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Mittwoch, 17. August 2016

Sportklettern in den Dolomiten

In die Dolomiten fährt man doch nicht zum Sportklettern... - so wird wohl mancher denken. Dem stimme ich aus meiner Sicht eigentlich voll und ganz zu. Trotzdem, nicht immer lässt das Wetter lange und alpine Ausflüge zu, Familien sehen sich sowieso mit anderen Herausforderungen konfrontiert und steilen Fels sowie mit BH abgesicherte 1-SL-Touren gibt's auch eine ganze Menge. Hier als Orientierungshilfe eine kurze Übersicht über die Gärten in der Region Gröden - Sella - Alta Badia, welche ich bisher ausprobiert habe.

Ganz und zuallererst: ich sehe die Dolomiten persönlich auch nicht als Sportkletterdestination. Einerseits sind da die langen Touren, die einfach mehr locken und so richtig Eindruck machen. Andererseits empfand ich auch die Qualität der Klettergärten aus sportklettertechnischen Gesichtspunkten nicht als überaus lohnend. Klar gibt's hier und da herausragende Seillängen und für eine gewisse Zeit findet man sicher die entsprechenden Herausforderungen. Insgesamt stufe ich die bisher bekletterten Gärten der Region aber irgendwie doch als Alternative dafür ein, wenn die Umstände das MSL-Klettern nicht zulassen.

Cogoi / Pian Schiavaneis

Ein bequemer Platz in der Nähe vom Sellapass, trotz nur 10 Minuten Zustieg in einer wirklich schönen, ruhigen, alpinen Landschaft zwischen Piz Ciavazes und Sass Pordoi gelegen. Es hat gegen 100 Routen, nebst einigen kurzen Kinderrouten geht's so ab 6b-8b richtig ab. Im Hauptsektor mit seiner steilen Südwand geht am grossen Überhang auch bei Regenwetter noch etwas. Die flache Wiese und die ungefährliche Umgebung machen dieses Gebiet voll kindertauglich, zudem hat's herzige, fast zahme Murmeltiere (das kann man wohl als Attraktion und Gefahr zugleich bezeichnen). Die Kletterei ist steil, athletisch und zeichnet sich im Hauptsektor durch viele geschlagene Griffe, v.a. gebohrte Löcher aus und fühlt sich daher etwas wie eine Outdoor-Kletterhalle an. Vieles ist auch ein bisschen abgetreten und schmierig. Ganz sicher kann man hier also seinen Bizeps strapazieren und allenfalls überschüssige Kräfte effizient loswerden. Weitere Infos inklusive Zustiegsskizze und Routenlisten gibt's bei Planetmountain.

Die steile Kunstgriff-Wand im Hauptsektor von Pian Schiavaneis, hinten der Sass Pordoi.

Cansla / Traumpfeiler

Es ist grenzwertig, dieses westexponierte Gebiet am Sellapass noch als Klettergarten zu bezeichnen, und ein Sportklettergebiet würde ich es schon gar nicht nennen. Es gibt zwar in den Platten rechts vom Traumpfeiler rund 50 meist kurze Einseillängenrouten von 5b-7b als Baseclimbs. Achtung, dort herrscht etwas Steinschlaggefahr und es ist keine geeignete Umgebung für Familien, auch wirken die Routen rein visuell für mich nicht so attraktiv. Das Herzstück des Gebiets ist der Traumpfeiler, dort findet man komplett und eng geboltete MSL-Kletterei mit je nach Route zwischen 3-7 SL. Im Vergleich zu Marmolada und Civetta geht das natürlich als Klettergarten durch, sonst wohl eher nicht. Für mich eine ideale Herausforderung bei nicht ganz idealem Wetter, auch da die Klettereien sehr lohnend sind. Hier mein Bericht zur Route Traumschiff, und der Link zum Gebietstopo bei Planetmountain.

Die Südwand der Meisules della Biesces, mit dem Traumpfeiler im unteren Teil und Baseclimbs am Wandfuss.

Bernardi / Wolkenstein

Dieses kleine Gebiet liegt unweit von Wolkenstein im Grödner Tal bei den ersten Kehren der Strasse zum Sellapass im Wald. Es ist nach NE exponiert, komplett im Wald und daher schattig gelegen. Die Wand ist nur 10-15m hoch, der Zustieg beschränkt sich auf problemlose 10 Minuten und der etwas gestufte, mit Rasenteppichen ausgelegte Einstiegsbereich darf als kinderfreundlich gewertet werden. Der löchrige Dolomit überzeugt mit seinen coolen, athletischen Klettereien, leider hat's nur gerade 12 kurze Routen von 6b-7b. Für 7a-Kletterer ein idealer Zeitvertrieb, wer in der Nähe logiert und das passende Niveau hat, kann hier sicher auch ein Projekt für mehrere Besuche identifizieren. Nach stärkeren Regenfällen muss man unter Umständen mit Restfeuchtigkeit rechnen. Hier gibt's eine Routenliste, welche für einen Besuch durchaus ausreicht: klick!

Bequem mit Rasenteppich ausgelegter Einstiegsbereich im Klettergarten Bernardi, besser als der sonst übliche Staub.

Cava / St. Ulrich

Wer von der Brenner-Autobahn Richtung Gröden fährt, der kommt hier kurz vor St. Ulrich zwingend direkt vorbei, weil der ehemalige Steinbruch unmittelbar an der Hauptstrasse liegt. Einem Erdwall sei Dank ist man von dieser aber doch etwas getrennt und wenn nicht gerade Hauptverkehrszeit herrscht, dann geht's schon vom Ambiente her. Als kindertauglich kann man das Gebiet durchaus auch bezeichnen. In Bezug auf die Kletterei, es gibt hier etwa 35 Routen von 5c-8a+ in rotbraunem Quarzporphyr. Manche Routen spielen sich vorwiegend an (hässlichen) künstlichen Grifflen ab, ein paar natürliche und daher lohnendere Linien gibt's auch. Die Bewertungen sind teils auch etwas komisch, die schweren Touren oft fast unmöglich bouldrig. Insgesamt würde ich diesen Klettergarten eher als Notlösung bezeichnen, der sich gerade mal für einen kurzen Zwischenstopp anbietet. Wegen der sonnigen Südexposition kann man hier sowieso nur in der kalten Jahreszeit, oder dann früh morgens oder abends klettern. Einen Pluspunkt gibt's noch: nach Regen trocknen die Routen sehr schnell, und auch bei leichtem Regen (nicht aber bei anhaltendem Schiff) geht noch etwas. Hier gibt's eine Routenliste, mit welcher man sich zurechtfinden sollte.

Blick auf den Klettergarten La Cava bei St. Ulrich.

Frea / Grödner Joch

Ein alpin anmutendes Gebiet, welches nur wenige Minuten über der Strasse zum Grödner Joch und unweit von diesem liegt. Eigentlich eine schöne Gegend, allerdings ist man dem Verkehrslärm hier ziemlich exponiert. Der Klettergarten hat mehrere Etagen übereinander, man kann/muss so auch mehrere SL am Stück klettern. Daher mit Kindern eher nicht so geeignet, die Sache hat eher den Charakter von kurzen Alpinrouten denn wirklichem Sportklettern. Insgesamt sind's etwa 120 Routen von 4a-7c, nach NW exponiert, darum gibt's nur Abendsonne. Die Kletterei ist schön, teils plattig, teils steiler mit griffigen Aufschwüngen und Löchern. Eigentlich richtig gute Dolomitenkletterei, allerdings gibt's kaum athletisches Dauerpower-Sportkletter-Gelände. Nach Regenfällen und im Frühling bleiben viele Routen längere Zeit nass. Weitere Infos findet man z.B. hier, wobei man im Netz keine vernünftige Übersicht erhält und ein käufliches Topo nützlich ist.


Tridentina / Grödner Joch

Auf der Badia-Seite am Grödner Joch, unmittelbar beim Parkplatz zur Ferrata Tridentina und unter den berühmten MSL-Wänden am Brunecker Turm bzw. Mur del Pisciadu findet man diesen rund 90m hohen Felsriegel. Daher gibt's auch hier Routen von bis zu 3 SL, allerdings sind das meiste Baseclimbs. Meist klettert man in gelbem, löchrigem, überhängendem Gestein, ähnlich z.B. wie in in den Einstiegslängen der Oro e Carbone oder Anton aus Tirol. Die Schwierigkeiten der rund 60, nach Norden exponierten und daher schattigen Routen bewegen sich von 6a-7c. Der Zustieg ist nur wenige Minuten und der Einstiegsbereich meist eben, daher durchaus kindertauglich und im Prinzip ein wirklich gutes Sportklettergebiet. Minuspunkte gibt's vor allem in zweierlei Hinsicht: leider bleiben die Routen sehr lange nass (bzw. zumindest feucht), so macht's an den oft etwas schlammigen Löchern nur so halbwegs Freude. Zudem sind viele Routen mit eingeklebten Billig-Gerüstösen ausgerüstet, welche in diesem Feuchtebiotop leider bereits einen schauderlichen Rostzustand aufweisen. Wer dem ausweichen will, ist auf eine deutlich kleinere Selektion an Routen mit Expansionshaken angewiesen. Eine Routenliste findet man hier, sie sind vor Ort meist angeschrieben.

Hinten die MSL-Wände von Brunecker Turm und Mur del Pisciadu, im Vordergrund der Tridentina-Klettergarten.

Eiszeit / Grödner Joch

Ebenfalls auf der Badia-Seite am Grödner Joch, ebenfalls beim Tridentina-Parkplatz in nordseitiger Exposition findet man dieses Gebiet mit weiteren rund 60 Routen von 6a-8a. Etwas am Hang gelegen mit abschüssigem (aber grundsätzlich ungefährlichem) Einstiegsgelände, daher höchstens mit älteren Kindern geeignet, oder wenn sich diese gleich unten im flacheren Gelände am Parkplatz tummeln wollen. Die Kletterei hier ist v.a. im eindrücklichen Hauptsektor steile Wandkletterei an Leisten und Löchern. Da kann man für einmal sagen, wirklich gute Sportkletterrouten! Wegen der Höhe und der schattigen Lage bleibt's nach Regenfällen auch eine Weile nass/feucht, allerdings nicht ganz so extrem wie im Tridentina-Sektor. Eine Routenliste findet man hier.


Sass Dlacia

Den Sass Dlacia findet man bei St. Kassian an der Strasse zum Passo Valparola. Er wird vom gleichen Parkplatz aus angegangen, wie man auch für das alpine Abenteuer an der Cima Scotoni startet. In etwa 10 Minuten erreicht man eine bequeme, grosse Wiese mit Picknickplatz unterhalb der Felsarena. Über mehrere Sektoren verstreut gibt's hier über 300 Seillängen zu finden. Wir waren an den steilen, bis zu 40m hohen Felsblöcken Sorcini und Sorci Verdi. Hier gäbe es etwa 80 Sportklettertouren in steilem, griffigen und schattigem Gestein, das mehrheitlich gut aussieht. Allerdings waren im Sommer 2016 nach einer durchaus passablen Wetterperiode +/- alle Touren noch nass oder zumindest feucht. Das steile, terrassierte, etwas unwegsame und grob-geröllige Einstiegsgelände ist auch nicht so bequem und (v.a. mit Kindern) etwas suboptimal. So sind wir dann an die Hauptwand gewechselt. Hier von einem Klettergarten zu sprechen, ist relativ - in der 250m hohen Wand gibt's bis zu 7 SL lange Routen, jedoch auch zahlreiche Baseclimbs. Hier sind wir ein paar lässige Touren in senkrechtem, gutem, löchrigem  und weniger feuchteanfälligem Dolomit, gewürzt mit henkligen Dächern geklettert. Da ein bisschen steil am Hang gelegen und am Fuss einer hohen Wand fehlt auch hier etwas das Feeling eines bequemen Klettergartens. Wer sich hier zurechtfinden will, kommt um die Anschaffung eines vernünftigen Topos nicht herum.

Picknickwiese unter dem Sass Dlacia, hinten die 250m hohe Wand, davor gibt's noch diverse Blöcke mit Routen.

Crepa da Valparola

Das ist ein kleiner Felsblock von rund 10m Höhe, direkt an der Strasse zum Passo Valparola gelegen. Der Zustieg beschränkt sich auf wenige Sekunden, da sich die Routen unterhalb der Strasse auf der abgewandten Seite befinden, ist man dem oft üppigen Verkehr aber trotzdem nicht allzu stark ausgesetzt. Hier gibt es 10 Routen von (angeblich) 6b bis 7c, welche nach NW ausgerichtet sind. Es handelt sich um überhängende Wandkletterei an ungriffigen Rissen, Leisten, Auflegern und Löchern. Der grösste Negativpunkt neben dem kleinen Angebot sind die leider komplett unrealistischen Bewertungen. Ich bin beide 6b-Routen geklettert und würde diese beide im Bereich 7ab einordnen, sämtliche Längen bis und mit, welche ich auf Dolomiten-MSL geklettert bin, sind zweifellos einfacher. Die 7a rechts daneben ist dann nochmals ein Stücklein härter, und zum Probieren der schweren Routen bin ich erst gar nicht gekommen. Wer also sein Ego oder seine Fähigkeiten auf die Probe stellen will, der kann hier ohne grossen Zustieg bei kinderfreundlichem Wandfuss angreifen, eine Routenliste findet man hier. Noch besser klettert es sich wahrscheinlich jedoch im 15 Minuten vom selben Ausgangspunkt entfernten Garten Salares mit seinen rund 40 Routen von 6b-8a, diesen habe ich jedoch nicht selber ausprobiert.

Das ist der Block an der Strasse zum Passo Valparola mit seinen hart bewerteten Routen.

Cinque Torri

Über unsere MSL-Klettereien an den Cinque Torri hatte ich ja bereits in einem eigenen Beitrag berichtet. Natürlich gibt's hier noch viele weitere Möglichkeiten, von 1-SL-Baseclimbs zu MSL-Unternehmungen von bis zu 7 SL. Von geneigter Wandkletterei in den unteren Graden bis zum kurzen, bouldrig-überhängenden Sportkletter-Testpiece im Grad 8b gibt's hier fast alles. Zwar in schöner und spannender Umgebung gelegen, aber eben auch ziemlich verzweigt und wenig zusammenhängend. Daher irgendwie auch nicht so ein richtiges Sportklettergebiet erster Güte, sondern mehr ein Trainingsgebiet für alpine Unternehmungen, wo man auch Baseclimbs bis in hohe Schwierigkeiten findet. Ohne einen guten Topoführer ist es hier schwierig, die Übersicht zu behalten.

Sicht auf die Cinque Torri vom Rifugio Scoiattoli.
Natürlich stellen die hier präsentierten Gebiete nur einen kleinen Teil der Möglichkeiten im weiten Gebiet der Dolomiten (oder gar Südtirol) dar. Insbesondere südlich von Toblach und um Cortina herum gibt's noch viele weitere Möglichkeiten, genauso wie anderswo auch. Vielleicht macht sich ja sonst noch jemand auf Entdeckungsreise und mag von seinen Erkenntnissen berichten.

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