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Dienstag, 28. Februar 2012

Grandes Jorasses - Neues Topo zum Crozpfeiler

Bei uns ist die Eisklettersaison seit dem letzten Weekend definitiv gelaufen. Zeit, um nach vorne zu schauen und nächste Pläne zu schmieden. In den nächsten Monaten geht im Hochgebirge ganz sicher noch etwas, und das Zentrum der Eiskletterei in den hohen Bergen ist eindeutig Chamonix. Bei Recherchen auf dem Internet entdeckte ich ein solch tolles Foto von der Grandes Jorasses Nordwand, dass ich gleich ein Topo zum von uns begangenen Crozpfeiler anfertigen musste!


In noch besserer Auflösung steht das Topo auch als PDF-Dokument zur Verfügung. Interessant ist auch das Wandfoto an sich, ohne die eingezeichnete Linie, siehe unten. Es sei hier angemerkt, dass ich das Foto auf der Webseite www.guides06.com gefunden habe, welche eine spannenden Bericht über eine kürzliche Winterbegehung des Walkerpfeilers in der Grandes Jorasses Nordwand bereithält.


Und all denjenigen, die ihn noch nicht kennen, möchte ich an dieser Stelle herzlich den packenden Tourenbericht von meinem Seilpartner Walter empfehlen. Hier ein kleiner Ausschnitt, der zeigt, was den Leser erwartet: ..."nun erkannten wir auch den Gipfelgrat, welcher sich klar und deutlich im Sonnenlichtlicht abhob. Der Weg über den Croz-Pfeiler schien klar vorgezeichnet und zeitlich überschaubar zu sein. So waren wir uns recht sicher, dass es keine größeren Hindernisse in Richtung Gipfel mehr geben dürfte. Ein Irrglaube, denn erst jetzt begann die schwierige Mixedkletterei. Über dünn vereiste Felsplatten musste ich fast eine ganze Seillänge nach rechts queren, ohne dabei auch nur eine einzige Sicherung legen zu können. Eine Anspannung, die nicht nur bei mir höchste Konzentration forderte, sondern auch für Marcel meinen Nachsteiger großen Mut abverlangte. An einen Fehltritt durften wir gar nicht denken…".

Ich meinerseits möchte ich den nächsten Wochen gerne einen Ausflug nach Chamonix zum Nordwand- bzw. Eisklettern machen. Touren wie das Gabarrou-Albinoni-Couloir am Mont Blanc du Tacul, oder die Schweizerführe in der Courtes Nordwand sind weit oben auf meiner Wunschliste - aber alle anderen einschlägig bekannten Touren natürlich auch. Interessierte und motivierte Seilpartner mögen sich gerne bei mir melden!

Montag, 20. Februar 2012

Skitour zum Tschuggen, P.1881

Die Ausgangslage war alles andere als einfach: in den Bergen lockte der Pulverschnee, ebenso gut hätte man aber in den schattigen Tälern Eisklettern können, an einer sonnigen Wand bei milden Temperaturen felsklettern, oder gar mit dem Gleitschirm die ersten Thermikansätze der neuen Saison geniessen. 

Ob dieser Qual der Wahl fiel unsere Entscheidung auf die Skitour, für Nicht-Frühaufsteh-Fans (bzw. mit den Kids Nicht-Frühaufsteh-Taugliche) wie uns neigt sich da die Saison langsam aber sicher schon dem Ende entgegen, wenn die Februarmitte vorbei ist. Doch auch in Sachen Skitouren war es nicht ganz einfach: erhebliche Lawinengefahr der heimtückischen Sorte herrschte vor. 

Steile, effiziente Aufstiegsspur; oder dann, gemütliches Zickzack.
Dementsprechend war eine Tour gesucht, die sicher war, aber nicht langweilig. Lohnend, aber nicht überlaufen. Sonnig, aber mit tollem Pulverschnee. Schnell erreichbar, aber trotzdem nichts Altbekanntes. Von einer gewissen Länge, aber nicht langfädig. Wie man sieht, der Planer wird da ganz schön gefordert. Entschieden haben wir uns dann eben für den Tschuggen, den Skigipfel neben dem Gonzen. 

Es war ein ganz vergnüglicher Tag: ausschlafen bis 8 Uhr, mit den Kindern frische Gipfeli kaufen und gemütlich zmörgelen, um 10 Uhr mal los zuhause, zum Nani, und von da so eben vor 11 Uhr weiter. Punkt mittags der Start mit den Ski, ein super sonniger Aufstieg, im T-Shirt, ohne je Kappe und Handschuhe getragen zu haben. Den Gipfel etwas nach 14 Uhr erreicht, gemütliche Gipfelrast mit Panorama, Tiefblick ins Seeztal und Köstlichkeiten aus der Lieblingsbäckerei. 

Traumwetter und Panorama totale über das Rheintal.
Dann zuerst ein toller, weiter Gipfelhang, um die Abfahrt zu starten, dann mit Kennerblick auf die Karte die Hänge identifiziert, die uns bis auf eine dreistellige Höhenmeterzahl hinunter seidenfeinen Pulverschnee bescherten. Dann, ganz zum Schluss noch etwas Zwieback-Schnee, für die Herausforderung und um zu sehen, wie es in (noch) sonnigeren Expositionen gewesen wäre. Um 16 Uhr sind wir zurück beim Automobil, um 17 Uhr bereits wieder bei den Kindern. 

Stolze Gauschla, can you see the line?
Seeztal und Walensee vom Gipfel.
Zwar für einmal nicht das grosse Abenteuer, aber dennoch, so wie heute ist es einfach prima!

Sonntag, 19. Februar 2012

Eisbulletin Seeztal und Walensee

Nach dem frühlingshaften Samstag (18.2.2012) ist es wohl definitiv vorbei mit der Eiskletterei an den tief gelegenen, südlich exponierten Fällen im Seeztal und am Walensee. Eine Skitour in der Gegend erlaubte mir eine gute vorher/nachher-Perspektive. Während um 11.30 Uhr bei der Anreise noch alles in bester Ordnung war, die meisten Fälle sind eher Richtung SW exponiert, sah es am späten Nachmittag dann ganz anders aus:

  • Katzenbachfall: weggebrochen
  • Rüfibachfälle: Cavaliere weggebrochen, Contessa massiv ausgedünnt
  • Ragnatscherbach: weggebrochen
  • Milchbachfall: stand noch, stark ausgedünnt, sah abgelöst aus
  • Schattenbachfall: Zapfen abgebrochen, Rest stand noch
  • Seerenbachfall 2: dieser massive Eispanzer stand noch scheinbar unverändert

Es versteht sich von selbst, dass auch die noch stehenden Fälle nach dieser massiven Wärmeeinwirkung mit äusserster Vorsicht behandelt werden sollen. Die für die folgende Woche angekündigten Plustemperaturen mit Sonnenschein dürften aber sowieso auch dem noch vorhandenen Eis den Rest geben. Dafür, auf der Schattenseite im Gäsi, wo die Fälle überhaupt keine Sonne erhalten, sah es auch abends (aus der Ferne) noch gut aus. Hier noch 2 Fotos:

Ragnatscherbachfall links, Rüfibachfälle rechts: beide weggebrochen. Die Sonne hatte heute wohl einen 'Buffalo' zu viel intus...

Bei den Seerenbachfällen hat der sowieso nicht bekletterte Nr.3 gelitten, Nr.2 steht (aus der Ferne) noch stolz da.

Dienstag, 14. Februar 2012

Update vom Seerenbachfall

Während ich ihn selber nur noch aus der Ferne bestaunt habe, sind in den letzten Tagen etliche Eiskletterer unseren Spuren gefolgt und haben die Gelegenheit genutzt, um am Seerenbachfall zu pickeln. Darunter auch Eismeister Urs O. oder Eiger-Rekordmann Dani A., welche sich beide lobend über die Qualität der Kletterei und der Beschreibung gezeigt haben :-)

Auch mein Kletterpartner Dani war noch ein zweites Mal im Seerenbachfall unterwegs und hat eine schnelle Begehung hingelegt. Dabei war aber doch noch Zeit vorhanden, um einige Fotos zu schiessen. Wie man sehen kann, hat der Fall nochmals massiv an Eis zugelegt. Auch gibt es nun keinen freien Wasserlauf mehr, so dass deutlich mehr Freiheit bzgl. der Linienwahl besteht. Damit ist der Fall einfacher geworden: insbesondere an der oberen Stufe, Seerenbachfall 1, kann man inzwischen eine ganz andere Linie am rechten Rand in gutem Eis klettern - es sei eher nur noch WI4+ als die WI5+, die wir klettern mussten.

Ebenso habe ich erfahren, dass der Fall das letzte Mal vor 19 Jahren gut vereist gewesen sei, damals aber noch nicht geklettert wurde. Für die kommenden Tage sind nun leider deutlich wärmere Temperaturen angesagt. Von daher ist nicht klar, wie lange das Begehungsfenster noch offen bleibt. Zu hoffen bleibt auf jeden Fall, dass es nicht wieder 19 Jahre dauert, bis es wieder öffnet...

Hier noch ein Link zum Pressebericht der ersten Wiederholer.

Seerenbachfall 2, massiv vereist, im Bereich unserer ursprünglichen 3./4. Seillänge

Seerenbachfall 1, inzwischen gemütlich am rechten Rand kletterbar. Wir mussten ganz links in damals eher schlechtem Eis hoch.

Sonntag, 12. Februar 2012

Seeztal - Rüfibach - Il Cavaliere (WI5) und La Contessa (WI3)

Nun, wenn man wie wir einmal den höchsten Wasserfall der Schweiz geklettert hat, so ist eine Steigerung in Sachen Renommee kaum mehr möglich. Wenn man seine Eiskletterkarriere nicht gleich beenden will, so bleibt nichts anders übrig, wie sich wieder etwas kleineren Zielen zuzuwenden. Das haben wir getan, und mit dem reizvollen "Cavaliere" am Rüfibach im Seeztal ist uns eine sehr lohnender 160m-Fall gelungen, der eine Erstbegehung (Nachtrag: oder auch nicht, siehe unten) sein dürfte. Mit dem Kompakteisschild der "Contessa" konnten wir unmittelbar danach weitere 100 Genussmeter nachlegen.

Tja, der Februar 2012 ist fast unschlagbar: durchgehend sehr tiefe Temperaturen und meist hochneblige Bewölkung. So bildet sich auch an der sehr sonnigen Südflanke des Seeztals massig Eis. Dani, als Local, beobachtet seine Schäfchen ganz genau. Und als sich Gelegenheit bietet, ein weiteres in den Stall zu holen, kann ich mich freimachen, und bin mit von der Partie. Etwas von Projekt "Todesfall" erzählt er, der sehe so schwierig aus, undsoweiter.

Das Projekt 'Todesfall', oder eben, 'Il Cavaliere' (WI5)
Nach unmenschlich frühem Aufstehen brechen wir noch im Dunkeln von der Strasse auf. Als wir unter dem Fall stehen, bricht die Dämmerung herein. Der Fall zeigt eine überzeugende Eleganz und hat eigentlich gar nichts morbides an sich. Sondern er sieht wie eine sehr lohnende Kletterei aus. Am Schutz der überhängenden Felswand rüsten wir uns aus, es kann losgehen. Die 1. SL (WI4, 50m) startet moderat und steilt sich gegen das Ende hin auf. Einige erste Blumenkohle und Balkone wollen da überwunden werden. 

Ich beziehe Stand, Dani folgt nach und zieht weiter in die 2. SL (WI5, 50m). Mein Standplatz ist ehrlich gesagt total ätzend, die Spritzwassergischt vom Wasserlauf links überzieht mich innert Kürze mit einer massiven Eisschicht - Ambiente total! Die Länge an sich klettert sich erst auch ganz genussreich und wird erst gegen Ende hin richtig steil: lotrecht geht es über mehrere Meter dahin und am Schluss über einige Balkone hinweg gar überhängend. Die Hooks und Pickelschläge sitzen aber bei uns beiden sauber, und wie schon am Seerenbach gelingt auch hier beiden die Onsight-/Flashbegehung.

Eisbalkone in der Cruxlänge (WI5)
Die 3. SL (WI3+, 60m) macht optisch einen gutmütigen Eindruck. Wegen dem harten, etwas spröden Eis ist der Beginn aber gar nicht so einfach. Nach 20m flacht das Gelände ab, im dünnen, unterspülten Eierschaleneis geht es aufwärts - mit etwas Vorsicht aber problemlos. Am Schluss warten dann nochmals einige steilere Stufen, und dann ist der Fall geschafft. Und das wohl in einer Erstbegehung, schreibt uns doch Thomas Wälti sogleich per SMS: "Der heisst Rüfibach und ist meines Wissens noch nie geklettert worden*. Bravo, der war auch schon lange auf meiner Wunschliste!".

* Am 25.2.2012 schreib mit F. Guntli die folgende Nachricht: "...nun zu fall cavaliere muss ich dir sagen dass dieser eisfall vor etwa 11 jahren durch stefi wälti und m. schmed (?) schon einmal geklettert wurde. auf eine namensgebung wurde verzichtet. darum kommt als name für die tour wohl nüchtern nur rüfibachfall in frage.".

Wir äugen etwas umher auf der Suche nach dem besten Abstieg. Der Aufstieg zum Wanderweg, den wir in Erwägung gezogen hatten, sieht uns durch das Dickicht zu mühsam aus, und wir bevorzugen ein Abseilen über die Rampe, die rechts vom Fall herunterzieht. So kommen wir nämlich auch noch am schönen Kompakteisschild vorbei, wobei Dani meint: "so wie ich Dich kenne, willst Du den anderen Fall sicher auch noch klettern".

Unterwegs in der steilsten und schwersten Stelle der 'Contessa' (WI3)
Danke gleichfalls, kann ich da nur antworten, und so machen wir uns bald darauf am Einstieg wieder bereit. Die erste Seillänge (WI3, 60m) startet im geneigten 65 Grad Gelände. Das Eis ist hier nicht sehr dick, zum Schrauben reicht es mit etwas beobachten aber gut. Nach 40m wird es dann noch etwas steiler, doch der 75-80 grädige Aufschwung lässt sich sehr genussreich beklettern. Dani ist rasch bei mir, und geht die 2. SL (WI3-, 40m) an. Nach dem ersten Steilstück flacht sie bald ab und endet an einem Baum, von welchem wir abseilen. Unten dann flugs eine Sanduhr gebohrt und zack, da waren wir schon wieder unten. Ob wir da wohl auch die ersten waren? Ich würde vermuten, ja.

Wie auch immer, wir packen zusammen und machen uns auf den Heimweg, zeitlich reicht es noch für alle Schandtaten, oder in meinem Fall, für einen halben Arbeitstag. 2 Fälle mal 1/2 Arbeitstag = 1 tolle Sache, kann ich da nur sagen. 

Facts:

Seeztal - Rüfibach - "Il Cavaliere" (III, WI5, 160m) - Dani Benz & Marcel Dettling 2012*
Seeztal - Rüfibach - "La Contessa" (III, WI3, 100m) - Dani Benz & Marcel Dettling 2012*

* Beide Fälle wurden womöglich schon früher begangen

Der "Cavaliere" bietet sehr lohnende, anhaltende und sportliche Kletterei und lohnt einen Abstecher ganz bestimmt, zumal auch der Zustieg kurz und bequem ist. Danach kann man als Dessert ideal noch die genüssliche Kompakteisplatte der "La Contessa" anhängen, welche für weniger stark kletternde durchaus ein lohnendes, eigenständiges Ziel darstellt. Wie bei allen sonnenexponierten Fällen gilt auch hier: Vorsicht bei Tauwetter und Sonnenschein!

Nachtrag: 

Nach Angaben von F. Guntli vom 25.2.2012 wurde der Cavaliere vermutlich bereits vor 11 Jahren durch Stefi Wälti und Marcel Schmed begangen. Die Namensgebung steht natürlich den Erstbegehern zu. Weil vom Duo Wälti/Schmed keine Namensvorschläge überliefert sind, mag der Fall am besten wohl als Rüfibachfall bezeichnet werden. Ich bitte alle Leser, dies so zu berücksichtigen. Meinen Bericht und alle weiteren Angaben lasse ich im Sinne von Vollständigkeit und Transparenz dennoch hier im Original stehen.

Topo:


das Topo in voller Auflösung steht hier bereit: klick!









Fotogalerie: (Klick startet Diashow. Pics vorwiegend by Dani Benz, vielen Dank für die Action Shots!)

Start in die 1. SL vom 'Cavaliere'

Blick auf die 2. SL des 'Cavaliere', dieser Teil ist ca. WI4.

Nachstieg in der 2. SL des 'Cavaliere'

Dito, nun folgt die Cruxzone.

Anstrengendes Pickeln...

...der Eismann in Aktion.

Letzter Überhang vor dem Stand.

Blick auf die 3. SL des 'Cavaliere' (WI3+).

Aus der anderen Richtung.

Ausstieg aus dem steilen Teil in einer Art Gully...

...zum Schluss dann nochmals steileres Eis.

Schön zielen und zuschlagen...

...die Mimik sieht immer genau gleich aus!

Spritzwassergischt + tiefe Temperaturen = Eiskruste.

Believe it or not: es macht wirklich Spass!

Abseilen durch die Botanik, rechts vom Fall.

Hier geht's weiter: Kompakteisplatte der 'Contessa'.

Mit diesem Bild von der Seite lässt sich die Steilheit der 'Contessa' besser einschätzen.

Yours truly attackiert die 1. SL (WI3).

Schönes Kompakteis, ca. 65-70 Grad steil am Anfang.

Die steilsten Meter rund 80 Grad, alles im Griff!

Blick auf die 2. SL der 'Contessa' (WI3-).

Nun bereits auf den letzten, einfacheren Metern im Nachstieg.

Zwischenhalt auf der Autobahn, unsere beiden Fälle in Bildmitte.

Montag, 6. Februar 2012

Betlis/Amden - Erstbegehung Seerenbachfälle (WI5+)

Reich an Eis war der Winter 2011/2012 lange nicht. Wie auch immer, mit der Grandes Jorasses Nordwand und der Stapfetenstrasse am Hoch Ducan war er für mich schon vor der Februar-Kälte gespickt mit zwei absoluten Highlights. Das dritte im Bunde ist eben dazugekommen: die erste Begehung der Seerenbachfälle 1 und 2, wobei Nummer 2 mit einer Höhendifferenz von 305m der gemäss offiziellen Quellen der höchste Wasserfall der Schweiz ist!

Dani ist am Telefon: "der Seerenbachfall geht ... kannst du morgen?". Da kann man natürlich nur "ja" sagen. Sofort setzt die Vorfreude ein. Obwohl mir ganz klar ist, worum es hier geht, rufe ich auf dem Internet gerne noch einige Geschichten und Hintergründe auf. Die ganze Kaskade mit den drei Fällen überwindet zwischen der Terrasse von Arvenbüel ob Amden, bis hinunter nach Betlis am Walensee 590 Höhenmeter. 

Auch speit zuunterst auch noch die mysteriöse Rinquelle in dieselbe Schlucht. Der Überlauf einen unterirdischen Gangsystems, welches die Nordabdachung der Churfirsten entwässert, liefert vor allem im Frühjahr gewaltige Wassermassen. In der kalten Jahreszeit ist sie ein Eldorado für Höhlentaucher, welche ebenfalls von ganz spannenden Abenteuern zu berichten haben. Diese haben auch eine Tyrolienne, bzw. eine rudimentäre Seilbahn über die Schlucht installiert, welche ich zwischenzeitlich gar als Zustiegsmöglichkeit in Erwägung ziehe. Die Benutzung ist aber bewilligungspflichtig, und rechtsrum durch den Wald ist für uns sowieso praktischer.

Die Seerenbachfälle über den Walensee hinweg, in Bildmitte.
Frühmorgens mache ich mich nach der an vielen Orten im Mittelland kältesten Februarnacht seit Messbeginn auf den Weg. Dani lade ich in Ziegelbrücke auf, und wir fahren zum Parkplatz beim Strandbad in Betlis. Da leeren wir erst einmal unsere Portemonnaies von allem Münz. Happige 2 CHF pro Stunde werden verlangt. Als alle unsere Fränkli und Räppli im Zahlschlitz verschwunden sind, schauen wir uns an: da müssen wir aber arg Gas geben, wenn wir zurück sein wollen, bis das Ticket abläuft.

Mit schweren Rucksäcken machen wir uns auf den Weg: ein gut sortiertes Arsenal von 18 Schrauben haben wir dabei, Felshaken, Keile und Friends und unzählige Paare an Reservehandschuhen. Nur die Bohrmaschine haben wir bewusst zuhause gelassen. Der Zustieg geht erst bequem auf dem Wanderweg ostwärts. Bequem queren wir die Schlucht des Seerenbachs zum Weiler Seeren. Hier verlassen wir den Pfad, und steigen über die Wiese hoch zum Waldrand. Zeit, um Klettergurt und Steigeisen zu montieren.

Eingestellt haben wir uns auf einen abenteuerlichen Steilwaldaufstieg, um die nicht kletterbare unterste Stufe der Seerenbachfälle (Fall 3) zu umgehen. Dieser wäre mit 190m Fallhöhe auch ein ganz imposantes Ziel. Er ist aber so steil, dass mindestens das oberste Drittel über eine freistehende Säule zu machen wäre. Bei den enormen Wassermassen, die selbst jetzt noch fliessen, kann ich mir kaum vorstellen, dass hier einmal kletterbare Bedingungen vorherrschen werden.

Am Einstieg, die Sache nicht ganz so bösartig wie befürchet.
Wie auch immer, unser Waldaufstieg entpuppt sich als harmlos. An den Bäumen haben findige Waterfall-Watcher Farbmarkierungen angebracht, und trotz dünner Schneeauflage sind Pfadspuren erkennbar. Die heikelste Stelle ist sogar mit einem Fixseil ausgerüstet. Der Zustieg zum Top von Fall 3 ist so ein absoluter No-Brainer, bei trockenen Bedingungen sicher nicht mehr als ein T4. Mit ein paar Schritten durchs horizontale Bachbett sind wir nach 75 Minuten Zustieg da.

Der Fall ist hoch, ja sehr eindrücklich. Aber wir nehmen auch wohlwollend davon Kenntnis, dass die erdrückende Schwere fehlt. Das kommende Gelände sieht nicht extrem steil und anhaltend aus, der Rückweg nach unten steht uns mit dem guten Pfad hierhin stets frei. So schirren wir uns an, und machen uns guten Mutes auf den Weg.

Die 1. SL (60m, WI2+) führt über eine erste, 30m hohe Stufe. Gleich zu Beginn muss zum ersten Mal mit einigen Eisbalkonen gedealt werden, danach flacht die Sache bald ab. Es warten noch einige Genussmeter, bevor man auf einen flachen Boden gelangt. Während man sich unter Inkaufnahme einer kalten Dusche links einfacher durchmogeln könnte, wählen wir in der 2. SL (60m, WI4-) den direkten Weg über den nächsten Aufschwung. Der folgende Stand befindet sich gut geschützt in einer Art Spalte unter dem grossen Schnee-/Eiskonus.

Eindrückliche 2. SL (WI4-)
Nun folgt die heikelste Passage der Route. Es muss nämlich die Fallinie des grössten Wasserlaufs traversiert werden. Da ist es erstens nass, und zweitens rumpelt da immer wieder Eis runter. Durch das viele Wasser und die extreme Kälte gefriert an den offenen Stellen eine Art Softeis, die auch regelmässig wieder weggewaschen wird. Und eben, in Form von Matsch und Crushed Eis kommt das hier runter. Die harten Brocken fehlen zum Glück. Dennoch artet die nächste 3. Seillänge über den Konus (50 Grad, WI1) zu einem Sprint diagonal nach rechts hoch mit wilder Pickelei aus. Einmal droben und drüben wartet noch eine spannende Querung, erst an Balkonen, dann auf einem schmalen Band (WI3). Der Stand kommt nach 60m am Fuss des nächsten Aufschwungs.

In der folgenden 4. SL (50m, WI4-) wartet zuerst ein 10m hoher Steilaufschwung, den gutes Eis gutmütig macht. Der Rest dieser Seillänge ist einfacher (WI3) und genussreich. Den Stand beziehen wir rechts auf einem Band, wo an Bäumen gesichert werden kann. Die folgende 5. SL (60m, WI4) wartet zu Beginn mit einer delikaten Stufe in ziemlich luftdurchsetztem Eis auf. Danach aber wieder über Meter vorzügliche Genusskletterei zu Stand am rechten Rand des Falls im Eis.

Anspruchsvoller Start in die 5. SL (WI4).
Fortgesetzt wird die Sache mit einer weiteren Genusslänge (6. SL, WI3+), welche über einige Stufen und Balkone hochführt. Nach 30m bietet sich ein in einer Felsnische geschützter Stand optimal an. Dann folgt die Crux, und gleichzeitig auch die schönste 7. Seillänge von Seerenbachfall 2: in mäandrierender Linie geht es über Eisbalkone und Blumenkohle dem Weg des geringsten Widerstandes aufwärts (60m, WI5-). Danach führt eine Genusslänge (8. SL, 60m, WI3) in sehr schönem Kompakteis zum Top von Fall 2.

Start in die Cruxlänge (WI5-), Balkone und röhriges Eis
Es folgt vorwiegend Gehgelände mit nur kurzer, trivialer Eisstufe (9. SL, 60m, WI1) an den Fuss der oberen Stufe, genannt Seerenbachfall 1. Diese könnte man, so wie es aussieht, vermutlich auch gut durch den Wald umgehen. Doch obwohl die Sonne hier, an dieser zurückversetzten Stufe, schon ziemlich reinknallt und zudem sehr viel Wasser fliesst, will Dani aufs Ganze gehen. Irgendwie ist die Stimmung am Fuss hier fast etwas gespenstisch. Die Wassermenge ist stark zyklisch, manchmal kommt nur wenig, danach spotzt es wieder, fast wie bei einem Geysir, mit allerhand seltsamen Geräuschen. Ambiente total!

Anyway, am linken Rand geht es ohne Dusche ab. Die ersten 30m werden kontinuierlich schwerer, bis es richtig losgeht. Erst kann man sich noch geschickt über einige Balkone durchmogeln, doch zuletzt muss ein veritabler Überhang überwunden werden, gefolgt von einer senkrechten Passage. Mir läuft es gut, sitzen doch die zwei, drei Pickelschläge am Überhang gleich auf Anhieb.

Dani kämpft in der Crux (WI5+), den Überhang eben überwunden.
Bald darauf bin ich auch oben: "wilde Sache, aber super gemacht", meine ich. "Hat mich jetzt anspruchsvoller als der Thron und Crack Baby gedünkt", antwortet Dani. Er relativiert aber sogleich, dass es auch an der psychischen Belastung durch die nur mässigen Schrauben gelegen haben könnte, oder an bereits etwas müden Armen, nach der langen Kletterei mit ziemlich schwerem Rucksack. Wie auch immer, wir sind oben, und vergeben dieser letzten, 10. Seillänge ein WI5+ und alle Sterne!

Für uns geht es weiter, hinauf nach Arvenbüel. Wegen einer Wildruhezone rechterhand sollte man unbedingt darauf Acht geben, den Fall nach links zu verlassen. Mit erst etwas Schneestapfen und danach einer geräumten Strasse entlang geht es zur Haltestelle in Arvenbüel. Das Postauto ist vor 5 Minuten losgefahren, Pech gehabt. Allerdings habe ich auch immer noch die Steigeisen an, und bis ich die vereisten Riemen gelöst habe, sind schon weitere 10 Minuten vergangen.

Geschafft! Top of Seerenbachfall.
Als wir unsere Ausrüstung wieder sortiert haben, macht sich gerade ein Iglubauer auf den Weg in die Garage zu seinem Automobil. Er ist so gnädig, uns zum Beginn der Einbahnstrasse nach Betlis zu shutteln. Als Dank dafür wird er natürlich mit den Räubergeschichten vom Seerenbachfall eingedeckt. Zuletzt bleiben uns noch 15 Minuten Fussmarsch zurück zum Strandbad. Obwohl wir die gelöste Zeit arg überzogen haben, setzte es keine Busse ab. Also los, Heizung voll aufdrehen, und rasch nach Hause, unter die heisse Dusche!

Facts:

Betlis/Amden - Seerenbachfälle - Seerenbachfall 1 & 2 - (IV, WI5+, 560m) - Benz/Dettling 04.02.2012
Material: 12-14 Eisschrauben, genügend Ersatzhandschuhe

Bestechende Eisklettertour am höchsten Wasserfall der Schweiz. Durch die tiefe Lage und die grosse Wassermenge nur während ausgeprägten Kälteperioden und bevorzugt bei bedecktem Himmel zu begehen. Die Kletterei ist nie extrem schwierig, aber eigentlich durchgehend sehr lohnend. Für mich persönlich ist es ganz sicher die mit Abstand schönste Wasserfall-Eistour, welche ich bisher begehen konnte. Von früheren Begehungen konnten wir nichts in Erfahrung bringen, somit dürfte es sich um eine Erstbegehung handeln.

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