit Extension (7b+, **) ein. Der erste Teil ist 6b und sehr genussvoll. Nach der Kette wartet dann eine kleingriffige Bouldercrux, eine seifig-einfache Verschneidung und ein kniffliger Ausstieg, der sauberes Hinstehen auf glatt-abschüssigen Trtitten und auch etwas Übersicht erfordert. Weiter ging es mit Sickle (7a+, ***), welche mit schöner Wandkletterei aufwartet. Eine Passage in der Mitte ist relativ zwingend und etwas "gewusst wie", danach marschiert man relativ locker bis kurz vor dem Umlenker durch, der (wie so oft auf der Insel), dann erst mit einigen kräftig-heiklen Zügen angeklettert sein will. Zur Verlängerung (7b+) mit den Metern 35-45 fehlte mir wegen starkem Seilzug dann der Mumm. Die lässt sich wohl besser als Ergänzung zur benachbarten Tassir klettern. Nun war die Sonne schon fast da und der Klettertag daher rum. Zumindest fast, für einen raschen Erfolg in Bigboo (7a, ***) mit ihrer schönen, eher feingriffigen Kletterei an scharfem Fels reichte es noch.

Odyssey

Bekanntlich einer meiner Lieblings-Sektoren auf der Insel, dementsprechend oft waren wir hier schon vorbeigekommen. Da Kathrin noch ein offenes Projekt hatte und man hier lange vom Schatten profitieren kann, wollten wir hier die noch frischen Kräfte einsetzen. Das Erlebnis war dann eher etwas ernüchternd, war der Sektor an diesem Tag doch stark besucht. Das wäre an sich im Angesicht von diesem grossen Angebot nicht so problematisch, doch wenn man a) auf eine bestimmte Route fixiert ist (Kathrin), bzw. b) nur noch wenige Routen offen hat (Marcel) und c) sich einmal mit den Kindern an einem Ort niedergelassen hat und es etwas mühsam ist, mit Sack und Pack 100m weiterzuziehen, so leidet etwas die Flexibilität und ein paar Wartezeiten waren nötig. Nichtdestotrotz, folgende Routen wurden geklettert.

Standardmässiger Ausblick auf die Nachbarinsel Telendos. Einfach schön diese Gegend!
Auftakt mit der Lucky Strike (7b, ****) hatte ich mir lange als letzte 7b im Sektor für einen Onsight aufgespart. Die schwersten Moves warten kleingriffig und mit Stehproblemen gleich am Start, dann geht's athletisch und ohne Ruhepause ziemlich anhaltend weiter. Die besten Griffe warten dann eigentlich am Schluss, aber dort ist es steil und wer nicht Reserven im Tank hat, kann durchaus versauern. Noch dazu sollte man sich gut überlegen, welche Hand in welches Henkelloch platziert wird. Meine Versuche in Moon Bridge (7c+, *) waren dann von wenig Erfolg gekrönt. Rutschig-glatte, schwitzige Aufleger muss man da halten, die Route ist wenig abgeklettert und stark unternutzt - hat mich nicht motiviert. Nach längerer Wartezeit war ich dann mit der Elies (7a+, **) dran. Schöne und gemütliche Sinterkletterei bis auf die letzten 2m zum Umlenker, die haben es dann aber in sich: athletisch und plötzlich ohne gute Griffe, da kam ich nur knapp durch! Schliesslich riefen dann wieder einmal die Sirenen (7c, ****). Hier hatte ich mich früher schon mehrmals versucht. Wie es ging, wusste ich natürlich nicht mehr und so hing ich wieder planlos in der Abschlusscrux, bzw. bald einmal im Seil. Um hier ohne genauen Plan etwas rumzutasten und improvisiert zu klettern, fehlt mir einfach deutlich der Saft. Daher: von den letzten guten Griffen rechts an den Seitgriff, eindrehen und Klippen. Dynamisch weit hoch links an den grossen Aufleger, Handwechsel, links ins Loch und links in die versteckte Mulde treten. Rechts diagonale Leiste auf Schulter, links hoch antreten und Dynamo mit richtig Schwung ans gute Henkelloch. Nochmals klippen, etwas über rechts noch 2x kleine Leisten dübeln, Füsse rauf und an den Ausstiegsgriff. Uff, nächstes Mal dann!

Noufaro

Nach den Erfahrungen vom Vortag wollten wir an diesem Tag einen weniger besuchten Sektor wählen, wo etwas mehr Freiheit bestand. Die Wände von Noufaro hatte ich schon oft bei der Vorbeifahrt betrachtet und mit dem Gedanken gespielt, hier etwas einzurichten. Im 2013/2014 wurde dies dann von anderen Kletterern ausgeführt, so dass wir in bester Konsum-Manier eine um die andere Route abknipsen konnten. Oder mit anderen Worten: wie man in einem Halbtag einen ganzen Sektor erledigt.

Die Wände von Noufaro, die nochmals mehrere Untersektoren aufweisen. Wir waren an der Wand in der Mitte, und (vor allem) an jener ganz rechts aussen.
Ohne zu zögern stieg ich gleich in Buona la Prima (7a, ***) ein. Schöne Kletterei an Tropflöchern, erinnert fast ein wenig an die Galerie. Softe Bewertung, 6b+ hätte da wohl auch gereicht, aber wir nehmen es gerne :-) Weiter dann zum zweiten Aufwärmen die Garbulli (7a+, ***), sehr schöne, etwas steilere Kletterei mit ein paar Sinterspuren und scharfen Tropflochgriffen. Dann versuchte ich mich an der Naoshi (7b+, *). Die Crux eine Einzelstelle, wo man einen kleinen, Rasiermesser-Griff fast ohne Tritte durchblockieren muss, um zwei weitere scharfe Crimper anzuschnappen. Rutschen dabei die hoch platzierten Füsse weg (realistisches Szenario, die Sache spielt sich an der Haftgrenze ab), so resultiert garantiert ein tiefer Cut im Finger. Das war mir am Tag 3 von 7 dann doch zu heikel, also Finger weg. Die Enttäuschung konnte mit zügigen Begehungen von Ho Perso la Bussola (7a+, ***) und Gecko's Team (7a+, **) kompensiert werden. Die erste bietet recht anhaltende Kletterei an Tropflöchern und kleinen Pockets, zweitere ist eine One-Move-Wonder mit einem kurzen Blockierer. Zuletzt gab's noch einen kurzen Ausflug in den oberen Sektor, um in der Mira (7b, ***) einen raschen Punkt zu holen. Steiler Auftakt, knifflig über die Kante schieben und technische Tropflochkletterei zum Top. Der erfolgreiche Tag hatte einiges an Haut gekostet, so musste für den nächsten Tag wieder einmal etwas Henkelkletterei ins Auge gefasst werden... hier geht's zu Teil 2.

Samstag, 17. Oktober 2015

Wendenstöcke - Jednicka (7c)

Jednička bedeutet auf Tschechisch so etwas wie Höchstnote, eine so benannte und zudem im Extrem West mit der Maximalnote von 5 Sternen ausgezeichnete Tour muss man also fast einmal geklettert haben. Zumindest wenn man es kann, denn einerseits wollen zuerst zwei steile 7c-Längen absolviert sein, bevor die restlichen Meter zum Top zwar phänomenales Gestein bieten, aber bei etwas moderateren Schwierigkeiten im Bereich von 6b bis 7a wegen der spärlichen Absicherung nicht unterschätzt werden sollten. Insgesamt also eine Route für den, der fast mit jeder Klettersituation fertig wird.

Sicht auf die Wände vom Gross Wendenstock mit dem Verlauf der Route Jednicka (7c).
Zuerst war jedoch das Rätsel zu lösen, wann denn diese Tour stattfinden sollte. Der Herbst 2015 war nämlich generell eher geizig mit guten Gelegenheiten und nun ist die Saison wohl auch schon wieder gelaufen. Doch für einmal waren wieder 3 potenzielle Gelegenheiten in Sicht. Nach wirklich umfassender Wetteranalyse entschieden wir uns für den vermeintlich besten davon. Künstlerpech war dabei nur, dass die anderen beiden besser gewesen wären... Doch die typische Randhochlage im Herbst 2015 mit hoher Nebelgrenze und Labilität in der Höhe ist einfach kaum vernünftig prognostizierbar. Janu, für einen guten Wendentag hat's gereicht, ein optimaler Tag war es aus verschiedenen Gründen nicht. Wer's genauer haben möchte, der lese die ganze Story.

Ursprünglich war ich mich mit Hans verabredet, als Ziel hätten wir auch die Wendenstöcke gewählt, als Route hingegen kaum die Jednicka. Diese kam erst ins Spiel, als Dani nach einem MSL-Kletterpartner suchte. Auf eine Ropegun für die Jednicka zählen zu können schien attraktiv, also war die Sache geritzt. Frühmorgens wurde aufgestanden, so dass wir etwas nach 7.15 Uhr bei noch frostigen Temperaturen nach einem Kaffee auf der Wendenalp loszogen. Das Massiv war total verwaist, nur eine einzige weitere Seilschaft wollte sich an der Excalibur versuchen. Auch später kam niemand mehr nach. Egal, uns sollte es recht sein. Relativ gemächlich stiegen wir auf dem bereits bestens bekannten Pfad zum Fuss des Gross Wendenstock hinauf. Bis an den Einstieg der Route Elefantenohr ist das auf der richtigen Fährte relativ unbedenklich, die letzten Meter von dort rechtsherum über steile Schrofen zum Start der Jednicka (mit verrotteter Schlinge in Minimalsanduhr markiert) verzeihen dann aber definitiv keine Fehler. An der Sonne war es inzwischen angenehm warm, so konnten wir gemütlich frühstücken und starteten um 9.15 in die Route.

Not a bad view for having breakfast: Blick auf die Berner Alpen mit Lauteraar- und Schreckhorn sowie den Wetterhörnern.
L1, 20m, 4a: Verschärfter Teil des Zustiegs, den man gescheiter mit Seil absolviert, auch wenn keine fixen Sicherungen stecken. An einem Riss kann man mobil sichern, am Stand steckt dann der erste Bolt. Er hat mir geflüstert, dass er sich etwas einsam fühle.

L2, 40m, 6c+: Zu Beginn noch nicht so schwierig, geht's kurz etwas boulderig über den ersten BH hinweg. Weiter Runout zum zweiten, und dann?!? Der nächste steckt ziemlich links im Schilf draussen in der Platte. Als unser Vorsteiger hier tatsächlich einen Abgang macht, sind wir doch sehr erstaunt, solcherlei Kapriolen macht er in diesem Grad sonst mit Wahrscheinlichkeit null. Ich kann es im Nachstieg dank ein paar Tipps und Reichweite gerade so flashen. Doch viel logischer und einfacher als die Ecke in die glatte Platte hinaus ist es, wenn man vom zweiten Bolt direkt durch die mobil absicherbare Verschneidung zum vierten klettert. Danach kurz leicht murksig übers Dächlein hinweg und in sehr schönem Fels easy zum Stand. Dort stecken nun zwar 2 BH, dafür rostige Kronenbohrhaken - auch nicht optimal.

Auf der gesuchten Linie über die Bolts sauschwere Platte in L2 (6c+). Die logische Verschneidung wäre einfacher...
...sehr schöner Fels und gemütliche Kletterei auf den letzten Metern von L2 (6c+).
L3, 25m, 7c: Die massiv überhängende Wand oberhalb gibt gleich durch, was hier wartet. Die ersten Meter sind dank den gutgriffigen Wenden-Suppenschüsseln noch nicht schwierig. Dann nimmt die Struktur rapide ab und es beginnt mit athletisch-weiten Zügen an ok Leisten. Die Sache ist aufgrund der Felsstruktur und komplett absenten Kletterspuren reichlich schwer zu lesen. Doch nachdem ich beim Vorsteiger zuschauen konnte wie es geht, schaffe ich es zur ersten Crux nach 15m: Rechtsquerung mit powerigen Moves auf die Schulter, danach nochmals kräftiges Ausdauergelände zur zweiten Crux, einem Linksquergang an kleinen, scharfen Kratzern. Es hat zwar viele davon, doch es ist trittarm und schwer zu erkennen, wie man sich die Sequenz zusammenbasteln soll. Irgendwie geht's aber sicher ;-) Der Stand dann links aussen in der steilen Wand (kein No-Hand-Rest), jetzt immerhin mal 2 Einschlaganker, allerdings verzinkt mit rostfreien Laschen und dementsprechend angefressen von der Korrosion. Wieso ich das schreibe? Ich habe inzwischen genügend alte Haken demontiert um zu wissen, dass es bei diesem Hakentyp (wie auch bei den Kronenbohrhaken) vielfach nur wenige Hammerschläge bis zum "pling" braucht. Dani sind sogar schon welche beim Lösen der Mutter gebrochen. Sowieso gehören diese Dinger aus dem Fels verbannt, nur sind leider die Wendenstöcke noch voll davon...

Schöner Fels und steile Kletterei mit neben Ausdauergelände zwei schweren, bouldrigen Passagen in L3 (7c)...

...hier hat man gut lachen, denn in dieser Position ist L3 (7c) bereits geritzt.
L4, 25m, 7c: Es ist zu hoffen, dass die Ruhepause am Stand die Unterarme wieder zurück auf Betriebsmodus gebracht hat. Die ersten sehr steilen Meter gehen gleich kräftig an positiven Leisten los, fühlt sich an wie im Acherli oder Mapragg. Ist man sich dann bereits etwas angeplättet, so werden die Griffe in Routenmitte kleiner und die Moves noch weiter. Und dann geht's ohne guten Ruhepunkt in die finale, senkrechte Platte. Diffiziles, trittarmes Gelände mit kleinen scharfen Griffen muss man hier meistern, richtig verdonesk. Im Durchstieg ist das sicher nochmals ein richtiges Pièce de Resistance, ohne die Kraftreserven und Körperspannung um hier im Nichts sauber anzutreten wird es nicht gehen. Der Experte meinte (wie bei der Länge zuvor) "hard for the grade", wobei L4 ihm und auch mir den eher etwas einfacheren Eindruck machte. Meinereiner konnte ich die erste Hälfte dieser Länge durchziehen, und danach wenigstens sauber von Haken zu Haken a.f. klettern. Am Stand dann leider auch wieder nur 2 Kronenbohrhaken (die zudem zu tief und damit unbequem stecken), Pre-Klipp des/der nächsten Bolts daher aus Sicherheitsgründen sinnvoll.

Dieser Bottom Shot aus L4 (7c) lässt dank der Haul Line die Steilheit des Geländes erahnen.

Die Perspektive aus der anderen Richtung, mit dem Sicherungsteam am Werk...
...relativ gutgriffige (man sieht's :-)) Kletterei bei Absicherungsstandard Klettergarten+ in L4 (7c).
L5, 45m, 7a: Mit den nominellen Schwierigkeiten ist es nun vorbei, also wird nun an der Absicherung etwas runtergeschraubt, damit es einem nicht langweilig wird. Wobei es in dieser Seillänge echt noch einigermassen geht. Anspruchsvoll und bisweilen obligatorisch, gefährlich ist es (wenn kein BH versagt) hier hingegen noch nicht. Wermutstropfen sind die qualitativ eher mässigen Bolts, und zwei zerfetzte Sanduhrschlingen, die man aus der Kletterstellung leider unmöglich ersetzen kann. Ohne Umschweife zu erwähnen ist aber das einfach absolut göttliche Gestein hier, selten solch schönen Fels unter den Fingern gehabt! Die Kletterei senkrecht, an Tropflöchern, Leisten, Löchern, Schlitzen und auch mal einem Töffgriff, total genial. Und für den Grad auch einigermassen "normal schwierig", wie ich fand.

Absolut fantastische Wandkletterei bei göttlicher Felsqualität in L5 (7a).
L6, 45m, 6c+: Diese Seillänge sollte man keinesfalls unterschätzen. Einerseits fanden wir sie in Bezug auf die Moves eh schwerer wie die 7a davor, andererseits ist die Absicherung hier nochmals eine rechte Stufe spärlicher ausgefallen. Der Start mit einem Quergang nach rechts raus noch gut kletterbar und der Bolt steckt genau an der richtigen Stelle. Nach ein paar machbaren Metern folgt man aber dann bald einer kniffligen Rissspur, wo die schweren Moves absolut zwingend sind und auch nur von einem antiken Fixkeil abgesichert. Da wären rechte Flüge möglich! Für das Finale hat man dann besser einige Reserven übrig, es ist zwar nicht mehr extrem schwierig, aber anhaltend pumpig bei weiter Absicherung, hier lässt sicherlich keiner mehr freiwillig los. Hoffen wir mal, dass es nicht unfreiwillig passiert ;-)

Quergang zum Auftakt von L6 (6c+), für lokale Verhältnisse easy und gut abgesichert...

...dieses Foto aus dem Schlussteil von L6 (6c+) lässt erahnen, wie extrem weit hier die Sicherungsabstände sind.
L7, 40m, 6a+: ACHTUNG LEBENSGEFAHR!!! Nachdem man (endlich einmal!) bequemen Stand etwas zur Erholung nutzen konnte, beginnt die Seillänge mit athletischen Metern an guten Griffen, und auch vernünftiger Absicherung. Nach 10m quert man ums Eck, und es warten ca. 25m Horizontalquergang nach rechts. Zu Beginn steckt ein schlechter NH, kurz vor dem Stand ein BH, dazwischen gibt es viel Luft und 2 zerfetzte Schlingen in soso Sanduhren. Nachdem Hans mit meinem Seil als Geländersicherung rüber ist, wäre die Reihe an mir. Vom (unsichtbaren) Stand drüben heisst es, dass die Zwischensicherungen auf 20m einen Sturz vermutlich nicht standhalten würden. Nicht sehr ermutigend, aber wenigstens ehrlich, das schätze ich! Dazu liefert mit Dani noch die Info, dass der Fels unterhalb messerscharf sei und er die Befürchtung habe, das Seil würde im Sturzfall durchtrennt. Ich solle die Passage nur klettern, wenn ich mir zu 100% sicher sei, nicht zu stürzen... Nun denn, ist ja nur 6a+ (Wendenbewertung). Trotzdem, hier 200m über dem Einstieg eine Passage faktisch Free Solo zu klettern, ist jetzt nicht wirklich das, was ich mir vorstelle. Somit bin ich nicht unglücklich über den Vorschlag vom Stand drüben, dass ich an Ort und Stelle bleibe, bis ich vom für sie gut erreichbaren Zahir-Stand, der etwas höher und weiter links liegt, besser gesichert bin. Nach ein paar Minuten des Wartens gehe ich die Querung dann an. Nachdem die letzte NH-Gurke ausgehängt ist, müssen erst ca. 3m abgeklettert werden, bevor dann eine etwas unübersichtlich-wacklige Stelle mit ein paar kleinen Tropflochgriffen folgt. So easy ist das nicht, natürlich konnte ich es schliesslich problemlos klettern, mit der Aussicht auf einen potenziell tödlichen Sturz hätte ich es aber definitiv nicht machen wollen. Herzlichen Dank an meine Kletterpartner, welche hier vorausschauend gehandelt haben, und mich nicht ahnungslos in eine potenziell gefährliche Lage klettern liessen - bin ich froh, mit solchen Leuten unterwegs sein zu können!

In L7 (6a+) geht's zuerst gerade hinauf, für den Grad jetzt auch nicht wirklich einfach...

...dann 20m horizontal rüber, dazu miserabel gesichert. Hier der letzte Teil zum Zahir-Stand hinauf.
Als wir alle am Zahir-Stand hängen ist es Zeit für eine Diskussion, wie es weitergeht: einerseits könnte man von dieser Stelle noch das Finish von Zahir klettern, mit drei kurzen Längen in den Graden 7b/7a/6c+. Oder dann retour zum Stand der Jednicka, was gut möglich wäre, um mit 6b/6c zum Routenende zu gelangen. Die Zeit ist bereits fortgeschritten, der Wendennebel hat in der letzten halben Stunde gewaltig an Dichte zugelegt, ist nun richtig feucht-netzend und gewährt nur noch ca. 10m Sichtweite. Die Option Jednicka fällt damit aus dem Rahmen, einerseits wäre auf den letzten beiden Seillängen praktisch ohne fixe Absicherung die Orientierung bei so wenig Sicht schwierig. Andererseits kann gemäss Angaben in den Topos vom Top nicht über die Route abgeseilt werden und ob wir bei diesem Nebel zum Ende der Zahir- oder der Aureus-Abseilpiste finden/wechseln können, ist auch reichlich unsicher. Und wenn's sowieso nicht die ganze Jednicka ist, so müssen es auch nicht die Zahir-Ausstiegslängen sein. So ungerne man eine Route vor dem Top aufgibt, hier war der Entscheid sicherlich vernünftig und korrekt, im Rückblick noch mehr als vor Ort. 

Luftiges und haltloses Abseilen über Zahir (8b+). Bequeme Standplätze darf man hier auch nicht erwarten.
Also werden die Seile gefädelt, und runter geht's. Das ist durchaus nochmals sehr aufregend, denn die Wand ist beständig und teilweise massiv überhängend, die Seile verschwinden irgendwo im dichten Nebelgrau und die Seillängen verlaufen teils querend. Somit ist nochmals volle Konzentration vonnöten, aber wir erreichen sicher den Einstieg. 17.30 Uhr ist es bereits, so viel Tageslicht bleibt gar nicht mehr. Wir ziehen also einen weiteren Abseiler zum Einstiegsbereich vom Elefantenohr, und steigen dann vorsichtig zur Wendenalp ab.  Die Sichtweite ist durchgehend minimal, zum Glück hilft mir die Erfahrung von über einem Dutzend Besuchen in diesem Sektor, um den richtigen Weg zu finden. Selbst auf dem Weg von der Wendenalp nach Gadmen ist die Suppe weiterhin stockdicht und die Fahrerei mit 10m Sichtweite bei Dunkelheit mühsam. So geht's statt über den Susten den etwas weiteren Weg über den Brünig heim, wo aber ebenfalls ein Sauwetter mit Nieselregen und Nebel herrscht.

In der Zahir steckt besseres Material, allerdings wurde hier leider auch minderwertige, verzinkte Ware eingesetzt. So beginnt auch dieses Denkmal, vor sich hinzurosten. Die Route ist erst gut 10 Jahre alt...
Facts

Gross Wendenstock - Jednicka 7c (7a obl.) - 9 SL, 300m - Ulrich/Weibel/Pitelka 1988 - ****; x-xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-2

Die Jednicka ist eine sehr schöne Route in teilweise fantastischem Fels, die teils (zu) spärliche Absicherung und die fragwürdige Qualität der Sicherungen nehmen ihr aber einiges an Glanz, der fünfte Schönheitsstern bleibt nur schon deswegen auf der Strecke. Ganz unabhängig davon hat uns die Kletterei in der rechterhand nahe gelegenen Ben Hur besser gefallen, und auch linkerhand im gut und zeitgemäss abgesicherten Elefantenohr dürften Plaisirkletterer wie wir mehr Vergnügen haben. Natürlich hat auch die Jednicka Qualität, die beiden 7c-Seillängen bieten lässige, steile und schöne Sportkletterei bei guter BH-Absicherung, die Schwierigkeiten sind dort nicht obligatorisch und die Hakenabstände teils sogar nur 1m kurz (insgesamt xxxx). Davor gibt es eine und danach zwei Längen im Bereich 6c+/7a, wo die Sicherungsabstände zwischen knapp genügend und gut variieren (xx-xxx). Der Quergang ist wie im Text erwähnt in meinen Augen expo, ja sogar ausgesprochen gefährlich (x). Kletterseile taugen für diese Art von Belastung (extremer Pendelsturz mit Schraddeln über scharfe bis schärfste Felskanten) nicht und ein Sturz könnte dort wegen Seilriss das Ende bedeuten. Eine sanfte Sanierung, wo die bestehenden Sicherungspunkte (BH, teils aufgebohrte, teils aufwändig ergrübelte Sanduhren mit zerfetzten Gammelschlingen) mit solidem Material gebohrt werden, würde die Route massiv aufwerten.

Dieses Exemplar ist eine von zwei Zwischen"sicherungen" im grossen, gefährlichen Quergang von L7 (6a+). Eine zweite Schlinge hat keinen Platz in der Sanduhr und das Fädeln erfordert einen Draht. Darüber hinaus hat man hier nicht beide Hände frei, somit muss man einerseits ein Messer dabei haben, und andererseits bereit dazu sein, 10m von der letzten Sicherung in einen Cliff zu hängen, um die Schlinge zu ersetzen. Ideal... perfekt... durchdacht... :-/

Sonntag, 11. Oktober 2015

Chli Glatten - Kamasutra (7b+)

Das über 1km breite und 200m hohe Felsband des Chli Glatten über dem Klausenpass braucht man kaum noch näher vorzustellen. Die griffig-steile Kletterei in sonnigem Ambiente mit kurzem Zustieg sind weitherum bekannt. Auch ich hatte an dieser Wand schon meine Spuren hinterlassen, einerseits natürlich mit meiner eigenen Linie Uristier (6c+), andererseits durch zahlreiche Wiederholungen bereits existierender Routen. Noch gefehlt hatte mir aber eine der besten, schwersten und steilsten Routen, die Kamasutra (7b+).

Wandansicht vom Gelben Pfeiler am Chli Glatten mit dem Verlauf von Kamasutra.
An einem herbstlich anmutenden Tag mit Nebelfeldern in den Niederungen, einem ersten Schneekleid in den Bergen und eher tief angesagten Temperaturen war der Zeitpunkt gekommen. Zu dritt ging es schliesslich los, Dani und Anika waren mit dabei. Nach einigen Zeitverlust aufgrund von Alpabtrieb usw. gelangten wir schliesslich zur Alp Bödmer auf 1930m. Kühe und Älpler hatten diesen Ort bereits verlassen, nur dann sollte man sein Auto dort abstellen, ansonsten bitte an der Strasse unten. Der Zustieg umfasst rund 200hm auf einer Wegspur am Bödmerstöckli vorbei und nimmt keine halbe Stunde in Anspruch. Mit der Örtlichkeit des Einstiegs war ich ebenfalls bereits bestens vertraut, hatte ich doch die benachbarte Route Poker (7b) bereits geklettert, und sogar bei der Begehung der Illuminati (7a+) die Einstiegslänge vom Kamasutra benutzt. Um 10.50 Uhr waren wir aufgeschirrt, und es konnte bei angenehmen Temperaturen und Sonnenschein losgehen.

Herbstliches Ambiente am Klausenpass mit Blick zu Chammliberg, Gross Schärhorn, Mittler Griessstock und Gross Windgällen.
ACHTUNG: für einmal notiere ich mir bei der Beschreibung der Seillängen auch etwas Beta, damit ich für zukünftige Begehungen mit den nötigen Tipps für einen allfälligen Rotpunkt gerüstet bin. Puristen, welche auf einen sauberen Onsight aspirieren, sollten die Routenbeschreibung also nicht lesen!!! Ich bin selbst eigentlich eher negativ gegenüber genauen Einzelstellenbeschreibungen im Internet eingestellt und vermeide diese normalerweise. Allerdings gibt's für mich persönlich keinen besseren Platz, diese (wenigen) Tipps jederzeit griffbereit zu versorgen.

L1, 45m, 6c: Schöne Wandkletterei von eher technischer Natur, teilweise reichlich knifflig. Die Hakenabstände sind teils (und vor allem am Anfang) recht weit und erfordern sicheres klettern. Im oberen Teil gehört ein Haken der Nachbarroute Poker imperativ mit dazu, leider verursacht dieser aber ziemlich Seilzug. Diesen Abschnitt unter Zuhilfenahme des tiefer liegenden Poker-Standes in zwei aufzuteilen, wäre wohl gar keine so schlechte Idee.

Der Autor startet, wieder einmal im Luis-Trenker-Style. Der Anfang von L1 (6c) ist noch einfach, aber weit gesichert...
...der obere Teil von L1 (6c) bietet dann knifflige, technisch anspruchsvolle Kletterei.
L2, 30m, 6c+: Zäher Abschnitt mit überhängender Wandkletterei in teils etwas schieferigem Klötzlifels, der sich hier aber ausreichend solide präsentiert. Schon im ersten Teil, der noch nicht ganz so steil ist, muss man eine ziemlich kleine Leiste fixieren und trittarm nach rechts traversieren (O-Ton von Dani: "ein solcher Griff hat in einer 6c+ nichts verloren"). Im zweiten Teil dann ausdauernd und kräftig dranbleiben. Der entscheidende Trick ist es, von der Untergriffschuppe den versteckten Riss links aussen zu greifen, ohne diesen ist's nochmals ein rechtes Stück härter.

Der Autor fightet gegen den Pump in der steilen L2 (6c+), während man sich 8000m weiter oben einen Drink genehmigt...
...die beiden Nachsteiger haben aber ebenfalls keine Hand frei, L2 (6c+) erfordert durchaus Einsatz!
L3, 25m, 6b: Schöne, gemütliche Kletterei in meist bestem, grau-rauem Klausenfels. Die Linie ist etwas gesucht linksrum, dafür wird einem schönere und anspruchsvollere Kletterei geboten, als wenn die Verschneidung gerade hinauf gewählt worden wäre.

Schöne, gemütliche Kletterei in L3 (6b), leider machen die ersten Nebelschwaden ihre Aufwartung.
L4, 35m, 7b: Die erste Cruxlänge beginnt gleich fulminant: über den Wulst hinweg und von den Seitgriffen den zweiten Bohri klinken. Tief an kleine Diagonalleiste für links kreuzen, rechts 1x mässige Leiste hart durchblockieren und an die offensichtliche, fixierte Schuppe hoch. Die Querung zur Kante ist pumpig, um die Ecke rum ist dann etwas Zauberei erforderlich... auch wenn ich's mir gern notieren möchte, so richtig genau im Kopf habe ich die gewählte Sequenz nicht. Danach noch kurz kräftig dranbleiben, das letzte Stück zum Stand hinauf ist dann einfacher, weist dafür aber die zwingendsten Passagen der Route auf. Dort evtl. Möglichkeit, den Runout mit klein/mittleren Cam zu entschärfen. Wer seine Begehung verewigen möchte, sollte dies am Stand nach dieser Länge im Buch vom Gelben Pfeiler tun. In der Gamelle einen Stand höher befindet sich nämlich nur noch naturwissenschaftliche Fachliteratur, aber kein Routenbuch.

In L4 (7b) wartet eine Boulderstelle am zweiten BH, sowie um die Kante rum. Beim Rest: einfach dranbleiben!
Eben, dranbleiben (und Hand auflegen...) im oberen, schönen Teil von L4 (7b) ist das Motto.
L5, 25m, 7b+: Rüberqueren, den zweiten Bolt etwas von unten an Sloper-Leisten angehen und dann die Crux zum dritten. Hier kurz und athletisch an Slopern höherzaubern und auf die unscheinbare, positive Leiste unter dem dritten BH zielen. Kurz umsortieren und der Rastpunkt in der Verschneidung ist erreicht. Ab hier noch 1x kräftig und weit an Leisten ziehen, der Rest der Seillänge bietet dann "nur noch" athletische Ausdauerkletterei an eigentlich durchgehend positiven Leisten. Nur nicht versauern...

Nein, nein, ich habe den Foto schön gerade gehalten! Der Start von L5 (7b+) ist so nach hinten gekippt steil!
Zähe, powerige Leistenkletterei dann am Ende von L5 (7b+). Einfach nichts mehr herschenken!
L6, 35m, 6c: Steiler und griffiger Auftakt, der sich weitgehend als harmlos entpuppt. Vorsicht, danach wird's für einen Moment ziemlich brüchig mit auch grösserem Material zum Abwerfen, das zudem direkt den Sicherungspartner gefährdet. Einfach vorsichtig Klettern, dann geht's schon, es gibt genügend feste Griffe. Die Crux dann am Dächli, einfach gerade drüber, keine wilde Sache.

Die wenig fotogene L6 (6c) wird an dieser Stelle durch einen Eindruck aus dem Wandbuch ersetzt. Es handelt sich in etwa um die unverfänglichste und themenverwandteste  Seite aus dem ganzen Werk. Wer möchte nicht gerne eine Kletterpflanze haben (oder sein)... ;-)
L7, 25m, 6a+: Die billige Variante wäre, vom gemeinsamen Stand mit dem Gelben Pfeiler nach links über die Platte auszusteigen. Das hat auch noch den Vorteil, dass man so direkt zum Start der Abseilpiste kommt. Kamasutra wählt aber eine Linie gerade hinauf, der Fels ist dabei nicht von bester Qualität. Die Absicherung zwar nicht richtig schlecht, stürzen wäre aber trotzdem eher unangenehm.

Gar nit so easy, die letzten Meter der Route in L7 (6a+).
Um 15.30 Uhr sind wir in dichtem Nebel am Top. Leider hatte nur während der ersten 3 Seillängen uneingeschränkter Sonnenschein geherrscht. Danach hatte die Bise erste Nebelschwaden über den Klausenpass getrieben. Diese wurden immer dichter und liessen später teils sogar die Sichtverbindung zum Kletterpartner abreissen. Nachdem die Sonne den Fels aber erst hatte aufwärmen können, waren die Bedingungen trotzdem weiterhin brauchbar. Dani holte sich hier mit einer solchen Leichtigkeit den Komplett-Onsight, dass ich mir durchaus Fragen zu meiner Performance stellte. Zwar hatte ich nur in der Crux von L2 und L5 einen Sturz/Hänger zu verzeichnen, den Rest konnte ich durchziehen. Am Top war ich aber ziemlich platt, doch die Route ist wohl einfach nicht zu unterschätzen und meine Leistung war vermutlich gar nicht so schlecht - obwohl man sich natürlich immer höhere Ziele setzen kann. An einigen Schneeresten vorbei ging's vom Top etwas absteigend entlang einem malträtierten Fixseil zum Beginn der Abseilpiste. In vier steilen und schnellen Manövern ist man hier bald am Einstieg retour. Wir hielten uns nicht mehr lange auf und stiegen talwärts. Ein Trupp von 4 Mann mit schwerem Gepäck kam uns entgegen. Von uns unbemerkt hatte sich im Sektor Plattenwand ein Steinschlagunfall ereignet, und da wegen dem dichten Nebel ein Helikopterflug nicht möglich war, war eine terrestrische Bergung nötig. Wir hoffen, dass dabei alles gut ausgegangen ist!

Facts

Chli Glatten - Kamasutra 7b+ (6c obl.) - 7 SL, 220m - Gisler/Müller 2002 - ****;xxx-xxxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, evtl. Camalots 0.3-0.75

MSL-Sportklettertour in meist gutem bis sehr gutem Fels durch die steilsten Zonen am Chli Glatten. Geboten wird einem der für die Zone typische Mix an athletischer und ausdauernder Leisten- und Auflegerkletterei, gewürzt mit ein paar Boulderstellen. Die Absicherung mit BH kann an den einfacheren Stellen als gut (xxx) bezeichnet werden, die schweren Stellen sind sogar sehr gut bis ausgesprochen kurzabständig (xxxx-xxxxx) eingerichtet. Am Ende von L4 ist 6c dennoch obligatorisch und bestimmt macht eine Begehung nur dann Sinn, wenn man zumindest 7a im Onsight sauber beherrscht, sonst wird man in den beiden schweren Längen nicht viel Land sehen. Hinweis: es handelt sich um eine der am schnellsten trockenen Routen am Chli Glatten. Das gute Topo der Erstbegeher lässt sich hier downloaden.

Dienstag, 6. Oktober 2015

Back to the Roots

Zurück zu, oder eben auch zurück an die Wurzeln, das war das Motto. Im Kinder- und Jugendalter hatte ich mich oft in den Wäldern meiner Heimat, dem Tössbergland herumgetrieben und war über steile Wurzelpassagen und brüchige Nagefluhfelsen geklettert. Später verlagerte sich dann mein Fokus auf "echte Felsen" und hohe Alpenwände. Obwohl wieder in dieser Gegend wohnhaft, bin ich längst kein wirklicher Wurzelkletterer mehr.

Hier geht's hinein ins Bärtobel, dieses ausgetrocknete Bachbett stellt den ersten Teil der Route dar.
Während früher nur ganz wenige Liebhaber in solchem Gelände unterwegs waren, hat diese Art des Bergsteigens seit dem Aufkommen des Portals hikr.org einen enormen Aufschwung erlebt. Die Paradetour ist dabei die Westwand am Hörnli (1133m), ein eleganter Aufstieg über einen Sporn in einer abgelegenen, 350m hohen, bewaldeten Flanke. Hatte es mich früher nie in die Einsamkeit des Bärtobels verschlagen, so war die mit T5 bewertete Tour in neuerer Zeit keine wirkliche Herausforderung mehr. Trotzdem blieb sie in einem gewissen Sinn auf dem Radar, irgendwann würde ich dort sicher vorbeikommen.

Querung der gesamten Hörnli-Westwand zum richtigen Aufstiegssporn. Das ungestufte Gelände ist heikler, wie es den Anschein macht.
Und nun war es soweit. Nach anderen Verpflichtungen noch etwas Bewegungsdrang verspürend, erreichte ich von daheim per Velo in weniger als einer halben Stunde das Bikedepot etwas hinter P.742 im Nideltobel. Zügigen Schrittes ging es im ausgetrockneten Bachbett Richtung Bärtobel. Aufs genaue Lesen der Routenbeschreibungen hatte ich verzichtet, schliesslich blieb mir nur ein relativ enges Zeitfenster und in Erinnerung hatte ich so etwas, wie dass die Route problemlos zu finden sei - man müsse einfach bei der Bachverzweigung den von den beiden Bächen eingefassten Sporn wählen. Natürlich entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ich in der Hörnli Westwand einen Verhauer produziert habe...

Die richtige Aufstiegsroute ist erreicht... Bild von Zaza vom ominösen Veloanhänger, dessen Geschichte ungeklärt ist.
Der richtige Sporn befindet sich nämlich erst dort, wo man in den Bachbetten nicht mehr (einfach) weiterkommt. Eine erste Bachverzweigung, wo man rechts noch problemlos weitergehen kann, ist hingegen zu früh. Tja, auf dem dortigen Sporn gab es eben auch Wegspuren, und als ich mir nach 100hm bewusst wurde, dass ich eine falsche Fährte gewählt hatte (dieser Sporn führt zu P.1007), war es schon zu spät. Ich setzte meinen Aufstieg fort, bis ich auf 900m eine querende Wegspur traf. Dieser folgte ich wieder in den Bärtobel-Kessel hinein, Auf immer schwächer werdenden Spuren gelangte ich schliesslich in spannender Wanderung direkt zum ominösen Veloanhänger, einer Landmarke des klassischen Westwand-Sporns. De fakto bietet meine Route wahrscheinlich sogar die spannendere Wanderung, ein Verhauer ist's aber nichtsdestotrotz.

Ein Wandbuch wie in einer grossen Route... auch schon recht gut gefüllt ist es. Es gibt ca. 20-30 Begehungen pro Jahr.
Nun also hinauf, die Wegspuren auf dem Westwandsporn sind deutlich zu sehen und die Route nicht mehr zu verfehlen. Nach Querung der Hörnligubel-Wanderwegs folgt der anregendste obere Teil. Da müssen hier und da echt die Hände aus dem Hosensack, sonst geht's nicht. Nach einem Eintrag im Wandbuch ging's gegen den Gipfel hin, der Zaun zum Gasthaus war das letzte Hindernis. Trotz Verhauer und grossem Umweg hatte ich vom Depot deutlich weniger als eine Stunde gebraucht. Nach kurzem Genuss des schönen Herbstpanoramas machte ich mich auch bald wieder auf die Socken, via Chlihörnli und Heiletsegg stieg ich im Laufschritt zum Bikedepot ab und schwang mich dort gleich aufs Rad. Nur gute 2 Stunden nach Aufbruch daheim trat ich etwas durstig bereits wieder daheim in die Stube - das war jetzt echt ein vergnüglicher Ausflug gewesen, der bei Mangel an Zeit für grössere Unternehmungen sicher wiederholt wird.

Blick auf die Hörnli Westwand beim Abstieg. Die klassische Route führt rechts vom steilsten Teil über den bewaldeten Sporn zur Antenne.

Samstag, 3. Oktober 2015

Wenn die Sterne richtig stehen...

...dann reicht es wieder einmal für eine schwierige Route. Gerade eben hat es mit der Pino Pepino (8a) in der Deponie bei Näfels geklappt und wie immer, wenn wieder ein Meilenstein beim Sportklettern gefallen ist, dann gibt es hier einen Beitrag dazu. 

Die Route hatte ich den ganzen Sommer über hin und wieder probiert. Die Wände der Deponie sind nämlich gegen Osten exponiert und nach dem Mittag am Schatten, so dass es sich im Prinzip gut am Feierabend klettern lässt. Wobei im Prinzip heisst, dass man bei schwülwarmem Wetter hier in den schweren Routen sicherlich nicht auf optimale Bedingungen treffen wird. Diese Erfahrung machte ich jedenfalls. Bei ungünstigem Klima fühlen sich die zahlreichen Sloper an diesem Cliff rutschig an, sind effektiv kaum zu halten und da sie ausserdem voll rauer Textur sind, geht's auch nicht lange bis die Haut schmerzt.

Eine Weile lang war ich sehr unsicher, ob es mir diesen Herbst nochmals für eine schwierige Route reichen wird. Mit Familie, Arbeit, MSL-Klettern, Einbohren und weiteren Aktivitäten muss das Sportklettern manchmal halt etwas hinten anstehen. Dazu hatte ich mir vor ein paar Wochen in einem anderen 8a-Projekt den Finger gezerrt, weil ich einen schweren Zug bei Ermüdung und mangelnder Koordination noch erzwingen wollte. Wie dumm... an ein Crimpen mit 100% Intensität an Boulderwand oder Fingerboard war nicht mehr zu denken. Was tun? Mit deutlich submaximalen Belastungen am Turn-Till-Burn und mit Open-Hand-Fingerboarding versuchte ich den Kraftausdauer-Bereich zu forcieren. So viel Belastung, damit die Finger nach 2 Minuten aufgingen mochte es gut leiden.

Die Wände im Klettergarten Deponie bei Näfels. Pino Pepino befindet sich am steilen Bauch ganz im rechten Teil.

Kletter-Performance ist ja sowas wie ein Buch mit sieben Siegeln und seine eigene Form zu verstehen öfters ziemlich schwierig. So war ich denn auch sehr im Ungewissen, ob meine Trainings-Efforts überhaupt von irgendwelchem Nutzen waren. Eine Antwort darauf gibt es nun: als ich endlich wieder in der Deponie vorbeikam, ging mir schon der steile Zustieg zur Crux richtig leicht wie nie zuvor von der Hand. Bis zu dieser Stelle war ich schon diverse Male gelangt, nur noch nie mit ausreichend Saft, um dann auch noch die beiden folgenden kleinen Griffe so richtig zu riegeln, damit der dynamische Move an den Sloper darob auch klappt. Doch dieses Mal fühlte ich mich das erste Mal so richtig leicht in dieser Stelle, die Hand blieb auf dem Zielgriff kleben und ich konnte die Sache auch im noch anstrengenden Ausstieg über diverse Sloper-Rails trotz zunehmender Ermüdung zusammenhalten.

Vielleicht war es ja tatsächlich das Training an Rolle und Board, jeweils zwei Minuten voll und bis ans Limit dranbleiben und möglichst lange dem Pump widerstehen, welches hier den Erfolg gebracht hat. Andererseits war es auch der erste Besuch bei Temperaturen in der Gegend der für mich optimalen 12-14 Grad, halt einfach bei richtig guten Crispy Conditions, aber ohne Gefahr kalte Griffel zu kriegen. Welcher Faktor schlussendlich wie grossen Anteil hatte, tja gute Frage... im besten Fall zeigt's die Zukunft, doch auf eines kann man sich im Klettersport verlassen: vor Überraschungen bei der Kletterform, und sei's nach oben oder unten, ist man nicht gefeit. Noch zuletzt: dem Finger geht's übrigens inzwischen auch wieder besser, in dieser Hinsicht war mein Vorgehen jedenfalls gut gewählt.