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Donnerstag, 31. Mai 2018

Auffahrtstrip 2018

"Was, aus der Schweiz kommt's hierher zum Klettern?!?", das wurde ich vor Ort gleich mehrmals gefragt. Meine Suche nach der trockensten Ecke über die Auffahrtstage 2018 hatte uns nämlich ins Salzburgerland geführt - ein Versprechen, welches schliesslich mit viel Sonne und nur wenigen Regentropfen perfekt eingehalten wurde. Schlussendlich wäre es wohl an vielen Orten in Mitteleuropa weniger trüb uns nass gewesen als im Vorfeld angekündigt. Doch darüber mussten wir uns im Nachhinein ja keine Gedanken mehr machen. Ein spannender Aspekt unter vielen beim Klettern ist ja die Vielfalt und das Entdecken neuer Gebiete, und das war hier wieder einmal perfekt aufgegangen. Für die Tickliste war's hingegen nicht ganz so erfolgreich, nicht umsonst haben wir es hier nicht mit einem "Soft in the grade"-Hotspot zu tun.

Schönes Salzkammergut! Aussicht auf St. Gilgen und den Wolfgangsee. Der Plombergstein befindet sich direkt hinter uns.

Plombergstein (805m)

Der Plombergstein ist ein felsig-waldiger Buckel, inmitten der schönen, voralpinen Seenlandschaft des Salzkammerguts gelegen. Hier gibt's sowohl plaisirige MSL-Touren wie auch Sportklettersektoren, ideal für Familie Dettling. Wir betätigten uns schliesslich in der Irma la Douce (4a, 7 SL, 235m, Beschrieb, Topo), die über griffige Felssporne in der steilwaldigen Westflanke führt. Die Kletterei ist stets gutmütig und lässig, zudem viel weniger von der Vegetation "gestört" wie man von Weitem denken könnte. Daher durchaus ideal für weniger Versierte, zumindest im Nachstieg. Mein Plan war es an sich, hier unsere beiden Kinder je eine Seilschaft führen zu lassen. Das war dann schlussendlich doch nicht ganz realistisch. Es steckt über weite Strecken nur wenig fixes Material. An vielen Sanduhren und hie und da einem Baum lässt es sich zwar sehr gut mobil sichern (Keile und Cams könnte man ebenfalls platzieren, die waren jedoch zuhause geblieben). Doch das Aufspüren dieser Sicherungsmöglichkeiten, die Unklarheit über den weiteren Verlauf, usw., das war dann doch noch ein bisschen 'too much', um die Kinder komplett in Eigenregie auf den Weg zu schicken. Somit kletterte die Tochter im Nachstieg, während mein Kleiner die zweite Seilschaft mit belassenen Zwischensicherungen anführen konnte und dies auch souverän erledigte. Starke Leistung, bravo!

Vorstiegsmaschine in der Irma la Douce (4a, 7 SL, 235m) am Plombergstein: schnell, souverän & rotpunkt.
Klettergärten gibt's am Plombergstein diverse: auf dem Hinweg kommt man zuerst bei den sogenannten AV-Platten vorbei, wo es gut abgesicherte Klettereien vom zweiten bis zum sechsten Grad gibt. Hier waren die Kinder nicht weiterzubringen, bis alles in ihrem Bereich abgegrast war. Eine ideale Umgebung für Kinder und Anfänger! Uns Erwachsene hingegen zog es eher zur Westwand, dem wohl besten Sportklettersektor am Plombergstein. Es wartet technisch anspruchsvolle, meist leicht überhängende Wandkletterei in oft glattem, in den beliebten Touren auch extrem poliertem Gestein. Halt findet man oft an Slopern, an Seit- und Untergriffen sowie an überraschenderweise auftauchenden, manchmal sogar recht guten Löchern. Insgesamt hat's mich sehr an Jurafelsen wie z.B. die Tüfleten oder die Falkenflue erinnert. Wirklich regelmässig begangen werden an der Westwand nur einige Perlen, die anderen Routen sind dann hingegen eher unternutzte, verstaubte Stiefmütterchen. In Bezug auf die Bewertungen wird einem auch nichts geschenkt, so reisten wir schliesslich mit den folgenden Routen in der Tasche ab:

Loamsider (6a+): kurze athletische Stelle über den ersten Bauch, danach einfacher
Schmalzbettler (6c+): Stark überhängend und athletisch an seifigen Löchern und polierten Tritten
Der braune Überhang (7a+): Schöne, athletische Kletterei an griffigen, teils scharfkantigen Löchern
Des is a so (7a+): Coole Kletterei an grossen Sloperlöchern mit zupfiger gewusst-wie Abschlusscrux
Streit um Isabella (7b+): Boulderstart, schmierige technische Wandstelle und Ausdauer, super Tour!
Sue Ellen (7c/7c+): Erst unglaublich technisch/kleingriffig, Crux an sehr heiklem Sloper ohne Tritte

Das bezieht sich zum Glück nur auf die Irma la Douce (und die weiteren, einfachen MSL-Routen am Plombergstein). Beim Sportklettern wäre man in diesem glatten, oft polierten Gestein ohne Chalk eher aufgeschmissen. Erst recht bei den Temperaturen, die an Auffahrt 2018 herrschten!
Die anderen Sportklettersektoren am Plombergstein hatte ich zumindest besichtigt. Da gibt's noch die Südwand (teilweise sonnig, hat mich wenig überzeugt). Dann die ostseitigen Wände am Kriegerdenkmal: leider sind die Routen hier über eine ziemlich lange Strecke verteilt, d.h. wenig zentral. Die oft schwierigen Touren sehen kaum begangen und oft auch etwas mangelhaft gesichert aus. Schön wäre u.U. noch die ebenfalls ostseitige Lochwand. Allerdings gibt's hier nur 10 Routen und das Angebot zwischen 6c und 7b ist minimal. Ebensowenig hat uns schliesslich der oberhalb gelegene, ebenfalls ostseitige Balkon (sieht auch wenig genutzt und anspruchsvoll aus) zu einem Besuch gelockt.

Kleiner Barmstein (841m)

Die beiden markanten Barmsteine liegen östlich von Hallein auf der deutsch-österreichischen Grenze. Während man auf der nachmittags schattigen Ostseite ideal Sportklettern kann, wartet der Südgrat mit einer einfachen Kraxeltour (2b, 6 SL, 170m, Beschrieb, Topo) auf. Da Zu- und Abstieg kurz sind, lässt sich diese im Vorbeigehen, zum Aufwärmen oder zum Beine vertreten während dem Sportklettern rasch mitnehmen. Es stecken zwar hier und da ein paar Bolts, für den Kinder- oder Anfängervorstieg ist die Sache (wie so häufig bei Gratklettereien) aber doch zu alpin und zu spärlich gesichert. Auf die Mitnahme von Kletterfinken kann man übrigens problemlos verzichten, die Felspassagen sind grosstrittig und zwischendurch gibt's auch mehrere Gehstrecken, wo man in Turn- oder Bergschuhen deutlich besser bedient ist. Nach dieser Ouvertüre liessen wir uns bei der Weissen Wand, d.h. dem linken Sektor in der Ostwand nieder und griffen an. Hier wartet im Vergleich zum Plombergstein  deutlich kantigerer Fels, der auch positive Leisten und gute Henkel aufweist. Doch auch hier ist das Gestein von der eher glatten Sorte und v.a. die Tritte in den beliebten Touren oft extrem poliert. Mich hat dieser Sektor am ehesten an die Wand in Lungern erinnert, die athletisch-ausdauernde, überhängende Wandkletterei ist von vergleichbarem Zuschnitt. In folgenden Touren hatten wir uns betätigt:

Ladylike (6b): Griffig-ausdauernder Henkelspass, sei es zum Aufwärmen oder als Lebensprojekt ;-)
Warm-Up (7a): Pumpiger Fun an Henkeln und Leisten mit knifflig-interessanter Abschlusscrux
Dahoam is dahoam (7a): Lange Route, unten griffig-lottrig-easy, oben knifflig-spannnend-super
Nimm mi so wia i bin (7b+): Sloper, Löcher und Leisten, anhaltend & ausdauernd, poliert, hart!

Blick auf den kleinen Barmstein und dessen Westseite. Der Südgrat (6 SL, 2b, Beschrieb, Topo) führt von rechts her auf den Gipfel. Der wirklich lässige Sportklettersektor befindet sich auf der ostseitigen Rückseite des Berges.

Aussicht vom Kleinen Barmstein nach Hallein und den Fluss Salzach.
Karlstein

Der in Deutschland gelegene Klettergarten Karlstein bei Bad Reichenhall war unser Ziel für den letzten Tag. Immerhin liegt er schon ein kleines Stück auf dem Weg nach Hause. Es handelt sich um den grössten und populärsten Klettergarten im Berchtesgadener Land. Hier waren schon in den 80er-Jahren starke Kletterer unterwegs, später trieben die Huberbuam die Skala immer weiter nach oben. So gibt's hier eine grosse Dichte von anspruchsvollen Routen im achten Franzosengrad. Doch selbst für die Kids gibt's einige wirklich lohnenswerte Dreier und Vierer. Eher dünn ist hingegen das Angebot im Bereich 6a-6c, auch sind die eher wenigen guten Touren in diesem Bereich oft extrem poliert. Es erwartet einen meist sehr technische Wandkletterei in oft geschlossenem und etwas glattem Fels. So eine Art Spot, wo man danach sagt 'wer's hier kann, der kann's überall'. Das Gebiet ist südseitig exponiert, weil jedoch in einem ziemlich dichten Laubwald gelegen eher prädestiniert für Frühling und Herbst. Für harte Begehungen sind jedoch tiefe Temperaturen und guter Grip ganz sicher matchentscheidend. Diese waren bei unserem Besuch nicht wirklich gegeben. Trotzdem konnten wir noch den einen oder anderen Punkt holen. Für mehr war einerseits die Zeit zu kurz und andererseits die Arme bereits zu leer.

Nova (7a): ein Mantle und die folgende, kleingriffige Wandsequenz fordern alles. Polierter Fels!
Pfefferminzprinz (7a): unten eine gängige 6b+, dann pumpige Risskletterei und finale Wandstelle
Berliner Kante (7a): technisches hin und her mit 'gewusst wie'-Faktor, glatt, poliert und rutschig

Dann war die Zeit für unseren Aufbruch leider schon wieder gekommen. So musste dann auch der Besuch beim Kuglbachbauern, wo ein Vesper mit Umtrunk nach dem Klettern am Karlstein integral dazugehört, leider ausfallen. Via Lofer - Wörgl - Innsbruck - Arlberg ging's schliesslich flott nach Hause, um den stauträchtigen Strassen im süddeutschen Raum auszuweichen. Alles in allem war's ein toller Aufenthalt gewesen, der leider wie immer zu kurz ausgefallen war, um noch alles zu sehen, zu probieren und zu machen, was wir noch gerne getan hätten. Gut klettern liess es sich ebenfalls, schliesslich geht's da ja um das Meistern der Herausforderung - andererseits habe ich nun auch ein gewisses Verständnis für die Frage zu Beginn des Artikels entwickelt...

1x (am ersten Abend) hat's etwas geschauert, kein grosses Problem allerdings!

Ein super Trip war's mal wieder! Nächstes Mal könnten wir noch etwas Betterluck mit den schwierigen Routen brauchen ;-)

Montag, 28. Mai 2018

Handegg - Fair Hands Line (6a)

Bei der Fair Hands Line handelt es sich um einen der grossen Felsklassiker der Schweiz, bereits anno 1978 erstbegangen durch den Plaisir-Pionier Jürg von Känel mit Martin Stettler. Auch heute noch erfreut sich die trotz moderaten Schwierigkeiten imposante und abwechslungsreiche Linie am Pfeiler der Hangholzegg einer grossen Beliebtheit. Absolut zurecht ist sie in modernen Auswahlführern wie dem Plaisir Sélection oder den Modernen Zeiten aufgeführt. Dennoch war mir die Fair Hands Line bis dato noch unbekannt. Damit es genau jetzt zu einer Begehung kam, hat verschiedene Gründe.

Grimsel Style: Kraftwerke, Granitplatten und Runouts, wo ein Runterfallen wenig empfehlenswert ist.
Erst kürzlich flammte im Internet die Diskussion auf, ob die Route noch zeitgemäss abgesichert sei. Dies rief mir wieder einmal aktiv in Erinnerung, dass hier noch eine Lücke in meinem Palmares zu finden war. Ein eher unwichtiger Faktor eigentlich... doch als dann kurz darauf eine Route gesucht war, wo sich mit Frau und Tochter ein vergnüglicher MSL-Tag verbringen liesse, da war der Gedanke an die Fair Hands Line naheliegend. Kurzer Zustieg, granitige Kletterei, für die Tochter herausfordernde, aber machbare Länge und Schwierigkeit und auch für den Vorsteiger war etwas Spannung und Nervenkitzel garantiert - ideal! Nicht zuletzt kam noch hinzu, dass wir diesen Pfeiler im Sommer 2009 schon einmal zu dritt erklettert hatten, damals via die Mummery (6b+). Dereinst in Utero, heute auf eigenen Füssen - wie sich die Zeiten doch ändern!

Hangholzegg. Aus dieser Perspektive ein 'Dome' wie er fast im Yosemite stehen könnte!
Während die Prognosen mit einigen Tage Vorlauf grandios aussahen, so waren dann vor allem die Textwetterberichte je näher das Ereignis kam, desto pessimistischer. Die Wettermodelle zeigten jedoch am Grimsel sehr eindeutig schon etwas föhnigen Einfluss und ein geeignetes Fenster, somit wollten wir es probieren. Das ging schliesslich perfekt auf und wies darüber hinaus noch den grossen Vorteil auf, dass wir im ganzen Gebiet der Handegg die einzigen Kletterer waren. In einer Route, wo an Sommer-Weekends Grossandrang oder sogar Stau herrscht, ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Ebenfalls zu Gute kam uns, dass der Grimselpass noch geschlossen war. So liess sich die Kletterei noch in Bergstille ohne Motorradgeknatter geniessen. Auch sonst waren die äusseren Bedingungen perfekt. Sehr sonnig, aber nicht heiss, schneefrei und trocken - was will man noch mehr?!? Nachdem wir den 15-minütigen Zustieg hinter uns gebracht hatten, stiegen wir um 11.00 Uhr mit den ersten Sonnenstrahlen ein.

L1, 5b: Kurz und zuerst einfach, die Stelle am zweiten Bolt ist dann jedoch für 5b ein ziemlich heftiges Boulderproblem und dazu noch etwas grössenabhängig. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber meine Tochter konnte diese Moves im Nachstieg tatsächlich sauber ziehen. Obwohl ich ihr dabei genau zugesehen hatte, kann ich mir immer noch nicht richtig vorstellen, wie sie das gemacht hat. Ganz offensichtlich war da jemand mit einer extragrossen Portion Motivation und Auftrieb angereist :-)

L2, 6a: Zügige Länge mit eher plattig-glattem Charakter. Auf dem nicht ganz trivialen Weg zum ersten Bolt besser nicht stürzen, danach zu einer vertrackten Plattenkante mit kniffliger Reiberei. Im Anschluss stecken die  Bolts dann ein wenig im Schilf (d.h. abseits der logischen, einfachsten Kletterlinie, welche sich auch ideal mobil absichern lässt). Zuletzt dann einfacher zum unbequemen Stand. Wenn er nicht belegt ist, so ist jener der Mummery 3-4m rechts oben deutlich kommoder.

Die Route beginnt plattig, ja sogar fast etwas herb. Weiter oben wird's dann fantastisch griffig. Hier das Ende von L4 (5c+).
L3, 6a: Nach meinem Empfinden die schönste Seillänge. Athletisch-steile Turnerei an Rissen, griffigen Schwarten und Verschneidungen, so macht's Freude. Noch dazu könnte man die ganze Seillänge mobil absichern (jedoch nicht nötig, da Bolts vorhanden). Ich fand's doch einen ganzen Zacken einfacher wie L2. Eher schmaler und etwas unbequemer Stand am Ende.

L4, 5c+: Die schwierigsten Moves gleich zu Beginn aus dem Stand raus. Danach geht's immer geradeaus in einfacher werdender Kletterei. Griffig und genussvoll, 'ça deroule', es geht zügig vorwärts (siehe Foto oberhalb, das sagt wohl alles!).

Aussicht vom Stand nach L4 auf die bevorstehende L5 (5b). Super Kletterei an den griffigen Rillen!
L5, 5b: Kurze, aber sehr schöne Seillänge, die an griffigen Strukturen etwas nach links aufwärts zu einem endlich wieder einmal richtig geräumigen und bequemen Standplatz führt.

L6, 5b: Es folgt ein 10-15m langer horizontaler Quergang nach rechts zu einem Klebehaken. Dort dann gerade hinauf zu ein paar Moves bei einem alten Ringhaken, die genaueres Hinschauen erfordern. Schliesslich in easy Kletterei zum Stand, den man sowohl nach 30m beim Doppelhaken wie auch nach 45m am Muniring einrichten kann.

Mrs. Easy Peasy am Ende von L6 (5b) - Platten jeglicher Art und Schwierigkeit werden im Affenzahn erklettert.
L7, 4c: Die einzige Schwierigkeit besteht in wenigen Zügen (links oder rechts möglich) gleich nach dem Muniring. Danach gemütliche Kletterei in sehr schönem Fels, sogar eine Sanduhr ist zu finden (was im Granit ja doch eher selten der Fall ist!).

L8, 5b: Über eine plattige Wandstelle zu (unnötigem, man könnte dort schon ideal legen) BH, der sich zu Beginn von einem sehr schönen, cleanen Riss befindet. Ein paar Klemmgeräte legend und Fingerklemmer platzierend geht's genussvoll auffi. Das Finish dann easy dafür Runout zum Stand.

Super schön strukturierter Fels (kommt auf dem Foto nicht so zur Geltung) am Ende von L7 (4c).
L9, 6a: Achtung, man verkoffere sich nicht direkt hinauf in die 6b+ der Mummery. Um die Kupferplatte zu klettern, hält man sich vom Stand über ein Band ein paar Meter nach rechts. An einigen Schuppen (Cams legen!) hinauf. Nun folgt eine weitere Cruxsequenz der Route, einer diagonalen Rissspur nach rechts oben folgend. Sehr schön! Stand gemeinsam mit der Mummery auf einem Latschenband.

L10, 5a: Die Fair Hands Line führt rechts direkt durch die Wand (die linke Linie ist die Mummery). Nochmals sehr schöne Kletterei in strukturiertem Fels, vermutlich eher ein bisschen schwieriger wie 5a?!? Zuletzt dann plattig und easy aber Runout zum Ausstieg.

5a = Wanderweg, so lautet wohl das Motto. Kurz vor dem Routenende, die erste Hälfte dieser Länge ist dann allerdings schon noch ein ganzes Stück schwieriger wie die letzten Meter, jedoch nochmals super strukturiert.

Ein paar Minuten nach 15 Uhr hatten wir nach rund 4:00 kurzweiligen Stunden der Kletterei den Ausstieg erreicht. Das war jetzt für mich natürlich nicht die grosse Herausforderung gewesen, aber trotzdem eine sehr genussreiche Sache. Für den Rest der Familie hatte es ebenso gut gepasst. So lagerten wir in aller Ruhe etwas die Beine hoch, genossen die Sonne und nahmen einen Vesper, bevor wir uns auf den Rückweg machten. Dieser führt horizontal querend nach rechts (im Aufstiegssinn), nicht den Verhauern nach links oben folgen. Hier und da ein bisschen kraxelnd erreicht man nach rund 10 Minuten die Geleise der Gelmerbahn. Nun sind's nur noch gegen 2000 Treppenstufen zurück zur Talstation. Die Neigung an der steilsten Stelle beträgt über 45 Grad - immer wieder eine eindrückliche Sache! Zuletzt verbleibt noch die kürzlich heiss diskutierte Frage nach einer Sanierung. Meine Meinung:

  • Die schwierigen Stellen sind alle mit grundsoliden Klebehaken gut geboltet, >5c muss man sicher nirgends mehr als 2m über einem Bohrhaken klettern. An den einfacheren Stellen gibt's hingegen tatsächlich weite Runouts mit Gefahrenpotenzial, die oft nicht (oder nicht zuverlässig) mobil zu entschärfen sind. 
  • Unter der Prämisse, dass man keine mobilen Sicherungen legt und die Abschnitte in einfacherem Gelände sicher (d.h. sturzfrei) klettern kann, stecken die Bolts am richtigen Ort. Wer's drauf hat und ein bisschen bold ist, braucht nicht mehr als ein paar Exen. Ob's die ideale Prämisse ist, ist natürlich sehr diskutabel.
  • Es stecken immer wieder Bolts an Stellen, wo man sehr gut mobil sichern könnte. Man könnte wohl 50% der Bolts entfernen und die Route würde weder gefährlicher noch psychisch wesentlich anspruchsvoller (mal von der Tatsache abgesehen, dass man dann an zuverlässigen mobilen Sicherungen statt Bolts klettert). Irgendwie schade, dass die Route nicht in diesem Stil eingerichtet ist. War sie es zur Zeit der Erstbegehung überhaupt?!? Das Topo im Schweiz Plaisir von 1992 zeigt nicht wesentlich weniger fixe Sicherungen wie heute.
  • Mir scheint es am sinnvollsten, die Route so zu belassen, wie sie sich heute präsentiert (an einigen Stellen wäre noch der alte, immer noch steckende Grümpel sauber zu entfernen). Es ist keine Plaisirroute modernen Zuschnitts, jedoch auch kein Harakiri.
  • Wenn man konsequent sein wollte, so könnte man sogar noch einen wesentlichen Teil der Bohrhaken entfernen. Nicht wenige davon stecken unmittelbar neben perfekten, sicheren Placements. Ob man diese 'eingesparten' Bolts dann an den einfacheren, nicht gut absicherbaren Stellen wieder platzieren soll?!? Wohl irgendwie auch nicht zwingend nötig.
  • Die Route voll mit kurzen Abständen durchzubolten scheint mir wenig sinnvoll. Es gibt ja in unmittelbarer Nähe genügend Routen in diesem Stil. Am Pfeiler selber kann man ansonsten die ein wenig schwierigere, mit deutlich mehr Haken ausgestattete Mummery erklettern (welche sich seit unserer Begehung anno 2009 auch schon mit einer Nachrüstung auseinander setzen musste, sie war schon damals gut gesichert).
Haken hin, Haken her, der Abstieg über die Treppe der Gelmerbahn ist jedesmal wieder eindrücklich!
Facts

Handegg - Fair Hands Line 6a (5c+ obl.) - 10 SL, 355m - von Känel/Stettler 1978 - ****;xxx
Material: 1x50m-Seil, 10-12 Express, Camalots 0.3-1

Grosser Klassiker des Schweizer Sportkletterns, der bereits 1978 erstbegangen wurde und auch heute noch sehr lohnende Kletterei bietet. Für Grimselverhältnisse wird einem ein steiles und abwechslungsreiches Menü geboten. Platten, Risse und viele griffige Schuppen bieten hohen Klettergenuss, reine Schleicherei kommt nur sehr selten vor. Die Route wird im Plaisir als "soso" abgesichert bezeichnet. Ich würde eher zu "gut" (d.h. xxx) tendieren. Die schwierigen Stellen sind definitiv gut eingebohrt, in einfacheren Passagen gibt's hingegen hin und wieder weite Abstände, wo man über 20m weit stürzen und sich arg wehtun könnte. Da muss man einfach darüberstehen und sicher klettern. Es empfiehlt sich, ein Set Camalots von 0.3-1 mitzunehmen. Diese kommen jedoch nur punktuell zum Einsatz. So stecken leider neben perfekten Placements Bohrhaken und dort wo die Abstände weit sind, lässt sich dann nur selten etwas unterbringen. Ein Abseilen/Rückzug über die Route ist von überall her problemlos möglich (2x50m-Seil erforderlich). Der originelle und rasche Fussabstieg ist aber natürlich die Methode der Wahl, um zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Das beste Topo findet man im Plaisir Sélection, den man z.B. bei Bächli Bergsport erwerben kann.

Mittwoch, 16. Mai 2018

Hike & Fly: Neuenalpspitz und Gmeinenwies

Nach der ZKM und vor der Auffahrt wollte ich meinen Fingern etwas Erholung gönnen und darum auf alternative Bergaktivitäten setzen. Für eine weitere Skitour mit der Qualität derselben der Vorwoche wäre ich zwar sehr motiviert gewesen. Doch schliesslich waren mir die Prognosen mit Gewittern am Vorabend und Restbewölkung in der Nacht zu unsicher. Zudem hätte alleine schon die längere Fahrzeit ein um mindestens 2h früheres Aufstehen bedingt. Das war mir für eine Pre-Work-Aktivität dann doch zu hart, weshalb ich schliesslich auf einen Trailrun mit Flug im Toggenburg setzte.

Auf der Gmeinenwies (P.1816) im Toggenburg. Hinten links Säntis, mittig Lütispitz, rechts Wildhauser Schafberg.

Blick auf das Restprogramm zum Neuenalpspitz. Der Grat mit seinen Höckern wird überschritten. Gut sichtbar auch das Ostcouloir am Neuenalpspitz, welches hin und wieder auch mit Ski begangen wird. Da werde ich sicher auch wieder einmal vorbeischauen.
Mein Aufstieg begann in Starkenbach. Von hier geht's zuerst zügig durch die Schlucht vom Neuenalpbach bis nach Unterstofel. Danach öffnet sich das Gelände, es wird weitläufiger und es gibt weder zum einen noch zum anderen Gipfel so wirklich direkte Wege. Für mich stellte sich die Frage, in welcher Reihenfolge ich die beiden Höhepunkte angehen wollte. Beiderlei ist möglich, beide sind in der Gipfelregion mit dem Gleitschirm startbar. Ich entschied mich schliesslich, erst zur Gmeinenwies zu gehen. Das Gelände war auch im oberen Teil schon weitestgehend ausgeapert, nur in den Mulden unterhalb der Gipfelregion waren noch einige kompakte Schneefelder zu queren. Nach 1:15 Stunden hatte ich die 950hm bewältigt und das Top erreicht.

Der Startplatz unmittelbar unter den Gipfelfelsen vom Neuenalpspitz ist sehr steil und nur bei optimalen Bedingungen (welche gegeben waren) geeignet. Einige Minuten weiter unten finden sich jedoch geräumigere und weniger steile Möglichkeiten.

Die Thur bei Starkenbach. Bietet sich zur Erfrischung an...
Nun galt es, entlang dem Grat zum Neuenalpspitz zu gehen. Optisch sieht das nach einer langen Strecke aus und es gilt, unterwegs auch noch einige Grathöcker zu überschreiten, wobei an ein paar wenigen Stellen sogar die Hände zum Einsatz kommen (T3+, I). Ein Blick auf die Uhr zeigt aber, dass ich diese Gipfelüberschreitung in nur 20 Minuten geschafft hatte - das würde man rein vom Ansehen her nicht für möglich halten. Auf dem Gipfel selber lässt es sich ob der Steilheit und dem beschränkten Platzangebot nicht nach Süden starten. Nur 30hm weiter unten war aber ein Platz gefunden, wo ich meinen Sir Edmund ausbreiten konnte. Also rasch ins Stringgurtzeug geschlüpft und dank thermischen Aufwind sofort in die Luft gekommen. Keine 10 Minuten später hatte ich unmittelbar neben dem Ausgangspunkt wieder aufgesetzt. Ich gönnte mir noch einen Dip in der glasklaren, aber eiskalten Thur zur Erfrischung - ab zur Arbeit hiess danach die Devise. 

Montag, 14. Mai 2018

Zürcher Klettermeisterschaft 1/2018

...oder "das Leben ist kein Ponyhof", so könnte der Titel von diesem Artikel ebenfalls lauten. Für's Team Dettling war schon lange gesetzt, dass wir an diesem Wettkampf im Griffig in Uster teilnehmen würden. Während die Kinder in Jugendkategorien antreten können, so gibt's für die Erwachsenen grundsätzlich die Wahl zwischen Plausch, Elite oder Ausrede finden und zuschauen. Das mit dem Plausch fiel dieses Mal aus, weil man sich dafür im Vorfeld durch das Klettern von 30 fix installierten Routen hätte qualifizieren müssen. Aufgrund des outdoortauglichen Wetters und Ferien/Feiertagen hatten wir jedoch gänzlich auf Hallenbesuche verzichtet. Somit blieb nur noch die Wahl zwischen Zuschauen und Elite. Und wer will denn schon Däumchen drehen statt klettern. Es sollte nach bald 30 Jahren Bergsport mein erster richtiger Lead-Wettkampf werden...

Unter genauer Beobachtung in Aktion...
Meine Kontrahenten wurden angeführt von einem 9a-Kletterer und bestanden vornehmlich aus wettkampferprobten Kadermitgliedern mit etwa halb so vielen Lenzen, wahrlich gute Aussichten also. Zu klettern waren schliesslich 3 Qualifikationsrouten, wo der Durchstieg (durch die Schrauber, nach dem Wettkampf) mit 7b+, 8a und 8b veranschlagt wurde. Sowas gönne ich mir ja fast täglich zum Frühstück... welche eine Herausforderung. Schliesslich gab es aber nichts mehr zu zweifeln oder zu zögern. Der Moment zum Einsteigen war gekommen und jetzt hiess es, auf den Punkt eine Leistung zu zeigen. Als Felskletterer ein eher ungewohntes Gefühl... geht's um einen Rotpunkt am Limit, so ist zwar auch ein gewisser Druck da. Doch wenn's nicht klappt, dann halt eben vielleicht beim nächsten Versuch. Und klar, bei einem Onsight-Versuch hat man auch nur einen Shot. Aber wen juckt's schon, wenn's nix wird - probiert man halt die nächste Route. Ganz anders beim Wettkampf. Da zählt nur "hier und jetzt", noch dazu vor den Augen vieler Zuschauer.

Wettkampfatmosphäre... auch hier ist einer aus dem Team in Aktion. Bild: Regi & Urs Meili
Mir machte diese Atmosphäre Spass. Aus meiner Zeit als Tennisspieler in der Jugend bin ich mir das Wettkampffeeling gewohnt und fand es stets motivierend - obwohl es da (zumindest subjektiv) jeweils noch um viel mehr ging. Nichtsdestotrotz liess sich der Schwerkraft kein Schnippchen schlagen: jede Route warf mich ab, bevor ich den Umlenker erreicht hatte. Zufrieden war ich am Ende trotzdem. Im Rahmen meiner Möglichkeiten hatte ich einen guten Wettkampf abgeliefert und war weder auf einer einzelnen Route noch im Klassement der Hinterste. Die Augen gingen mir erst richtig auf, als ich nach Wettkampfende in den 3 Qualirouten nochmals einen Versuch gab: in keiner einzigen erreichte ich im Second Go mehr als meine Wettkampfhöhe, schon etwas platt und ohne die Extraportion Motivation (oder die Zuschauer ;-)) ging's teils schlechter als zuvor. Schlussendlich ging ich mit einem echt positiven Feeling nach Hause - es hatte mir wirklich Spass gemacht. Für's Team Dettling war's erst recht ein Erfolg - die Medaille blieb denn auch nicht aus, bravo!


Freitag, 4. Mai 2018

Skitour Hoch Ducan (3063m)

Für den Tag der Arbeit war ziemlich maues Wetter prognostiziert - zumindest wenn man seine Information von einem wichtigen Schweizer Dienstleister bezog. Dieser Institution zu vertrauen ist zwar deutlich besser, wie auf irgendwelchen App-Schund zu vertrauen, aber optimal halt dann eben doch auch nicht immer. Dabei gibt's doch hochauflösende und präzise Modelldaten, die viel adäquatere Information liefern. Diese zeigten für die Region Graubünden einen beinahe uneingeschränkt sonnigen Vormittag. Somit wollten wir ins Sertig aufbrechen, um bei frischen Temperaturen und einem leichten Neuschneezückerlein eine tolle Tour zu geniessen. Unsere Wahl fiel schliesslich auf die Ost-West-Überschreitung des Hoch Ducan - wegen Boden-Luft-Schiessübungen der Schweizer Armee standen ab Sertig auch nicht allzu viele Alternativen zur Verfügung.

Vorhersage der 6h-Sonnenscheindauer. Das sieht in Mittelbünden nach ziemlich uneingeschränkt blauem Himmel aus...

Hier erkennt man dasselbe. Der rote Fleck in Graubünden war übrigens auch in Realität punktgenau am Flüelapass.
Die Webcam im Walserhuus Sertig zeigte uns, dass selbst am Ausgangspunkt noch eine geschlossene Schneedecke lag. Weil die in der Abfahrt benutzten Hänge nach Westen orientiert sind, die Temperaturen tief und die Tour nicht allzu lange waren, konnten wir auf einen extrem frühen Start verzichten. Das war uns mehr als recht, so starteten wir ziemlich gut ausgeschlafen ein paar Minuten nach 8 Uhr zu unserem Unternehmen. Die ersten 400m auf flacher Strecke bis zu Chleinalp war die Strasse geräumt, so dass wir bequemer auf dieser zu Fuss als daneben im Schnee gingen. Danach wurden die Ski montiert. Auf der Güterstrasse ins Chüealptal fanden wir gerade noch einen durchgehenden Schneestreifen vor, doch dieser wird schon in den nächsten Tagen komplett wegschmelzen, so dass man bis in die Gegend von  P.2027 zu Fuss aufsteigen muss (was jedoch kein grosser Verlust ist, die Touren im Chüealptal bleiben auch dann lohnend).

Aufstieg ins Chüealptal auf gerade noch durchgehender Schneedecke...
...später biegt man nach rechts ab und steigt gegen die Bergüner Furgga hinauf...

...hier die Ankunft in derselben - welche eine schöne Gegend!
Etwas vor dem grossen Alpgebäude nahmen wir die Brücke über den Bach und stiegen hinauf Richtung Bergüner Furgga. Die Verhältnisse waren perfekt. Einerseits war das Wetter so gut wie prognostiziert, andererseits war die Schneedecke perfekt durchgefroren, an der Oberfläche jedoch schön griffig. Niemand sonst war zugegen, wir hatten die unberührte Gebirgslandschaft für uns ganz alleine, so soll es sein! Noch schöner wird das Panorama, wenn man den Übergang dann erreicht. Diese Weite mit all den verschneiten Bergen, herrlich! Ebenso eröffnete sich der Blick auf das bevorstehende Restprogramm: etwas Höhe vernichtend führt die normale Route zum Ducanfürggli P.2837. Ob der idealen Bedingungen schien für uns jedoch auch ein direkterer Aufstieg via die steile SE-Flanke zum Vorgipfel P.3021 möglich. Bis weit hinauf ging's sogar noch mit Ski, danach war für den letzten Abschnitt ein Bootpack fällig. Die gemessene Neigung an der steilsten Stelle kurz vor dem Ausstieg betrug 57 Grad!?! Dies allerdings nur über ein paar wenige Meter, ob dem perfekten Trittschnee fühlte es sich nach weniger an.

Steiler Direktaufstieg durch ein Couloir zum Vorgipfel bei P.3021.
Beim Vorgipfel deponierten wie die Ski. Die Crux im Fussaufstieg zum Gipfel folgt gleich zu Beginn, eine etwas herbe, exponierte Traverse in der Nordflanke des Vorgipfels. Vielleicht wäre es auch ohne Steigeisen gegangen, mit diesen und einem Pickel war's jedoch definitiv sicherer und angenehmer. Danach in etwas Auf und Ab ohne besondere Schwierigkeiten zum Hauptgipfel. Anscheinend gäbe es dort ein Gipfelbuch, im tief verschneiten Gelände war es jedoch nicht sicht- bzw. auffindbar. Das Ambiente war super: windstill, sonnig, ein Hammertag. Es war einladend, die Stimmung für längere Zeit zu geniessen - ein Moment, in welchem man die Zeit anhalten können sollte. Nun, dies entpuppte sich wie immer als schwierig und so mahnte uns die fortschreitende Sonne nach einer halben Stunde zum Aufbruch. Zurück ging's zum Vorgipfel, wo alles Material verstaut und die Bretter angeschnallt wurden.

Diese etwas grimmige und exponierte Traverse in der Nordflanke des Vorgipfels ist die Crux beim Gipfelaufstieg...
...danach wird das Gelände einfacher. Wer genau hinschaut, sieht den Autor am Grat unterwegs :-)
Schon bereits der erste, 40 Grad steile Südhang hinab in die Verflachung (Ausstieg der Stapfetenstrasse) war absolut toll zu befahren und weckte Vorfreude auf das Folgende. Nun gibt's zwei Möglichkeiten: a) entweder man überquert den folgenden Kamm zwischen P.2833 und P.2883 südwärts, um dann jenseitig durch das 35-40 Grad steile NW-Couloir abzufahren. Oder b), bei idealen Verhältnissen kann man auch durch ein steiles Couloir (45-50 Grad) mit Mündung bei P.2812 direkt in die riesigen NW-Hänge im Schluss des Ducantals gelangen. Dort gönnten wir uns dann das Vergnügen, beinahe 400hm in einer guten Minute zu vernichten. Der Schnee war hier einfach perfekter White Velvet, sprich homogen-kompakter Untergrund mit einer leicht pulvrig-feuchten Auflage. Eigentlich ist's ja komplett absurd, eine Strecke wo der Aufstieg fast 45 Minuten dauert in einer guten Minute hinunterzubrettern. Aber das Gefühl, so nahe am freien Fall zu sein und doch alles unter Kontrolle zu haben, der Speed und das Adrenalin - das war es mehr als nur Wert!

Ideale Verhältnisse in der Abfahrt, in den NW-Hängen lag sogar etwas Pulver auf kompakter Unterlage...

...der Gewaltshang hinunter ins Ducantal, den wir wie im Rausch befuhren. Die Hammerbedingungen machten es möglich!
Die Fortsetzung war dann nicht mehr ganz gleich grandios. In eher flachem Gelände geht's talauswärts, immerhin war der Schnee noch nicht klebrig, so dass man bequem dahingleiten konnte und hin und wieder sogar ein paar Schwünge in den Schnee zeichnen konnte. Eindrücklich war vor allem der Blick auf die gewaltigen Lawinen, welche in der NW-Flanke des Hoch Ducan abgegangen waren, Zeugen des schlechten Schneedeckenaufbaus in Mittelbünden. Mit Anrisshöhen von >1m waren hier hektarweise Schnee abgegangen, die Ablagerungen stauten sich meterhoch im Talboden. Bei der (demontierten) Brücke bei P.2044 überquerten wir auf einem Lawinenkegel den Bach und mussten kurz die Skis ausziehen, um die Seitenmoräne zu ersteigen. Der letzte Abschnitt zurück nach Sertig war dann kein grosser Genuss mehr, man konnte aber bequem bis kurz vor die Terrasse des Gasthauses fahren und die Ski im Bach waschen. Bei sehr angenehmem Klima gab's auf der Terrasse vom Walserhuus Speis und Getränk - dies bei idealem Blick auf die immer noch vorhandenen Eisfälle am Chachlengstell, dem klassischen Eisklettergebiet. Nein, darauf hatten wir heute keinen Appetit mehr - der war durch diese grandiose Skitour gestillt.

Gewaltige, grossflächige Abgänge im Ducantal, wobei fast die gesamte Schneedecke mitgerissen wurde.

Tourenausklang... die Eisfälle in Bildmitte wären noch da... der klotzige Berg darüber ist der Hoch Ducan.

Facts

Hoch Ducan (3063m) von Sertig via Bergüner Furgga mit Abfahrt ins Ducantal
Total 1300hm und 12km Distanz. Ski-Schwierigkeit ZS+, Fussaufstieg WS
Ausrüstung: Skitourenausrüstung, Steigeisen, Leichtpickel
Hinweis: Schiessanzeige von S-chanf beachten!

Karte mit unserer Route, gestrichelt die Normalabfahrt vom Hoch Ducan ins Ducantal. Quelle: map.geo.admin.ch