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Freitag, 25. September 2020

Churfirsten - Frümselkante (7a)

Ich bin nach einer 21h bed-to-bed Erstbegehungsaktion am Vortag noch ziemlich müde, doch der Sonntag verspricht schönes Wetter und die Kinder nehmen an der Helvetia Nordic Trophy in Wildhaus teil (Skispringen & Nordische Kombination, mangels Kletterwettkämpfen muss man innovativ werden und diversifizieren ;-)). Somit müssen wir sowieso früh raus und für Kathrin und mich verbleibt ein Zeitfenster, das wir zum Klettern nutzen können. In einen Klettergarten zu gehen macht in meinem Zustand absolut keinen Sinn, somit soll es eine zügig machbare, lässige MSL-Tour sein. Es stehen entweder die Schafbergwand oder die Churfirsten zur Auswahl, an den letzteren bin ich schon länger nicht mehr geklettert und die Frümselkante hat genau die richtige Dimension: nicht allzu lang, nicht allzu schwierig, aber doch interessant. Sie hielt was ich mir von ihr versprach, die Kletterei war aber besser, luftiger und auch anspruchsvoller, wie das Topo-Papier bzw. meine Erwartungen suggerierten.

Der Frümsel mit seiner Süd- und Ostwand, inklusive dem Verlauf der Frümselkante.

Nach dem Berappen der Taxe von 10 CHF (Münzen bereithalten) darf man die Bergstrasse über die Terrasse der Selamatt befahren. Während der Alpzeit stellt man sein Gefährt entweder beim P.1561 hin und folgt dem offiziellen Wanderweg via Brisizimmer zur Obersäss Nideri, alternativ kann man auch beim P.1598 stationieren und via Alp Torloch (1786m) gehen. In der Literatur ist die Zufahrt bis dort hinauf beschrieben, allerdings ist die Strasse steil, eng und ohne Kreuzungsmöglichkeit, zudem gibt es oben keine Parkplätze und das Vieh kann sich frei und fröhlich an der Karrosserie laben und lecken - denke es macht allen Sinn, darauf zu verzichten und die knapp 200hm zu Fuss zu gehen. Von Torloch dann nicht dem Wanderweg zum Frümsel folgen, sondern kurz der Piste, die links vom Stall beginnt, dann aber bald weglos ins Frümseltal hinein. Wir blieben stets abseits vom markierten Weg auf der (im Aufstiegssinn) rechten Seite, das Gelände ist gut begehbar. Am Ende dann zur Krete hinauf und über einen Sporn bzw. zuletzt steilere Schrofen zum Einstieg auf ca. 2130m, den wir nach 45 Minuten Gehzeit erreichten. Mit dem Topo sollte der Muniring am Einstieg gut zu finden sein, die Route ist dort auch verblasst angeschrieben. Um 10.50 Uhr kletterten wir los.

Hier (und jetzt!) geht's los!

L1, 25m, 5c+ bzw. 6a/+: Schon a priori sieht's steil aus und für eine Route aus dem Jahr 1961 wurde da eine mutige Linie gewählt. Einmal in der Seillänge engagiert, entpuppt sich das sogar als ziemlich durchgehend athletische, teils überhängende Sache. Gutgriffig und auch prima abgesichert wohl, aber da muss man sich schon festhalten! Der Fels ist etwas blockig strukturiert, einige Features tönen auch ein bisschen hohl - es hält aber alles stand. Wir würden diese Seillänge mit 6a oder 6a+ bewerten.

Die Route hat eher kurze Seillängen, aber immer mit bequemen Standplätzen - ideal!

L2, 15m, 6a+ bzw. 6b/+: Vielversprechend sieht es aus, top-griffiger Churfirstenkalk wartet, zudem sieht auch die Absicherung formidabel, ja fast hallentauglich aus. Da soll nun die Frau mit ihren frischen Kräften ran! Das klappt auch prima, allerdings ist es doch ein ganzes Stück schwieriger wie vermutet. Die Kletterei knifflig und kräftig zugleich, zwischendurch heisst es, kleine Tropflochleisten richtig durchzuballern. Für unser Dafürhalten nach modernem Plaisir-Standard eher 6b+ oder mindestens 6b. Ein Hinweis noch: am Ende heisst's in etwas einfacher werdendem Gelände noch kurz etwas über den Haken zu steigen.

Sehr schöne Wandkletterei in steilem, strukturiertem Fels in L2 (6b/+).

L3, 15m, 6c+ bzw.  7a: Steil geht's in eine Verschneidung hinauf und dann unter einem abschliessenden Dach nach links hinaus. Auch hier ist die BH-Absicherung sehr eng gehalten und man könnte auch klettersteiglen. Vorerst kommt man aber gut voran und wird nur relativ leicht angebruzelt, zudem wartet noch ein perfekter Kneebar-No-Hand-Rest, bevor es wirklich ernst gilt. Bei der Dachtraverse am Verschneidungsende hat's zwar einige Rissspuren, diese sind aber abgerundet-glatt und wohin mit den Füssen?!? Sprich, es ist sehr trittarm und der Ausstieg heftig athletisch. Mir geht's am äussersten Limit auf, Kathrin kann es mit Ansage dann sauber und mit mehr Marge als ich flashen. Trotzdem, unser Vorschlag: 7a.

An dieser Stelle ist's in L3 (7a) gegessen, die finale Reibungstraverse ist Formsache. Unten das Frümseltal mit seinem endlosen Blockschutt, hinten der Alpstein mit Wildhauser Schafberg, Moor und Konsorten.

L4, 25m, 6a+ bzw. 6b/+: Zuerst ein paar Meter in einfacherem, aber etwas splittrigem Gelände, hier kann/soll man zuerst noch einen kleinen Cam legen und einen NH klippen, bevor dann der erste BH und damit auch wieder perfekte Absicherung kommt. Die entpuppt sich bald als absolut nötig, die steile Wandstufe ist nämlich deutlich weniger üppig mit Griffen bestückt, wie es von unten den Anschein macht. Zähe, knifflige Moves sind nötig, bis die Füsse einmal oben sind. Für unser Dafürhalten auch sicher eine 6b, wenn nicht 6b+. Am Ende dann nach links Richtung 10 Uhr zum Muniring, ohne Blick aufs Topo produzierte Frau Dettling hier noch einen kleinen Verhauer inkl. Runout über einem Cam zum Stand der Sibir auf 1 Uhr. Wir werweissten da noch, ob wir nun zu Gunsten von homogenen Schwierigkeiten gleich noch die mit 7a bewertete Ausstiegslänge der Sibir anhängen sollten... entschieden uns dann aber doch, die Kantenroute komplett zu begehen und querten auf dem Band auf den richtigen Verlauf zurück.

Auch hier wieder: steile Wandkletterei, wo man sich durchaus festhalten muss (L4, 6b/+).

L5, 30m, 5b bzw. 5c+: Hier geht es links um die Ecke herum und dann Achtung, nicht bei der ersten Möglichkeit gerade hinauf, obwohl oben in der v-förmigen Verschneidung auch noch ein neuerer Bolt steckt. Diese Variante wäre sicherlich deutlich schwieriger, wie schwierig genau und was nach diesem sichtbaren BH noch an Material folgt, bleibt unklar. Die Originalroute quert noch ca. 3-4m weiter nach links, dann über einen kleinen Wulst hinweg und schliesslich in griffigem Gelände aufwärts - schöne Kletterei mit tollem Tiefblick, auch wenn der Fels hier nun nicht mehr ganz perfekt ist.

Die Tiefblicke, fast 2000hm hinunter auf den Walensee sind an den Churfirsten genial (L5, 5c+).

L6, 15m, 3a bzw. 5a: In einer kurzen Seillänge gewinnt man hier den Grat, der Fels ist nicht mehr ganz so zuverlässig. Die ersten Meter sind gar nicht mal so einfach, bestimmt kein Dreier jedenfalls nach heutigen Massstäben und mit der Möglichkeit, einen "chûte sur l'assureur" zu machen. Ein BH kommt erst, wenn die Stelle vorbei ist, man kann/sollte jedoch mit kleinen Cams absichern.

L7, 50m, 2b bzw. 3b: Erst geht's im Nahezu-Gehgelände zügig mit nur wenig Steigung voran, der Stand der Abseilpiste ist gut erkennbar. Nach diesem heisst es nochmals etwas anpacken, direkt im Fels hinauf wohl auch eher mehr wie ein Zweier, vielleicht könnte man das auch irgendwo rundherum umgehen?!? Schliesslich findet man einen alten Metallring/Stab kurz vor dem Gipfel, bzw. nutzt einen Einzel-BH gleich unter dem Gipfelkreuz zum letzten Nachnehmen.

Unterwegs auf dem letzten, gratartigen Abschnitt (L7, 3b).

Um 13.50 Uhr und somit nach 3:00 Stunden genussreicher Kletterei mischen wir uns unter die zahlreichen Wanderer, welche sich auf dem Gipfel befinden. Manche von ihnen sind dabei, alle 7 Churfirsten am selben Tag zu sammeln. Ich denke mir "lieber sie als ich", ich mich mit meinen müden Knochen war heute schon mit der Frümselkante bestens bedient. Wir haben noch etwas Zeit, so dass wir die Aussicht und die mitgebrachten Köstlichkeiten geniessen können. Schliesslich schnüren wir die Schuhe und steigen über den Wanderweg auf dem Nordrücken ab - zum Glück ist es furztrocken, sonst wäre das bestimmt eine schmierige Angelegenheit. Um 14.50 Uhr schliesst sich der Kreis bei unserem Automobil und wir fahren los, um die Kinder abzuholen. Diese können uns von weiten Sprüngen bis zu 24m, einem anstrengenden Crosslauf, gewonnenen Medaillen sowie einem Autogramm und Gratulationen von Simon Ammann erzählen. Toll, dass sich eine solche Legende des Schweizer Sports die Zeit und Mühe nimmt, einen Nachwuchswettkampf zu besuchen um mit den Kindern mitzufiebern und zu fachsimpeln - für die Kinder war das ein ganz grosses Highlight. Da merkt man, wie gross seine Passion für diesen Sport ist, ein echter Champion, Chapeau!




Facts

Frümsel - Frümselkante 7a (6a obl.) - 7 SL, 175m - Etter/Frommenwiler 1961 - ***;xxxx-xxxxx

Material: 1x oder 2x50m-Seil, 10 Express, evtl. Camalots 0.2-1

Eine klassische Route aus der Eisenzeit, die aber durch sehr guten Fels führt und athletische Kletterei bietet, die auch aus heutigen Sportkletter-Aspekten wirklich lohnend ist. Ein weiteres Plus ist die luftige Linie mit Ausstieg zum Gipfel, was die Sache umso attraktiver macht. Nach diversen Sanierungen von Standplätzen und Zwischenhaken (zuletzt im 2011) ist die Route an allen schwierigen Stellen sehr eng mit BH abgesichert und muss nicht zwingend freigeklettert werden. Nur in ein paar einfacheren Passagen sind die Abstände etwas weiter. Wer routiniert ist und sich dort auch mal einen kleinen Runout zutraut, braucht nicht zwingend Cams mitzunehmen, mit kleinen bis mittleren Grössen kann man aber diese Stellen teilweise ergänzen. Aufgrund der Kürze und der sonnigen Lage handelt es sich sicher um ein gutes Ziel für herbstliche Tage.  Wie im Topo verzeichnet, gibt es eine gute Abseilpiste über die Südwand, ein Rückzug über die Route ist sicher möglich, teilweise aber etwas umständlich. Am bequemsten und schnellsten ist jedoch sowieso der Fussabstieg über den Nordrücken, so kann man gut auch mit einem Einfachseil anrücken. Ein nach der Sanierung aktualisiertes Topo auf Grundlage des Churfirstenführers findet man bei eastbolt.ch. Bitte denkt doch bei Gelegenheit auch gleich daran, ein paar Fränkli für solche Sanierungsaktionen springen zu  lassen, danke! 

1 Kommentar:

  1. Hoi Marcel
    Danke für deinen Eintrag und die gute Idee
    Ich war heute dort, die Tour hat mir (sehr) gut gefallen
    Bomberfest kompakter Fels (im Vergleich mit anderen Churfirsten Routen) und super Ambiente
    Mit dem aktuellen Schnee sind feste Bergschuhe zu empfehlen und wir sind über Anchorage abgeseilt (wegen dem Schnee auf dem Frümsel Wanderweg)
    Gruss
    Xavier

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