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Freitag, 16. August 2024

Bockmattli - Turmschartenwächter (4c trad, Erstbegehung)

Bei meinen drei Besuchen in der Nordwand des Namenlosen Turm für die Meriba und die Erschliessung der Kairos waren mir in der Kleinen Chälen weitere Felstürme aufgefallen. Der eleganteste Pfeiler bewacht dabei die kleine Turmscharte und zeigte einen wunderbaren, angelehnten Riss, der für eine Begehung nur so lockte. Das musste ich unbedingt ausprobieren, da war ich mir sicher! Doch eine mit Bohrhaken abgesicherte Route einzurichten, schien mir an dieser Stelle nicht die Methode der Wahl: auch dann würden sich für dieses Stück Fels bestimmt nur wenige Interessenten finden. Die Kombination von Routenlänge und Zustieg trifft des Felsgeniessers Ansprüche wohl kaum. Noch dazu schien der strukturierte Fels viele natürliche Sicherungsmöglichkeiten zu bieten. Damit war der Plan gemacht, sozusagen als Ausgleich zur vollständig gebolteten Kairos sollte es hier eine Trad-Erstbegehung geben. 

Blick von der Westschulter des Kleinen Turms auf den Turmschartenwächter. Hinten am Horizont der Bockmattli Westpfeiler und der Hauptgipfel. In der rechten Bildhälfte sieht man die Nordwand vom Namenlosen Turm, wo unser Hauptprojekt Kairos verläuft.

Erschliessung

So fehlte nur noch der Zeitpunkt, um das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Doch anlässlich vom Rotpunkt-Durchstieg der Kairos liess sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Weil auf den Nachmittag Gewitter angekündigt waren, starteten wir früh. Das Punkten der Kairos machte uns wie erwartet keine Schwierigkeiten. Zügig kletterten wir auf den Gipfel und stiegen via die Kleine Turmscharte ab zu unserem Depot - direkt am Wächterturm vorbei, den wir natürlich nochmals ausgiebig mit unseren Blicken würdigten, um die Linienführung festzulegen. Um 10.20 Uhr ging es schliesslich los: der Pfeiler liess sich auf der gewünschten und angedachten Linie direkt klettern. Unterwegs trafen wir auf überhaupt keine Kletterspuren. Auch die drei nicht mehr fabrikneuen Schlaghaken wurden vom Autor platziert - es handelt sich um Recycling von andernorts bei Sanierungen entferntem Material. Somit scheint es durchaus wahrscheinlich, dass diese Pfeilerlinie zuvor noch nie geklettert wurde. Knappe zwei Stunden später hatten wir den Gipfel mit einer beidseits perfekten Onsight/Flash-Begehung erreicht und konnten uns beglückwünschen 🥳

Guido folgt in L1 (3a), welche gemütliche Kletterei in stark strukturiertem Schrattenkalk bietet.

Zustieg

Vom Wägitalersee entweder zu Fuss oder bequemer und zeitsparend per Bike zur Schwarzenegg. Ein markierter Wanderweg führt weiter zur am Wochenende bewarteten Kletterhütte Bockmattli. Von dieser kurz durch die Gross Chälen hinauf, bis in der fünften Kehre nach dem Wegweiser ein deutlicher Pfad nach links in die Kleine Chälen abzweigt. In ~10 Minuten auf guten Trittspuren durch die Rinne hinauf bis zum Einstieg am Fuss des Sporns, welcher rechts der Scharte herunterzieht. Der Einstieg ist durch eine fixe Schlinge gekennzeichnet. Koordinaten CH LV95 2'715'030, 1'217'685 bzw. WGS84 47.100160, 8.953983, Höhe 1670m. Zeit vom See zu Fuss ca. 75-90 Minuten (750hm), mit Bike ca. 30 Minuten schneller.

Sicht auf den Turmschartenwächter vom Einstieg der Kairos - das musste einfach probiert werden!

Routenbeschreibung

Turmschartenwächter 4c (4c obl) - 3 SL, 80m - Marcel Dettling & Guido Arnold - **;(xxxx)
Material: 1x40m-Seil, 10 Express, 1 Satz Keile, Cams 0.2-3 (& evtl. 4)

L1, 25m, 3a: Direkt über die (linke) Rippe in geneigtem, griffigem Fels hoch, Stand an Baum.

L2, 35m, 4c: Wasserrillenpassage zu markantem Riss an angelehnter Schuppe, Stand auf Podest (NH).

L3, 20m, 4a: Dem Grat entlang weiter bis zum Gipfel, Stand direkt davor (Fixschlinge an Zacken).

Marcel unterwegs in L2 (4c), die am Anfang mit einer kompakten Wasserrillenpassage aufwartet.

Abstieg

Vom Gipfel des Sporns 4m rückseitig abklettern (einfach, nicht exponiert). Dann nicht gleich links in die Chälen halten, sondern 20m horizontal traversieren und einige wenige Meter zu einem Felsturm aufsteigen. Auf dessen Rückseite kann man einfach und nicht exponiert durch einen Kamin zur Kleinen Turmscharte absteigen. Von dort in wenigen Minuten zurück zum Einstieg und retour durch die Kleine Chälen zur Kletterhütte.

Guido folgt im Pfeilerriss von L2 (4c), mit Tiefblick in die Kleine Chälen und bis zur Kletterhütte.

Material/Abseilen/Rückzug

Es wurde nur minimal Material zurückgelassen (3 NH, 2 Schlingen). Noch viel mehr als bei Bohrhaken gilt bei solchem Fixmaterial die eigenverantwortliche Beurteilung auf dessen Zuverlässigkeit. Alle Standplätze müssen mit mobilem Material verstärkt werden, bei den Zwischensicherungen ist man sogar fast ausschliesslich darauf angewiesen. Das Anbringen von mobilen Sicherungsmitteln ist in ausreichendem Mass für eine sichere Begehung möglich, erfordert jedoch die nötige Erfahrung damit. Ebenso sollte man mit dem Klettern im alpinen Gelände vertraut sein. Die Route soll trotz den tiefen Schwierigkeiten nicht unterschätzt werden: wer einsteigt muss durchkommen, ein Rückzug ist nur mit Materialverlust an selbst gebauten Verankerungen möglich.

Marcel am Top - ganz offensichtlich mit 100% Vertrauen in seinen selbstgebauten Stand 😀

Topo

Hier eine Skizze mit der von uns gewählten Linie, dem zurückgelassenen Material und allen wichtigen Infos! 

Das Topo vom Turmschartenwächter in der Kleinen Chäle am Bockmattli.


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