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Sonntag, 23. Dezember 2012

Der Umlenkkarabiner: billig oder gut?

Wer kennt sie nicht, und hat sie beim Klettern nicht auch schon angetroffen: die Feuerwehrkarabiner aus dem Baumarkt (siehe Foto unten). In Klettergärten sind sie hin und wieder an den Ständen anzutreffen und als Umlenkkarabiner im Einsatz. Doch was halten die? So genau wusste das bisher vermutlich niemand. Aber da ja schon andere zuvor daran abgelassen haben, wohl genug, um sicher wieder auf den Boden zu kommen. Also rein mit dem Seil, und runter geht's - meist wohl nur langsam, und nicht im freien Fall.

Eigentlich ist das ziemlich paradox. Denn während wir auf unsere persönlichen Karabiner schön acht geben, vertrauen wir beim wichtigsten Karabiner der Sicherungskette hin und wieder auf ungeprüfte Ware dubioser Herkunft. Auf Planetmountain habe ich einen ausführlichen Bericht gelesen, der die Verwendung dieser Teile kommentiert. Zahlreiche Bruchtests wurden vorgenommen, mit dem Fazit, dass diese Feuerwehrkarabiner nicht einmal die Hälfte dessen halten, was ein Kletterkarabiner zu leisten vermag. Die Festigkeiten waren im Bereich von 7-15kN. Genügend für ein Ablassmanöver, wo die Kräfte kaum über 3-4kN hinausgehen. Das ist natürlich der Grund, warum schwere Unfälle mit diesen Feuerwehrkarabinern bisher ausgeblieben sind. Aber klaro, normgerecht und sinnvoll ist die Verwendung dieser Karabiner nicht!


Per Zufall kam mir dann heute Abend auch noch ein solcher Karabiner in die Hände. Eingestanzt ist "CE 350daN DIN5299C 100x10". Mit etwas googeln habe ich dann herausgefunden, dass die DIN5299C tatsächlich eine Norm oder zumindest Standardbezeichnung für solche Feuerwehrkarabiner ist. Weitere Infos findet man z.B. auf diesem Datenblatt. Der hier abgebildete Karabiner entspricht genau den dortigen Spezifikationen. Die Angabe von 350daN (=3.5kN) entspricht einem WLL (= Working Load Limit). Wie ich schon beim Beitrag zur Festigkeit von Maillon Rapides erklärt hatte, ist darin einen 5-fache Sicherheit eingerechnet. Beim vorliegenden Karabiner könnte man also eine Bruchkraft von 17-18kN erwarten. Gemäss den italienischen Tests wird diese typischerweise nicht erreicht, wobei wir aber natürlich nicht wissen, was für welche Karabiner dort getestet wurden.

Weitere Zitate aus dem Artikel:

  • Solche Baumarkt-Karabiner haben oft ein "CE" eingeprägt. Es steht für "China Export" und soll das "CE" der "Conformité Européenne" imitieren, welches die Konformität des Produktes mit den europäischen Normen anzeigt. Für Kletterkarabiner fordert diese eine Bruchlast von minimal 20kN, was die Feuerwehkarabiner nicht halten können.
  • Selbst uralte und halb durchgescheuerte Kletterkarabiner halten weit mehr wie die Feuerwehrkarabiner. Wie die Tests ergaben, zumeist über 25kN, und daher mit einem Kletterseil unzerstörbar. So lange bei Kletterkarabinern der Schnapper noch schliesst und vom Querschnitt noch mehr als die Hälfte da ist, kann man sie zum Ablassen als sicher betrachten.
  • Nebenbei wurden auch noch einige Fixexpressen getestet. Die grosse Gefahr bei jenen ist die potentiell scharfe Kante am seilführenden Karabiner, siehe hier. Aber es ist klar, dass die Schlingen draussen in Wind und Wetter auch an Festigkeit verlieren. Beobachtet wurden Bruchkräfte von 8-18kN. Auch das untere Limit reicht für einen dynamisch gesicherten Sportklettersturz typischerweise noch aus, ohne grosse Reserve allerdings. Bei einem harten Sturz könnte eine alte Schlinge auch mal reissen. Man bedenke dabei, dass das Versagen einer Zwischensicherung zumeist weit weniger gravierende Konsequenzen wie ein Versagen der Umlenkung oder ein Seilriss hat.

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