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Freitag, 26. Dezember 2014

Buon Natale a Tutti!

Im Alpinismus gibt's ja kaum so etwas wie eine Zwischensaison. Entweder am Fels, im Schnee oder im Eis geht fast immer ein bisschen etwas. Trotzdem, die Weihnachtszeit präsentiert sich mit dem oft übellaunigen Tauwetter meist als nicht besonders ergiebige Zeit, besonders auf der Alpennordseite hat es zum Skifahren kaum Schnee, fürs Eis ist es zu warm und das Wetter zum Klettern überzeugt auch nur teilweise. Umso besser, dass es noch die Alpensüdseite gibt, die als Ziel für unseren Weihnachtstrip bald gesetzt war.

Claro

Zum Auftakt besuchten wir die Felsen in Claro, schon über 15 Jahre zurück liegt mein letzter Besuch hier. Fuhren wir damals die Bergstrasse nach Censo aufgrund des Fahrverbots noch mit Bike hoch, so darf man dies nach dem Löhnen von 10 CHF nun auch offiziell mit dem Auto tun. In 10-15 Minuten Bergabmarsch erreicht man dann das langgezogene Felsband, das rund 100 sehr interessante Routen in perfektem Gneis aufweist. Das Gebiet gilt als sehr anfällig in Bezug auf Nässe und tatsächlich war hier immer noch der Effekt der heftigen Niederschläge von Anfang November zu sehen. Geschätzt mehr als die Hälfte der Routen war nicht komplett trocken. Umso besser, dass ich hier ohne offene Projekte angerückt war.

Moulin Rouge (6c, ****): Sehr interessante und anhaltende, plattige Kletterei. Drei Einzelstellen stechen bezüglich Schwierigkeit noch besonders heraus, die letzte ein laaanger Move kurz vor dem Umlenker. Da musste ich mich echt schon anstrengen, um den Onsight zu holen.

La Ragnatela (6b, ***): Steile Wand mit interessanter Felsstruktur. Einige Crimps und die auffälligen, schrägen Risse erlauben hier das Fortkommen. Ziemlich anhaltend, eher ein Ausdauerproblem.

La Canta (6c, **): Bouldrige Kantenkletterei, die Bewegungen gut geplant und gut gehookt ist hier halb geklettert. Im Vergleich zur Moulin Rouge meiner Meinung nach kaum derselbe Grad, sondern deutlich einfacher.

Lobbia (6c, ****): Nochmals eine bouldrige Kante. Einfacher Plattenauftakt, das Wesentliche spielt sich auf den 8m danach ab. Trotz der Kürze aber voll genial, um die Ecke drücken, an Leisten schnappen und an Henkeln manteln - supercoole Abfolge!

Damit war der Klettertag dann auch schon wieder gelaufen. Die Sonne erwärmt einen in Claro am kürzesten Tag des Jahres bis irgendwann zwischen 15.30-16.00 Uhr. Diese Zeit hatten wir mehr als ausgenützt und dabei das ganze Gebiet für uns alleine gehabt. Nachdem Larina ihr Projekt auch beendet hatte wartete auf uns noch der Wiederaufstieg zum Parkplatz und nach dem Käffeli die Fahrt in unser Domizil. 

Larina in Moulin Rouge (6c) - bis zum Umlenker gekommen, die B-Note noch etwas verbesserungsfähig :-)

Vigezzo

Der zwischen Malesco und Re gelegene Klettersektor mit dem Namen Villette Alto existiert gewiss schon sehr lange. Auf unsere Traktandenliste war er aber erst gerückt, nachdem ihn Sandro im Extrem SUD publiziert hatte - da sieht man echt mal wieder, was ein gut recherchierter und schön präsentierter Führer ausmacht, ansonsten wäre diese Perle nämlich an uns vorbeigegangen. In rund 10 Minuten Zustieg erreicht man den am sonnigen Südhang gelegenen Felsriegel mit superbequemem Einstiegsbereich. Auch an den kürzesten Tage wärmt die Sonne hier von ca. 9.00-16.00 Uhr, einfach perfekt!

Marco (6c, ***): Schon bald nach dem Einstieg muss man parat sein, dann klettert man durch eine einfachere Zone zur steilen Abschlusszone, wo man für 6c schon ordentlich hinlagen und weite Züge präsentieren muss.

Zip (7a, ****): Bald nach dem Einstieg folgt eine kratzige Passage, bevor man nochmals etwas durchschnaufen kann, um dann das Bewegungsproblem der finalen Crux (sehr interessant an Leisten und Untergriffen) anpacken muss.

Gaby (7c, **): Sehr einfacher Auftakt (ca. 5c, 12m) bis zum Zwischenstand, dann folgt ein etwas brösmelig-sandiger Wulst, der mit einem praktisch trittlosen Boulder (Seitgriff - Crimp - Crimp) zu meistern ist - konzentriert und tough!

Fabri (7a, ***): Anhaltende Kletterei an kleinen Leisten und ein paar Seitgriffen, schön! Teilweise etwas nahe an den anderen Routen gebohrt (oder umgekehrt, je nachdem was zuerst da war).

Edera (7a, ****): Geniales, bouldriges Bewegungs- und Spannungsproblem mit vielen Untergriffen und ein paar Leisten - Gneiskletterei at its best!

Digital Killer (7a+, ***): Ziemlich kratzige und technisch anspruchsvolle Route. Gute Fussarbeit ist unerlässlich, und das Halten von winzigen, rauhen Leisten erfordert noch genügend Fingerhaut.

Facile (5b, ***): Die einfachste Route im Gebiet, fast 30m lange Plattenkletterei mit recht anhaltenden Schwierigkeiten. Für diesen Grad wirklich gut, es war das Projekt für unsere Kinder.

Als die Sonne schon eine Weile hinter dem Horizont verschwunden war und die Dunkelheit hereinbrach, traten wir den Weg zurück zum Automobil an. Kaum eingestiegen war der Nachwuchs schon eingeschlafen. Die Rückfahrt nach Locarno ist zwar nur etwa 30km kurz, wegen der extrem engen und kurvigen Strasse dauert's bei defensiver Fahrweise aber doch fast eine Stunde. Dort wartete dann noch das Highlight des Tages, der Besuch auf der Eisbahn, welche temporär auf der Piazza Grande aufgebaut ist - wirklich tolles Ambiente, guter Sound, was will man mehr?!

Der Anmarsch schön kurz, und dabei erst noch hervorragend bezeichnet...
...der Fels mit dem topfebenen Einstiegsbereich lässt auch nur wenige Wünsche offen.
Facile (5b), easy debii sii, aber nie (!) ohne Chalkbag!

Russo

Ein guter Tessin-Tip für die dunklen Wintertage sind auch die Felsen von Russo im Val Onsernone. Hier wärmt einem die Sonne auch von früh bis Mitte Nachmittag (ca. 9.00-14.45 Uhr). Geboten wird einem interessante Plattenkletterei (linker Sektor) oder athletisches Steilpotenzial (rechter Sektor). In letzterem liessen wir uns nieder - selbst nach zwei früheren Besuchen waren mir hier noch einige Projekte offen geblieben. Bis auf eine weitere Seilschaft waren wir auch hier wieder alleine zugegen und hatten somit bezüglich der Routenauswahl freie Hand.

Lame a doppio taglio (6a+, ***): Steile, für den Grad richtig athletische und auch nicht ganz einfache Kletterei, welche einem System von Rissen und Schuppen entlang führt. So ganz restlos zu 100% solide wirken diese Schuppen auf mich nicht wirklich, da hier aber regelmässig geklettert wird, braucht man sich wohl nicht allzu sehr zu sorgen.

Croce del Sud (7b+, ****): Allez hop, nicht trödeln sondern durchsteigen heisst die Devise. Nach dem einfachen Einstieg wartet erst technisches Geschiebe an Rissspuren und Seitgriffen. Die Crux dann unters und übers markante Dach, ein paar ganz ok Leisten und Henkel helfen dabei. So richtig ins Schwitzen kam ich dann erst danach - die Abschlussplatte mit den seichten Rissen ist unscheinbar aber nicht geschenkt, zudem auch psychisch fordernd. Trotzdem oder erst recht, diesen Onsight liess ich mir nicht nehmen, so dass dieser Ticino-Trip auch sportlich ein richtiger Erfolg wurde.

No Name Nr. 50 (6c, **): An sich schöne Kletterei, unten einer Piazkante entlang, dann durch eine seichte Verschneidung, aber oben bedient man sich dann einiger Schuppen, die wirklich sehr hohl tönen und nicht solide verwachsen sind. Auch die Standhaken stecken nicht einwandfrei - Vorsicht, besser den Roststand links benützen, der steckt wenigstens in solidem Fels.

In Groppa alla Müla (7a, ****): Diese Route hatte ich vor etwa 8 Jahren bereits einmal Punkten können, zum Tagesabschluss stellte sie aber ein interessantes Projekt dar. Nun war ich in Fahrt, tatsächlich gelang der Alzheimer-Onsight. Die Kletterei ist genial, erst tricky und aufreibend im Piaz einer runden Kante entlang, oben geht's dann henklig-toll über die Dachzone hinweg.

Das war es dann bereits wieder mit den tollen Tagen im Tessin - einmal mehr hatte sich die Reise voll ausbezahlt, die Gneiskletterei unter dem stahlblauen Winterhimmel bei milden Temperaturen ist einfach ein Hochgenuss. Klar, früher hatten wir bei solchen Trips jeweils noch etwas mehr Routen in einen Klettertag einfüllen können, heute mit den Kindern zählen auch andere Dinge. So zum Beispiel ein weiterer Besuch auf der Eisbahn, bevor es auf den praktisch leeren Strassen hochzufrieden zurück nach Hause ging.

Käffeli kochen und fotografieren, nur zwei von vielen Beschäftigungen unserer Kinder im Klettergarten...
Und zum Schluss noch die super Eisbahn auf der Piazza Grande!

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