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Dienstag, 13. September 2016

Petites Jorasses (3650m) - Anouk (6c)

Endlich einmal stand in diesem Sommer eine gute Phase von 3 Tagen auf dem Programm, davon einer mit garantiert gewitterfreiem, hochsommerlich warmem Wetter. Noch dazu konnte ich mit Kathrin zu zweit unterwegs sein. Sie sprach sich gegen eine Hochtour an einem 4000er aus, somit sollte es eine lange, alpine Sportkletterei im Hochgebirge sein. Chamonix war natürlich das erste Ziel für dieses Vorhaben. Schon lange Jahre war die Anouk ein Wunschziel gewesen. Nachdem der oft komplizierte Gletscher hinauf zum Einstieg sowie die manchmal unüberwindbare Randkluft diese Saison nachweislich in sehr guten Bedingungen waren, galt es, die Chance am Schopf zu packen.

Das ist unser Ziel, die NW-Wand der Petites Jorasses mit der 875m langen Piola-Route Anouk (6c).
Nachdem die Kinder versorgt und verabschiedet waren, cruisten wir nach Chamonix und waren guter Dinge, rechtzeitig zum Znacht um 19.00 Uhr in der Hütte zu sein. Doch rund ums Alpinisten- und Touristendorf herrschte ein wahres Tohuwabohu, so dass wir schliesslich erst um 16.30 Uhr die 31 Euro für die Retourfahrt in der roten Zahnradbahn gelöhnt hatten und auf Montenvers startbereit waren. Noch 2.5 Stunden blieben für den Hüttenzustieg, damals beim Anmarsch zu unserer Tour in der Nordwand der Grandes Jorasses hatte das gerade so gereicht. Also stiegen wir über die Leitern zum Mer de Glace herunter, welches mehr und mehr zu einem Mer d'Eboulis wird. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber ich habe den Eindruck, dass man den Massenverlust am Gletscher im Vergleich zu meinen vergangenen Besuchen schon rein von Auge her sehr deutlich sieht.

Blick aufs das Mer de Glace von Montenvers, geradeaus (weit!) nach hinten in den Leschaux-Kessel wird es gehen.
Mit dem Gefühl, in einer altbekannten Gegend unterwegs zu sein (dabei war ich erst 2x in den Envers des Aiguilles, 1x in der Leschaux-Hütte und 1x mit den Ski abgefahren) ging's taleinwärts. Eine genaue Routenbeschreibung zum Hüttenaufstieg macht nur mässig Sinn, weil sich die Gegebenheiten auf dem Gletscher von Jahr zu Jahr verändern. Trotzdem: die beste Passage bestand darin, nach den Leitern von Montenvers +/- in der Gletschermitte auf dem Eis aufzusteigen. Noch deutlich vor den Envers-Leitern (ca. 800m vorher) wechselten wir im Aufstiegssinn ganz auf die linke Seite. Hier gilt es, einen tief eingeschnittenen Gletscherfluss zu überqueren, was aktuell nur an einer Stelle leicht möglich war. Hätte man diese Gelegenheit verpasst, wäre es nicht mehr ohne technische Einlagen (Abseilen, gesichert Hochklettern) gegangen. Dann vorerst weiter leicht auf dem Eis aufwärts, bevor es den Abzweiger in die Geröllzone beim Zusammenfluss von Glacier de Leschaux und Mer de Glace nicht zu verpassen gilt. Dieser war durch eine rostige Tonne markiert. Nun folgt eine lange, ziemlich unerquickliche Geröllwüste. Bis unter die Couvercle-Leitern hat's rot markierte Steinmänner und hin und wieder sogar so etwas wie Pfadspuren. Hält man sich an die Markierung, so geht die Begehung sicher einfacher wie daneben.

Typisches Bild beim Bergsteigen von Montenvers-Kessel. Überall gibt's Leitern, welche zum Gletscher führen.
Nach den Couvercle-Leitern ist man dann bzgl. Navigation auf sich selber gestellt. Der Nase nach geht's weiter, und so bald wie sinnvoll möglich, wechselt man auf das Eis des Leschaux-Gletschers, den man in seiner Mitte (rechts an den Geröllbuckeln vorbei) aufsteigt. Erst unter der Hütte quert man nach links hinüber, der kleinere Gletscherfluss liess sich an diversen Stellen sorgenlos passieren. Dann kamen wir in den Genuss, praktisch als erste den neuen, eben fertiggestellten Leiternweg hinauf zu Hütte zu nehmen. Dieser war wegen dem Rückgang des Eises nötig geworden, die alten Leitern liessen sich über die äusserst labile Moräne nicht mehr sicher erreichen. Wobei gesagt sei, dass es auch zu den neuen Leitern hin ein bisschen Scheissgelände ist, d.h. lockeres Geröll, wo alles in Bewegung ist, teils blankes Eis und ein paar Spalten hat's sogar auch noch. Etwas nach 19.00 Uhr waren wir in der Hütte, die offizielle Aufstiegszeit von 3:30 Stunden hatten wir unterbieten können, doch es zieht sich einfach und trotz nicht allzu vielen Brutto-Höhenmetern ist der Weg recht anstrengend.

Hoo-hoppla! Die Überquerung des Gletscherflusses mittig auf dem Mer de Glace ist nicht trivial. Hier ging's am besten.
Die Hütte war bis auf den letzten plus zwei Plätze ausgebucht, da wollten sich natürlich auch einige andere Bergsteiger und Hüttenwanderer den angesagten Traumtag nicht entgehen lassen. Wir konnten bzw. mussten gleich auf der Terrasse Platz nehmen, denn im Innern ist bei Vollbelegung viel zu wenig Platz zum Essen. Serviert wurde Suppe, Couscous mit einer Tajine und Apfelkuchen, tiptop. Allerdings, unser Genuss beim Essen wurde leider etwas getrübt... ein bisschen fraglich, ob man sowas aufschreiben soll, aber irgendwie ist's doch ein integraler Bestandteil dieser Tour und deshalb: es dauerte nicht lange, bis einer der Walkerpfeiler-Anwärter aus der Hütte getreten kam und in hohem Bogen seinen Mageninhalt wie in einem Comic in hohem Bogen zwischen all den Gästen über das Hüttengeländer spie. Ohne ein Wort und wie wenn nichts gewesen wäre, setzte er sich danach wieder an seinen Tisch und ass weiter, absolut unglaublich!?! Ob's deswegen oder wegen dem zu weichen Schnee und Steinschlag war, auf jeden Fall brach in der Nacht ein 4er-Trupp zum Walkerpfeiler auf, drehte wie wir anhand der Stirnlampenlichter erkennen konnten, jedoch vor dem Einstieg um. Tja, der Appetit war uns etwas vergangen, und mit nun selber etwas flauem Gefühl im Magen machten wir uns bettfertig.

Hier geht's (natürlich über Leitern!) hinauf zur Leschaux-Hütte. Der neue Steig war eben erst fertiggestellt worden, wir gehörten zu den allerersten Benutzern - was für eine ehrenvolle frühe Wiederholung ;-)
Die Hüttenwartin hatte uns berichtet, dass nur eine weitere Seilschaft zur NW-Wand der Petit Jorasses gehen wolle, diese jedoch die klassische Contamine-Führe anpeilen würde. Sie stellte uns ein Frühstück bereit und schlug eine Aufstehzeit von 2.30 Uhr vor. Das kam mir doch arg früh vor, der Zustieg wird nämlich mit rund 2h veranschlagt und vor 5.30 Uhr würde es nicht hell werden. Auch weil ein wettertechnischer Toptag ohne Quellbewölkung und Gewitter angesagt war, entschieden wir uns, den Wecker erst auf 4.00 Uhr zu stellen. Sofern wir uns schlaflos in den Betten wälzten, könnten wir ja immer noch früher aufbrechen und sonst würde uns etwas mehr Schlaf vor der langen Tour sicher gut tun. Auch so kalkulierte ich, dass wir um 7.00 Uhr mit der Kletterei würden beginnen können, was mit einem Budget von 10 Stunden Kletterzeit von für eine human frühe Rückkehr zur Hütte reichen würde.

Die Sonnenuntergänge auf der Leschaux-Hütte über den Spitzen der Aiguilles de Chamonix sind traumhaft schön.
Ein weiterer Tipp der Hüttenwartin bestand darin, für den Zustieg nicht auf den Gletscher abzusteigen, sondern oberhalb der Hütte die Moränenhänge zu queren. Sie beschrieb mir diesen Weg als schneller und viel angenehmer, jedoch auch als weglos und im Dunkeln den nötigen Spürsinn benötigend. Weil ich das üble Gestolper über den Leschaux-Gletscher von der Tour an der Grandes Jorasses noch in schlechter Erinnerung hatte, wollten wir diesem Tipp folgen und unsere Kräfte für den wesentlichen Teil der Tour schonen. In den "couches molleuses" (flauschigen Decken) hatten wir ganz leidlich geschlafen und standen darum erst um 4.00 Uhr auf. Mit Confibrot, Müesli, Kuchen und heisser Schoggi gab's ein reichhaltiges Frühstück, und wir machten uns zeitgleich mit der Seilschaft für die Contamine auf den Weg. Während diese über die Leitern zum Leschaux-Gletscher abstieg, wählten wir den Weg (ebenfalls über einige Leitern) hinauf Richtung Refuge du Couvercle.

Blick vom Fuss der Petites Jorasses NW-Wand zum Leschaux-Gletscher. Die Hütte liegt am rechten Ufer (im Schatten, nicht sichtbar). Wir querten die dunklen Moränenhänge rechts, anstatt zum Gletscher abzusteigen.
Nach einer Weile verflacht sich das Gelände etwas (d.h. keine Leitern mehr) und der Weg führt in engen Kehren bergwärts. Auf einer Höhe von 2575m galt es, diesen Weg nach rechts zu verlassen. Ein Steinmann markierte die Stelle, aber der Punkt ist anhand der Höhe auch sonst gut zu identifizieren, vor allem führt der Couvercle-Weg von dort horizontal nach links und damit in die falsche Richtung weiter, d.h. der Abzweiger ist auch vollkommen logisch. Es war noch zappenduster, doch nun galt es, den Spürhund in sich auszupacken. Die Empfehlung war, vorerst noch diagonal bis auf 2650m aufzusteigen, und dann mehr oder weniger horizontal, in einem Band von +/-50hm zu traversieren. Wir gingen relativ gemütlich, ich nahm mir auch die Zeit die Sache gut auszuleuchten und sorgfältig zu navigieren, da ich es auf jeden Fall vermeiden wollte, dass wir uns hier verrennen und mit einem mühsamen hin und her bzw. auf und ab schon unnötig Kräfte und Nerven lassen.

Dies gelang gut, was auch ein bisschen daran liegt, dass das Gelände zwar relativ steil, aber eben auch ziemlich überall gangbar ist. Der erste Anstieg auf 2650m ist nötig, um einen ersten Gletscherbach in einer flacheren Zone (bzw. einem Schneefeld) überwinden zu können. Danach muss man wieder etwas Höhe vernichten, um schliesslich einen felsigen Sporn zu unterqueren. Nun folgt nochmals ein Anstieg, um eine eindrücklich tief in die labile Moräne eingefressene Bachschlucht zu passieren, bevor man schliesslich zum dort flachen und spaltenarmen Gletscher auf etwa 2600m absteigt. Wie erwähnt, es gibt keine Wegspuren oder Markierungen, es war dunkel und daher ist etwas Selbstvertrauen und Spürsinn nötig, auch wenn der Weg an sich nicht besonders schwierig zu finden ist. Von der anderen Seilschaft, die den Weg über den Gletscher gewählt hatte, war noch nichts zu sehen. Wir rüsteten indessen auf Steigeisen und Leichtpickel um, und seilten uns an. Inzwischen war auch der fantastische Tag angebrochen, der Gipfel der Grandes Jorasses wurde von den ersten Sonnenstrahlen gekitzelt.

Blick zur Nordwand der Grandes Jorasses mit Walker- und Crozpfeiler, die um diese Jahreszeit morgens in der Sonne sind.
Der Schnee war zwar nicht hart gefroren, aber doch kompakt und gut zu gehen. Zum Einstieg wartet nun noch eine ziemlich anspruchsvolle Firntour mit fast 500hm. Erst geht's noch gut dahin, doch später steilt sich das Gelände auf gute 40 Grad auf. Auch wenn die Verhältnisse für Anfang August wirklich noch tiptop waren, es hatte dennoch offene Spalten, um die man herumnavigieren musste. Mit einigen Eistürmen links und vor allem dem riesigen Schneepropf, der an der Mündung des NW-Gully zur Point Frebouze hing war das objektiv auch nicht zu 100% sicher. Durch gute Routenwahl konnte man die Exposition mindern und so waren es nur ganz wenige Minuten, während welchen wir beim Steigen bange Blicke nach oben richteten und beständig einen Fluchtweg präsent hatten. Der Einstieg ist problemlos zu identifizieren, die Riesenverschneidung der Contamine-Route am höchsten Punkt des Schnees ist wirklich glasklar. Zum Schluss wartet ein rund 45 Grad steiles Schneedreieck, der Bergschrund darunter war völlig problemlos. Oben gab's einen bequemen Geröllplatz, um sich anzuschirren und eine nennenswerte Randkluft war auch nicht vorhanden, easy Access also. Um 7.00 Uhr und damit weniger als 2.5h nach Aufbruch in der Hütte und genau nach Plan waren wir schliesslich kletterbereit, obwohl wir es beim Zustieg wirklich gemütlich genommen hatten, um sauber zu navigieren und uns nicht unnötig zu verausgaben. Die andere Seilschaft mit ihrem Weg über den Gletscher brauchte schlussendlich rund 1 Stunde länger bis zum Einsteigen, obwohl sie (wie ich später herausgefunden habe) von einem sehr kompetenten, berühmten  Alpinisten und Bergführer angeführt wurde.

Blick hinunter auf den Geröllplatz am Einstieg der Route, hinten rückt eben die Seilschaft für die Contamine an.
L1 & L2, 50m, 6a: Etwa 10m rechts vom Verschneidungsgrund und der Contamine geht's los. Der erste Stand hing nur 10m über dem Schnee/Einstieg und konnte daher ausgelassen werden. Von diesem deutlich nach rechts, dann eine Verschneidung hoch und dort wo's schwer wird plattig (BH) nach links zum Stand queren. Es war natürlich sehr angenehm, im Spiel gleich zu Beginn zwei Felder auf einmal vorrücken zu können und so den ersten Vorsprung auf die Marschtabelle zu holen.

Kathrin folgt in der Verschneidung von L2 (6a), es folgt noch die Crux mit der plattigen Querung.
L3, 40m, 6b+/A0: Nun folgt gleich die Länge mit der deutlich schwersten Kletterstelle der gesamten Route. Hinauf in schöner Kletterei an 2 BH vorbei zum markanten Dach. Von weitem sieht dies sehr schwer aus, von näherem zugänglicher, aber auch nicht trivial. Die meisten machen's wohl an den 2 nahe steckenden BH im A0-Stil, was frühmorgens, noch dick eingepackt und mit einer Menge Material am Gurt gut verständlich ist. Es hat zwar eine dünne, etwas glitschige Rissspur oberhalb des Dachs, aber es ist einfach ein murksiger Hauruck ohne vernünftige Tritte. Frei meines Erachtens klar schwerer als die 6b+ der Literatur, allerdings passt 6b+ und A0 dann auch wieder nicht, weil der Rest der Länge eher nur bei 6a+ (oder so...) eincheckt.

Über diesen Dachriegel musst du gehen. Die deutlich schwerste Kletterstelle der Route in L3 (ca. 6c oder A0).
Bis auf die kurze Passage am Dach bietet aber auch diese Länge schöne Genusskletterei an vorzüglichen Rissen.
L4, 40m, 6a: Nun folgt eine ganz typische und charakteristische Seillänge für den unteren Teil. Der hellgraue, plattige Fels weist immer wieder positive, scharfe Leisten auf, welche gute Tritte und Griffe hergeben. So steigt es sich oft leichter, wie es den Eindruck machen mag. Speziell hier: einer der 5 BH auf dieser Länge ist vom Steinschlag beschädigt. Zum Glück war's zum nächsten weder allzu weit oder allzu schwer... sowas könnte einen auch definitiv ausbremsen.

Schöne, plattige Kletterei in L4 (6a), die Stelle mit dem defekten Bohrhaken zum Glück gut gemeistert.
L5, 40m, 6a+: Mal rechts (eher selten) mal links (eher häufiger) der Kante geht's aufwärts, zum Ende hin dann mal sogar ein bisschen kühner und man muss einem Empfinden nach das erste Mal so richtig fein deutlich oberhalb vom Haken antreten. Die andere Seilschaft in der Contamine war inzwischen auch auf Kurs und hatte die erste Länge gemeistert.

Ausblick auf die schöne Kantenkletterei in L5 (6a+), oben links der Kante lässt sich der Ausbruch bereits erahnen.
L6, 40m, 6a: Der Blick nach links und oben zeigt, dass es hier offenbar vor relativ kurzer Zeit einen grösseren Felssturz gegeben hat. Eine Partie von ca. 10x15m zeigt noch dreckiges, erst neu freigelegtes Gestein und vor allem fehlt auch die in den Topos verzeichnete Schuppe, der man entlang klettern sollte. Ich frage mich noch, gerade hinauf oder gleich eine Umgehung probieren?!? Schliesslich nehme ich den originalen Track der schwach ausgeprägten Kante entlang aufwärts. Die Kletterei im 5c/6a-Bereich ist machbar für mich, nur die Sicherungsmöglichkeiten sind leider abgestürzt und komplett inexistent. Nach 10-12m nähere ich mich dem ersten (und einzigen) BH dieser Länge. Wo man früher wohl bequem auf die Schuppe steigen und klinken konnte, wartet jetzt eine echt schwere Plattenstelle. Wackliger Aufsteher, wohl etwa 6b, Sturzpotenzial in den Stand 20-25m, ganz ganz hässlich. Ich trau's mir nicht zu und klettere wieder ab. Rechtsrum geht's dann gut, deutlich schönere und angenehmere Kletterei im 6a-Bereich über Platten und einige Risse hat's auch, an denen man tiptop selber absichern kann. Zu allem übel lässt sich dann für Kathrin ein Cam nicht entfernen, und ich fürchte, dass wir diese Kleingrösse noch zwingend brauchen werden. Also gehe ich nochmals runter und habe ihn nach ein paar Minuten frei. Hier lassen wir also definitiv etwas Zeit liegen.

Hoppala, da fehlt was! Grösserer Felssturz, eine Schuppe von ca. 10x15x1m fehlt hier am Beginn von L6.
Ich fand zum Glück eine gut absicherbare und kletterbare Variante rechts herum, Kathrin hier am Ende dieser Seillänge.
L7, 40m, 6a+: Beschwingt geht's vom ersten Kreuzungspunkt mit der klassischen Contamine-Führe weiter, schöne plattige Kletterei, die einen an die nächste Steilzone heranführt. Obwohl nur 4 BH stecken, ist's tiptop abgesichert.

Plattige Kletterei in L7 (6a+), diese Länge ging uns leicht und schnell von der Hand.
L8, 50m, 6a+: Rechts aus dem Stand raus und am steilen, griffigen und selbst abzusichernden Riss aufwärts. In der Folge hält man sich leicht links in die Wand und dann gerade noch weit aufwärts bis kurz vor "Seil aus". Hier stimmt die sonst gute Topoguide-Skizze leider sowohl vom Routenverlauf wie auch von den BH her nicht, auch die schöne Kristallgrotte kommt bereits am Stand nach L8 und nicht erst an jenem nach L9.

Lange und recht anspruchsvolle Seillänge, zu Beginn selber abzusichern: L8 (6a+).
L9, 40m, 6b: In manchen Berichten wird diese steilplattige Länge als Crux zum Hochkommen bezeichnet und die 6b als sehr obligatorisch und knapp abgesichert angegeben. Ich habe dies nicht unbedingt so wahrgenommen. Klar, die Platte ist relativ glatt, die schönen scharfen Leisten von weiter unten sind eher Mangelware. Aber die dünne Rissspur zu Beginn lässt sich gut klettern und absichern, beim 6b-Zug (1 Move an einen guten Griff) ist der Haken etwa auf Kniehöhe. Noch am bedenklichsten fand ich das etwas kühne Finish, das rechts in doofer Position nur kleines und nicht ganz so gutes Gear nimmt (am besten mit 2x120er verlängern, damit man es nicht selber rauszupft oder es verklemmt). Dieser sehr schattig unter dem Überhang gelegene Abschnitt war vor allem in den Rissen und stellenweise auf der Platte auch noch feucht. Prompt verklemmt es hier den kleinen Totem Cam, den ich erst nach einigen Minuten grübeln und kurz vor dem Aufgeben freikriege.

Diese Platte in L9 (6b) mit der feinen Rissspur wird oft als Vorstiegs-Crux der Route bezeichnet - fand's nicht so schlimm.
Zwischendurch ist's schon etwas feinere Plattenkletterei, aber nichts wirklich bösartiges (L9, 6b).
L10, 30m, 6b: Steiler, herbalpiner Abschnitt in einer überhängenden Verschneidung, welche in den Rissen drin noch komplett nass war. Aber es gibt hier doch zahlreiche Henkel, Bohrhaken hat's auch und Friends bringt man auch unter (in etwa der einzige Ort, wo die Grössen vom 1er Camalot aufwärts passen). Mit so etwas muss man beim hochalpinen Klettern einfach klarkommen, es ging auch gut. Der Stand übrigens, wenn man nach den steilen Zügen in der Rinne steht, ist deutlich links in der Wand zu suchen.

Ausstieg aus der überhängenden Rissverschneidung von L10 (6b), die auch gerne lange nass oder zumindest feucht bleibt.
L11, 40m, 6a: Mit dem Ausstieg aus dem steilen Riss begibt man sich in die obere, plattige Wandhälfte. Damit kamen wir einerseits in die Sonne und konnten die Bekleidung sogar auf's T-Shirt reduzieren. Auch vorher war uns bis auf die erste Länge nie kalt gewesen, und ein Faserpelz war genug der Bekleidung gewesen. Ebenso verloren wir die andere Seilschaft aus dem Blickfeld. Wir hatten konstant einen Vorsprung von etwa 3 Seillängen halten konnen, was uns natürlich ein gutes Gefühl gegeben hatte. Auch war es erst 11.30 Uhr, wir waren also tiptop im Zeitbudget, die Kräfte noch beisammen und somit guten Mutes, zum Top zu kommen. Erwähnt sei, dass der Fels hier seinen Charakter ändert. Die Platten sind eher goldgelb bis orange und nicht mehr hellgrau, die Strukturen viel runder als zuvor. Die Kletterei ist oft plattig, homogen schwer, an Dullen und runden Auflegern, sehr typisch in dieser Länge.

Der erste Eindruck aus dem oberen Wandteil, Kathrin folgt in der eher gemütlichen L11 (6a).
L12, 40m, 6a: Hier wird das Plattenmeer von einer Dachzone unterbrochen. Sieht von weitem etwas einschüchternd und fraglich aus, aber man kommt dann doch erstaunlich easy durch, nachdem es genau an der richtigen Stelle Henkel hat. Vielleicht aber doch eher eine 6a+ Stelle, im Vergleich zum Rest.

Obwohl L12 auch nur mit 6a bewertet ist, fand ich sie übers Dach etwas anspruchsvoller wie andere Längen in der Zone.
L13, 45m, 6a: In dieser Seillänge ist die Topoguide-Skizze nochmals etwas verwirrlich. Der massive Quergang existiert in der Realität nicht, man folgt ganz logisch dem leicht nach rechts ziehenden Riss ob dem Stand und wechselt ebenfalls ganz logisch 1-2m nach links zum nächsten Riss, wo sich dies anbietet. Gute, griffige Kletterei, lässig. Ein Punkt allerdings: die Bolts sind wirklich sehr, sehr schwer zu erkennen. Sie heben sich farblich kaum vom Gestein ab und beim Hochschauen sieht man zudem noch ins Gegenlicht der Sonne. Es sei schon an dieser Stelle erwähnt, dass leider nur verzinktes Material steckt. Die Korrosion beginnt zu nagen...

Tenüwechsel war nötig. Schon zuvor war's nie kalt, jetzt sogar richtig warm. Kathrin cruist in L13 (6a).
L14, 45m, 6a: Steilplattige Länge ohne markante Strukturen mit schwieriger Orientierung. In der ersten Hälfte eher wenige Bolts mit grösseren Abständen. Dann kreuzt man die Contamine und muss einfach der Nase nach rechtshaltend ziemlich kühn in die Wand hochsteigen - am Ende der Länge kommen dann nochmals zwei, drei BH.

Das riesige Plattenmeer im oberen Wandteil. Hier klettert Kathrin in L14 (6a), die teils etwas kühn ist. Die Bohrhaken sind aus der Ferne im Gegenlicht kaum zu erkennen, weiterklettern und darauf vertrauen, dass dann irgendwann wieder einer kommt ist hier die Devise. 
L15, 50m, 6a+: Feine Passage gleich nach dem Stand, danach etwas leichtere Steilplatte mit weiten Hakenabständen, obwohl noch ein paar mehr stecken wie in der Topoguide-Skizze. Auch wieder eher schwierige Orientierung, leicht rechtshaltend hinauf geht's.

Zur Abwechslung wieder mal ein Blick zur gewaltigen Nordwand der Grandes Jorasses - immer wieder scheppern Steine.
L16, 45m, 6a+: Zu Beginn ganz cooler, goldgelber Fels mit steiler, noch einen Tick anspruchsvollerer Plattenkletterei wie sonst in dieser Zone. Der Weiterweg ist dann beinahe senkrecht, aber solch kletterfreundliches Gestein ist auch selten. Es hat griffige Schwarten und Tritte ohne Ende, da kann man bei 5c oder 6a wirklich beinahe (wie Ueli Steck...) von "Gehen im Fels" sprechen.

Super Plattenkletterei auch in L16 (6a+), der Einstieg schon irre weit entfernt.
L17, 40m, 6a: Demselben System von Rissen, Schuppen und Schwarten entlang geht's in unglaublich griffigem Fels aufwärts. Für einmal eher leichter wie der angegebene Grad, bzw. eher leichter wie die anderen so bewerteten Seillängen. Unglaublicher Genuss!

Im gleichen Stil geht's weiter (L17, 6a). Rund 20 Minuten brauchen wir pro Seillänge in diesem Teil der Wand.
L18, 45m, 6a+: Hier wartet am Riegel nach dem Stand die letzte Steilzone und anspruchsvolle Kletterstelle der Route. Hinauf und athletisch an schrägen Slopern nach links über den Wulst, danach einfacher in nicht mehr ganz so steilem Gelände. Weiter oben trifft man auf älteres Material (die Contamine?!?) und einen improvisierten Stand aus Schlingen, NH und Fixkeilen. Der BH-Stand der Anouk ist jedoch noch etwa 5-7m weiter oben, nicht gut sichtbar auf dem Pfeilerkopf, den man rechtsrum umgeht.

Ausstieg auf den Pfeilerkopf am Ende von L18 (6a+), aber hier wird's etwas einfacher für die letzten 3 Seillängen.
L19-L21, 135m, 5a-5c: Nun kommen noch drei etwas einfachere und nicht mehr ganz so steile Seillängen hinauf zum Gipfel. Die Kletterei ist aber immer noch sehr gut und genussreich, dafür räumlich kaum mehr von der klassischen Contamine getrennt. Das erste Teilstück einer Art Rinne/Verschneidung entlang ist easy. Im zweiten auf einem schwach ausgeprägten Pfeiler aufwärts, während das dritte nochmals tolle, cleane 5c-Kletterei im orangen Gestein bietet. Die letzten Meter hangelt man dann der Gratkante entlang aufwärts zum Gipfel, der Blick schon frei in die Weiten der italienischen Alpen, wirklich total genial!

Ausblick auf das Restprogramm von L19-L21 (5a-5c). Immer noch nicht von schlechten Eltern, definitiv kein Gehgelände.
Kathrin klettert in L20 (5b), das Top rückt näher.
Um 15.50 Uhr und damit nach rund 8:45 Stunden Kletterei gibt's am Top auf 3650m den High Five. Bis auf die beiden verklemmten (aber wieder befreiten) Cams war's wie am Schnürchen gelaufen. Das Wetter war nach wie vor bestens und erlaubte tolle Aussichten auf die fantastische Hochgebirgswelt. Tja, wir hatten wirklich eine Traumroute an einem Traumtag klettern können! Die zweite Seilschaft in der Contamine hatten wir nach unserer L10 weder gehört noch gesehen, ja vermuteten, dass diese wohl die Begehung abgebrochen habe und wähnten uns komplett allein am Berg, bzw. eigentlich sogar in diesem ganzen, hinteren Leschaux-Kessel. Nachdem wir den letzten, mitgenommenen Proviant verputzt hatten, machten wir uns nach einer Viertelstunde auf den Weg in die Tiefe. Mit 21 Abseilern und dem alpin anspruchsvollen Gletscherabstieg wartete ja noch ein ziemliches Restprogramm auf uns.

Die letzten Meter hangelt man dem orangefarbenen Grat entlang sehr luftig zum Gipfel: L21 (5c).
Zum Glück bin ich mit Kathrin, was das Abseilen betrifft, ein perfekt eingespieltes Team. Jeder weiss genau, was er wann zu tun hat, wo und wie man an den Stand geht und einhängt, so dass nachher das Seilabziehen nicht umständlich wird, usw.. Ganz generell ist das Standhandling auf dieser Route natürlich ganz entscheidend: im Aufstieg und Abstieg an jedem Stand mal rasch 3 Minuten wegen Ineffizienz verplempert?!? Tja, 2x21x3 ergibt schliesslich 126 und damit über 2 Stunden Zeitverlust. Wobei ich hier nicht mit irgendwelchen Begehungszeiten prahlen will, es hat sicher schon manche Seilschaft die Anouk in kürzerer Zeit geklettert und es war unser Hauptziel, die Kletterei zu geniessen und nicht einen (Nicht-)Rekord aufzustellen. Dennoch, ein entscheidender Aspekt zum Erfolg ist hier durchaus ein effizientes Handling am Stand, wie die obige Rechnung schön aufzeigt.

Von hoch oben, alles ganz weit weg. Tiefblick zum Leschaux-Gletscher und nach vorne zum geringelten Mer de Glace.
Bei der Abseilerei ging alles tiptop. Vor allem in den obersten 3 Abschnitten ist einiges an Seilpflege nötig und die Gefahr von Verhängern beim Abziehen reichlich akut - da hatten wir Glück. Weiter unten läuft's dann rassiger, das Seil bringt sich des öfteren selber in Position und in den grossen Plattenschüssen ist die Verhängergefahr deutlich kleiner. Allerdings, Stände überspringen kann man mit 2x50m-Seil wirklich keinen einzigen. Mit 2x60m-Seil ginge es geschätzt etwa 3x - natürlich zum Preis höherer Verhängergefahr und über den ganzen Tag hat man mit dem höheren Gewicht (und viele Male 10m unnötiges Seil durchziehen) wohl kaum einen Zeitgewinn. Überrascht waren wir hingegen, als wir in L15 der Anouk die andere Seilschaft aus der Contamine im Aufstieg antrafen. Meine freundliche formulierte Frage, ob sie Schwierigkeiten gehabt hätten, wir hätten sie längst auf dem Abstieg vermutet, kam nicht so gut an - das ganze fühlte sich für einen Profi wohl ein bisschen als Majestätsbeleidigung an. Sorry, konnte ich nicht wissen, war nicht so gemeint. Die beiden kämpften sich noch bis ans Ende von L18 der Anouk durch und trafen schliesslich nach Mitternacht in der Hütte ein.

Die Standplätze (und auch die Zwischenhaken) sind leider nicht Premium Quality, für den Moment aber noch akzeptabel.
Wir hingegen hatten nach 1:40 Stunden die 20 Manöver retour zum Einstieg erledigt, noch schneller wäre es uns echt nicht möglich gewesen. Wir wechselten auf die immer noch mit den Steigeisen versehenen Bergschuhe und zogen einen letzten Abseiler vom untersten Anouk-Stand über das steilste, oberste Schneestück. Danach hiess es sehr vorsichtig Absteigen. Der Schnee war nun natürlich aufgeweicht, total seifig und rutschig. Ständig bildeten sich Stollen unter den Eisen und es war wirklich ein Eiertanz. Gleichzeitig wäre ein Rutscher katastrophal, da unten in Falllinie grosse Spalten gähnen, durch welche man sich in traversierender Linie durchschlängeln muss. Aber an einem Tag mit guten Kletterbedingungen in der Anouk muss man da einfach durch, da wird man keinen kompakt-griffigen Firn mehr antreffen. Endlich erreichten wir etwas flachere Gefilde, und die Konzentration konnte etwas nachlassen.

Rechtzeitig zurück zum Znacht in der Hütte, fantastisches Panorama und Sonnenuntergang, aber das ist nicht alles...
Wir entschieden uns schliesslich, wieder die obere Traverse zu wählen. Der bald apere Gletscher und der Wiederaufstieg zur Hütte über die Leitern wäre bestimmt auch kein Zuckerschlecken. So konnten wir bei Tageslicht unseren Aufstiegsweg der Nacht nochmals etwas anders erleben. Tatsächlich hatten wir perfekt navigiert und den idealen Verlauf bereits beim Hinweg getroffen. Vom Routeneinstieg brauchten wir doch auch wieder fast 2h zurück in die Hütte. Das geht sicher schneller, doch erst waren wir (völlig zurecht) langsam, vorsichtig und kontrolliert abgestiegen und auf der Moränen-Querung war dann Kathrin bereits etwas platt. Kein Grund zum Verzagen jedoch. Um 20.00 Uhr und damit genau nach Plan trafen wir auf der Hüttenterrasse ein. In der Abendsonne bei einem fantastischen Ausblick und angenehmer Temperatur konnten wir im Freien die erstklassige, selbergemachte Lasagne der Hüttenwartin Chloé geniessen, ein perfekter Abschluss dieses langen Tages. Nach dem Dessert und reichlich Getränken legten wir uns dann bald aufs Ohr. Weil für den Nachmittag des Folgetags Gewitter angesagt waren, schliefen nur noch ein Handvoll Hüttenwanderer im Nebenzimmer, so dass eine gütliche Nachtruhe kein Problem war.

...das superfeine Abendessen (Lasagne à la Maison) setzte dem Tag die Krone auf. Foto Credits: Refuge de Leschaux.
So blieben wir dann auch gemütlich bis um 8.00 Uhr in den Decken stecken. Ich für meinen Teil wäre durchaus noch bereit gewesen, an der Aiguille du Pierre Joseph wenig oberhalb der Hütte eine weitere Granittour zu klettern. Einmal draussen in den Bergen kennt Marcel keine Müdigkeit und ist allzeit bereit, Ausruhen und Plattheit kommen dann erst in den Ruhetagen zuhause. Ist wirklich so! Kathrin signalisierte mir jedoch klar, dass mit ihr heute nicht mehr zum Klettern zu rechnen sei. Ein bisschen schade natürlich, wer weiss, wann ich das nächste Mal in der Leschaux-Hütte bin, schliesslich sind jetzt die Wände von Grandes und Petites Jorasses geklettert. Andererseits, sicher wären die Piola-Routen oberhalb der Hütte lohnend und lässig, Major Outings sind sie aber vermutlich keine. So genossen wir gechillt ein ausgiebiges Frühstück und machten uns dann auf den Abstieg nach Montenvers, d.h. runter über die Leitern und auf dem Aufstiegsweg über die Gletscher zurück.

Der grosse Bruder, die Nordwand der Grandes Jorasses, welche ich im Herbst 2011 über den Crozpfeiler in Mitte der Wand erklettert hatte (Bericht). Was noch bleibt, wäre die Cassin-Route über den Walkerpfeiler (links), welche direkt zum Hauptgipfel führt. Zum Zeitpunkt der Anouk-Begehung hatte ich noch gesagt, dass dies wohl für immer ein Projekt bleiben wird - zu viel ungutes hatte ich gehört, wir hatten auch viel Steinschlag beobachtet. Nun, nachdem es Ende August und Anfang September 2016 ein Window of Opportunity mit vielen schnellen Begehungen bei idealen Bedingungen, ohne allzu viel Andrang und kaum Steinschlag gab, wäre ich aber doch aufgebrochen - wenn ich denn die nötige Zeit und den entsprechenden Partner dafür gehabt hätte... also maybe next time.
Auf dem Rückmarsch werfen wir bei schönstem Wetter noch Blick auf viele andere, nicht ganz so ambitionierte Projekte.
Nun gab es keine Eile mehr, es war reinster Genuss mit tollen Ausblicken auf die umliegenden Berge und natürlich dem Sinnieren darüber, welche Projekte man in den Chamonix-Bergen als nächstes angehen könnte. Tja, solche Fenster mit sicherem Wetter, perfekten Bedingungen, einer eingespielten, fitten Partnerin und frei von allen weltlichen Verpflichtungen sollte man öfters haben! Auf allzu baldige Wiederholung können wir wohl leider nicht zählen, aber die Gelegenheit kommt sicher wieder. So liessen wir es uns dann nicht nehmen, im Grand Hotel zu Montenvers noch ein feines und nicht ganz günstiges Zmittag einzunehmen - dereinst hatten wir in dieser Stätte sogar stilvoll übernachtet. Auf dem Zug ins Tal trafen wir dann per Zufall nochmals auf unsere Mitstreiter von den Petites Jorasses. So hatten sie ihren Rückstand auf uns doch noch wettgemacht und waren (vielleicht deshalb?) wieder etwas versöhnlicher gestimmt.

Blick zurück, wieder bei der Querung des mäandrierenden Gletscherflusses - trickier als man meinen könnte!
Der Schlusspunkt im Hotel Montenvers - irgendwie passen Food-Fotos nicht so zum Kletterblog, für 1x gibt's eine Ausnahme.
Facts

Petites Jorasses (3650m) - Anouk 6c (6a+ obl.) - 21 SL, 875m - Piola/Sprüngli 1990 - *****;xx(x)
Material: 2x50m-Seile, 10-12 Express, Camalots 0.3-1 plus evtl. Grösse 2, Pickel, Steigeisen

Super Route durch die 650m hohe NW-Wand der Petites Jorasses, wegen der Lage, Exposition und Länge nur etwas für ganz stabile, heisse Sommertage nach Schönwetterperioden. Mit 875m Kletterlänge und 21 Seillängen ist's beinahe ein Bigwall, die Schwierigkeiten im 6ab-Bereich sind sehr anhaltend, es gibt kaum geschenkte, einfache Meter. Daher muss man durchaus ein gewisses Klettertempo an den Tag legen, und auch für die 21 Abseilmanöver zurück über die Route ist Effizienz und routiniertes Handling unerlässlich. Wo nötig ist die Route gut mit verzinkten, teils bereits etwas von der Korrosion angegriffenen Bohrhaken eingerichtet. Dennoch sind vielfach mobile Sicherungen zu platzieren, was sehr gut möglich ist. Gefragt sind v.a. kleine Cams, die grossen braucht man hier kaum hochzutragen, nur gerade in der steilen Verschneidung von L11 kann der Camalot 2 für ein einziges Mal dienlich sein. Insgesamt darf man die Route durchaus als plaisirige, alpine Sportkletterei bezeichnen - es ist definitiv kein wilder Ritt an abenteuerlichen, hart bewerteten und cleanen Chamonix-Rissen. Wichtig zu wissen: Zu- und Abstieg verlaufen über hochalpines Gletschergelände mit Abrutsch- und Spaltensturzgefahr. Entsprechendes Können, die nötige Ausrüstung und günstige Verhältnisse (man erkundige sich im Voraus!) sind absolut unabdingbar.

Topo

Viel gibt's hier nicht. Frei verfügbar auf dem Netz ist die Skizze von Denis Corpet. Die gibt den Routenverlauf im Groben eigentlich sehr gut wieder. Aber wie immer, bei 875m Routenlänge passt dann natürlich nicht mehr jeder Griff oder Sicherungspunkt aufs Papier. Mit etwas alpinem Spürsinn und Selbstvertrauen findet man damit die Route aber schon. Besser und detailgetreuer ist das Topo aus dem Kletterführer Alpen Band I von Topoguide. Man kann es auch als Einzelstück erwerben, was ich auf jeden Fall empfehlen würde. Ganz alle Details sind natürlich auch hier nicht verzeichnet, ein paar kleinere Fehler hat's auch - jedoch nichts allzu grobes oder störendes. Es ist eben alles andere als einfach, einen solch langen Klettertag danach korrekt aufs Papier zu bringen.

Frei verfügbares Topo von Denis Corpet.

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