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Donnerstag, 17. März 2022

Föhnmauer - Buben im Sturm (8a)

Auf der Agenda stand ein MSL-Tag mit Viktor, doch im Gegensatz zu den anderen Gelegenheiten in diesem Winter war die Tourenwahl nicht einfach. Im Tessin gab es (zu) wenig Sonne, in den höheren Lagen der Alpennordseite hat's noch viel Schnee und mit Temperaturen um -8 Grad auf 2000m und einer zügigen Bise schienen die Bedingungen fürs Felsklettern im Gebirge suboptimal. Somit erfolgte die Planung bzgl. der Location defensiv. Definitiv der beste Spot in der Ostschweiz für anspruchsvolle MSL in der kalten Jahreszeit ist die Föhnmauer am Fläscherberg. Talnah tief und sonnig in einer milden Ecke gelegen, gibt es kaum einen sonnigen Tag, an welchem es für einen Versuch zu kalt wäre. So wollten wir die im Winter 20/21 von Daniel Benz erschlossene Buben im Sturm (7 SL, 8a) probieren. Soweit bekannt, hatte es bisher keine Wiederholung der Route gegeben, was den Reiz natürlich umso höher machte.

Die fantastische Wand der Föhnmauer am Fläscherberg mit der Linie von Buben im Sturm (8a).

Vom Parkplatz beim Badguet ist es gerade ein guter Kilometer Luftlinie zum Einstieg, Höhenmeter müssen auch kaum welche überwunden werden, in 15-20 Minuten erreicht man also den Einstieg. Dieser ist ziemlich unscheinbar: der gut ausgetretene, zur Megusta führende Pfad steigt von den rechten Routen an der Föhnmauer wieder etwas ab, erreicht schliesslich flaches Terrain und führt wieder ganz nahe an die Wand. Dort ist man richtig, die BH mit Irniger-Laschen sind auch gut erkennbar. Nachdem ein vergessener Helm für eine zurück-und-wieder-hin Jogging-Session verpflichtete und wir uns ausgerüstet hatten, konnte es wenige Minuten vor 11.00 Uhr losgehen. Wir setzten darauf, die Route mit einem 40m-Einfachseil zu klettern und führten einen Haulbag mit warmen Jacken, Getränken und Verpflegung mit - die Strategie lautete also eher auf 'Sportklettern in einer hohen Wand'. Das Hilfsseil für den Haulbag hätte uns natürlich einen allfällig nötigen Rückzug ermöglicht.

L1, 30m, 6c: Eine willkommene Aufwärmlänge, da kontinuierlich schwierig, ohne extreme Boulderstelle und an durchgehend angenehmen Griffen. Trotz der relativ moderaten Bewertung wird man kaum so einfach durchspazieren: einerseits ist die Sache unübersichtlich, der von rechts-unten-nach-links-oben geschichtete Fels erfordert sorgfältige Planung der Moves. Zudem, das muss transparent gesagt werden: die Felsqualität ist nicht die beste, etwas Umsicht ist schon erforderlich - wer gerne Griffe ausreisst, findet hier bestimmt sein Betätigungsfeld. Nachdem wir die Seillänge aber beide sturzfrei unter ausschliesslicher Nutzung von standhaftem Material klettern konnten, will ich das Wort 'brüchig' lieber vermeiden. 

Los geht's in L1 (6c), das Gemäuer über unsere Köpfen beinahe bedrückend!

L2, 20m, 6c+: Im Grossen und Ganzen ähnlich im Charakter wie L1, der Fels ist hier schon ein wenig solider (er wird nach oben generell immer besser). Nach wie vor weist er teils auch einen etwas brösmeligen Belag auf, was sich mit zunehmenden Begehungen aber sicher auch noch bessert. Anyway, hier wartet eine etwas kniffligere Sequenz, wo man ein paar minimale Strukturen für die Hände verwenden und schon mal etwas mutig antreten muss. Nachher Linksquergang, nochmals die Moves gut planen und mit einem kleinen Runout zum Stand hinauf.

Der Akteur in der Crux von L2 (6c+), die schon mal genaueres Hinschauen verlangt.

L3, 20m, 6b: Über Trittleisten nach rechts hinaus an eine griffige Schuppe. Diese tönt sehr dumpf, dank der guten Absicherung und der Tatsache, dass sich das Seil links in ungefährdeter Position befindet, kann man das Dülfern daran aber problemlos riskieren. Der spektakuläre Event mit einem Abgang dieses tonnenschweren Dings bleibt aber aus, der ergäbe sich wohl nur mit einer ordentlichen Portion Sprengstoff. Nachher folgt schöne Wandkletterei, das Gestein präsentiert sich an dieser Stelle etwas gutgriffiger, zudem legt sich auch die Neigung etwas zurück.

Gut griffige Kletterei im oberen Teil von L3 (6b), mitunter die einfachsten Meter der Route.

L4, 25m, 7a: Eine ziemlich spezielle Seillänge, v.a. wenn man die Erschliessungsgeschichte kennt. Daniel hat hier quasi den ganzen, oberflächlich brüchigen Fels abgetragen. Darunter kam erstaunlich solider Klötzlifels zu Tage, der auf der luftigen Linie wirklich spassig zu klettern ist. Schon gleich vom Stand weg ist offensichtlich, dass man sich nun in einer anderen Gesteinsschicht bewegt. Hellgrau ist der Fels und die vielen scharfkantigen Leisten von bisher fehlen, ziemlich rund und sloprig kommt die Seillänge erst daher. Dann eben hinein in die überhängende Zone. Geschützt durch die Überhänge waren hier noch Kletterspuren von der Erstbegehung verblieben, was die Sache schon etwas einfacher machte. In anregender Turnerei ging's hinauf in den Dachwinkel, mit etwas Hangboard-Strom ist das gut zu machen. Bei der Querung unter dem Dach durch reicht dann Kraft alleine aber nicht, da muss man sich auch noch gut anstellen, um den schon ziemlich exponierten Stand auf kleiner Kanzel zu erreichen.

Hinein in die überhängende Dächerzone geht's in L4, dank griffigen Leisten ist das aber "nur" eine 7a.

L5, 20m, 7c: Mit interessanten Moves geht's erst einer kleinen Verschneidung entlang aufwärts, wobei aber eher der Charakter von Wandkletterei besteht. Ein Runout zu einer Querfuge hinauf bietet etwas Aufregung, ansonsten ist dieser Teil noch gut kletterbar im 6c/7a-Bereich. Das ändert sich sobald man nach links hinaus abzweigen muss. Die Wand ist dort mit einem scharf strukturierten Sinterbelag überzogen, aber das Angebot von tauglichen Griffen ist rar. Trotz der guten Absicherung ist diese Boulderstelle reichlich zwingend und aufgrund vom Verlauf nach links sowohl für den Vor- wie für den Nachsteiger schwierig auszuchecken. Uns dünkte dies die schwierigste Einzelstelle der ganzen Route, dafür lässt's bald wieder etwas nach. Die Fortsetzung nach links zum Stand hinaus ist dann aber echt cool: mit erst sintrigen Strukturen und nachher Löchern in einer Querfuge geht's zwar pumpig, aber gut kletterbar zu sehr luftigem Stand.

Dieser Quergang stellt die Crux von L4 (7c) dar. Heftiger Boulder zu Beginn, dann pumpig dranbleiben.

L6, 25m, 8a: Ja, der luftige Stand vor dieser Seillänge, das war so eine Sache: dass man an der Föhnmauer schier weggeluftet wird, wenn der Südwind bläst, das lässt sich ja schon aus dem Namen ableiten und ist allgemein bekannt. Doch von Föhn war an diesem Tag gar nichts gegeben, es war ein ruhiger Wintertag mit etwas Bise prognostiziert. Doch nun eben, hier pfiff uns der Luft gehörig um die Ohren und sorgte "für gute Kletterbedingungen" wie es der Optimist formulieren würde. Der Realist stellte eher einen massiven Windchill und die Schwierigkeit fest, hier vor dem Losklettern wieder auf die richtige Betriebstemperatur zu kommen. Los geht's gleich gehörig athletisch aber vorerst noch recht gutgriffig, aber unscheinbar stellt sich eine erste Kniffelsequenz in den Weg, wo man von einer guten Schuppe durch einen seichten Winkel an ein paar Leisten hart movend an eine nächste Schuppe kommen muss. Nach kurzem Durchschnaufen wartet eine weitere, zähe Leistensequenz, so langsam kommt auch die Power Endurance ins Spiel. Zu guter Letzt wartet dann erst eine knifflige Bewegungsaufgabe und der äusserst abschüssig-technisch-heikle Ausstieg zum Stand, prost! Unter dem Strich hatten wir am Ende schon für alle Moves einen ausführbaren Plan entwickeln können, aber für einen Rotpunkt bräuchte es sicherlich noch einiges an Investment...

Klettern mit einem Fotografen vor Ort - für die Profis alltägliches Brot, für mich komplettes Neuland. Erschliesser Daniel Benz besuchte uns, um ein paar Impressionen aufzunehmen, unsere Empfindungen über die Route zu hören und natürlich um einige willkommene Tipps für die Cruxlänge zu geben. Diese zähe Nummer (L6, 8a) ist hier abgebildet.

L7, 30m, 7c: Das Gelände legt sich zwar optisch zurück, da jedoch der Fels in dieser oberen Wandzone glatter und abschüssiger wird, geht's nicht so viel leichter dahin, wie man sich das vielleicht erhoffen würde. Vor allem auch wurden auf dieser (schon früher im Verdon-Prinzip erschlossenen) Seillänge die Schwierigkeiten auch gesucht. Gefunden werden diese in einer steilen Sequenz gleich über die ersten Bolts, wobei sich hier doch noch ein paar positive Griffe offenbarten und es besser ging als befürchtet. So richtig schwierig war dann aber der Übergang ins flachere Gelände darob, zumal auch noch ziemlich obligatorisch. Ist der vierte BH einmal erreicht, so wartet dann bis zum Ausstieg "nur noch" klassisches Föhnmauer-Gelände im 6c/7a-Bereich. Die Hakenabstände sind hier weiter, aber wer es bis da geschafft hat, wird sich davon kaum beunruhigen lassen. Wer wollte, könnte einen Runout mit einem kleinen Cam à la 0.1 oder 0.2 noch entschärfen - doch selbst der Senior hat es ohne geschafft ;-)

Der Ausstieg rückt auf für Viktor in greifbare Nähe. Die Abschlusslänge (L7, 7c) hat es nochmals in sich!

Erst kurz vor 17.30 Uhr und damit nach rund 6:30h Kletterei hatten wir es zum Top geschafft. Die ersten 4 Seillängen waren uns noch einwandfrei Onsight gelungen, danach ist "i have to come back for these pitches" wohl die Losung der Wahl - so sagen es doch die Profis immer?!? Konkret hatten wir mit vereinten Kräften am Ende eigentlich alle Stellen entschlüsselt, aber dies in einen Rotpunkt umzumünzen wäre kaum schon beim nächsten Besuch realistisch. Den wir aber vermutlich eher sowieso nicht auf uns nehmen werden. Mit dem Punkten von schwierigen MSL habe ich es ja generell nicht so, der Aufwand dafür ist einfach sehr hoch. Wobei in diesem konkreten Fall immerhin der Zugang von oben gut möglich ist, so dass man die entscheidenden Seillängen effizient einüben könnte. Von dieser Zugangsmöglichkeit machte auch Daniel Gebrauch, um uns einen Besuch abzustatten, bei welchem Fotos und Videos geschossen wurden. Das Material wurde in das folgende Youtube-Video verarbeitet...

Ob's für mich weitere Besuche zwecks Rotpunkt geben wird ist eine Spekulation über die Zukunft. Solche sind meist wie Spuren im Sand, weisen also keine lange Gültigkeit auf. Für uns galt es nach dem Erreichend des Tops noch, wieder nach Hause zu kommen. Mit der Absicht, in 5 Manövern luftig über die Wand abzuseilen, hatten wir die Schuhe und etwas Material am Einstieg gelassen. Doch mit der eben verschwundenden Sonne und dem langsam ins Mark vordringenden Wind erschien es als die bessere Option, barfuss und in Kletterfinken zu Fuss abzusteigen. Dafür erst schrofig kraxelnd hinauf (sichern!), dann in 50-60m Traverse über steiles Gras am laufenden Seil zum Weg hinüber. Auf diesem erreicht man in ca. 10 Minuten wieder den Einstieg. Wir waren nicht unglücklich darüber, wieder in richtige Schuhe schlüpfen zu können, trotteten zurück zum Badguet und fuhren sehr zufrieden heimwärts.

Facts

Föhnmauer - Buben im Sturm 8a (7b obl.) - 7 SL, 170m - Daniel Benz 2021 - ***;xxxx
Material: mind. 1x70m oder 2x40m-Seil, 11 Express, Cams/Keile nicht nötig

Schöne, eindrückliche und steile Route mit einigen kniffligen Passagen. Die beiden Ausstiegslängen sind ein altes Projekt von Ralf Wohlwend, der Zustieg von unten kam in der Wintersaison 2020/21 durch Daniel Benz hinzu. So hat sich ein sehr lohnender Durchstieg der steilen Wand ergeben. Die Route punktet mit leichter Erreichbarkeit, idealen Bedingungen in der kalten Jahreszeit und luftiger Exposition. Eine Begehung verlangt aber in jedem Fall nebst den rein klettertechnischen Anforderungen auch die Fähigkeit, sich in nicht immer zuverlässigen Fels sicher bewegen zu können, vor allem in den ersten 4 Seillängen ist das Gestein nicht überall top. Die Route ist sehr gut mit rostfreien BH abgesichert, weist aber in den schwierigen Seillängen manch eine zwingende Passage auf und erfordert daher ein gewisses Können an beiden Seilenden.

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