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Sonntag, 9. September 2018

Ailefroide - A Tire d'Ailes Froides (5c)

Bevor wir uns an längere und schwierigere MSL-Projekte in Ailefroide wagen wollten, erfolgte der Test in einer der nominell einfacheren 'Grandes Voies' im Gebiet. Während die unmittelbar über dem grossen Zeltplatz aufragende Wand der 'Fissure d'Ailefroide' von Weitem wie von Nahem etwas gemüsig durchzogen aussieht, so wartet in der 'A Tire d'Ailes Froides' (8 SL, 230m, 5c) doch exzellente Plaisirkletterei an sehr schön strukturiertem Fels - sicherlich eine der besten, wenn nicht die beste Route auf diesem Niveau im Gebiet!

Blick auf den Sektor 'Fissure d'Ailefroide'. Die von uns begangene Route verläuft auf den flacheren Platten im linken Teil.
Der Zustieg beschränkt sich auf 10 beinahe ebenerdige Minuten. Gleich beim Büro vom Campingplatz geht's los (Parkplätze an der Strasse vorhanden). Durch diesen hindurch, über eine schöne Wiese, kurz durchs Gebüsch und zuletzt noch etwas im Geröll links aufwärts. Eine Menge Leute waren vor uns, mit uns und nach uns unterwegs - Einsamkeit sollte man in der Ferienzeit nicht erwarten! Wobei wir in diesem Sinne Glück hatten, dass in der von uns angepeilten Route gerade 'Bahn frei' war. Sprich, die Seilschaft am Stand nach L1 war gerade im Begriff, diesen zu räumen. Somit gingen wir als Viererseilschaft davon aus, hier nicht mehr aufgehalten zu werden. Wie sich zeigt, weit gefehlt... da hatte ich unser Können unter- oder dasjenige der Vorausgänger überschätzt. Eine weitere Fehleinschätzung betraf die Besonnung. Zwar ist der Sektor tatsächlich nach N ausgerichtet. Im Sommer klettert man aber bis Mitte Nachmittag trotzdem permanent an der Sonne - es war warm, aber nicht lähmend heiss. Weil später am Tag Gewitter angesagt waren, starteten wir "schon" um 10.00 Uhr mit der Kletterei. Gut, das mag jetzt nicht nach ausserordentlich früh tönen... aber einerseits war es früh genug, andererseits mussten wir uns als im Zelt übernachtende Familie mit 20 Minuten Anfahrtsweg durchaus ranhalten, dass wir bereits um diese Zeit loslassen konnten.

Kathrin folgt als letzte unserer 4er-Seilschaft in L1 (5c). Am Einstieg warten schon die nächsten, hier herrscht Dauerbetrieb!
Einfach eine schöne Gegend! Im Vordergrund der Zeltplatz von Ailefroide, hinten die Wände mit vielen weiteren Routen.
Die ersten beiden Seillängen (L1, 5c und L2, 5c) beginnen gleich ziemlich fulminant (also natürlich im Rahmen dieser Plaisirtour!). Es wartet nicht etwa flache Gletscherschliff-Reibungskletterei, sondern ein abwechslungsreicher, recht steiler Mix aus Wandstellen, Verschneidungen und Aufschwüngen. Der Fels ist stets griffig und bietet (wie überall im Gebiet) eine hervorragende Reibung. Danach wird man über zwei Seillängen etwas flacher und plattiger (L3, 4c und L4, 5a) an die nächste Steilzone herangeführt.

Mami ist wieder die Letzte... hier am Ende von L2 (5c).
Das ist schon das Finish von L5 (5c). Ja, die Wand sieht grasig aus - beim Klettern stört es jedoch kaum.
L5 (5c) startet mit einer nach links ansteigenden, steilen Traverse aus dem Stand raus - die kann man sich definitiv viel schwieriger machen, als sie ist. Insbesondere dann, wenn man vor lauter (eng steckenden) Bohrhaken die vielen guten Griffe und Tritte nicht mehr sieht. Im Ernst: tief halten und links halten hilft, die Hakenlinie zieht hier arg unlogisch direkt hinauf. Danach wird's bald wieder etwas einfacher. In L6 (5c) wartet dann im oberen Teil eine kompakte, ziemlich feine Plattenstelle. Topoguide bewertet hier mit VI+ (d.h. 6a) - ob stimmig oder nicht sei diskutabel, dass es die schwerste Stelle der Route ist, könnte hingegen durchaus korrekt sein. Auch die nächste Länge (L7, 5c) wartet nach einem schönen Riss nochmals mit einer kompakten Platte auf, die in einer Links-/Rechtsschleife gemeistert wird. Der Abschluss (L8, 5c) erfolgt an einer Rissverschneidung, bevor es auf flachen, einfachen Platten in die Bäume hinauf zum Zmittagplatz am Schatten geht.

Ausstieg erreicht! Mama bringt Futter und Getränke...
Um 13.15 Uhr und damit nach 3:15h Kletterei sind wir alle oben. Hätten wir nicht an diversen Standplätzen auf die vorangehenden Seilschaften warten müssen, so wären wir sicher nochmals eine halbe Stunde schneller gewesen. C'est comme ça, es gab ja auch keinen Grund zu pressieren. Ein Punkt fällt mir jedoch immer wieder auf: ich persönlich halte absolut rein gar nichts davon, das Seil auf MSL-Touren am Stand entweder über die Füsse oder die Standschlinge zu legen. Das Chaos ist so programmiert, wenn man nicht im Überschlag klettert erst recht. Offenbar wird diese Methode in MSL-Kursen jedoch als Standard, ja sogar als einzige Option gelehrt. So kommt es dann, dass die Leute an Standplätzen, wo man das Seil problemlos auf den Boden legen kann, ewig lange mit ihrem 'Büscheli' rumfummeln. Oder dann verknotet es sich wieder und der Kletterer bleibt stecken... und so geht's dann halt eben nicht so vorwärts.

Allzu weit ist man hier nicht vom Gletscher entfernt und das merkt man: die Temperatur in diesem Pool ist im einstelligen Grad-Bereich. Rein und raus, mehr lag für Herrn Warmduscher (nicht jener auf dem Foto ;-)) nicht drin. Schon noch ein krasses Gefühl, wie's einem in diesem kalten Wasser sofort das Blut abstellt und man kaum mehr atmen kann. Ich war überzeugt davon, dass man nach 2 Minuten bereits bewusstlos wäre. Doch als wir uns trockneten, liefen einige Teenie-Girls herbei, die sich einen Wettbewerb um den längsten Verbleib im Wasser liefern wollten. Siegerzeit: 2:15 Minuten, ich hätte nicht geglaubt, dass dies möglich ist! Wobei die Köperfarbe der Siegerin danach ziemlich interessant war...
Für den Abstieg gibt's zwei Optionen, zu Fuss oder Abseilpiste. Wir wurden uns als Familie nicht einig und teilten uns auf. Papa und Tochter seilten ab, Mama und Sohn kraxelten durch die Schlucht. Die Abseilpiste führt über separate Stände, trotz dem flachen Gelände kann man die 6 Manöver zügig absolvieren und wir gingen die Sache sehr effizient an. Nichtsdestotrotz hatten wir länger als das Team Fussabstieg, und zwar etwa zehn Minuten. Auf dem gemeinsamen Rückweg lockten dann erst der Pool mit glasklarem, eiskaltem Gletscherwasser und dann das Glacé. Mehr und mehr überzog sich der Himmel und öffnete schliesslich tatsächlich noch seine Schleusen. Noch fast jeder Stand in 'unserer' Route war besetzt, da gab's noch für einige eine Dusche ab.

Facts

Ailefroide - A Tire d'Ailes Froides 5c (5b obl.) - 8 SL, 230m - Cambon/Correard 1994/2016 - **;xxxx
Material: 1x oder 2x50m-Seil, 12 Express

Sehr schöne Plaisirtour mit homogener, stets interessanter und abwechslungsreicher Kletterei. Die Kletterei ist deutlich attraktiver, wie es ob dem vielen Grün von Weitem scheinen mag. Der Fels ist durchgehend von sehr guter Qualität, griffig und mit optimaler Reibung. Die Absicherung mit (leider nur verzinkten) Bolts ist prima, Plaisirstufe 'gut+' oder eben xxxx. Mobile Sicherungen sind  nicht nötig. 

1 Kommentar:

  1. Ach ja.. JMC hat in den Briançonnaise gnaz schön was geleistet. Und die Touren um Ailefroide sind voll das Plaisir-Schmankerl! Danke für die ganzen schönen Berichte!!

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