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Montag, 7. Januar 2013

Eisklettern in Pontresina

Unverhofft stand Kathrin und mir plötzlich ein ganzes Weekend zur Verfügung: was tun damit? Zum Skitouren erschienen uns der Schnee zu schlecht und das Wetter zu windig. Sportklettern im Tessin hätte bei sehr milden Temperaturen stark gelockt. Doch dafür gibt es ein solch grosses Fenster an Gelegenheiten, zudem ist es auch gut inklusive der Kinder möglich. Dann wäre doch Eisklettern die richtige Alternative, jetzt im Hochwinter. Die langen, aber nur moderat schweren Fälle um Pontresina hatten mich schon immer gereizt. Also, los geht's!

Immer wieder traumhaft die Berggegend im Engadin! Im Bild der Piz Palü mit einer dicken Lenticularis-Wolke.
Samstags kamen wir natürlich nicht früh los, und eigentlich planten wir einfach, im Eisklettergarten in der Schlucht im Ort Pontresina selber (1, 2, 3) noch etwas zu üben. Als wir die Anfahrt über den Julier erledigt hatten, wollten wir aber den kurzen Umweg (1km) noch machen, um einen ersten Augenschein auf die langen Routen an der Bernina-Passstrasse zu werfen. Diese sahen gut aus, eine Seilschaft war im Couloir eben mit Abseilen beschäftigt. Ein Kontrollblick auf die Uhr zeigte 12:30 Uhr. Das Wetter war freundlich, leichte Wolkenbedeckung hielt die Sonne aber davon ab, voll auf das Eis zu scheinen. Der Plan war sofort gemacht...

God da la Resgia, Couloir di Pontresina oder Tre Salti (III, WI 3+, 240m)

Verschiedene Namen sind für diese Tour geläufig, mir persönlich gefällt "Couloir" am besten, es trifft auch den Charakter der Route einigermassen gut. Parkiert wird auf einem kostenpflichtigen Parkplatz etwas nach der Abzweigung (P.1856) zum Kieswerk. Es gilt, ordentlich Kleingeld bereitzuhalten, 1 CHF/Stunde ist fällig. Wir hatten 4.50 CHF in Münzen, bis um 17:15 Uhr galt es also wieder zurück zu sein, doch dann würde ja sowieso die Dunkelheit hereinbrechen.

Gesamtansicht vom Fall. Der Abstieg linkerhand ist wirklich gut möglich, auch wenn es nicht so aussieht.
Schnell hatten wir unsere sieben Sachen gepackt, erst ging es etwas der Strasse entlang zurück, und dann auf gut ausgetretener Spur in einer guten halben Stunde zum Einstieg hoch. Sah die Tour von weiten noch recht rassig aus, so wurde sie beim Anmarsch erst immer flacher, bevor es dann zuletzt doch wieder steiler aussah. Am Einstieg war es dann so, dass die ersten 10m doch beinahe senkrecht waren. Im Eiskletterführer von 1996 sind auch tatsächlich noch 90 Grad und die Bewertung WI4 vermerkt. Um etwa 13.30 Uhr waren die Steigeisen montiert, die Schrauben entschärft und die Pickel wurden geschwungen.

SL 1, 35m: Steil geht's los (85 Grad), nach etwa 10m legt sich das Gelände auf 75 Grad zurück, zuletzt geht's noch etwas einfacher zum Bohrhakenstand links an den Felsen hin. Cooler Auftakt!

SL 2, 50m: Durch die mässig steile, aber schön vereiste Bachrinne (max. 50-60 Grad) steigt man hoch gegen den Steilaufschwung. Stand macht man an der Föhre mit Schlingen rechts unterhalb davon.

SL 3, 35m: Super Seillänge über den von Felsen eingefassten Aufschwung. Die ersten 15m sind 80-85 Grad steil, mit geschickter Linienwahl und Ausnützen vom Fels hält man die Schwierigkeit tief. Danach geht es im 60 Grad Gelände zum BH-Stand links im Fels vor dem nächsten Aufschwung.

Ausstieg aus der dritten Seillänge: super Kletterei!
SL 4, 25m: Dieser Steilaufschwung ist nur etwa 15m lang und 75-80 Grad steil. Nach knapp 25m Standmöglichkeit an BH im Fels rechterhand. Alternativ kann man auch in einfacherem Gelände (50 Grad) bis zu einer Föhre rechts am Fuss des nächsten Aufschwungs klettern (das wären dann ca. 50m).

SL 5, 60m: Das Kernstück dieser Länge ist ein wunderschöner 25m-Aufschwung, welcher in bestem Kompakteis bei 75 Grad Steilheit überwunden wird. Zuletzt einige einfache Meter zu Stand an Legföhre mit Schlingen auf der linken Seite.

SL 6, 35m: Letzte, einfache Seillänge (max. 45 Grad) weiter durch die vereiste Bachrinne. Kann man auch gut seilfrei machen, rechts gäbe es an einer Föhre aber auch nochmals eine gute Standmöglichkeit.

Um 16.30 Uhr hatten wir das Top erreicht. Es wäre möglich, von hier in vier- oder fürnmaligem 50-60m Abseilen wieder zurück zum Einstieg zu kommen. Allerdings ist auch ein Fussabstieg sehr gut möglich, hierzu wendet man sich nach links und steigt in ziemlich offensichtlicher Linie über die Schneehänge in gut 10 Minuten zurück zum Einstieg. Für uns war das super bequem, lag doch eine perfekte Spur. Wahrscheinlich ist das oft so, der Fall ist lokal und vor allem auch bei den italienischen Alpinfreunden zu Recht sehr beliebt. Um 17.10 Uhr waren wir retour beim Auto und wow, das war jetzt mal ein super Auftakt!

Am Ausstieg. Die hohen Bernina-Berge noch in Wolken, so ging es dafür gut zum Eisklettern.
Nun war die Aufgabe, eine Unterkunft zu ergattern. Anstatt lange rumzusuchen entschieden wir uns nach dem Motto "wenn schon, denn schon" für das Hotel Palü. Zudem lag es perfekt am Fuss des Pontresinafalls, den wir am nächsten Tag anpacken wollten, der grosszügige Wellnessbereich, die (für unsere Verhältnisse) luxuriösen Zimmer und das sehr gute Frühstücksbuffett waren weitere Pluspunkte. Es muss aber gesagt sein, dass dieser Spass nicht ganz billig zu haben ist, der Schweizer Tourismus macht da seinem Ruf alle Ehre. Aber, und das muss man auch berücksichtigen, die Leistung stimmt ebenfalls: Tageszeitungen, WiFi, Sauna und Whirlpool, Babysitter, Waschservice etc., vergünstigtes Skibillett, Transporte, Kulturangebot, alles ist inklusive. Ich würde sagen "a perfect service, and a good value".


Facts

Couloir di Pontresina - III WI3+ - 6 SL - 240m Kletterlänge, 140m Höhendifferenz

Super schöne, südexponierte Genusskletterei, in welcher sich schwierige Aufschwünge und einfachere Teilstücke in lohnenden Bach-Goulottes abwechseln. Das mag ja eine WI3+ sein, die Schwierigkeiten sind aber deutlich höher wie im Pontresinafall. In über 10-15m Strecke 80-85 Grad steilem Eis sollte man sich auf jeden Fall einigermassen wohlfühlen, somit könnte das jetzt auch gut WI4- sein, finde ich. Durch das wenig ernsthafte Ambiente, den schnellen Zu- und Abstieg und stets gegebener Rückzugsmöglichkeit ist es aber auch eine sehr gute Gelegenheit, in neue Schwierigkeiten vorzustossen.

Fotogalerie

Nachstieg in der steilen ersten Seillänge, ein prima Auftakt!

Sicht auf die Goulotte der zweiten Seillänge, und den in den Felsen eingefassten Aufschwung der dritten Seillänge.

Kathrin in der kurzen 75-80 Grad Stufe der vierten Seillänge.

Blick vom Stand auf den schönen 75 Grad Kompakteisaufschwung der fünften Seillänge.

Zweiter Teil

Hier geht's zum zweiten Teil dieses Berichts über unsere Begehung des Pontresinafalls: klick!

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