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Montag, 31. Dezember 2018

Einsam am Mutteristock (2294m)

Nach unserem Klettertrip ins Tessin war der Rest der Familie mit Vorbereitungen aufs Weihnachtsfest beschäftigt. Somit blieben mir ein paar Stunden, um die Beine zu vertreten. Lange war ich unschlüssig, wohin es denn gehen sollte, denn nach Ausschlafen und gemütlichem Frühstück war es auch schon Mitte Vormittag. Natürlich hätte ich noch in einen der Hotspots fahren können und dort eine der aktuell hippen Touren absolvieren. Aber als Nachzügler inmitten von bereits abfahrenden Tourengängern aufzusteigen behagt mir nicht sonderlich. Eine Alternative bestand darin, das Wägital aufzusuchen. Hier wären wohl nicht viele Leute unterwegs, denn es herrschte Schneearmut. Ja, ohne den Joker Ultraleicht-Gleitschirm wäre ich an diesem Tag sicher auch nicht Richtung Mutteristock aufgebrochen. Aber oft kommt es anders als man denkt - es war unter rund 10 Begehungen bisher meine schönste Tour auf  den Mutteristock.

Wenig Schnee im Wägital im Dezember 2018. Trotzdem Zeit, um auf die Felle zu wechseln!
Beim Ausgangspunkt am Seeende lag maximal ein Schäumchen Weiss, mit Fellen aufzusteigen schien da völlig utopisch. Ich dachte mir, dass der lange Weg über die Alp Aberen wohl den bequemeren Aufstieg vermitteln würde als der übliche Direktweg via Schwantli und Chruter. So war's denn auch: schon nach 10 Minuten bei der Brücke über den Aberenbach (P.998) konnte ich tatsächlich auf die Ski wechseln. Der Alpweg war ab hier gerade genügend eingeschneit, um durchgehend und ohne ein weiteres Mal abzuschnallen aufzusteigen. Die Schneelage blieb aber dürftig, zum Abfahren würde das beim besten Willen nicht reichen. Auf 1450m, unweit der Lufthütte, musste ich dann ins Gelände wechseln, ab hier hatte es aber gerade so genügend Schnee, um auch abseits vom Alpweg vernünftig voranzukommen. Bald darauf war dann ein Entscheid fällig. Links Richtung Redertengrat oder rechts Richtung Mutteristock. Der rechte Weg versprach mehr Sonne und einen richtigen Gipfel, also da lang.

Am Fuss vom Muttrirücken (ca. 1600m), ab hier liegt genügend Schnee, nun auch mit Unterlage.
Ab dem Fuss vom Muttrirücken war nun auch eine Unterlage vorhanden und ich hatte zunehmend richtig anstrengende Spurarbeit zu leisten. Das würde sich bis zum Gipfel nicht mehr ändern, denn ausser mir war niemand in der Gegend. Es war aber eine grosse Freude, hier die erste Linie legen zu können. Dieses Privileg hatte ich am sehr populären Mutteristock bisher noch nie - da muss man gleich nach dem Schneefall und auch noch sehr früh aufbrechen. Während an geschützten Lagen rund 20cm bester Powder auf der harten Unterlage vorhanden waren, trat an exponierten Stellen im oberen Teil teils die pickelhart gefrorene Regenkruste zu Tage. Fellen unmöglich, Alu-Harscheisen waren auch nicht genügend solide. Mit ein paar Umgehungen und kurzen Portagen konnte ich die Situation aber sicher meistern. Gerade nach 3 Stunden Aufstieg traf ich am Gipfel ein (beinahe das doppelte meiner Rekordzeit!). Die Stimmung am Gipfel war perfekt, ein tolles Weihnachtserlebnis.

Panorama im Gipfelbereich mit der wuchtigen Glärnisch Nordwand, die ich dieses Jahr 2x mit dem Schirm auf dem Rücken durchsteigen konnte (Chalttäli, Ruchenpfeiler). Just simply fantastic!
Ob dem guten Schnee wollte ich es mir nicht entgehen lassen, einen Teil der Abfahrt mit den Ski zurückzulegen. Da gab es wirklich ein paar sehr schöne Schwünge. Dank der harten und kompakten Unterlage musste man trotz nur mässig viel Schnee im rauen Karrengelände auch keine Angst haben, sich einen Stein einzufangen. Auf rund 1700m machte ich dann einen Abflug - von daher erweiteren die 1.5kg Flug-Zeug im Rucksack die Möglichkeiten eben doch sehr markant. Wer übrigens auf das neuste Produkt namens Run&Fly aus dem Hause Dudek vertrauen würde, käme neuerdings sogar mit einem Totalgewicht von nur 1kg für die komplette Flugausrüstung durch - mit natürlich nochmals kleinerem Packmass gegenüber meinem Sir Edmund. Eigentlich wäre es ja gerade Weihnachten gewesen ;-) Aber nach dem Erlebnis an diesem Tag musste ich nicht wirklich darüber nachdenken, meine Flugausrüstung zu ersetzen. Mit alten Ski und entsprechend Materialverachtung hätte man wohl in etwa bis zur Rinderweid fahren können, darunter hätte man definitiv zu Fuss absteigen müssen.

Facts

Mutteristock (2294m) vom Wägitalersee mit Abfahrt über die Aufstiegsroute
Ski-Schwierigkeit ca. WS+, einige exponierte Stellen nach der Torberglücke
Material: normale Skitourenausrüstung

Freitag, 28. Dezember 2018

Weihnachtstrip Tessin 2018

Dieses Jahr lagen die Festtage nun wieder so, dass man bereits vor der grossen Sause einen kurzen Klettertrip ins Tessin einlegen konnte. Dies hatten wir in den Jahren zuvor schon mehrfach so gemacht (2016, 2015, 2014). Tagsüber am sonnigen Gneis klettern und abends dir vorweihnachtliche Stimmung auf dem glatten Parkett von Locarno zu geniessen - eine ziemlich überzeugende Kombination.

Ticino, Playground für Gross und Klein. Oder anders gesagt: während sich die Alten irgendwelche Routen hochwürgen, kümmert sich die Jungmannschaft um die spannenden Moves am Wandfuss.
Auf der Anfahrt fragten wir die Kinder nach der gewünschten Destination. Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen - Claro! Schon fast ein Jahr war es her, seit wir das letzte Mal vor Ort waren. Nicht ganz unerwartet zeigte ein Augenschein vor Ort dann aber eine nicht ganz optimale Situation. Das Jahr 2018 war zwar auch im Tessin sehr lange überaus trocken, doch in den letzten Wochen gab es hier Niederschläge satt. So war dann nur ca. 1/3 der Routen einwandfrei trocken (grob: Jaraguri bis Rötstrunz, die Touren um die Apnea, Moulin Rouge, ein paar der kurzen Routen rechts sowie der gesamte Cubo). Gut hatte ich mir den letzteren bisher immer für den Tag aufgespart, wo die restlichen Felsen überflutet wären. Wir kletterten 2 nette Plattentouren (Il Grande Passo 6a+, Succhi Gastrici 6b+). Der Funky-Mantle-Boulder Il Questionario (7b+) warf dann bei mir erst auch diverse Fragezeichen auf. Eine geraume Weile vermutete ich, den Move tatsächlich nicht durchführen zu können. Schliesslich lohnte sich das hartnäckige Tüfteln aber doch: nachdem der Trick einmal gefunden war, lief der Durchstieg dann smooth. So blieb noch ein wenig Zeit, um einmal der Direktvariante vom Poetic Face (8a) auf den Zahn zu fühlen - cool und abwechslungsreich. Wenn ich gleich damit begonnen hätte, wäre das womöglich etwas geworden, aber so bremste mich die Dunkelheit aus. Naja, nächstes Mal dann.

Il Grande Passo (6a+) am Cubo in Claro (he made short work of it). Die harten Superrouten bis 8c+ gleich links ums Eck.
Hä? Leisten halten in bzw. aus Claro macht Freude, auch wenn's daheim im Keller ist. Noch nirgendwo anders habe ich einen ähnlich soliden Gneis mit oft perfekt flacher Rückseite gefunden, welcher sich ideal als Griff für unsere Boulderwand eignet. Mit etwas Suchen findet man alle Grössen und Formen, von der Fingerbrecher-Leiste bis zum Sloper. Die Textur und der Grip dieser Steine sind wirklich optimal. Hier wird eben nun gleich vor Ort Nachschub produziert.
Am nächsten Tag werweissten wir dann, ob wir auf einen neuen Felsen oder einen altbewährten Sektor setzen sollten. Einerseits war da die drängende Frage, ob die Geisha Walls denn auch trocken wären oder eben nicht. Die zweite Frage traf die Besonnung. Nachdem mein Lieblingstool auf suntag.ch inzwischen 12 CHF pro Abfrage verlangt, muss ich meine Berechnung ziemlich handgestrickt mit Azimut, Einfallswinkel und der Landeskarte machen. Eigentlich sollte man das alles zusammen mit dem digitalen Höhenmodell in eine bequeme App verpacken. Ein durchaus interessantes Projekt - aber ob ich die nötige Zeit dazu finde, bzw. sie mir nehme?!? Auf jeden Fall war meine Berechnung akkurat (ab spätestens 14.00 Uhr ist sense mit der Sonne), doch aufgrund der föhnig-milden Temperaturen war das schliesslich gar kein Faktor. Die drückende bzw. tropfende Nässe war hingegen ein Thema. Auch hier war nur ca. 1/3 der Routen vollständig dry - aber da wir noch nie vor Ort waren, war das kaum eine Einschränkung. Wir kletterten schliesslich Castello di Carte (6b+), Inc. Cool 8 (7c+), Anal-Logika (7b), No Woman from Tokyo (6a+), La Piata (6b+) und Detox (6c+). Allesamt typische Tessiner Klettereien und ich stimme absolut mit der Meinung der Erschliesser überein - una vera perla Vallmaggiese!

In den weiten der Tessiner Wälder ist sicher noch manche Perle verborgen. Danke Egon & Co, welche diese Schätze heben!

Yosemite Feelings!
Für den letzten Tag war erneut Nordföhn mit Temperaturen bis zu 18 Grad prognostiziert. Die morgendlichen Tropfen auf dem Dachfenster und der graue Himmel zeigten hingegen ein anderes Bild. Immerhin fand sich auch noch ein Wetterbericht, der dann kurzfristig so etwas wie "teilweise von Norden übergreifende Niederschläge" faselte. Langer Rede kurzer Sinn - wenn man heute etwas holen wollte, so wäre dies am besten im Ostsektor von Ponte Brolla zu finden. Alles bestens bekannt, kurzer Anmarsch und vor allem ist das Gelände teilweise so steil, dass man auch bei Regenfällen trocken bleibt. So weit so gut, auch die drückende oder tropfende Nässe war hier kein Faktor (d.h. alle Routen trocken). Nur mit einem Problem hatte ich nicht gerechnet. Die Feuchtigkeit kondensierte am Fels, sämtliche Routen waren zwischen schmierig und ultraschmierig und daher kaum begehbar. In einer furchtbaren (aber irgendwie eben doch erfüllenden) Kampfbegehung holte ich mir schliesslich die Gambe Leggere (7a). Der meist scharfe Riss bzw. die griffige Schuppe liess sich gerade so halten. Das Dranbleiben hatte sich gelohnt: plötzlich es hellte auf, eine Brise war zu verspüren und eine Viertelstunde später waren bereits alle Routen wieder mehr oder weniger normal begehbar. Dies waren die Benissimo (6b) und die Nina (6a). Beinahe wären auch noch meine Efforts im Zorn der Götter (7c+) von Erfolg gekrönt gewesen. Im Second Go hatte ich die härtesten Moves bereits ausgeführt und fühlte mich noch gut im Saft. Doch plötzlich und komplett unerwartet zippte mir die Hand von der etwas sloprigen Leiste - dryfire! Nach dem Sturz kletterte ich umgehend weiter, nochmals durch die Crux hindurch und bis zum Umlenker. Schade! Weil Heiligabend war und wir schon beinahe daheim erwartet wurden, blieb leider keine Zeit für einen weiteren Angriff. Auch hier wartet also bereits eine Aufgabe fürs nächste Mal.

Auch im Tessin ist der Himmel einmal (ganz unerwartet und entgegen der Prognosen) grau. Das wäre an sich in diesem überhängenden Sektor kein allzu grosses Problem, wäre nicht die Feuchtigkeit auf dem Fels kondensiert. Zum Glück ging's nicht allzu lange und man konnte wieder wie gewohnt angreifen.

Zorn der Götter (7c+) bzw. eher die daneben liegende Occidente (7a+). At least we tried... and did pretty well.

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Season Opener am Hüenerchopf (2171m)

Lange war der Schnee am Alpennordhang im Herbst 2018 ausgeblieben, doch am ersten Dezemberwochenende gab's endlich üppig von der weissen Pracht. Als dann noch ein kalter, sonniger und windstiller Tag angesagt war, hiess es ab auf die Bretter! Um den Tag entsprechend geniessen zu können, wollte ich an einem +/- sonnigen Hang aufsteigen und abfahren. Da unterhalb von ca. 1000m noch zu wenig Schnee lag, der zeitliche Umfang der Tour im Rahmen liegen sollte und zudem Lawinenwarnstufe 3 herrschte, gab es eine logische Wahl, den Hüenerchopf.

Eine wunderschöne Gegend! So nahe von daheim, aber es fühlt sich an wie weit weg!
Das einzige Fragezeichen bestand darin, ob die etwas raue Waldschneise bei Alpstutz im unteren Teil denn auch schon genügend eingeschneit wäre. Aber dafür hatte ich eine Lösung parat und packte mein Flug-Zeug in den Rucksack. Dieses wiegt ja bekanntlich nur gerade 1.5kg und passt auch vom Volumen her problemlos in den Skitourenrucksack. Ideal also, um es auch bloss auf Verdacht hin mitzunehmen. Am Ausgangspunkt in Vermol präsentierte sich die Lage aber besser, als ich vermutet hatte. Eine solide Schneedecke von guten 30cm Mächtigkeit war vorhanden. Andere Tourengänger waren bereits vorausgelaufen, so dass ich bloss den Spuren zu folgen brauchte.

Ein unbestrittener Vorteil vom Hüenerchopf: auch tief im Dezember ist's schön sonnig!
Die Schneedecke nahm rasch an Mächtigkeit zu. Im Alpstutz lagen bereits 50-60cm, hier würde es sich problemlos Skifahren lassen. Die Ausblicke waren hervorragend: der lichte, verschneite Tannenwald, das Streiflicht der Sonne, ein grosser Genuss! Ohne zu hetzen konnte ich einige Tourengänger überholen, andere gaben sich für den Saisoneinstieg auch mit einem Zwischenziel unterwegs zufrieden. So kam es schliesslich, dass ich als Vierter auf dem Gipfel eintraf. Da die drei Vorgänger auch noch den Madchopf besuchen wollten, blieb mir sogar die Ehre, die First Lines des Winters 2018/2019 am Hüeneri zu ziehen.

Freedom! Der Mittelteil ist flach (dafür lawinensicher) und landschaftlich top!
Im Gipfelbereich waren die Spuren des stürmischen Windes, welcher den Schneefall begleitet hatte, gut zu sehen. Aber selbst da konnte man mit etwas Umsicht direkt am Gipfelkreuz losfahren und immer wieder schöne Schwünge zaubern. Unterhalb von 2000m wurde die Fahrt dann zum grossen Genuss. Der Powder war wunderbar fluffig-leicht, doch nicht bodenlos tief - ideal! Da blieb dann wenig erstaunlicherweise auch das Flug-Zeug im Rucksack - noch ein wenig durch die Gegend zu gondeln wäre zwar ebensowenig zu verachten. Doch das spare ich mir gerne für die Skitour auf, wo Schneelage und/oder -qualität bescheiden sind.

So kann es weitergehen mit dem Tourenwinter 2018/2019.