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Dienstag, 30. Mai 2023

Ofenloch - im Grand Canyon der Ostschweiz

Pfingstmontag, nach 2 Tagen mit RP-Versuchen in MSL-Projekten - beim einen erfolgreich, beim anderen noch nicht ganz (Details folgen...) - ist es nötig, den Griffeln und dem Bizeps etwas Ruhe zu geben. Nach dem vielen Regen im Frühling herrscht aber bestes Vorsommerwetter, welches Jerome und ich für einen Ausflug in die Neckerschlucht nutzen wollen. Der Bach hat sich da tief in die Nagelfluhwände eingefressen, es soll viele Wasserfälle, Engstellen und gewaltige Grotten zu sehen geben - eben so, dass man vom Grand Canyon der Ostschweiz spricht. Dieses Prädikat ist auf jeden Fall absolut verdient, wir waren sehr beeindruckt von der gewaltigen Landschaft im Grenzgebiet der Kantone St. Gallen und Appenzell.

Jerome im Ofenloch, der Wasserfallkessel am linken Bildrand markiert das Ende der Neckerschlucht.

Der Ausgangspunkt für den Canyon ist der ziemlich abgelegene Ampferenboden P.1042. Dahin gelangt am einfachsten durch das Neckertal vom Hemberg her. Die breite Naturstrasse ist ab kurz vor P.895 mit einem Fahrverbot belegt, so dass ein längerer und nicht überaus spannender Marsch ins Tal hinein fällig wäre. Diesen vermieden wir, indem wir die Schluchtwanderung mit einer Biketour kombinierten und bereits bei der Mündung des Necker in die Thur ab Ganterschwil starteten - sozusagen vom Ende des Necker bis zu seinem Beginn und wieder zurück. Bis St. Peterzell muss man teilweise der Hauptstrasse folgen, abschnittweise gibt es Radwege oder Ausweichmöglichkeiten über Güterstrassen, die Landeskarte gibt Auskunft. Ab St. Peterzell folgt ein erster Trail-Abschnitt am orografisch linken Ufer des Necker. Dazu der Strasse nach Hemberg bis zum P.763 folgen und via Neckerau zu einer nächsten (der zahlreichen) nach Hemberg führenden Strassen etwas oberhalb der Schwandsbrugg zu gelangen. Auf dieser bis P.838, dann Abzweigen ins Neckertal bzw. Richtung Mistelegg und weiter hinein ins immer einsamere und tiefere Tal zum Ampferenboden, was total ca. 20km Bikestrecke entspricht.

Dem Säntis und dem Quellgebiet des Necker entgegen - eine sehr schöne Biketour ist das!

Dann geht's zu Fuss weiter, direkt im Bachbett. Man lasse sich nicht durch den Wanderweg verwirren, der nach ca. 200m abzweigt und den Hang hinauf führt. Zum Zeitpunkt unserer Begehung (nach ein paar schönen Tagen Ende Mai, jedoch in einem sehr regenreichen Frühling) konnten wir die gesamte Strecke ohne Probleme trockenen Fusses in Turnschuhen bewältigen. Wenn der Bach aber viel Wasser führt, so muss man unter Umständen geeignetes Schuhwerk (d.h. Sandalen oder Gummistiefel) mitführen. Unser Schlussfazit war, dass man einen Erlebnisparcours wohl genau so anlegen würde, wie dies in der Schlucht der Fall ist. Und zwar ist es schon von Anfang an interessant, aber mit jedem Meter in den Canyon hinein wird das Ambiente noch spektakulärer. Immer wieder tauchen Überraschungen auf und man weiss nie, was als nächstes kommt. Zu den Schwierigkeiten: die Begehung ist weitestgehend komplett unschwierig. Nur bei einigen wenigen Passagen muss minimal gekraxelt werden. An zwei, drei Stellen nutzt man für kurze Zeit relativ steile Uferpassagen, die teils mit älteren Fixseilen versehen sind. Wobei der hier schreibende, trittsichere Berggänger alles ohne je die Hände zu nutzen machen konnte. Sprich, es scheint mir für jeden bergerfahrenen Wanderer machbar - allerdings ist die Gegend sehr abgelegen und Handyempfang gibt es keinen (Stand 2023).

Manchmal muss man etwas über Blöcke oder Schwemmholz kraxeln, nirgends jedoch exponiert.

Ein Riesenüberhang direkt am Weg, der einen mit seiner Wucht fast erdrückt ("hält das alles?")

Hat jemand Mumm für eine Erstbegehung? Fels ist halt dreckig, brüchig, feucht und botanisch...

Nach dem Passieren von Engstellen, gewaltigen Überhängen, eindrücklichen Felswänden, glattgeschliffenen Kanälen und einiger idealer Badepools kommt das Highlight schliesslich ganz am Schluss: der eindrückliche Kessel, welcher den Canyon beschliesst. Wasserfälle stürzen hier von verschiedenen Seiten in die Schlucht, einen Ausweg gibt es keinen. Dafür die gewaltige Grotte des Ofenloch, absoluter Wahnsinn! Durch einen etwas exponierten Pfad (ca. T4) lässt sie sich in wenigen Minuten Aufstieg gewinnen. Die Dimensionen sind sehr eindrücklich und wenn man ganz ans hintere bzw. obere Ende klettert, so könnte man echt meinen, dein Eingang ins Innere der Erde gefunden zu haben. Gleichzeitig fühlen sich Gestein und Landschaft etwa so an wie auf dem Mars, jedenfalls war das die Einschätzung von Jerome (da kann ich leider nicht mitreden 😜). Wir konnten uns kaum sattsehen und waren einfach nur glücklich, diesen sehr aussergewöhnlichen Ort gefunden zu haben!

Blick talauswärts auf's gewaltige Ofenloch mit Standort Wasserfallkessel / Ende der Neckerschlucht.

Hinein ins Maul des Riesen. Hier hinauf in die Höhle ist etwas Trittsicherheit zwingend erforderlich!

Schliesslich machten wir uns auf den Rückweg. Dieses Mal legten wir die ca. 1.5km zum Bikedepot beim Ampferenboden deutlich schneller zurück wie auf dem Hinweg, wo wir viele Pausen einlegten und die Landschaft ausgiebig bestaunt hatten. Schliesslich sattelten wir die Bikes und genossen den Rückweg, der mit nur ein paar ganz wenigen Gegensteigungen vorwiegend abwärts führt. Auf keinen Fall verpassen sollte man den Hofladen/Besenbeiz direkt an der Veloroute beim Töshof in Brunnadern. Superfeie, selbergemachte Glacé gibt's da in ca. 20 verschiedenen Geschmacksrichtungen. Nun gut, nur zu zweit schafften wir es nicht ganz, alle Sorten durchzuprobieren - zu fünft schiene uns das aber ein durchaus realistisches Unterfangen. Unser Fazit war glasklar: das war ein super lohnender Ausflug! Schade einzig, dass die gewaltigen Wände da hinten leider zu bröcklig sind, um daran zu klettern. Wiesen doch diese Kiesbänke nur die Festigkeit jener im Elsass auf - an eindrücklichen Linien und höchsten athletischen Herausforderungen würde es ganz und gar nicht fehlen.

Der Blick von ganz oben im Ofenloch - riesig der Stollen!

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