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Freitag, 27. April 2018

Piz Sardona (3056m) - Westcouloir

Meine erste Skitour im Winter 17/18 führte mich auf den Fanenstock. Da gab es wieder einmal ausreichend Gelegenheit, die schönen Hänge im Segnes/Sardona-Kessel vis-à-vis zu bestaunen. Darüber hinaus publizierte ich dieses attraktive Bild. Das war der Auslöser, warum mir Michael schrieb. Er meinte, die Skitour von Elm über diese Hänge und schliesslich durch das Westcouloir auf den Piz Sardona müsste man doch einmal angehen. Ja, warum eigentlich nicht?!? Weil es sich dabei durch und durch um eine Frühlingstour handelt, war allerdings noch etwas Geduld gefragt. Nun, Mitte April 2018 klappte es jedoch famos mit einer Begehung. Die Route via Geissegg und Westcouloir zum Piz Sardona wird als Sommertour hin und wieder begangen, man findet im Netz diverse Berichte dazu. Bevorzugt ist dazu der Frühsommer zu wählen, solange im oberen Teil und im Couloir noch kompakter Altschnee liegt. Eine Begehung nach der Ausaperung ist zwar möglich, jedoch aufgrund vom schiefrig-schuttig-brüchigen Gelände wenig erquicklich. Von einer Begehung im Winter mit Ski konnte ich nichts in Erfahrung bringen, die ersten werden wir hier jedoch kaum gewesen sein, dazu ist die Route viel zu logisch und attraktiv. 

Blick vom Harscheisen-Montagepunkt auf das noch ziemlich weit entfernte Sardona-Westcouloir.
Dank der Westexposition und der relativ kurzen Anfahrt konnten wir für eine Frühlingstour an einem >20-Grad-Tag leidlich lange im Bett lieben bleiben und starteten schliesslich erst um 7.20 Uhr vom üblichen Parkplatz der Fanenstock-Tour in Elm bei P.1037. Im Tal lag bereits kein Schnee mehr, was wir genau so erwartet hatten und keinen Nachteil darstellt. Die untersten 400hm führen durch den steilen, waldigen Bergsockel. Hier mit Ski zu Steigen ist wohl nur selten möglich, zudem vermutlich auch eher beschwerlich. Für uns konnte es hingegen bequem mit Turnschuhen auf dem markierten Wanderweg dahingehen. Grundsätzlich gibt's 2 Möglichkeiten, um zum P.1564 bei Chalberweid zu gelangen. Der direkte Weg (siehe LK) ist kürzer, führt jedoch durch steileres Gelände, ist angeblich stark verfallen und stellenweise schwierig zu finden. Wir wählten den unteren, der eben markiert und gut ausgeprägt ist. Bis auf die problemlose Querung einzelner Lawinenreste in ein paar wenigen Couloirs war er easy zu gehen. Auf 1470m konnten wir schliesslich die Ski anziehen. Ab dort lag eine geschlossene und noch mächtige Schneedecke, darunter war es praktisch komplett aper - so sehen perfekte Verhältnisse für diese Tour aus!

Blick von der Ebene auf 1700m auf das Restprogramm: erst die wenigen Meter über die Ebene im Vordergrund, dann die kurze Abfahrt zur Alp Stäfeli (nicht sichtbar). Es folgt im mittleren Bildabschnitt das Horen-Couloir. Die Alp selber, die folgende kurze Abfahrt und der untere Teil vom Geissegg-Rücken sind nicht einsehbar. Man sieht erst wieder den oberen Teil der Geissegg, der schliesslich zum Couloir führt. Der Gipfel ist aus dieser Perspektive auch nicht sichtbar.
Über enges Steilgelände, welches etliche Spitzkehren erfordert, gelangt man schliesslich auf die Ebene auf knapp 1700m über der Alp Stäfeli. Hier gilt es zu entscheiden, wie man zur eine Terrasse höher gelegenen Alp Horen (P.1947) gelangt. Der in einer grossen Schleife verlaufende Sommerweg ist eine Option, auch er erfordert jedoch die Begehung von Hängen mit über 40 Grad Steilheit. Wir wählten die Direktvariante, wo man erst ~40hm hinunter zu den Alphütten von Stäfeli vernichtet und jenseitig durch das steile Horen-Couloir (bis 40 Grad) ansteigt. Die Verhältnisse dort waren sehr gut, wir konnten alles mit den Ski gehen und schliesslich mit den ersten Sonnenstrahlen bei den Hütten von Horen P.1947 eine Pause einlegen. Hier steht man im Angesicht vom Restprogramm, welches erneut mit dem Vernichten von ~30hm beginnt. Man gewinnt den Rücken der Geissegg, welchem man erst über moderat steile (25-35 Grad) Hänge folgt. Weiter oben steilt sich das Terrain schliesslich auf, irgendwo zwischen 2400m und 2700m hat man nach rechts in die Falllinie des markanten Westcouloirs zu queren und über 40 Grad steile Hänge dessen Mündung zu gewinnen.

Steiler Aufstieg über 40 Grad steile Hänge zum Couloir hin - besser bei lawinensicheren Verhältnissen.
Das Couloir soll im Sommer eng und schuttig sein, sowie 2 senkrechte Kletterstellen aufweisen. Von all dem war zum Zeitpunkt unserer Begehung nichts zu erahnen. Hier mussten viele Meter Schnee liegen, denn die Rinne war breit und sehr gleichmässig zwischen 45 und 50 Grad steil. Die ersten Meter konnte man sogar noch mit den Fellen aufsteigen, dann folgte ein Bootpack. Der Schnee war so gut trittig, dass wir auf die Montage der mitgeführten Steigeisen verzichten können und auch die Eisgeräte im Rucksack waren bloss unnötiger Ballast. Nach 150hm Stapfen gelangt man schliesslich auf's Gipfelplateau. Von hier warten noch 130hm zum Gipfelkreuz, welches wir nach insgesamt 4:30h Aufstieg erreichten. Das Panorama war fantastisch, doch ein schneidiger Wind liess uns von einem längeren Aufenthalt absehen. Sowieso wollten wir auch nicht den Zeitpunkt verpassen, um bei Al Dente Sulz abfahren zu können.

Bootpack im Aufstieg durchs Couloir, hier noch einen Tick steiler, ca. 45-50 Grad.
Bisschen windig aber sonst super Ambiente am Gipfel (der sich nicht beim Kreuz befindet, sondern 20m daneben?!?).
Auf dem Gipfeldach konnte man an den abscheinigen Hängen sogar noch so etwas wie Pulver finden. Dann ging's hinein ins Couloir. Dieses war ohne grössere Schwierigkeiten mit den Ski zu befahren (naja, Runterpurzeln wäre trotzdem kein erbauliches Erlebnis!). Der grosse Fahrspass wurde im Couloir wie erwartet nicht geboten, dafür war der Schnee zu wechselhaft (Hartschnee, Presspulver, Knollen). Danach war's dann dafür umso besser: war der Schnee im Aufstieg noch pickelhart gefroren, war er nun perfekt aufgefirnt und bot grössten Fahrspass. Zurück zur Alp Horen hatten wir einige Höhenmeter hinaufzutretteln und stachen dann gleich die Rinne hinunter, durch welche wir aufgestiegen waren. Auch hier wartete guter Sulz und die Befahrung machte Spass. Ein weitere Wiederaufstieg ohne Felle führte uns schliesslich zum Plateau auf 1700m. 

Couloir Skiing bei super Ambiente, so macht's Spass!
Im Vorfeld hatte ich darüber sinniert, mit meiner neuen, leichten Flugausrüstung von Horen oder Stäfeli bequem ins Tal zu gleiten. Diese Tour böte sich echt für eine Ski & Fly - Kombination an. Doch leider war eine Föhntendenz prognostiziert worden, am Gipfel blies dieser auch mit rund 40-50km/h. Somit war der Verzicht aufs Fliegen (bzw. nur schon auf das Mitführen der Ausrüstung) die einzig richtige und logische Konsequenz, auch wenn man sich bei Horen oder Stäfeli dann vermutlich doch hätte raushauen können. Doch Try & Error sollte man bei dieser Aktivität lieber tunlichst vermeiden. Nun denn, auf uns warteten noch gute 200hm Abfahrt zum Turnschuhdepot in bereits tieferem Sulz. Mit gewechselten Schuhwerk trotteten wir über den Wanderweg in einer guten halbe Stunde retour zum Ausgangspunkt, keine grosse Sache also. Nun galt es nur noch, die dreckigen Schuhe am Bach zu reinigen, bevor Heimfahrt, Getränkenachschub und Nachmittagssiesta warteten. Das hatte toll geklappt mit dem Sardona-Westcouloir, viva! 

Home stretch, bei bereits sehr frühlingshaften Bedingungen und Temperaturen.
Facts

Piz Sardona (3056m) von Elm P.1037 via Stäfeli - Horen - Geissegg - Westcouloir
Rund 7km Distanz pro Weg und total (mit den Gegenaufstiegen) ca. 2200hm.
Unten mehrfach 40 Grad, Couloir auf 150hm 45 Grad, Ski-Schwierigkeit S.
Material: Skitourenausrüstung, Steigeisen, evtl. Leichtpickel

Unsere Route zum Piz Sardona. Quelle der Karte: map.geo.admin.ch

Montag, 23. April 2018

Bike, Hike & Fly

Tja, letzte Woche, das wäre der Zeitpunkt gewesen, um die grossen Dinger zu reissen. Nicht immer gibt's die Möglichkeit dazu, so jedenfalls für mich. Fixe Verpflichtungen verunmöglichen längere Abwesenheiten - kein Grund jedoch, den Kopf in den Sand zu stecken. Schliesslich lässt das schöne Wetter auch Ausflüge auf kleinerer Skala zu, welche durchaus ihre Attraktivität haben.

Parat zum Start: Abendflug nach einem Westwanddurchstieg am Hörnli.
Einer davon führt mich über die klassische Westwandroute (T5) auf Hörnli. Dafür kann ich mich daheim aufs Bike schwingen und in weniger als einer halben Stunde zum Ausgangspunkt radeln. Gute und absolut lesenswerte Tipps für die Kombination von Bike & Hike findet man übrigens in diesem Artikel im Bergzeit-Magazin. Nach dem sonnig-trockenen April herrschen in der Wand beste Verhältnisse, so dass ich in einer guten Stunde nach dem Aufbruch daheim bei wunderschöner Abendstimmung bereits auf dem Gipfel bin. Die befürchtete Bisentendenz bleibt eine (wenn auch präsente) Tendenz. Sprich, ein leichter Rückenwind ist fühlbar, aber ein Flug sollte möglich sein.

Anfahrt per Bike an einem wunderschönen Frühlingsabend.

Rein ins Abenteuer Bärtobel (ein bisschen steiler wird es schon noch ;-))
Nun kommt sie aus dem Sack, meine neue Flugausrüstung. Um Kraxeleien, alpine Touren und sogar echtes MSL-Klettern mit dem Fliegen zu verbinden, habe ich mir einen Sir Edmund von Skyman angeschafft. Dieser Single Skin Gleitschirm wiegt nur minimale 1.45kg. Man nehme ein String-Gurtzeug hinzu und somit hat man für unschlagbare 1.7kg ein komplettes Flugzeug auf dem Rücken. Das eröffnet definitiv Möglichkeiten, welche bisher nicht da waren. Passenden Wind und taugliches Wetter vorausgesetzt, sollten damit lange Abstiege der Vergangenheit angehören :-) Doch zurück zum konkreten Fall: mit ein paar entschlossenen Schritten war ich in der Luft und einige Minuten später beim Bikedepot gelandet. In ein paar Handgriffen alles zusammengerafft und auf den Drahtesel gestiegen. Weniger als 2h nach meinem Aufbruch hatte das Mini-Adventure zu Hause sein Ende gefunden.

Landed! Zusammenpacken und ab auf den Drahtesel.


Mein Vorsprung schwindet...

Während sich am Weekend gefühlt die halbe Schweiz aufmacht, um hohe Gipfel und steile Nordwände zu erklimmen, gibt's für mich nur die bescheidene, 30m hohe Nordwand am Schlänggen in Engelberg. Natürlich herrschen auch da beste Bedingungen und man hat die Wahl, an der schattigen Wand aktiv zu sein oder nebenan auf der Wiese in der Sonne zu fläzen. Darüber hinaus kommt der Nervenkitzel und das Adrenalin auch nicht zu kurz, auch wenn's nur wegen ein paar wenigen harten Zügen an oder über dem Limit, kaum einen Doppelmeter über dem letzten Bohrhaken ist. Die Sportkletterei ist eine Welt für sich, für mich auf jeden Fall eine spannende, an- und aufregende, erfüllende und zufriedenstellende.

Der Weg zum Ziel (again, Anfahrt per Bike, dieses Mal nicht ganz von daheim :-))
Im Schlänggen fehlen mir inzwischen nur noch wenige Routen: No Time (8a), Onan (8a+), Laserblade (natürlich natural, 8b), die OnaLater-Kombi (8b) und die beiden Toprouten Termilater und Schwarzes Glas (beide 8b+). Die spannende Frage bleibt, wie viele davon ich mir dereinst noch auf die Ticklist werde schreiben können?!? Das Potenzial ist da, aber trotz allem Bemühen ist auch das Szenario denkbar, dass es für keine einzige mehr reichen wird. Dafür hat am Weekend meine Tochter von 0 auf 1 gestellt und damit den Abstand im familieninternen Schlänggen-Ranking um eine Einheit verringert. Erster RP-Vorstieg einer Schlänggen-Route, bravo! Durchaus bemerkenswert, denn auch die auf dem Papier 'einfachen' Routen (ab 6a ist man dabei) sind komplexe Angelegenheiten und keine Geschenke. 

Schlänggen Vibes... hinten der Grassengrat und die Spannortgruppe.

Dienstag, 10. April 2018

Skitour Stucklistock (3313m)

Das Lawinenbulletin zeigte zwar Stufe 2, dies aber doch noch mit einer gewissen Schärfe, zudem würde die tageszeitliche Entwicklung die Situation nicht verbessern. Da war die Idee für ein gutes Tourenziel gefragt, zumal ich kurzfristig alleine unterwegs sein musste. Meine Wahl fiel schliesslich auf den Stucklistock. Dort sind die Hänge am Bergsockel zwar steil, aber unterhalb von 2000m, zudem kann man sich meist an positiv aus der Landschaft hervortretende Strukturen halten und so allfälligen Triebschnee vermeiden. Obenraus überschreitet dann nur noch der kurze, wenig problematische Schlussaufstieg in die Lücke P.3165 die kritische 30 Grad Marke.

Aufbruch von Färnigen zum Stucklistock, unten die Brücke über die Meienreuss, der tiefste Punkt der gesamten Tour.
Ehrlich gesagt hatte ich mit vielem gerechnet, aber definitiv nicht damit, dass ich morgens um 6.30 Uhr alleine am Startpunkt der noch ungespurten Route stehen würde. Ich war etwas hin- und hergerissen... eigentlich war ich mir meiner Sache bzw. der Einschätzung der Tour sicher, andererseits wartete auch ein heftiger Brocken Arbeit, die 1900 Höhenmeter alleine zu spuren. Als ich mich schliesslich bereits für eine Alternativtour Richtung Gorezmettlen entschieden hatte, sah ich von oben an der Strasse, wie nun doch 3 Tourengänger in Richtung Stucklistock aufbrachen. Somit vernichtete ich erst einmal gute 100 Höhenmeter, fuhr zur Brücke über die Meienreuss ab und wollte nun also doch zum Stucklistock gehen. Schon nach wenigen Minuten in der ersten Stufe nach Äbnet hinauf zeigte sich, dass die 3 viel mehr von mir als ich von ihnen abhängig waren. Für einen Beitrag an der Spurarbeit war ihrerseits weder Mumm noch Kondition vorhanden und es dauerte in der Folge nicht lange, bis ich sie ausser Sichtweite abgehängt hatte.

Die steilen Hänge am Bergsockel sind durchschritten, hier öffnet sich die Landschaft und die Perspektive.
Der Aufstieg über die steilen, unteren Hänge war kraftraubend. Die Unterlage war kompakt und sicher, darauf lag jedoch eine rutschige Pulverauflage. Um gar kein Risiko einzugehen, hielt ich mich konsequent an die am wenigsten steile Aufstiegsroute und von allen Rinnen fern, was viele Dutzend Spitzkehren erforderte. Schon erstaunlich, wie viel defensiver man am Weg ist, wenn man alleine unterwegs ist. Paradox ist dies vor allem, weil eine Gruppe im Aufstieg hier kaum mehr Sicherheit, jedoch bestimmt mehr Risiko böte. Wenn in einer der Rinnen ein Rutsch abginge, so wäre sowieso die ganze Gruppe betroffen, zudem ist die Belastung der Schneedecke in der Gruppe höher. Anyway, das sind theoretische Überlegungen. Nach diesem steilen Sockelbereich, oberhalb von 2000m, öffnet sich das Gelände. Von Verfolgern war weit und breit nichts mehr zu sehen, aber hier war für mich alles im grünen Bereich, aufgrund der Steilheit war der folgende Abschnitt kein potenzielles Lawinengelände mehr und ich setzte meinen Aufstieg frohen Mutes fort.

In Bildmitte (tiefster Punkt am Horizont) die Lücke P.3165, welche ich schliesslich angepeilt habe. Der Gipfel rechts der Lücke ist der Stucklistock. Man erreicht diesen besser über die sehr steilen Schneehänge in der Ostflanke, als über den Grat der von P.3165 hinaufzieht.
Das letzte Stück hinauf in die Lücke P.3165 war dann nochmals ein hartes Stück Arbeit (sehr steil, kompakt-feste Unterlage, rutschiger Pulver darauf), doch schliesslich war der Skiteil vollbracht. Der Grat Richtung Gipfel, den man zuerst auf der SW-Seite begeht schien breit und grösstenteils aper, so würde ich wohl bald auf dem Gipfel sein. Doch den Vorgipfel erklommen, änderte sich die Sache plötzlich. Auf der abgewandten Seite wurde der Grat sehr schmal, exponiert und war winterlich verschneit. Im Reitersitz kraxelte ich Stück für Stück vorwärts, doch beim finalen Abkletterstück hinunter in die Lücke war finito. Gehörige Exposition, unkonsolidierter Pulver und der wenige Fels der hervortrat, war auch nur mässig solide. Ich sah absolut keine Chance, hier mit 100% Kontrolle über die Situation abzuklettern und somit gab es leider nur eines, den Rückzug. Es wäre gar nicht allzu weit gewesen, jenseitig hätte dann problemloses Gelände zum Gipfel geführt. Doch ein Sturz an jener Schlüsselstelle wäre definitiv das Ende gewesen. Zu viel an Risiko, wo nix zu machen ist, ist nix zu machen. 

Blick von der Lücke P.3165 hinauf zum ersten, gut ausgeaperten Gratteil. Dieser lässt sich ohne grosse Schwierigkeiten mit etwas Kletterei im zweiten Grad gut begehen. Die Problemzone beginnt hinter dem Vorgipfel (höchster Punkt im Bild), hinter welchem ein schmales, exponiertes und heikles Gratstück folgt. Ich hatte es unterlassen, dort noch Bilder zu schiessen...
Während diese Stelle (wie ich im Nachhinein in Erfahrung bringen konnten) scheinbar bei fortgeschrittener Ausaperung überwindbar ist, führt die allgemein beste Route zum Gipfel durch das Couloir in der NE-Flanke, welches die Lücke wenig nördlich von meinem Umkehrpunkt direkt erreicht. Dieses Couloir noch anzugehen, war für mich keine Option. Die Summe machte es aus... im >45 Grad steile Couloir lag offensichtlich Triebschnee (Lawinengefahr), um mich an die im Vornhinein festgelegte Rückkehrzeit im Tal zu halten blieb keine Zeit für weitere Eskapaden und zuletzt fehlte mir aufgrund der Umstände auch etwas der Mumm. So bedauernswert eine Tour ohne Gipfelerfolg ist, so war's nun hier halt einfach so - nix zu machen. Insgesamt war's aber doch eine tolle Sache gewesen. Als Erster bei grandiosem Wetter komplett alleine durch die unberührte Gebirgslandschaft schreiten zu können war ja eigentlich sogar das schönere und exklusivere Erlebnis als der Gipfel an sich. Die Abfahrt präsentierte sich dann ganz ordentlich: ganz oben eher decklig, dann ein langes Stück mit gutem, windgepresstem Pulver und zum Schluss bereits angefeuchteter, aber gut drehbarer Schnee. Der härteste Abschnitt war dann jener ganz am Schluss, der Wiederaufstieg von gut 100hm zum Automobil an der Passstrasse oben an der prallen Sonne durch den feuchten Pflutter. Wohl bekomm's, ich war jedenfalls danach bedient! 

Nur Plan B aber eigentlich eben doch auch ganz famos: Sportklettern bei frühlingshaft perfekten Temperaturen am steilen Fels!
Der aufmerksame Leser hat's vielleicht bereits gemerkt: dieser Bericht ist nicht (mehr) ganz aktuell und bezieht sich nicht auf das eben vergangene Wochenende. Da war es mir aufgrund der Umstände trotz dem fantastischen Wetter nicht vergönnt, ins Gebirge aufzubrechen. Umso besser, dass der Bergsport für fast jede Situation und jedes Zeitbudget spannende Herausforderungen bietet. So gab's für mich dieses Mal "nur Sportklettern", dies jedoch bei idealen Bedingungen, mit grossem Genuss und einigem Erfolg. Beim alten Jäger und Sammler fielen diese Woche nämlich gleich 2 Schallmauern auf der Tickliste: nämlich jene von exakt 100 gepunkteten Routen im Grad 7c und jene von 1000 gepunkteten Seillängen mit Schwierigkeitsgrad >=7a. Jaja, diese Errungenschaften sind eigentlich total 'pointless' und kaufen kann man sich damit auch nichts - aber die besten Dinge sind einfach jene, die unbezahlbar, nicht käuflich und nur für die persönliche Befriedigung sind. In diesem Sinne: Allez, auf zum nächsten Ziel :-)

Donnerstag, 5. April 2018

Ostertrip 2018

Nach intensivem Studium von Wettermodelldaten und einigem Werweissen war schliesslich doch noch ein Entscheid gefallen. Die Gegend an der ligurischen Küste würde an Ostern 2018 von Starkniederschlägen verschont werden und das Wetter würde an jedem Tag die Kletterei bei guten Bedingungen zulassen. Genau so kam es dann schliesslich auch und wir blicken auf einen äusserst gelungenen Trip ins Val Pennavaire zurück. Viel Kletterei, Sonne, Pasta, Gelati und Caffè, dazu passte auch meine Form sehr gut - was will man mehr!

Blick vom Sektor Cineplex auf's Val Pennavaire. Mittig das grosse Klettergebiet Terminal, hinten Veravo und Vesallo.
In dieser Gegend war ich nun schon zum x-ten Mal: früher reisten wir stets nach Finale und kletterten in den dortigen Sektoren. Kunststück, weit zurück in den 1990er-Jahren war das Val Pennavaire ja auch noch nicht auf der Kletter-Landkarte erschienen. Ab Mitte der Nullerjahre floss dann bei jedem Trip nach Finale der eine oder andere Besuch im Oltrefinale ein. Inzwischen hat sich die Situation geändert, bei meinen letzten 2 Aufenthalten sind wir ausschliesslich im Val Pennavaire geklettert und haben Boragni, Cucco, Perti und Konsorten nur noch bei der Vorbeifahrt auf der Autobahn eines Blickes gewürdigt. So ändern sich die Zeiten! Besucht haben wir die folgenden Sektoren:

Reunion

Netter, schattiger Sektor unmittelbar im Talboden mit ca. 20 Routen von 6a-7a. Bei einer früheren Stippvisite zogen wir ob den wackelnden Haken unverrichteter Dinge von dannen, inzwischen wurde jedoch saniert. Die kurzen Routen im rechten Sektor sind weniger lohnend, zentral im Hauptsektor gibt's jedoch ein paar echte Perlen mit bis zu 20m Länge, die rund 5m überhängend sind. Gutgriffiger Henkelspass, da und dort mit ein paar Sintern garniert. Nach der langen Autofahrt kam uns das gerade recht, um die Glieder wieder in Bewegung zu bringen.

Salazie (6b+): unten einfach, oben ein paar kräftige, ja fast schon pumpige Züge
Merci Laurent (7a): super Henkelspass, kurze Crux oben, die einfachste der 7a's?!?
Chez Celine (7a): super Ausdauer-Henkelspass, die schönste und homogenste der 7a's?!?
Le Swalibo (7a): super Henkelspass mit kräftiger Dächlicrux im oberen Teil
Cilaos (6c+): gleiche Steilheit und Länge wie die 7a's, aber noch bessere Griffe

In den Ferien angekommen... letzte Sonnenstrahlen nach einem ereignisreichen Tag!

Terminal

Der Klassiker unter den Sektoren mit inzwischen nahezu 100 Routen bis zu 40m Länge von 5c-8a. Meist athletische Kletterei an sintrigen Strukturen und Leisten, wo "nötig" wurde auch hier und da mit ein paar gebohrten Löchern nachgeholfen. Die einfacheren Routen (bis 6b/6c) sind weniger steil und bieten eher technische Kletterei. Die Wand sieht von frühmorgens bis in den Nachmittag hinein viel Sonne - wobei sie in den tiefen Wintermonaten nicht allzu lange bleibt, da der Fels bei wenigen Minuten Zustieg fast im Talboden unten liegt. Trotzdem: die am Ostersamstag notwendige Rettung war auch von hier ein Unternehmen ("un bel casino"). Ein italienischer Kletterer hatte sich bei einem unglücklichen Sturz den Fuss gebrochen. Bis er schliesslich von den zahlreichen Pompieri aus Savona mit einer Bahre geborgen und in den Krankenwagen verfrachtet werden konnte vergingen ab dem Notruf mehrere Stunden!!! Zu allem Übel ging dann kurz vor dem Abtransport auch noch ein kurzer Schauer nieder, welcher den engen, steilen Zustiegspfad unangenehm glitschig machte. Hoffen wir, dass es dem Pechvogel bald wieder besser geht und es sei uns eine Mahnung, vorsichtig zu sein. Selbst aus einem Klettergarten wird die Rettung einer nicht mehr gehfähigen, von Schmerzen geplagten Person aufwändig - nicht daran zu denken, wenn es hier um schwere, lebensbedrohliche Verletzungen gegangen wäre!

Ministro Pistarini (6c+): coole, leicht überhängende Route mit intensiver, komplexer Crux
John Wayne (7a): mit weiten Zügen dynamisch-kräftig übers Dach, ziemlicher Runout dort!
E. Venizelos (7c): super Linie: 15m Einklettern, 15m gutgriffig Pumpen (7a/7a+), dann crimpy Crux
Pook (7a): 30m einfach fantastisch, Tufa Blobs, ein grosser Tufa und kräftiges Wandkletter-Finale
Walla Walla (7a+): bisschen vernachlässigt rechts aussen, unten easy, oben henklig-weite Moves

Langwierige (aber professionelle!) Evakuation eines Verletzten aus dem Klettergebiet Terminal

Cineplex

Ein grosser Sektor für die warme Jahreszeit, da er ab spätestens Mitte Vormittag im Schatten liegt. Der Zustieg hierher ist rund 30 Minuten lang, oft geht dort oben auch noch ein zügiger Wind, der für gute Rotpunkt-Verhältnisse sorgt. Es warten total rund 100 Routen von 5c-8b, wobei das Angebot unter 7b nicht allzu üppig ist. Es gibt jedoch im rechten Teil des rechten Sektors auch ein paar sehr gute Touren im Bereich 6b-7a. Die Routen im linken Sektor sehen hingegen wenig attraktiv aus und weisen de visu auch kaum Begehungsspuren auf. Durch den längeren, zuletzt steilen Zustieg und die Tatsache, dass sich die Einstiege im linken Teil des rechten Sektors auf einem schmalen, exponierten Band befinden (über welches auch der Zustieg verläuft), ist das eher nichts für (kleine) Kinder. Für dettling'sche Bergziegen war's jedoch gefundenes Fressen, zumal rechts aussen auch klettermässig für die Kids etwas zu holen ist.

Daunbailo (7a): anhaltend physisch an oft guten Griffen, mittig mal ein paar neckische Sloperleisten
21 Grammi (7c): affengeile, homogene Tour ohne Ruhepunkt mit Slopern, Tufas, Leisten, ...
Brubaker (7b): hammermässig mit Boulderstart, dann kräftige Crux und Ausdauer ohne Ende
Point Break (7a): zum Dessert, abwechslungsreiche Moves mit Überraschung zum Finale

Das Bild stammt vom Sektor Terminal. Unten noch geneigt, oben dafür dann umso steiler.

Il Granaio

Kleiner Sektor, welcher unterhalb vom Terminal nur wenige Meter oberhalb der Strasse in den Bäumen versteckt ist. Für den kurzen Genuss (für uns vor der Heimfahrt) gibt's hier aber knapp 20 sehr nette, meist äusserst gutgriffige Routen von ca. 15m Länge von 5b-7c. Wobei es im siebten Franzosengrad nur gerade 3 Touren sind, mit welchen ich kurzen Prozess machen konnte. Ohne das Seil je zu belasten (ausser fürs Ablassen natürlich, sonst wäre das schon zu umständlich geworden) konnte ich mir folgendes auf die Ticklist notieren, bevor wir uns auf den langen Heimweg machten:

Sorgo (6b+): die Schwierigkeiten auf den ersten Metern, danach Henkelparade
Quinoa (7a): supergriffiger Henkelspass, unterbrochen durch einen schwierigen Seitgriffzug
Teff (7c): bouldrig-kräftiger Start an Seit- und Untergriffen zu dynamischem Move, dann henklig
Amaranto (7b): weite, athletische Moves durchgehend an Henkeln, sowas macht richtig Spass!
Avena (6c): am Dessert hatte ich härter zu beissen als gedacht, anhaltend und nicht immer henklig!

Riesenspass für die Kinder: im Terminal die ersten 15 einfachen Meter (ca. 5c/6a) von Papi's Route am freien Seilende nachsteigen. Wenn's einen dort wo es schwierig wird dann spickt, so gibt's einen Riesenpendler in den freien Luftraum.
Zum Schluss bleibt noch die Geschichte mit der Schildkröte. Nein, nicht mit dem Sektor Tortuga, über diesen hatte ich früher einmal geschrieben. Sondern es war so: auf der Hinfahrt, beim Kaffeehalt auf einer Raststätte, hatten die Kinder die Riesen-Plüsch-Schildkröten entdeckt. Wir fuhren dann weiter, doch es kristallisierte sich heraus, dass es unvermeidlich wäre, hier auf der Heimfahrt einen Stopp einzulegen und diese Tiere anzuschaffen. Wobei wir den Kindern klar machten, dass sie dazu ihr Sackgeld-Konto zu plündern hätten. Nun denn, am Fels offerierte ich meinem Sohn aus einer Laune heraus eine kleine Beteiligung, wenn er die eingehängte 6a+ im Toprope punkten würde. Im Prinzip liegt's mir komplett fern, die Kinder mit Geld und Geschenken zum Klettern oder sonstigen Handlungen zu motivieren... aber hier gab der kleine Obulus die entscheidende Portion an Extra-Motivation. Mit allem was er hatte, kämpfte er sich zum Umlenker durch, mit Einsatz und Aufs-Ganze-Gehen wie wir das bisher noch nie gesehen hatten. Noch erstaunlicher die Nachhaltigkeit dieses Effekts: offenbar hatte sich dadurch im Gehirn eingebrannt, was bei maximaler Leistung möglich ist und so hatte sein Kletterniveau auf diesem Trip wirklich einen richtigen Sprung gemacht. In dem Sinne war es ein Incentive genau zum richtigen Zeitpunkt :-) 

Rotpunkt-Schildkröten auf dem Weg in die Schweiz... ;-)

Facts

Unterkunft: Agriturismo Gli Angeli in Cenesi (Ortsteil von Cisano sul Neva, 5 Minuten entfernt)
Topo: iVert Oltrefinale, Rock Climbing in West Liguria