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Donnerstag, 3. November 2022

Wändlispitz-Traverse

Wer auf der Suche nach gehobener Kletterkost ist, mag ob diesem Beitrag vielleicht die Nase rümpfen. Kann man machen, muss man aber nicht: es kommt bestimmt der Tag, wo die Griffel schon müde sind oder für eine bevorstehende Session geschont werden müssen. Und dann lässt sich am Wändlispitz im Fluebrig-Massiv mit der Überschreitung von Schäferweg im Aufstieg und dem SE-Grat im Abstieg eine interessante und landschaftlich absolut lohnende Tour erleben. Für mich persönlich wurde der Ausflug von einem sehr schönen Gleitschirmflug gekrönt. Im perfekt anstehenden SW-Wind liess es sich in der Gipfelregion nach Belieben soaren und das Top überhöhen.

Wändlispitz vom P.1972, aus dieser Perspektive kaum zu glauben, dass man den vom Gipfel sich nach rechts herunterziehenden SE-Grat problemlos seilfrei begehen kann. Die Schwierigkeiten liegen bei ca. T5, II.

Meine Hauptmotivation für die Tour war der Fact, dass wir uns zum ab 16 Uhr stattfindenden Team-Boulder-Event im Quergang eingeschrieben hatten. Draussen herrschte tolles und rekordwarmes Herbstwetter. Irgendwie zu schade, um bis 16 Uhr einfach zu "warten", aber Klettern und die Kräfte schon verpulvern schien auch nicht das Richtige. Um 9.00 Uhr lief ich beim Klubhaus der Golfanlage im Ochsenboden P.933 los, der Strasse entlang gibt's Berggänger-Parkplätze. Schon über 26 Jahre ist es her, seit ich dem Weg nach Unterwand das letzte Mal begangen hatte. Für die Erstbegehung des Direkten S-Pfeilers (5 SL, 6a+) waren wir damals unterwegs, seither kam ich nie mehr vorbei.

Bei den Hütten von Unterwand (ca. 1430m) mit Blick auf die Wändliflue.

Die Abzweigung von der Waldstrasse bei P.1161 hin zum wenig markanten Pfad, welcher zu den Hütten auf ~1430m führt, ist leicht zu verpassen. Zwei markante Blechrohre talseitig der Strasse sind ein Indikator, sonst hilft die Kartennavigation. Bei den Hütten eröffnet sich der Blick auf die langgezogene Wändliflue, ebenso ist auch die Rampe des Schäferwegs schon prominent sichtbar. Von den Hütten führt eine klar erkennbare, teils markierte Wegspur dahin. Um sie aufzugreifen, quert man von der oberen Hütte horizontal nach links ca. 50m zu einigen Steinen, an welchen sich die erste Markierung befindet. Ab da gelangt man ohne Orientierungs- und Geländeschwierigkeiten zur Leiter am Einstieg des Schäferwegs (1515m).

Blick auf die hier stark verkürzt erscheinende Rampe vom Schäferweg. Der Einstieg befindet sich in der Grotte mittig am rechten Bildrand.

Diese hinauf (die 2.5m hohe, überhängende Stufe gäbe einen nichttrivialen Boulder her), dann ~10m weiter über plattigen Fels (Fixseil, Eisen als Tritte, bei trockenen Verhältnissen sind die Hilfsmittel nicht nötig). Bald einmal steht man wieder im Grasgelände. Es ist gut gestuft und hat ordentliche Trittspuren. Auch wenn sich die Passage vor allem zu Beginn eindrücklich luftig über einem Felsabbruch befindet, so war es doch viel einfacher, wie die kolportierte T6-Bewertung es mich im Voraus vermuten liess. Für diejenigen, die es brauchen hat es in dieser Passage auch 3 gebohrte Standplätze und einige Zwischensicherungen. Bald einmal legt sich das Gelände zurück, auf Wegspuren geht's die Rampe hinauf zu deren Ausstieg auf 1615m.

Leiter beim Einstieg, die Stufe geht frei, aber nicht trivial (ca. 6b/6c-Kletterstelle).

Nun wandert man über die nach WNW ausgerichtete Gipfelabdachung, eigentlich immer direkt an der Abbruchkante der Wändliflue. Es hat Wegspuren und ist unschwierig, offeriert aber immer wieder tolle Tiefblicke in die Flue, ebenso wie Weitblicke in die Gegend vom Sihlsee. Bald einmal kommt das Gipfelkreuz (1971m) in Sicht, einige Minuten nach 11.00 Uhr hatte ich dieses erreicht, wobei ich den Puls beim Wandern im Schonmodus bewusst nie in die Höhe getrieben hatte. Bei der Rast am Top klingelte das Handy. Ein telefonischer Beratungstermin für meine Tochter war gefragt, welche sich beim Kleidereinkauf befand. Wir Männer wissen ja, dass sich solche Dinge immer in die Länge ziehen und so war es auch hier.

Panorama auf dem Wändlispitz-Rücken, links der Sihlsee, rechts die Gipfel von Diethelm und Wändlispitz.

Meine Geduld für derlei Dinge war am Ende. So legte ich zwar nicht auf, sondern beschloss schon einmal mit dem Abstieg über den SE-Grat (T6,II) zu beginnen. Mit solcherlei Unterhaltung fallen Diskussionen mit Teenies um Klamotten deutlich leichter, ich kann es also nur empfehlen. Man kann nun unken, dass man auf einer T6-Route erstens die Hände frei haben und zweitens die Konzentration aufrecht erhalten sollte. Ersteres war dank Lautsprecherfunktion kein Thema, zweiteres auch nicht so gravierend, da auch hier die Schwierigkeiten doch merklich tiefer lagen wie erwartet. Vielerorts braucht es kaum die Hände, und höchst selten bzw. nur für ganz wenige Stellen heisst es mit beiden Pfoten zuzupacken.

Das eine der beiden Felsenfenster am Fuss des Wändlispitz SE-Grat.

Bald einmal war ich schon am Fuss des Grates bei den eindrücklichen Felsenfenstern (die Kleider waren inzwischen gekauft und mein Konto damit belastet ;-)). Da ich gut in der Zeit lag, wollte ich noch einen Erkundungsgang Richtung Südpfeiler unternehmen. Ob man nämlich vom Fuss des SE-Grats der Wand entlang querend zum Einstieg gelangen könnte, liess sich mit Luftbildern und den mir zur Verfügung stehenden Fotos nicht zweifelsfrei klären. Doch es geht, absolut problemlos sogar, und so stand ich wenig später am Punkt, wo wir damals den Bohrer angesetzt hatten. Hey, nur zu gerne wäre ich jetzt gleich stantepede in die Route eingestiegen, um meine verblassten Erinnerungen wieder aufzufrischen.

Kurz vor dem Gump, idealer, südausgerichteter Startplatz bei P.1949

Das war weder vernünftig noch möglich. Also lief ich zurück zu den Felsenfenstern, stieg zum namenlosen Gipfel P.1972 auf. Dessen Südseite ist unangenehm steil für einen Gleitschirmstart, doch etwas unterhalb dem Übergang von P.1949 sichtete ich eine prima Möglichkeit. Kurzum war ich da, breitete das Tuch aus und schwang mich in die Lüfte. Wie erwartet ging's aufwärts, an der Südflanke soarend liess sich auch mit dem kleinen Ultraleichtschirm erst der Startplatz, später sogar der von zahlreichen Wanderern besuchte Fluebrig-Gipfel überhöhen. Welch ein Genuss und schöner Tourenabschluss! Zeitig war ich nach einer Stunde Flug zurück im Tal, das ermöglichte mir vor dem anstehenden Wettkampf noch ausreichend Zeit für Verpflegung und Relaxing - perfekt war diese Tour aufgegangen! Über den Team-Boulder-Event berichte ich dann in einem Folgepost...

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