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Montag, 24. September 2018

Wellhorn - Eremit (7a)

Beim Eremit handelt es sich um die derzeit neuste und kürzeste Route in der SE-Wand am Klein Wellhorn - wobei mit 13 SL, 460 Klettermetern und Schwierigkeiten bis 7a immer noch ein anständiges Programm wartet. An einem Tag, wo wir (wie sich zeigen sollte absolut zurecht!) den Wendennebel fürchteten und auch sonst in vielen anderen Gebieten tiefhängende Quellwolken herumwaberten, wollten wir vom durch die kühle Gletscherluft bedingten Mikroklima profitieren und genussreich an der Sonne klettern. Dieser Plan ging voll und ganz auf und die Route überzeugte mit vielen schönen Klettermetern in der ortsüblichen Steilplattenkletterei bei silbrig-rauem Fels mit der typischen diagonalen Felsschichtung von rechts unten nach links oben. Zwar ist nicht jede Seillänge das Gelbe vom Ei, in Summe aber auf jeden Fall ein wirklich lohnendes Unternehmen.

Verlauf der Route Eremit (13 SL, 7a) in der SE-Wand vom Klein Wellhorn. Die untersten 5 Seillängen sind auf dem Foto gut einsehbar (wobei die ersten 15m von L1 fehlen!). Weiter oben ist das Gelände aus dieser Perspektive stark verkürzt und der Verlauf ist nur indikativ angegeben. Entlang vom markanten Diagonalriss (unten rechts, oben links vom Eremit) verläuft eine alte Route mit Schlaghaken, welche nirgends dokumentiert ist. Möglicherweise handelt es sich dabei um die Linie, welche auf S.149 im Buch 'Sportklettern im Berner Oberland' von Hannes Grossen erwähnt ist ("Kaspar Ochnser [...] zusammen mit Peter Lechner [...] begingen rechts des 'Adlerauges' eine Verschneidung. Die Felsqualität und der Routenverlauf überzeugten die Seilschaft aber offenbar nicht, nur wenige Normalhaken blieben im Fels, ein Topo wurde nie veröffentlicht"). Vor Ort sieht's eigentlich nach einer prima Abenteuerroute aus, müsste mal einmal anschauen!
Eigentlich hätten wir ja auch noch die Gletschersinfonie und die Miracolo offen gehabt, aber Verpflichtungen am Abend riefen uns zeitig nach Hause. Manch einer wäre wohl trotzdem in diese bekannteren Touren eingestiegen und hätte einfach umgedreht, wenn das Zeitfenster abgelaufen gewesen wäre. Wie bestens bekannt, mag ich es jedoch überhaupt nicht, MSL-Routen nicht bis an deren Ende zu klettern, somit war das keine Option. Zudem hat es für mich auch einen grossen Reiz, neue und unbekannte Routen wie die Eremit zu klettern, über welche man ausser dem Topo noch über gar keine Infos verfügt. Nachdem wir spätestens um 15 Uhr mit der Kletterei fertig sein sollten, hiess es in den sauren Apfel zu beissen und bereits um 4.15 Uhr den Wecker läuten zu lassen. Das war im Angesicht der Tagesplanung schon richtig, wer jedoch am Abend unbeschränkt Zeit hat, darf gerne ein wenig länger liegen bleiben. Um 6.45 Uhr liefen wir vom Parkplatz bei der Gletscherschlucht los, gerade eine Stunde später trafen wir am Wandfuss ein. Die Sonne kitzelte zwar den Gipfel des Wellhorns weit über uns, doch bis diese den Einstieg erreichte, würde es noch lange dauern (konkret: Anfang September liegt der Einstieg ab ca. 9.45 Uhr an der Sonne). Somit blieb nichts anderes übrig, als dem wärmenden Gestirn entgegenzusteigen, dies notabene bei eher frischen Temperaturen. Nach einem kurzen Frühstück, den üblichen Vorbereitungen und ein paar Aufwärm-Turnübungen ging es schliesslich um 8.15 Uhr los.

Das Ambiente am Wellhorn überzeugt immer. Und selbst wenn er geschrumpft ist, der Gletscher reicht noch immer bis ziemlich nahe an die Einstieg und bietet mit dem Getöse der ein- und abstürzenden Eismassen während dem ganzen Tag eine Show.
L1, 5c: eine kurze Seillänge, die über glatte Platten führt, weder besonders schwierig noch besonders schön. Am Ende nicht am Abseilstand sichern, der direkt am Weg liegt, sondern nach rechts absteigen zum Stand unter den Crux-Wulst von L2.

L2, 7a: ein sehr gesuchter Hartmacher, der uns keine Freude bereitet hat. Weiter links könnte man die Stelle wohl sogar im verschärften Gehgelände umgehen. Vom Abseilstand direkt hinauf und damit absolut logisch liesse es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit homogen im 6a-Bereich klettern. Doch es gilt, mit einem unnötigen Umweg den überhängenden Wulst rechts unten mit einem schwierigen Boulder zu bezwingen - der ist sehr unübersichtlich, oberhalb hat's nur üble Sloper und wir fanden die Stelle mühsam und wenig hübsch. Diese Impression wurde verstärkt durch die Tatsache, dass die ganze Wand unter dem Überhang komplett nass war (dabei war's doch ein extrem trockener Sommer?!?). Mit nassen, eiskalten Pfoten und Antreten im höchst rutschigen Schlonz unterhalb war die Crux einfach unmöglich onsight passierbar - ziemlich ätzend, schon hier und erst noch auf diese Weise gestoppt zu werden :-/ Nimmt man für diese Stelle die Haken zu Hilfe, so handelt es sich (entgegen der 6c 1pa im Topo) eher um 5c A0, der Rest der Seillänge ist leichtverdaulich.

Blick auf das Cruxdach in L2 (7a). Am Nachmittag beim Abseilen aufgenommen, da hatte es schon etwas abgetrocknet.
L3, 6b: kurze Seillänge, den Aufschwung griffig und direkt angehen, dann auf dem Grasband nach links. Besser als zuvor, aber immer noch nicht wirklich begeisternd. Im Vergleich zu den 6b+ im oberen Wandteil gutmütig bewertet.

Vorstieg in L3 (6b), bis hierher überzeugt die Kletterei noch nicht sonderlich.
L4, 6c: die erste schöne Seillänge. Gut abgesichert in Wandkletterei unter den überhängenden Wulst mit der Kette hinauf. Der Boulder darüber hinweg ähnlich wie die Crux in L2, halt einfach ein gutes Stück zugänglicher, aber auch etwas Entschlossenheit fordernd. Danach in sehr schöner, anhaltender 6b-Plattenkletterei, wo man auch ein wenig über die Haken steigen muss hinauf zum Stand. Achtung Seilzug, grosszügig verlängern!

Schöne Plattenkletterei in weitgehend kompaktem Fels wartet im oberen Teil von L4 (6c).
L5, 6c: ein schönes Wanderl mit wasserzerfressenem Fels vom Stand weg, dann einfacher über schönen Fels in teils etwas grasigem Gelände zur Crux. Hier ist die Platte nun sehr kompakt und man muss bald prekär auf Reibung antreten, heftig manteln und rätikonmässige Sloper bedienen. Seltsamerweise fällt hier nun im Gegensatz zum bisher erlebten die Absicherung auf einmal so richtig fordernd und etwas spärlich aus. Die 6c-Stelle ist jedenfalls voll obligatorisch. Wenn man 3m über dem Haken steht, kann man zwar wieder klippen. Wer jedoch in der Crux stürzt, bringt sein Geläuf in Gefahr - das Grasband unterhalb ist nicht weit weg, irgendwie suboptimal. Vom nächsten Bolt weg kommt nochmals eine zupfige Stelle, dann wird's bei weiten Abständen einfacher. Achtung Seilzug, allerdings ist Verlängern hier nicht überall eine (gute) Option.

Ausblick auf die Felsstruktur in L5 (6c). Chickenheads (die schwarzen Einschlüsse) gibt's in dieser Route nur vereinzelt.
L6, 5c: diagonal nach rechts und über die schluchtartige Verschneidung hinweg (nicht hinauf zu den gut sichtbaren Bolts der Kundalini!), dann im kompakten Gelände hinauf. Dort stecken die Bolts näher als in der 6c unterhalb, wtf! Die Moves direkt zum und über den letzten Haken zwar eher 6b als 5c, rechts daneben passt der Grad aber schon.

In L6 (5c) wird die diagonal verlaufende, schluchtartige Verschneidung überquert.
L7, 5c: "Longeur de transition" über Aufschwünge und Bänder, eine mässig attraktive Seillänge.

L8, 6b+: nun ist man so richtig an der oberen Wand angekommen, wo die restlichen Seillängen sehr schöne Kletterei bieten, startend mit dieser langen Sequenz. Der untere Teil noch ein wenig einfacher, die Schwierigkeiten kommen oben mit einer kurz etwas splittrigen Rampe/Verschneidung, wo der Bolt für den einfachsten Weiterweg reichlich ungünstig steckt (Achtung Seilzug, unten massiv verlängern!). Die Schlusswand dann prima technisch anspruchsvolle, zwingende aber gut gesicherte Wandkletterei. Ich fand es fordernd und schwieriger wie 6b+, ohne das heftig nach unten ziehende Seil wäre es aber vielleicht gar nicht so schlimm?!?

Von oben sieht's immer noch ein wenig nach Gemüsegarten aus. Die Wand ist im Rückblick wirklich wenig fotogen, wenn man nach oben blickt, sieht's jedoch eigentlich fast immer kompakt und super aus. Die Wahrheit liegt dann meist irgendwo dazwischen. Hier am Ende von L8 (6b+) ist die Kletterei aber wirklich sehr gut.
L9, 6b+: eine uneingeschränkt schöne Seillänge mit prima Steilplattenkletterei, ebenfalls gut abgesichert. Die Stelle über den zweiten Haken hinweg alles andere als trivial, hard for the grade! Die Schlusssequenz hat mich dann zu folgender Aussage provoziert: "in der Halle würde man jetzt sagen, jetzt hat dieser Schrauber schon wieder einen gleichartigen Boulder produziert...". Die diagonale Felsschichtung von rechts unten nach links oben tritt immer wieder zu Tage. Und das "nach rechs hoch aufs diagonal verlaufende Band entern" ist tatsächlich ein wiederkehrendes Muster - auch wenn natürlich jede einzelne Stelle wieder etwas anders überlistet werden will.

Super Steilplattenkletterei mit Blick zum Hasliberg und den Engelhörnern in L9 (6b+). Foto: jsp.
L10, 6b+: ein bisschen weit zum ersten Haken aber ok, das geht gut. Über den zweiten hinweg richtig schwierig, dann wird's plötzlich serious. Drei Meter Querung nach links, der Blick nach unten verheisst nichts Gutes, ein Sturz würde vermutlich bei der Sicherungsperson auf dem Standband enden. Insbesondere störend, dass der Fels hier kurz etwas splittrig wird und der Runout zum nächsten Bolt mit unangenehm unsicheren Moves aufwartet. Man kann hier noch einen Camalot 1 in einen seichten Schlitz schieben (mitten in den heiklen Moves, anstrengend!). Sollte man stürzen und das Placement versagen, so hat man definitiv ein ernsthaftes Problem! Nach dem folgenden Bolt nochmals eine heftige, trittarme Boulderstelle an kleinen Löchli - super, aber nach unserem Empfinden sprengt das den Rahmen von 6b+ nach den meisten Bewertungsmassstäben deutlich. Der Rest (schön!) geht dann etwas leichter von der Hand. Achtung Seilzug: unten ist verlängern keine echte Option, dafür oben umso grosszügiger.

Unterwegs im leichteren, oberen Teil von L10 (6b+).
L11, 5c: sehr schöne und ziemlich gutmütige Kletterei. Erst an gefinkeltem, vom Wasser modelliertem Fels, danach traumhafte Wasserrillen. Vielleicht aber doch eher 6a?

Super Fels und schöne, entspannende Klettere in L11 (5c).
L12, 5c: es geht über mehrere kurze, wasserrillige Aufschwünge hinweg mit ein paar Plateaus dazwischen. Ebenfalls sehr schöner Fels, nach unserem Erachten deutlich einfacher wie L11.

L12 (5c), fast ebenso gut, wenn auch spürbar einfacher wie L11!
L13, 6c+: das Schlussbouquet zum Grat hinauf. Erst nochmals prima steilplattige Kletterei. Der verschärfte Grad lässt Böses schwanen, doch es geht dann gut, die Hauptschwierigkeiten liegen nicht in diesem Abschnitt. Man überquert dann ein breites Diagonalband, dann geht's hinein in die doch recht stark überhängende Schlusswand, wo ausdauernde Kletterei an meist guten Schlitzen und ein paar weniger guten Seitgriffen für die rechte Hand wartet. Leider hat man dort auch wieder viel Seilzug, obwohl ich den ersten BH der Schlusswand stark verlängert habe (2 Exen + 120er-Schlinge) und den zweiten ebenso (Alpinexe mit 60er-Schlinge). Noch stärker zu verlängern wird aber auch heikel, denn sonst ist man im ersten, einfacheren Teil der Schlusswand kaum mehr gesichert und wenn man in den schweren Moves ob der dritten Sicherung der Schlusswand (Schlaghaken) stürzt und diese versagt, so ist das Band dann erst recht rasch näher, als einem lieb ist. Daher unseres Erachtens die bessere Option: die Steilplatte noch an L12 anhängen und mit dem ersten BH der Schlusswand auf dem Band einen improvisierten Stand bauen (es hat noch eine Sanduhr). Rein klettertechnisch ist's aber ein cooler Schlussabschnitt mit pumpiger Kletterei!

Nochmals prima steilplattige Kletterei (nicht so bösartig) am Anfang von L13 (6c+). Foto: jsp.
Auf den letzten Metern in L13 (6c+) heisst's dann in überhängendem Gelände nochmals richtig Guzzi geben!
Am Routenende. Hier über den Grat ginge es (nicht trivial!) weiter Richtung Gipfel. Oder auch zu Fuss ins Tal.
Ziemlich genau um 15.00 Uhr, nach 6:45 Stunden Kletterei und an unserem Zeitlimit ist das Top erreicht. Nachdem wir zu Beginn mässig begeistert waren, haben wir uns dank den schönen Seillängen im oberen Teil doch noch mit der Route versöhnt. Leider gibt's kein Routenbuch, es hätte und schon brennend interessiert, wie oft diese Tour schon zu Ende geklettert wurde - wir vermuten noch nicht manche Male. Mit der letzten Seillänge erreicht man den Grat und kann auf die Rückseite schauen, man könnte wohl auch zu Fuss absteigen, wenn man wollte?!?. Der Stand am Routenende ist jedoch unbequem, gerade vor Kurzem war die Sonne hinter der Ecke verschwunden und mit dem Lüftchen das ging, war es kein Ort zum Verweilen. Also flugs die Seile gefädelt, um in die Tiefe zu gleiten. Mit 2x50m-Seilen lassen sich die obersten 4 Seillängen gerade so in 2 Manövern erledigen, danach klappt's nicht mehr mit dem Überspringen, mit 2x60m ginge es sicher noch 1x, evtl. auch 2x öfter - fraglich, ob sich deswegen deren Mitnahme lohnt. Im unteren Teil benützt man dann 2x routenunabhängige Abseilstände, so dass wir nach total 10 Manövern und 1:00 Stunden Abseilzeit wieder auf Terra Firma sind. Zügig geht's heimwärts, im oberen Teil kann man abschnittweise im Geröll surfen und auch danach werden die Höhenmeter effizient vernichtet, so dass wir um 16.50 Uhr schon talwärts fahren. Auch mein vierter Besuch am Wellhorn war von Erfolg gekrönt und hat einen lässigen Klettertag beschert - wir kommen wieder!

Stellenweise ist der Fels fantastisch, insbesondere hier im Ausstieg von L11 (5c). Foto: jsp.

Facts

Wellhorn - Eremit 7a (6c obl.) - 13 SL, 460m - Glatthard/Schmid 2013 - ***;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express (davon mindestens 6 verlängerbare!), Camalots 0.3 & 1.

Die derzeit neuste, kürzeste und am weitesten rechts liegende Route in der SE-Wand am Klein Wellhorn. Einige Seillängen bieten sehr schöne Steilplattenkletterei, andere sorgen für nicht ganz so viel Begeisterung, insgesamt für alpine Sportkletterer aber ein lohnenswertes Unternehmen. Die Absicherung mit rostfreien BH ist meist gut, an manchen Stellen sogar sehr gut. Doch insbesondere bei diversen schwierigen Kletterstellen im 6b+/6c-Bereich dann aber doch wieder reichlich zwingend, an ein paar wenigen Stellen (siehe Text) auch bei suboptimalem Sturzgelände. Die empfohlenen Cams hatten wir mitgeführt. Den 0.3er habe ich 1x gesetzt (verzichtbar), den 1er total 2x, wovon er mir an dieser einen (beschriebenen) Stelle in L10 wirklich unverzichtbar schien. Der übliche Hinweis zu den Wellhorn-Routen, auf keinen Fall bei Gewittergefahr einzusteigen, sollte auch hier beherzigt werden. Man sieht die Unwetter aus der üblichen Zugrichtung (SW-NW) nicht kommen, es gibt in der Wand absolut keinen Schutz (Nischen/Überhänge) und es droht bei Starkniederschlag die Gefahr von Sturzbächen und Steinschlag! Das Topo der Erstbegeher findet man hier.

Ambiente am Wellhorn. Wer genau hinschaut, erkennt den Autor am rechten Bildrand im Vorstieg von L4 (6c). Foto: jsp.

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