Seiten

Sonntag, 15. Juli 2012

Bockmattli - Echo der Zeit (6b)

Die Westwand des kleinen Turms am Bockmattli ist ein sehr beliebtes Kletterziel. Sie ist leicht erreichbar, bietet meist sehr schönen Fels und ist von der Sonne durchflutet. So erstaunt es nicht, dass es in dieser Wand bereits eine Vielzahl von Routen allen Datums und aller Schwierigkeitsgrade gibt. Von daher nicht gerade das prädestinierte Gelände für eine Neutour. Doch mit scharfem Auge liess sich eine Kombination von neuen Teilstücken und einigen bereits bestehenden Metern entdecken, die homogene Schwierigkeiten, beste Kletterei und damit eine lohnende Plaisirtour versprach.

Somit brauchte Erich nicht lange, um mich für dieses Projekt zu motivieren. Am 23.6.2012 machten wir uns auf, und konnten die Tour gleich komplett durchklettern. Teilweise allerdings in eher kühner Manier, mit z.B. nur gerade 2 BH als Sicherung, jeweils in der 3. und in der 6. SL. Somit war ein zweiter Bohrtag nötig, um die Route vernünftig auszurüsten und die Rotpunktbegehung zu erledigen. Die Gelegenheit kam ziemlich unverhofft am 14.7.2012. Wechselhaftes Wetter war angesagt, der Vormittag herbstlich grau. Doch ab Mittag kam mehr und mehr die Sonne zum Vorschein und da war auch schon Erich am Telefon. Sobald wir unseren Familien-Grosseinkauf erledigt hatten, machte ich mich auf den Weg ins Wägital. 

Erich im Nachstieg in SL 4, unten das Weglein durch die Gross Chälen.
Nach Zustieg und Vorbereitung kletterten wir um 17 Uhr los. Das reichte, um um 21 Uhr am Ende der Route zu sein, und dabei auch die noch fehlenden 12 Bolts zu setzen. Es ist schon erstaunlich, wie viel schneller man vorankommt, wenn einmal klar ist, wo die Linie durchführen wird und es kein Werweissen mehr darüber gibt, wo die Bolts am besten platziert werden. Die Stimmung in den oberen Seillängen war einmalig schön: wir waren zwar unter einer kompakten Wolkendecke, doch im Westen war es offen. Somit leuchtete die Abendsonne genau auf uns. Nachfolgend nun eine Beschreibung der Seillängen.

SL 1, 28m, 6a: diese Seillänge hatte Erich bereits 2001 unter dem Namen "Amuse Bouche" als Baseclimb eröffnet. Sie startet am selben Punkt wie das "Westwändli", zieht dann aber 2-4m rechts eines markanten Risses in superschöner, grossgriffiger und athletischer Kletterei hoch. Im Riss selbst stecken einige Normalhaken-Leichen, dieser wurde also schon früher probiert oder geklettert. In der Literatur, d.h. in den alten Bockmattli-Kletterführern, welche mir vorliegen, finden sich aber keine Hinweise darauf.

SL 2, 22m, 5c: das Verfolgen der Risslinie bis auf den grossen Absatz in der Westwand scheint logisch. Da auch hier alte Schlaghaken stecken, wurde dies ebenso bereits früher durchgeführt. Hier folgt unsere Linie direkt dem Riss (2 BH). Die Schwierigkeiten lassen bald nach, an einer soliden Föhre kann noch eine Schlinge gelegt werden, danach findet sich noch eine Sanduhr mit bereits gefädelter Schlinge. Man kann übrigens SL 1 und SL 2 mit 50m-Seilen tout juste in einer einzigen Seillänge klettern. Verbale Kommunikation zwischen Stand und Einstieg ist dann aber nicht mehr möglich, es sei denn, man benütze die ganze Gross Chälen als Resonanzkörper.

SL 5, 6b: erst steile Lochkletterei, dann ein athletischer Piaz, super lohnend!
SL 3, 40m, 5c: vom Stand auf dem Absatz führt(e) eine nicht ausgerüstete Seillänge aufs nächste Band zum Beginn der schweren Seillängen von "Gilgen an Galgen" und "Frick an Strick" hoch. Sie verläuft erst links durchs Gemüse, dann direkt durch die häufig nasse Verschneidung. Hier haben wir eine eigene, deutlich lohnendere Linie rechts über die schönen Platten gewählt. Jetzt erfreut man sich an prima Genusskletterei!

SL 4, 40m, 6b: diese Seillänge folgt in ihrer ersten Hälfte der "Gilgen an Galgen" und bietet sehr schöne, steile Kletterei an fast unverschämt griffigen Schuppen. Eine etwas knifflige Bewegungscrux folgt gleich nach dem 1. BH. Die Originallinie zieht schliesslich rechts hinaus zu einem Föhrenstand, wir haben aber einen direkten Ausstieg zum nächsten Pfeilergipfel eingerichtet. Original steckten in dieser SL ein BH und vier NH, nun sind es bei anderer, schwerer Linienführung und 10m mehr Kletterstrecke sieben BH. Die Sache klettert sich mit Sicherheit noch schöner als zuvor, bestimmt auch etwas entspannter, der Charakter wurde aber trotzdem kaum verändert.

SL 5, 30m, 6b: vom gemeinsamen Stand mit dem "Westwändli" verfolgt unsere Route eine Linie links, welche komplett neu und noch nie zuvor begangen sein dürfte. Geboten wird erst athletische Kletterei an griffigen Löchern, danach eine anstrengende Piazschuppe. Der Schwierigkeit angemessen stecken hier die BH aber in engeren Abständen. Danach geht es leicht links hinaus, an einer Föhre kann noch eine Schlinge als Sicherung gelegt werden. Auf den letzten 10m an den Stand steckt dann kein fixes Material mehr. Man bewegt sich hier im 3./4. Grad mit guten Möglichkeiten, um selber abzusichern. Deshalb schien uns das Bohren von fixen Sicherungen, welches auch den Charakter des in derselben Zone verlaufenden "Westwändli" verändert hätte, nicht opportun.

Geschafft! Die letzten 5m zum Top der Route auf der Westschulter. Unten der Wägitalersee.
SL 6, 40m, 6a: vom erneut gemeinsamen Stand führt das "Westwändli" links hoch durch den Kamin zum Klemmblock. Unsere Route folgt dem steilen Doppelriss gerade hinauf, rechts hinaus in die Plattenflucht zieht auch noch die "Koch ins Loch" (schöne SL, aber stark sanierungsbedürftig). Auch auf diesem Abschnitt steck(t)en einige marode Normalhaken, die von früheren Versuchen und/oder Verhauern zeugen. Doch auch davon ist in aktuellen und alten Führern nichts zu lesen. Anyway, die Kletterei ist athletisch und prima, am letzten Überhang darf man dann nochmals richtig zupacken!

Von der Terrasse mit den letzten Stand (4 BH) erreicht man in wenigen Schritten linksherum die eigentliche Westschulter, von wo ein Weglein in die Kleine Chälen hinunterführt. In leichter Kletterei (T5) erreicht man durch diese in nur rund 10 Minuten wieder den Einstieg. Weil das Gelände grösstenteils felsig ist, kann man hier sogar mit den Kletterfinken absteigen. Ein Abseilen über die Route empfehlen wir nicht, da es etwas umständlich wäre und viel mehr Zeit in Anspruch nimmt als der Fussabstieg. Ein Rückzug durch Abseilen ist jedoch stets möglich. Hierzu noch ein Tipp: vom dritten Stand kann man abseilend die Graszone des ersten Absatzes erreichen. Pendelt man (in Wandansicht) etwas nach rechts (östlich), so erreicht man am Seil die Wegspuren in der kleinen Chäle, von wo man in 3 Minuten den Einstieg erreicht.

Einmalige Abendstimmung in den letzten Seillängen, Zürich-, Greifen- und Pfäffikersee liegen wie flüssiges Blei in der Landschaft.
Zum Material ist noch folgendes anzumerken: im Prinzip reichen 10 Expressschlingen zur Sicherung aus. Ich werde bei zukünftigen Begehungen keine Klemmgeräte und Keile mitführen. An einigen Stellen mit deutlich einfacherer Kletterei, maximal im 4. Grad (z.B. am Ende der 4., 5. und 6. SL) muss jedoch durchaus etwas über die Haken gestiegen werden. Diese Stellen können mit selbst gelegten Sicherungen jedoch problemlos "entschärft" werden. Hierfür wäre dann ein Set mit kleinen und mittleren Friends (z.B. Camalots 0.3-0.75) oder ein Keilset zu empfehlen. Wer sicher ist, die Route bis zum Ende durchzuklettern, kann auch gut mit einem 50m-Einfachseil anrücken. Für einen allfälligen Rückzug sind 2x50m natürlich viel bequemer, doch auch mit dem Einfachseil käme man im Notfall bestimmt wieder ohne die Bergrettung zurück zum Wandfuss.

Das Topo gibt es hier als PDF-File, und unten zur Vorschau als gewöhnliche Bilder. Und nun freuen wir uns über viele Wiederholungen dieser Tour. Lasse uns doch wissen, wenn es Dir gefallen hat! Und falls es tatsächlich etwas zu kritisieren geben sollte, so nehmen wir sachlich formulierte und freundliche Meldungen natürlich ebenfalls gerne an.



9 Kommentare:

  1. Super - werde ich mir nicht entgehen lassen - herzlichen Dank! Xaver

    AntwortenLöschen
  2. Hoi Marcel, voll Frauenpower haben wir heute "Echo der Zeit" geklettert. Eine super schöne Route, wir sind begeistert. Die zweite 6b hat es mir ganz schön gezeigt... gepunktet haben wir die Route zwar nicht, aber hochgekommen sind wir gut, und waren nie versucht, aufs "Westwändli" auszuweichen. Drum sind wir mega stolz auf uns. Vielen Dank für die tolle Route und liebe Grüsse, Kathrin & Manuela

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Herzliche Gratulation zur (2 Tage nach der Erstbegehung) höchstwahrscheinlich ersten Wiederholung der Route! Freut mich sehr, dass es Euch gefallen hat. Die Leistung ist wirklich super, und das mit dem Punkten könnt Ihr ja dann beim nächsten Go nachholen ;-)

      Löschen
  3. Die Tour hat Spass gemacht. Gerne wieder mal.
    http://www.hikr.org/tour/post72189.html

    AntwortenLöschen
  4. Hoi Marcel, wir waren heute in der "Echo der Zeit"und haben sie durchstiegen (Flurin und Roger), Gratulation, da habt Ihr eine sehr schöne Route ins Leben gerufen.Alles kommt da vor, Piaz,Löcher kleine Tritte einfach genial, herzlichen Dank und macht weiter so.
    Danke auch für die anderen vielen Routen die Ihr erbaut habt, es ist immer wieder sehr schön, wenn man von Leuten wie Euch profitieren kann. Dank von Flurin Peer

    AntwortenLöschen
  5. Wirklich eine super Route - vielen Dank fürs Einrichten! Insbesondere die zweite 5c Länge und die erste 6b haben mir sehr gut gefallen. Die Absicherung ist bestens - einzig für die zweite 6b-Länge würde ich nächstes Mal einen mittleren Cam mitnehmen um die Traverse nach dem Riss hinüber zum letzten Haken abzusichern. Die Stelle fand ich nicht ganz trivial (Längenproblem?) und ein Sturz wäre dort unangenehm gewesen. Ansonsten waren die Haken immer dort wo ich sie mir wünschte und auch als kleine Person bequem zu Klippen, was keine Selbstverständlichkeit ist. Danke!

    AntwortenLöschen
  6. Kleines Update zum Routenverlauf (ist hier ja wohl der Ort, weil das ja eh jede*r bei Dir zurest nachliest...
    Jedenfalls ist der Stand der 1. SL jetzt ein Baum nach ungefähr 35-40m. (Davor ist kein Stand zu finden). Danach ist nur noch Gehgelände (so gut 10m) bist zum nächsten Stand und Start der 3. SL, so dass man dann doch am besten die beiden ersten SL aneinanderhängt.
    Der neue Plasir hat deine Schwierigkeitsvorschläge angepasst. 6b+ für SL 5 scheint angemessen, weil das Boulderproblem am ersten Haken ist schon ziemlich hart - wir konnten es heute nicht freiklettern. SL 4 ist deutlich einfacher im Vergleich.

    AntwortenLöschen
  7. Hallo Marcel, sehr schöne Route hat uns gut gefallen, danke!
    Hinweis: Wenn man bis 11 durch ist, bleibt man im Schatten.
    Kleines Update zum Routenverlauf. SL1 hat jetzt einen Stand am Baum nach knapp 40m - vorher war nichts zu finden. Danach nur noch Gehgeländer, also SL1 und SL2 am besten zusammenlegen. SL 5 mit 6b+ im neuen Plaisir Ost sicher angemessener - das Boulderproblem am ersten Haken ist hart - wir konnten es nicht freiklettern. SL 4 war deutlich einfacher.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Tobias,

      Danke für deine Kommentare. Weil die Infos darin nicht zu 100% identisch sind, habe ich beide freigeschaltet. Generell gilt: Kommentare erscheinen erst nach Freischaltung, was je nachdem auch ein paar Stunden bis ein paar Tage dauern kann.

      Zur Sache: der Stand nach L1 bestand schon immer nur aus 1 BH und 1 NH, soweit ich mich erinnere mit einer Schlinge verbunden. Hat sich der NH wirklich verabschiedet?! Ich habe keine Ahnung. Vermute aber, dass man immer noch einen Stand improvisieren kann, wenn man möchte. Die Standmöglichkeit am Baum ist natürlich eine Option - halt eben mit dem Vorteil, dass man mit dem Nachsteiger noch kommunizieren kann. Oder ganz rauf, dann muss man sich halt nonverbal verständigen können. Und vielleicht werde ich den ursprünglichen Stand bei Gelegenheit einmal mit einem zweiten BH verstärken.

      Die 6b+ für L5 kann man sicherlich geben, ja. Dazu ist anzufügen: die Stelle ist eng abgesichert und nicht zwingend.

      Lg, Marcel

      Löschen

Ich freue mich über Ergänzungen zu diesem Blog via Kommentarfeld!
Kontakt: mdettling74@gmail.com.