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Donnerstag, 20. Dezember 2012

Avers - Thron (WI5+)

Der Thron (traditionell: der Grosse Aversfall oder für die Italiener: Il Mostro) ist unter den regelmässig begehbaren Eisfällen in der Schweiz sicher einer der imposantesten. Weitere Pluspunkte sind das Fakt, dass er trotz grosser Steilheit und recht hoher Schwierigkeiten als sicher eingestuft werden kann, da keine fragilen Säulen und Zapfen vorhanden sind. Ob man die Lage unmittelbar neben der Strasse als weiteres Positivum werten will, sei der individuellen Vorliebe überlassen. Zur Popularität der Linie hat das aber sicher beigetragen.
Der Thron in seiner ganzen Pracht (20.12.2012). Er ist länger und steiler, als es hier aussieht!
Die Erstbegehung dieser Linie ist strittig: es wird von einer erfolgreichen Begehung in den 1960er-Jahren gemunkelt, dann gab es 1978 einen Versuch bis weit hinauf, doch wer als erster das Top erreichte, ist nicht bekannt. Für mich ist es schon erstaunlich, dass sich die Kletterer mit derlei Dingen so schwer tun. In meinem beruflichen Umfeld, der Wissenschaft, läuft es so: die Ehre fällt demjenigen zu, der (typischerweise durch eine Publikation) den frühesten Nachweis erbringt, dass er etwas erreicht hat. Es ist dann auch nicht nötig zu beweisen, dass noch niemand sonst dies zuvor gemacht hat. Logo, denn das ist auch schlicht unmöglich. 

In der ersten Ausgabe von "Eiskalt: Wasserfallklettern in der Schweiz" (Urs Odermatt, 1996) wird der Thron noch mit WI6 bewertet, versehen mit dem Zusatz "noch keine freie Begehung bekannt". Inzwischen wurde die Bewertung nach unten korrigiert, Begehungen sind häufig und Rotpunkt dürfte die Norm sein. Auch Free Solo wird der Fall hin und wieder gemacht. Für mich persönlich ist dies unvorstellbar, und ich bin verblüfft, dass ein solches Teil seilfrei begangen wird, während dieser Stil im Fels bei uns kaum praktiziert wird. Müsste ich (z.B. um dem Weltuntergang zu entgehen) zwingend für ein Solo zwischen Thron und Excalibur (die Felstour an den Wendenstöcken) wählen, so fiele meine Wahl bestimmt auf letztere.

Zustieg über den Bach: via Lawinenkegel sind wir drüber, und dann die Stufe hoch. Weiter rechts (nicht im Bild) ist's einfacher.
So, nun aber zum Tourenbericht: durch einen Besuch im Gebiet kurz zuvor hatten wir die Gewissheit, dass der Thron bereits in sehr guten Bedingungen ist. Von den anderen Touren im hinteren Avers sind auch viele schon gut. Selbst weiter vorne sind die tiefer gelegenen Diedrolux und das Rote Vergissmeinicht vermutlich machbar, auch wenn sie noch teilweise dünn aussehen. Noch ein bisschen schwieriger als sonst war einzig der Zustieg: es liegt aktuell nur etwa 30cm Schnee, der Rhein ist noch kaum zugefroren oder mit Lawinenschnee aufgefüllt. Trotzdem liess er sich dann trockenen Fusses überqueren, und mit etwas Mixed-Kletterei gelangten wir vom Bachbett auch hoch zum Einstieg. Mein persönlicher Tipp: man steigt besser von der hinteren Parkbucht zu, nicht so wie wir von derjenigen direkt vis-à-vis vom Thron.

Drei erste, gestreckte 60m-Längen führen hoch zum wesentlichen, steilen Teil. Diese sind gemütlich, und waren sehr schön zu klettern, mit genügend und sehr gutem Eis. Die Schwierigkeiten sind dort sehr überschaubar: wählt man die schwächste Linie, so überschreitet man die 75 Grad nirgends, längere Stücke sind auch im Bereich von 50-60 Grad. Sprich, Terrain ein bisschen wie in der Grandes Jorasses Nordwand, oder auch in der Fläscheposcht im Sihltal.

Auf geht's! Steht man einmal am Einstieg, ist sofort klar, dass eine längere Reise bevorsteht.

Und hat man einmal eine Seillänge geklettert, ist auch sofort etwas Exposition da, auch wenn es von unten flach aussieht.
Danach steilt es dann ordentlich auf, und zwei weitere, fast komplette 60m-Längen führen zum Top. Die erste der beiden beginnt noch moderat (80-85 Grad) und wartete zudem mit perfekt bissigem Eis und guten Tritten auf, ein wahrer Genuss. Der Schluss dieser Länge dann, zu einer bequemen und gut geschützten Nische hin, war senkrecht und wartete mit nicht mehr ganz so einfach zu kletterndem Eis (Blüten und Blumenkohle) auf. 

Sicht auf den oberen und wesentlichen Teil des Thron. Ab der Position des Akteurs geht's +/- senkrecht dahin bis zu Kante!

Eisblüten-Kletterei im oberen Teil der vierten Seillänge.
Ebenso der Start in die letzte Seillänge: kompromisslos senkrecht geht es zuerst dahin, weil einige Wulste überwunden werden müssen war es durchaus ein bisschen athletisch. Das Eis war dann bisweilen auch ein bisschen röhrig und splittrig, also nicht ganz einfach zu schlagen. Trotzdem, auch hier prima Bedingungen, nicht dass dies falsch verstanden wird. Ein WI5+ ist halt auch kein Spaziergang, in diesem Rahmen lagen die Schwierigkeiten halt eben schon. Vom Ende des ganz steilen Teils (wo viele umdrehen) geht es dann über rund 30 deutlich einfachere Meter zum Top.

Steil, eindrücklich und nicht mehr ganz triviales Eis in der letzten Seillänge.
Der Rückweg ist zwingend per Abseilen zu erledigen. Nicht dass ein Fussabstieg unmöglich wäre, doch wegen der Wildruhezone ist er vom 20. Dezember bis 30. April eines jeden Jahres verboten. In der Hauptsaison wird man jedoch meist auf bereits eingerichtete Abseilstellen zählen können, und muss nicht wie wir noch eigene Abalakovs drehen. Mit vier ganz gestreckten Abseilern (60m-Seile mit ausnützen des letzten Zentimeters inklusive der Seildehnung) und etwas Abklettern am Schluss erreichten wir zügig wieder den Einstieg. Retour über den Rhein, zurück beim Auto der Blick auf die Uhr: nein, das Mixedklettern in Campsut verschieben wir auf eine andere Gelegenheit, jetzt geht's nach Hause.

Bye-bye! Nach unten geht's via Abalakov.
Facts

Avers - Thron (WI5+) - 5-6SL, 280m Kletterlänge - Erstbegehung unbekannt

Imposanter Eisfall mit 180m an einfacherem Zustieg und einer kompromisslosen, beinahe senkrechten 80m Headwall. Da in kompaktem Eis und praktisch frei von Säulen und Zapfen ist der Thron für die Schwierigkeit als ausserordentlich sicher einzustufen. Gefahr droht jedoch durch Lawinen, welche über den Fall abgehen können: nach grösseren Neuschneefällen und wenn spontane Schneebretter, Nassschneelawinen oder Gleitschneerutsche zu befürchten sind, ist ein Verzicht angezeigt. Ebenso ist zu beachten, dass das Gelände oberhalb sowie der Fall selber (je nach Sonnenstand) spätestens ab frühem Nachmittag besonnt sind.   

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