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Freitag, 26. Januar 2018

Moderne Zeiten

Moderne Zeiten - 100 legendäre Freikletterrouten in den Alpen, so heisst das zu Weihnachten 2017 neu erschienene Buch aus dem Panico-Verlag, welches eine Mischung zwischen Bildband und Kletterführer ist. Ich konnte den beiden Autoren Achim Pasold und Ralph Stöhr in verschiedener Hinsicht dienlich sein, sei es mit Wandfotos, Routenverläufen, Topos, Zugangsinfos und historischem Wissen. So sind die modernen Zeiten auch ein klein wenig mein Projekt, weshalb an dieser Stelle eine Präsentation folgt. Inspiriert ist das Buch ganz klar vom Klassiker dieses Genres, Walter Pauses "Im extremen Fels", welches ja kürzlich ebenfalls vom Panico-Verlag neu aufgelegt wurde. Während jenes Werk (vorwiegend) auflistet, was in den 1970er-Jahren State of the Art der Kletterei in den Alpen war, so verfolgt Moderne Zeiten ein anderes Konzept. Ein Buch mit den 100 alpenweit schwierigsten MSL-Touren würde heute wohl keine einzige Route unter dem 10. UIAA-Grad (8b) mehr enthalten. Für ein solches Werk würde man sicherlich nicht manchen Käufer finden, welch ein Verlustgeschäft. Somit stellten die Autoren (wie sie es im Editorial selber deklarieren) vor allem die Nachvollziehbarkeit der präsentierten Routen ins Zentrum. Sprich, es sollten 100 Kletterrouten sein, welche für ambitionierte Amateure machbare Traumziele darstellen.

Links die limitierte Deluxe Edition (90 Euro), rechts das Buch (48 Euro) mit Babsi Zangerl auf dem Cover.
Daraus geworden ist ein sehr breites Spektrum an Routen. Einerseits sind da frühe Freikletterwege mit alpinhistorischer Bedeutung und spärlicher oder anspruchsvoller Absicherung präsent wie z.B. die Pumprisse (Wilder Kaiser), die Supertramp (Bockmattli), Locker vom Hocker (Wetterstein) und die namensgebende Moderne Zeiten (Marmolada). Ebenso gibt's beliebte und begehrte Perlen des alpinen Sportkletterns, welche jedoch ohne grössere Bedeutung für die Klettergeschichte sind, z.B. Voyage Selon Gulliver (Grand Capucin), Gletschersinfonie (Wellhorn), Caminando (Wendenstöcke) oder die Ottovolante (Dolomiten). Doch das Spektrum dehnt sich noch weiter bis hin zu zwar durchaus lohnenden, jedoch eher wenig charaktervollen Plaisirrouten wie z.B. Chryz und Quer (Chli Glatten), Rialto (Rätikon) oder der Ultima Tule (Hexenstein/Dolomiten), wo das Prädikat legendär dann sicherlich diskutabel ist. Nun gut, über die Routenauswahl in einem 100er-Sammelband könnte man ganz allgemein endlos und abendfüllend diskutieren - meine im Lauf der Zeit angefertigte Excel-Liste sieht jedenfalls nicht deckungsgleich aus, doch "die Liste" mit welcher ein jeder Kletterer übereinstimmen würde kann es doch gar nicht geben. Dem einen "legendär" ist dem anderen "wahnwitzig" und dem dritten "zu anspruchsvoll" ist der vierten bloss eine Eingehtour.

Das Inhaltsverzeichnis.
Während ich im oberen Abschnitt vor allem über die Bandbreite der beschriebenen Touren geschrieben habe, so ist es dennoch der Fall, dass die Anforderungen insgesamt ziemlich homogen sind. Für mich persönlich sind es schwierigkeitsmässig beinahe durchgängig attraktive Ziele. Sprich, bei guter Absicherung geht's bis hinauf zum Grad 7b+ (die Deep Blue Sea am Eiger dürfte die anspruchsvollste Tour sein), während man beim nahezu cleanen Big Wall Abenteuer wie der Don Quijote an der Marmolada sicherlich auch mit dem Grad 6a bedient ist. Geografisch hingegen findet man dann wiederum eine sehr grosse Bandbreite: von den 100 Touren befinden sich 5 weit im Südwesten Frankreichs, 5 in Chamonix, 29 in der (leicht vergrösserten ;-)) Schweiz, 13 in den Dolomiten und die restlichen 48 befinden sich in Österreich oder knapp daneben in Deutschland. Geboten wird einem zu jeder Tour ein witziger Text mit Anekdoten, Historischem und Wissenswertem, ein (allermeistens) qualitativ sehr hochwertiges Wandfoto und Kurzinfos zu Zustieg,  Zeitbedarf und Absicherung. Richtige Topos sind im Buch nicht enthalten. Der grobe Routenverlauf wird mit einer handgefertigten Bleistiftskizze plus einer teils etwas gar kurz ausgefallenen Charakterisierung der einzelnen Seillängen beschrieben (z.B. "Wand zu Schuppe, leichtes Gelände, überhängende Wand mit Dach, 3 SL (7+, 3, 8/8+)"). Es ist jedoch in jedem Buch ein persönlicher Zugangscode enthalten, mit welchem man auf der Panico-Webseite zu jeder Tour ein detailliertes Topo und weiterführende Informationen abrufen und ausdrucken kann.

Die Deep Blue Sea als Beispieltour - mit Text und Bild von Yours Truly.
Neben der Normalversion des Buchs, welche für 48 Euro zu erwerben ist, gibt's auch 777 handsignierte Exemplare der Deluxe-Version für 90 Euro. Hier gibt's in einer Box neben dem Buch auch gedruckte Topos, das unterhaltsame Spiel "Kletterreise durch die Alpen", ein grossformatiges Poster und ein Postkartenset. Nach meiner persönlichen Meinung lohnt sich ein Kauf auf jeden Fall! Genau einen Viertel der 100 Touren habe ich schon begangen, bei 10 weiteren habe ich in derselben Wand schon unmittelbar benachbarte, vergleichbar anspruchsvolle Routen geklettert. Die allermeisten vom Rest bieten für meinen Geschmack höchst attraktive Ziele und während ich von den Wänden in Frankreich, in der Schweiz und in Italien schon die Mehrheit kenne, so sind es von jenen in Deutschland und Österreich noch genau null. Da verbleibt also noch ein bisschen etwas zu tun :-) und da haben mir die Modernen Zeiten wahrhaftig die Augen für manch tolle Felswand geöffnet.

2 Kommentare:

  1. Schöne Rezension, ich habe mir dieses Weihnachtsgeschenk auch geleistet!

    nur: >> östlich vom Rätikon kenne ich nämlich noch keine einzige (!!!)
    Liegen denn die Dolomiten (Ultima Tule, Ottovolante) nicht östlich vom Rätikon? ;-)

    Gruss, Stefan

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    1. Hallo Stefan,

      Da muss ich dir zweifelsohne zustimmen!

      Gemeint waren die Touren östlich vom Rätikon und nördlich vom Alpenhauptkamm. Ich habe nun den ganzen Text im Schlussabschnitt etwas abgeändert und meine Aussage präzisiert. Daher ist auch dein Kommentar nicht mehr zu 100% nachvollziehbar.

      Beste Grüsse und vielen Dank für den Hinweis,

      Marcel

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